Cover-Bild Der eiserne Gustav
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26,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Aufbau
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: Klassisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 831
  • Ersterscheinung: 11.10.2019
  • ISBN: 9783351037604
Hans Fallada

Der eiserne Gustav

Roman. Urfassung
Jenny Williams (Herausgeber)

Falladas großer Roman, von allen politischen Eingriffen befreit – erstmals mit dem ursprünglichen Schluss. Für die Erstausgabe des »Eisernen Gustav« (1938) war Hans Fallada gezwungen, den Schluss zu ändern. Goebbels ließ den Text wegen »fehlender Propagandawirkung« nicht genehmigen. 1962 rekonstruierte Günter Caspar für den Aufbau Verlag die verschollene Urfassung, die seither als die gültige angesehen wird. Die Fallada-Biographin Jenny Williams kann nun zeigen, dass hier allerdings zahlreiche Passagen vom Originaltext fehlen: Offenbar standen sie den damaligen kulturpolitischen Vorgaben in der DDR entgegen. Jetzt erscheint der Roman endlich so, wie ihn sein Verfasser gewollt hatte. Berlin 1914–1924: Der Betrieb des Droschkenkutschers Gustav Hackendahl kann neben der Automobil-Konkurrenz nicht bestehen. Da setzt er trotzig einen Traum in die Tat um – eine letzte Reise mit der Droschke von Berlin nach Paris. Die Textfassung, die Falladas Original so nahe kommt wie keine bisher publizierte Fassung. Mit einem Nachwort der Fallada-Forscherin Jenny Williams. »Eine notwendige Neuausgabe – von allen Eingriffen befreit (und dadurch rund 30 Seiten länger) und eingehend kommentiert: mit ursprünglichem Schluss und ohne retuschierte Figuren und Zeitbilder.« Klaus Bellin, Neues Deutschland »Ein Zeitpanorama voller interessanter Figuren und Szenen, die man so schnell nicht wieder vergisst.« Jens Bisky, Süddeutsche Zeitung

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.02.2020

Rekonstruierte Fassung des Klassikers

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Nun habe ich es doch geschafft. Immer mal wieder habe ich mir vorgenommen, etwas von Hans Fallada zu lesen. Dass es nun mit „Der eiserne Gustav“ ein mit gut 800 Seiten ziemlich umfangreiches Buch von Fallada ...

Nun habe ich es doch geschafft. Immer mal wieder habe ich mir vorgenommen, etwas von Hans Fallada zu lesen. Dass es nun mit „Der eiserne Gustav“ ein mit gut 800 Seiten ziemlich umfangreiches Buch von Fallada geworden ist, liegt einzig und allein daran, dass der Aufbau-Verlag 2019 eine Neuausgabe des Buches herausgebracht hat.

Ich weiß nicht warum, aber ich habe Fallada immer in die Rubrik „Heimatdichter“ einsortiert. Was für ein Irrtum! Mit „Der eiserne Gustav“ begibt sich Fallada mitten hinein in die Weimarer Republik. Von Heimatdichtung keine Spur. Die Verletzlichkeit der Menschen steht vielmehr im Vordergrund seines Buches. Und so wie die neu gegründete Republik am Zerbrechen ist, zerbrechen auch die Figuren des Werkes.

Gustav Hackendahl ist die Hauptfigur – der „eiserne Gustav“, der sich nichts anhaben lässt. Auch dann nicht, als die wirtschaftliche Lage aussichtslos erscheint, bleibt er seinem Beruf treu, dem Droschkenkutscher. Die vielen Automobile? Als eine Modeerscheinung tut er sie zunächst ab. Die Kriegsanleihen? Futsch sind sie. Hackendahl verliert nach und nach sein gesamtes Vermögen. Aus dem großen Unternehmer mit Fuhrbetrieb wird schließlich wieder der Droschkenfahrer. Alles, was er aufgebaut hat, verliert er wieder.

Zuhause regiert er mit eiserner Hand. Seine fünf Kinder leiden unter seiner tyrannischen Art. Sie entfernen sich nach und nach vom Elternhaus. Nur das jüngste Kind, Heinz, hält den Kontakt zu den Eltern aufrecht. Fallada stellt das Leben aller fünf Kinder dar und präsentiert so das Schicksal einer Familie zwischen Weltkrieg und Weimarer Republik, genauer: zwischen 1914 und 1924.

Otto, der älteste Sohn, stirbt an der Front. Sein Bruder Erich wird zum Schieber und verdient sein Geld mit krummen Geschäften. Heinz hingegen arbeitet in einer Bank, gehört aber bald zum Heer der Arbeitslosen. Die beiden Töchter stehen für ganz unterschiedliche Lebensentwürfe: während die eine Oberin in einem Krankenhaus wird und ihr Vater ihr peinlich ist, gleitet die andere in die Kriminalität ab.

Nur an zwei Stellen wirkt das Buch holzschnittartig erklärend: bei der Versuchung von Heinz durch Erichs Freundin und bei Evas Abgleiten in die Kriminalität. Hier beschreibt Fallada sehr ausführlich die moralische Verfallenheit, hier wäre weniger mehr gewesen.

Ansonsten hat mich Falladas „Eiserner Gustav“ überzeugt. Das Leben ist nicht in Schwarz-Weiß dargestellt, das Leben ist kompliziert. Ob man im Leben alles richtig macht – die Figuren können es kaum für sich selbst beantworten. Zu sehr sind sie hineingeschlittert in das, was ihr Leben ausmacht. Zu sehr haben sie alle unter den Nöten der Zeit gelitten. Niemand aus der Familie eignet sich zum Helden, niemand ist ein reiner Sympathieträger. Das hat für mich das Buch sehr lesenswert gemacht. Fallada bietet seinen Lesern Figuren mit Ecken und Kanten.

Grund für diese Neuausgabe durch den Aufbau-Verlag ist der Versuch, eine rekonstruierte Fassung zu bieten. Denn Hans Fallada war genötigt, sein Buch umzuschreiben, damit es auch im Dritten Reich veröffentlicht werden darf. Dem hat sich Fallada widerwillig gebeugt, nachdem er sich gegen eine Emigration nach England entschieden hat. Allerdings: das ursprüngliche Manuskript Falladas ist verschollen. So hat Herausgeberin Jenny Williams alle möglichen Indizien zusammengetragen, um den letzten Teil des Romans, den allein Fallada veränderte, in Detektivarbeit zu rekonstruieren.

Im Nachwort des Buches wird ausführlich darauf eingegangen, wie Fallada im August 1938 den Schluss seines Buches nach den Direktiven Joseph Goebbels‘ umschrieb. Ein Schluss, den Fallada in einem Brief selbst als „fürchterlichen Bockmist“ und „blödes Gehandwerkere“ bezeichnete. Es waren wohl die verkauften Filmrechte, die Fallada überhaupt dazu brachten, so viel Energie in diesen neuen Schluss zu stecken. Freilich: weder wurde aus dem Film etwas, noch hat sich „Der eiserne Gustav“ in Deutschland gut verkauft.

Ausführlich, fast schon zu ausführlich, geht das Nachwort auch auf die DDR-Ausgabe ein, die deutlich mehr als den Schluss neu bearbeitete – politisch motivierte Korrekturen.

Hans Falladas Wunsch war es, den „Eisernen Gustav“ nach dem Dritten Reich neu herauszubringen. Sein früher Tod 1947 machte ihm dies unmöglich. Nun hat der Aufbau-Verlag diesen Wunsch Falladas erfüllt.

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Veröffentlicht am 02.02.2020

Ein wichtiges Stück Zeitgeschichte, wieder aktuell

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REZENSION - Den „eisernen Gustav“ glauben viele zu kennen. Doch der Rühmann-Film von 1958 hat mit Hans Falladas gleichnamigem Roman von 1938 nichts zu tun, schildert er doch nur die Kutschfahrt des wahren ...

REZENSION - Den „eisernen Gustav“ glauben viele zu kennen. Doch der Rühmann-Film von 1958 hat mit Hans Falladas gleichnamigem Roman von 1938 nichts zu tun, schildert er doch nur die Kutschfahrt des wahren Berliner Droschkenkutschers Gustav Hartmann (1859-1938) im Jahr 1928 nach Paris. Fallada griff dieses damals öffentlichkeitswirksame Ereignis lediglich gegen Ende seines Romans um seinen fiktiven Kutscher Gustav Hackendahl auf. Doch auch wer Falladas „Der eiserne Gustav“ gelesen hat, hatte nie seinen Originaltext, der verschollen ist, sondern nur einen bearbeiteten Text in der Hand. Erst jetzt nach über 80 Jahren erschien im Aufbau-Verlag eine Ausgabe mit jenem Ende, „wie ihn der Verfasser gewollt hatte“, und in einer dem Urtext nahekommenden Fassung, wie es Fallada-Forscherin und Herausgeberin Jenny Williams in ihrem ausführlichen Nachwort nachweist.
Hauptfigur ist der Berliner Droschkenkutscher Gustav Hackendahl. Wir begleiten den kleinbürgerlichen, in der wilhelminischen Zeit zu Disziplin und Gehorsam erzogenen Mann, der es bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs durch harte Arbeit zum Unternehmer mit 30 Droschken geschafft hatte, in den nun nachfolgenden Jahren 1914 bis 1924. Fallada zeigt am Beispiel des wirtschaftlichen Untergangs Hackendahls und des Zerfalls seiner Familie zugleich den Zerfall des gesellschaftlichen und politischen Systems nach dem verlorenen Krieg, nach Auflösung des Kaiserreichs und in den Wirren der Weimarer Republik, was letztlich in der Machtübernahme der Nationalsozialisten endete. Gustav Hackendahl muss erleben, wie seine von ihm „eisern“ verteidigten Werte – Ordnung, Gehorsam, Disziplin – untergehen. Andererseits war es gerade die Strenge des Vaters, die für die Trennung seiner erwachsenen Kinder vom Elternhaus sorgte. Nur den Jüngsten lässt der Autor zu einem „anständigen Menschen“ heranwachsen.
Fallada hatte seinen Roman bewusst vorzeitig 1924 enden lassen, um nicht in die Sphären der Nazis zu geraten. Doch noch in der Andruckphase verlangte Goebbels eine Verlängerung der Handlung bis zur NS-Machtübernahme. Ausgerechnet Kutscher Hackendahl und sein „anständiger“ Sohn sollten der NSDAP beitreten. Fallada gab am Ende nach - sein Buch wäre wegen „fehlender Propagandawirkung“ nicht zugelassen worden - und ergänzte einen „Nazi-Schwanz“, wie er es in Briefen selbst formulierte.
Zwanzig Jahre später erschien in der DDR eine erneut bearbeitete, diesmal dem kommunistischen System gefällige Romanfassung: Zwar war der „Nazi-Schwanz“ gestrichen, in vorauseilendem Gehorsam aber auch weitere Textpassagen, die den DDR-Funktionären hätten missfallen können. Nach jahrelanger Forschung und Textvergleichen erschien endlich im Herbst 2019 eine „von allen politischen Eingriffen befreite“ Fassung des Fallada-Textes, die dem verschollenen Originalmanuskript wohl am nächsten kommt.
Trotz seiner 80 Jahre ist „Der eiserne Gustav“ immer noch aktuell und in seiner Authentizität aufrüttelnd, wie er von Fallada einst gedacht war. Nicht wenige vergleichen unsere heutigen politischen Verhältnisse mit denen der Weimarer Republik und meinen auch, einen Verfall unseres gesellschaftlichen Systems zu erkennen. Manche vermissen auch heute das notwendige Maß an Disziplin und Ordnung. Wieder erstarken in Deutschland die extremen politischen Flügel. So kann man diese Fallada-Neuausgabe als immer noch aktuelle und unbedingt lesenswerte Mahnung verstehen.

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