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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.01.2017

Englischer Krimi in Bestform

Mord mit spitzer Feder
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Nach dem Erfolg der Krimiserie um die Partner Mitchell & Markby macht auch die neue Reihe um Jess Campbell richtig Lesespaß.

In diesem Band sorgt die durch Hochwasser angeschwemmte Leiche einer jungen ...

Nach dem Erfolg der Krimiserie um die Partner Mitchell & Markby macht auch die neue Reihe um Jess Campbell richtig Lesespaß.

In diesem Band sorgt die durch Hochwasser angeschwemmte Leiche einer jungen Frau für Probleme. Ausgerechnet im Bootssteg eines neu aus London zugezogenen Schriftstellers wird der Körper gefunden. Seltsam, dass Neil die junge Frau auch noch erkennt, wo sich doch ihre Leben eigentlich kaum berühren und was ist mit diesem seltsamen Kreis selbsternannter Schriftsteller, die sich regelmäßig treffen?

Ann Granger ist vielleicht d i e Autorin für den klassischen englischen Kriminalroman. Meistens geht es verhältnismäßig unblutig zu, auch wenn es nicht an Opfern mangelt, aber viel wichtiger ist der Autorin die genaue Beschreibung der Menschen und ihrer Umgebung. Oft tun sich im wohlsituierten englischen Landleben Abgründe auf, die Fassaden bröckeln schnell, wenn die Autorin ihre Ermittler auf die Jagd schickt. Dazu kommt das sehr menschlich geschilderte Team um die Kommissarin Jess Campbell, die ich sehr sympathisch und gleichzeitig taff finde.
Der Krimi ist spannend, die Typen so schön englisch exzentrisch vom strickenden Möchtegernschriftsteller bis hin zum Eulenbeobachter und das Ende absolut überraschend.


Veröffentlicht am 30.12.2016

Der Metzger muss lesen

Der Metzger
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Adrian Willibald Metzger ist in seinem Wiener Bezirk verwurzelt. Er hat seinen Würstelstand, seine Laufwege, seine Lokale, kurz gesagt – seinen Kosmos. Just an seinem bevorzugten Würstelstand wird er Zeuge ...

Adrian Willibald Metzger ist in seinem Wiener Bezirk verwurzelt. Er hat seinen Würstelstand, seine Laufwege, seine Lokale, kurz gesagt – seinen Kosmos. Just an seinem bevorzugten Würstelstand wird er Zeuge eines Unfalls, der nur einen Zweck hat, den Stand zu zerstören, einen der wenigen freien, alle anderen hat der Großmetzger Woplatek schon seinem Imperium einverleibt. Als der Woplatek noch ein Handwerksmeister in seinem Bezirk war, war der Willibald dort Stammkunde. Vertrieben hat ihn nur der Umgang Woplateks mit seinem Sohn Hansi, der so ganz aus der Art geschlagen war. Statt mit Würsten und Stelzen hat er sich lieber mit Büchern umgeben. So wurde Hansi bald in ein Internat verbannt und später in die Psychiatrie abgeschoben, wo einer der Suizidversuche erfolgreich war.
Aber dann stolpert der Metzger über ein Buch eines hochgelobten jungen Autors und seine Alarmglocken beginnen zu schrillen.
Schon zum siebten Mal darf Willibald Metzger seinem Bauchgefühl folgen und dorthin sein Nase stecken, wo niemand was Anrüchiges vermuten würde. Thomas Raab hat seinen Helden so unverwechselbar gestaltet, dass er jedem Leser lebendig wird. Ein Individualist, ein wenig brummig, so wie man sich den Wiener halt vorstellt. Aber trotzdem mit Empathie, Aufmerksamkeit und eine Art Schmäh ausgestattet, mit der sich auch Nichtösterreicher sehr gut anfreunden können. Die Sprache des Buches ist unverwechselbar, genau wie seine Figuren. Mir gefällt der ironische, aber dabei immer warmherzige Ton.
Ich kann diesen Krimi nur wärmstens empfehlen.

Veröffentlicht am 24.12.2016

Dora Maar und Pablo Picasso

Dora und der Minotaurus
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Wenn der Name Dora Maar fällt, denken alle ganz automatisch an Pablo Picasso. Das ist die Tragödie im Leben der französisch-argentinischen Künstlerin.
Die Autorin beginnt mit einem raffinierten Kunstgriff, ...

Wenn der Name Dora Maar fällt, denken alle ganz automatisch an Pablo Picasso. Das ist die Tragödie im Leben der französisch-argentinischen Künstlerin.
Die Autorin beginnt mit einem raffinierten Kunstgriff, sie lässt ein unbekanntes Tagebuch der Fotografin und Surrealistin auftauchen und damit Dora Maar selbst zu Wort kommen. Ihre Kindheit in Argentinien, die enge Beziehung zum Vater und später ihre Zeit in Paris, als sie als surrealistische Fotografin Erfolge feiert. Nicht nur künstlerisch wagt sie Grenzüberschreitung, auch als Frau lotet sie ihre Grenzen aus, erforscht ihre Sexualität. Sie ist befreundet mit Breton, Bataille, Lacan und wird Teil der bewegten Pariser Kunstszene. Bis sie auf Pablo Picasso trifft, der ihr Leben erschüttert. Als Geliebte und Muse teilt sie 8 Jahre sein Leben, sehr schwierige Jahre, denn Picasso ist ein Egomane, der völlige Selbstaufgabe verlangt. Er kränkt sie mit offensichtlicher Untreue sei, missachtet ihr eigenes Talent, bis Doras eigene künstlerische Betätigung fast versiegt.
Das Bild „Dora und der Minotaurus“, das auch titelgebend für den Roman wird, ist symptomatisch. Eine Frau, unterlegen und verschlungen von einer Bestie, die in der Unterwerfung auch Lust empfindet. Dora fesselt Picasso durch ihre besondere Ausstrahlung, sie wird für ihn Muse und eine ganze Reihe von Bildern dokumentiert die besondere Beziehung, die für Dora Maar auch nach Ende der Liaison lebensbestimmend wird. Sie findet danach nicht mehr zu ihrer künstlerischen Kraft zurück, kämpft mit Depressionen und zieht sich in eine selbstgewählte Isolation zurück.
Der Roman hat mich fasziniert, der Autorin gelingt es einfühlsam, die Persönlichkeit Dora Maars darzustellen, ihre Unsicherheit und Einsamkeit zu beschreiben, die Dora hinter einer undurchdringlichen Maske aus Unnahbarkeit und Arroganz versteckte. Ein außergewöhnliches Portrait einer außergewöhnlichen Frau, die einen hohen Preis für ihre Liebe zu Picasso zahlte. Ich werde zukünftig Picassos Bilder seiner Muse mit anderen Augen sehen.

Veröffentlicht am 20.12.2016

Krimi mit Tiefgang

Nadjas Katze
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Nadja Schwertfeger kann keinem Antiquariat widerstehen und ganz besonders, wenn sie auf vergessene Autoren stößt. So findet sie ein kleines Büchlein eines Paul Anderweg, die sie elektrisiert. Sie spielt ...

Nadja Schwertfeger kann keinem Antiquariat widerstehen und ganz besonders, wenn sie auf vergessene Autoren stößt. So findet sie ein kleines Büchlein eines Paul Anderweg, die sie elektrisiert. Sie spielt in einem kleinen Dorf auf der Alp in den letzten Kriegstagen und beschreibt ganz nebenbei ein handgearbeitetes Stofftier, eine schwarzgraue Katze mit rosa Seidenpfötchen.
Diese Katze ist Nadjas Kinderspielzeug, das einzige was ihr von ihrer leiblichen Mutter geblieben ist, die wohl eine Zwangsarbeiterin war und sie zurücklassen musste. So jedenfalls die Erklärungen ihrer Adoptiveltern.
Nadja beginnt den Spuren der Erzählung zu folgen und findet tatsächlich das Dorf und wird bei der weiteren Suche bald auf Hans Berndorf verwiesen, einem ehemaligen Polizeibeamten, der jetzt als Privatermittler in Berlin lebt. Beide beginnen den Spuren der Erzählung und des Autors zu folgen, vor allem da Berndorf auch merkt, dass seine Kindheit in der kleinen Erzählung Erwähnung findet. Sie müssen tief in der deutschen Vergangenheit graben, auch wenn ihre Suche und Fragen oft Misstrauen und Ablehnung hervorruft.
Das Buch wird als Kriminalroman bezeichnet, aber das es mehr als nur ein Krimi. Es ist ein spannendes Stück Zeitgeschichte, die hier erzählt wird. Die letzten Kriegstage, das schnelle Vergessen und die Umdeutung der Geschehnisse wird Stück für Stück ans Licht geholt und dann auch ein Verbrechen, das nun nach 70 Jahren ans Licht kommt, auch wenn die Täter schon längst nicht mehr leben.
Mich hat das Buch unglaublich gefesselt und interessiert, und besonders die beiden etwas spröd gezeichneten Hauptpersonen haben mich angesprochen. Ich mag den besonderen Stil Ritzels, die seine Krimis auszeichnen und aus dem Genre hervorheben.

Veröffentlicht am 16.12.2016

Wie weit darf man gehen

Sparifankerl
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Es ist schon mehr als ungewöhnlich, wenn sich der selbstverliebte und überhebliche Pathologe Dr. Dyrkhoff mal leutselig gibt und das Ermittlerteam um Kommissar Sauerwein mit Torte verwöhnt. Ihm sind einige ...

Es ist schon mehr als ungewöhnlich, wenn sich der selbstverliebte und überhebliche Pathologe Dr. Dyrkhoff mal leutselig gibt und das Ermittlerteam um Kommissar Sauerwein mit Torte verwöhnt. Ihm sind einige Merkmale an verstorbenen Männern aufgefallen, zu wenig um den Totenschein zu verweigern, doch seltsam, weil es ihm öfters begegnet.
Mehr aus Freundlichkeit, als aus Überzeugung sehen sich Sauerwein und Eva die Fälle näher an und müssen tatsächlich zugeben, dass ihr Bauchgefühl Dr. Dyrkhoff Recht gibt, auch wenn sie keine Ermittlungsansätze sehen. Alle Männer waren verheiratet und die Ehefrauen hatte alle sehr häufig häusliche Unfälle, blaue Flecken, Prellungen, aber nie kam es zu einer Anzeige wegen häuslicher Gewalt. Aber das macht das Team aus, sie halten zusammen. Allmählich verdichten sich die Verdachtsmomente, nicht zuletzt durch die findigen Ermittlungsansätze von Eva Neunhoeffer und ihren Kollegen. Ganz besonders gut fand ich hier den Part, den die sonst so gern unterschätzte Sekretärin Nora einnimmt
Der dritte Krimi von Susanne Rößner ist dieses Mal etwas ernster im Ansatz als die beiden Vorgänger. Sicher liegt das am Fall, der bald alle Kollegen an ihre Grenzen bringt. Sind es Morde? Was sind die Motive? Kann man die wasserdichten Alibis der Ehefrauen knacken?
Auch wenn auch in diesem Band immer wieder der Humor und der Witz anklingt, die Rößners Krimis so unverwechselbar machen, es ist ein ernstes und spannendes Thema, das diesen Krimi ausmacht. Nicht nur die Ermittler des Kommissariats Rosenheim, auch die Leser werden gefordert. Bis zur letzten Seite bleibt es spannend, auch weil immer wieder ganz geschickte Wendungen auftauchen. Die Charaktere sind wieder gut gezeichnet, Susanne Rößner kann mit einigen Sätzen schon eine Figur formen.
Es gibt einen kleinen Kritikpunkt, den ich erwähnen möchte. Der Titel „Sparifankerl“ (Teufel im bayrischen Brauchtum) wirkt fast zu verniedlichend für das Thema des Krimis.