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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.01.2017

Unterhaltsam, amüsant, lehrreich

What if? Was wäre wenn? - Wirklich wissenschaftliche Antworten auf absurde hypothetische Fragen
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Randall Munroe ist Physiker und zeichnet unter xkcd.com mittlerweile hauptberuflich Comics. Dazu beantwortet er Fragen, die sich mit allen möglichen Gegebenheiten befassen. Die antworten auf dieses Fragen ...

Randall Munroe ist Physiker und zeichnet unter xkcd.com mittlerweile hauptberuflich Comics. Dazu beantwortet er Fragen, die sich mit allen möglichen Gegebenheiten befassen. Die antworten auf dieses Fragen sind in What if? Was wäre wenn gesammelt worden. Getreu dem Motto „Es gibt keine dummen Fragen“ geht Munroe seine Antworten akribisch an, rechnet und forscht nach, überlegt, welche Referenzquelle denn aussagekräftig ist, wenn es zu hypothetisch wird.
Diese Einstellung ist es, die Munroe nicht einfach nur in knappen Sätzen eine einfache Antwort geben lässt. Er geht den Dingen viel mehr auf den Grund. Statt „Ja“ oder „Nein“ erklärt er viel mehr, was tatsächlich geschieht, würde jemand von jedem Element des Periodensystems eine Probe sammeln wollen und wie wahrscheinlich es ist seinen Seelenverwandten zu finden. Mit Abstecher in Physik, Chemie und Mathematik geht er dabei grundlegenden Fragen auf den Grund, die im Grunde gar nicht gestellt werden. Wie Schwerkraft funktioniert und Beschleunigung. Oder warum beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre Hitze entsteht.
Die Szenarien, die bei Munroes Erläuterungen entstehen, sind so auch meist regelrechte Schreckensszenarien. Immer wieder lässt er die Erde hypothetisch auf Grund laufen oder schlicht in die Luft jagen. Diese realistischen und faktenreiche Entwürfe zeigen dabei nicht nur, wie schnell wir unseren Planeten zerstören könnten, sondern auch, wie wichtig manche Regeln und Gegebenheiten sind. Immer wieder zeigt sich dabei eine mitreißende Begeisterung für das, was die Welt im Innersten zusammen hält. Hätten unsere Physiklehrer nur mal mehr dieser Begeisterung gezeigt.
Wie viel Spaß ihm seine Antworten machen, zeigt sich für mich besonders dann, wenn er zwar akribisch, aber nicht unbedingt ernst ist. Eine wunderbare Ironie und eine Faszination dafür, dass eben doch so vieles anders sein könnte und gerade dadurch, dass es das nicht ist, uns und unsere Existenz erst ermöglicht. Dass es dabei nicht immer um Realität geht, sondern eben oft Grenzen verwischt oder auch gänzlich hinter sich gelassen werden, zeigt wie viel Phantasie in der Naturwissenschaft liegen könnte. Und das nicht nur, wenn Munroe beantwortet, wieviel MACHT-Energie Yoda hat.
Wer nun aber glaubt, Munroe würde nur leicht abgedrehte Fragen beantworten, irrt. Er stellt sich auch alltäglichen Rätseln, wie dem, ob eine Tasse Tee durch umrühren am Ende gar wärmer wird, statt kühler, oder wie es möglich wäre, Wikipedia auszudrucken und dabei auch aktuell zu halten. Ja, oft sitzt ihm dabei der Schalk im Nacken, aber gerade das ist doch das Unterhaltsame daran. Kein trockenes: So ist es eben, sondern ein buntes „Was wäre wenn“.
Und auch Munroe beantwortet nicht jede Frage. Für manche Exemplare hat er eine eigene Kategorie. Mit einem schlichten Comic kommentiert er dann und kommt dabei zu ganz eigenen Schlüssen. Ein wunderbares Buch, das jedem zu empfehlen ist.

Veröffentlicht am 06.01.2017

Ein großer Spaß, Wissen und Erstaunliches

Die STAR TREK Physik
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Die Grundlage ist simpel. Wie physikalisch ist Star Trek überhaupt? Immerhin nähern wir uns dem 23 Jahrhundert, von dem dort immer die Rede ist, immer mehr an. Wir sprechen mit Cortana, Siri und Alexa, ...

Die Grundlage ist simpel. Wie physikalisch ist Star Trek überhaupt? Immerhin nähern wir uns dem 23 Jahrhundert, von dem dort immer die Rede ist, immer mehr an. Wir sprechen mit Cortana, Siri und Alexa, unsere Autos parken selbst, wir nutzen schnurlose Minicomputer und wissen, wie es auf dem Mars aussieht. Wie viel ist also dran an der Idee des Beamens, dem Warp-Antrieb, den Replikatoren und den vielen außerirdischen Rassen. Auf diese Fragen sucht Metin Tolan Antworten und geht dabei sehr akribisch vor, immer mit der Prämisse, dass Star Trek korrekte physikalische Angaben macht. Die ist natürlich mal mehr und mal weniger ernst zu verstehen. Humor hat das Buch, nicht nur gegen Ende, wenn der Autor schreibt: „Das wollen wir nicht näher diskutieren, da es gegen grundlegende Prinzipien verstößt und eindeutig Physik erfordert, von der wir noch nicht einmal wissen, dass wir sie nicht wissen.“
Ist also alles Quark, was die Enterprise uns zeigt? Mitnichten. Und hier wird es richtig interessant. Zum einen fand ich es extrem Spannend mehr über die Serie und ihre Entwicklung zu erfahren. Wichtige Infos liefert das Buch hier am Anfang, aber auch immer wieder zwischendrin. Dass das Beamen nur erfunden wurde, weil Shuttlelandungen zu kostspielig in ihrer filmischen Umsetzung gewesen wären beispielsweise. Und wie sich der Erfolg einer Serie, die erst keiner zeigen wollte, so umfassend durchsetzen konnte. Dann aber kommt der Autor zu seinem eigentlichen Thema, der Physik und ich war hin und weg.
Nah an verschiedenen Episoden der unterschiedlichen Star Trek Serien zeigt Metin Tolan verschiedene Annahmen des Star Trek Universums auf. Dabei geht er von einer gemeinsamen physikalischen Grundlage aus, die real von den verschiedenen Drehbuchautoren wahrscheinlich nicht ganz so eingehalten wurde. Dennoch ist diese Prämisse zur Erörterung der Physik natürlich unumgänglich. Beispielsweise wenn es an den Warp Antrieb geht und das Buch ein Schaubild zeigt, dass die Geschwindigkeit zu den unterschiedlichen Warp-Stufen zeigt. Und tatsächlich zeigen sich da Gesetzmäßigkeiten und Regeln. Ob das nun zeigt, dass Ordnung in jedem Chaos zu finden ist oder es tatsächlich eine Grundlage für die Ideen in Star Trek gibt bleibt eine ungestellte Frage.
Wie nah die Möglichkeiten der Enterprise an die heutige Physik herangehen, ist wirklich erstaunlich, aber auch, wo die Grenzen sind. So oft Metin Tolan auch gesteht, dass die physikalischen Prinzipien durchaus da sind, allein die Umsetzung (noch) nicht gelingt, so klar wird er auch an Punkten, die nach unsere Physik nicht möglich sind oder bei schlichten Fehlern in der Serie. Dass das Buch dafür Raum hat, zeigt, dass es mehr ist, als ein Büchlein für Trekkies. Und es zeigt, wie wichtig der Originalton ist, denn mehr als einmal sorgt eine schlampige Übersetzung für Fehler. Etwa wenn Spock die Anzahl der Triffles in einer Getreidekammer berechnet und eine Zahl nennt, die im Englischen auf eine einfache Regel zur Errechnung von Populationen beruht und exakt ist, im Deutschen aber eine Ziffer falsch übersetzt wurde und die Zahl somit falsch wäre.
Neben den Anekdoten aus den Star Trek Serien zeigt das Buch aber vor allem eines: Physik, die Spaß macht. Denn auch wenn die Grundfrage vielleicht die Suche nach Warp-Antrieb etc. ist, befasst sich die Star Trek Physik mit realer Physik, mit künstlichen Herzen und Speichergrößen. Es nimmt die Frage nach der Machbarkeit der Serie in der Realität und zeigt dann, was unsere Physik kann. Ein großer Spaß, Wissen und Erstaunliches. Einfach toll.

Veröffentlicht am 20.12.2016

Endliche Platz für Kate

Die störrische Braut
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Die störrische Braut von Anne Tyler ist die Adaption der Widerspenstigen Zähmung von Shakespeare aus dem Hogarth Projekt, das im Deutschen Knaus veröffentlicht. Übersetzt hat das Buch Sabine Schwenk. Veröffentlicht ...

Die störrische Braut von Anne Tyler ist die Adaption der Widerspenstigen Zähmung von Shakespeare aus dem Hogarth Projekt, das im Deutschen Knaus veröffentlicht. Übersetzt hat das Buch Sabine Schwenk. Veröffentlicht wurde es mit 224 Seiten im Oktober 2016. Danke an den Verlag und das Bloggerportal für mein Exemplar.
Kate Battista hasst Kinder und arbeitet in einem Kindergarten. Sie isst am liebsten Trockenfleisch und liebt ihren Garten, muss sich aber um ihren Vater und die kleine Schwester kümmern, die die nervige Angewohnheit hat am Ende der Sätze die Stimme zu heben. So was findet Kate einfach dumm. Sie ist gefangen in ihrem Trott und hat sich damit abgefunden. Da möchte ihr Vater plötzlich, dass sie seinen Assistenten heiratet, damit der nicht nach Russland abgeschoben ist. Kate ist entsetzt. Ein Auge hat sie eher auf den netten Typ von der Arbeit geworfen, als auf den direkten Russen.
Anne Tyler hat die turbulente Vorlage kräftig gekürzt, um einem zentralen Thema Platz zu schaffen. Statt einer doppelten Liebesgeschichte, tritt die kleine Schwester in den Hintergrund und Kate bekommt endlich den Raum, den sie schon immer gebraucht hat. Plötzlich ist sie nicht nur die Widerspenstige, sondern ein ausgeklügeltes Psychogramm entfaltet sich. Darin ist Kate Lastesel, Zurückgewiesene, Haushaltshilfe, mutterlos und weit von allem entfernt, was sie selbst ausmacht. Absolut fremdgesteuert geht sie durchs Leben.
Das dieser Fremdsteuerung der Vater mit seinem absurden Wunsch die Krone aufsetzt, weckt Kate geradezu auf. Sie ist nicht bereit, sich in ihrem Leben noch eine Bürde aufzuladen. Doch dann beginnt sie zu denken und entdeckt Lücken. Lücken für sich. Sie beginnt, die Dinge in einem anderen Licht zu sehen. Vom Alltagstrott wird Kate zur Selbstreflexion weggelotst und erfährt dabei noch einiges über ihre eigene Vergangenheit. Die Auseinandersetzung mit dem Gewesenen lassen auch die Zukunft für Kate in einem anderen Licht erstrahlen.
Sehr spannend fand ich beim Lesen, wie die im Grunde aufgeklärte und bodenständige Kate ihre Sicht auf Männer verändert. Dass der Roman gerade die Rechte und Aufgaben der Männer in ein neues Licht stellt, ist doch bemerkenswert. Gleichzeitig tut er das aber auch mit einem wesentlich verkitschterem Thema: Der Liebe. Kate heiratet nicht aus Liebe, sondern aus Vernunft. Doch durch diese Vernunft kann sie ihren Mann mit anderen Augen sehen und Seiten entdecken, die ihre romantisierte Schwester nicht erkennt. Sie erkennt die Sehnsucht nach einem Selbst, die auch Pjotr antreibt, den alle außer Kate „Pjoder“ nennen. Und sie erkennt sich selbst darin wieder. Ein grundlegendes Verstehen also, das die Basis bildet für alles, was zwischen dem letzten Kapitel und dem Epilog noch gekommen sein mag.
Der Widerspenstigen Zähmung mag ich sehr. Ich gestehe auch ohne Scham, dass die Adaption 10 Dinge, die ich an dir hasse zu meinen Lieblingsfilmen zählt. Auch Anne Tyler greift viele Merkmale auf, die geradezu klassisch für eine Adaption der Komödie sind. Der Vater ist Mediziner (hier aber verkopfter Wissenschaftler) und die kleine Schwester gar nicht so dumm, wie sie tut, sondern vor allem eine gute Schauspielerin. Doch sowohl Kates Widerspenstigkeit, als auch ihre Zähmung erscheinen hier in einem völlig neuen Licht, das mich immer noch beschäftigt. Ein unglaublich tiefgehender Roman, der Liebe entmythologisiert und Kate zu einer vollen Persönlichkeit macht. Großartig.

Veröffentlicht am 20.12.2016

stimmige Geschichte

Vergessene Leidenschaft
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Im ersten Band wurde Bael aus dem Kerker eines Dämenfürsten befreit, der ihn seit zwanzig Jahren gefangen gehalten hatte. Nun macht er sich auf die Suche nach Ashra, der Mutter seiner nun erwachsenen Tochter ...

Im ersten Band wurde Bael aus dem Kerker eines Dämenfürsten befreit, der ihn seit zwanzig Jahren gefangen gehalten hatte. Nun macht er sich auf die Suche nach Ashra, der Mutter seiner nun erwachsenen Tochter und Liebe seines Lebens. Ausgerechnet am Königshof der Elfen findet er sie wieder, genau dort, wo man auf Drachen am schlechtesten zu sprechen ist. Doch die Prinzessin hat jede Erinnerung an ihn vergessen. Schlimmer noch: jedes Mal, wenn ein Funke auftaucht, hat Ashra schreckliche Schmerzen und vergisst alles wieder. Kann Bael die Ashra, die er liebt überhaupt noch retten?
Ich war sehr überrascht, wie ausgewogen der Roman ist, nachdem Entfachte Glut ein einziges Vorspiel war. Tatsächlich rückt Sex hier auf eine hintere Ebene. Was Ashra und Bael verbindet ist keine wilde Leidenschaft, sondern eine Vergangenheit, in der die Gefühle nach und nach aufgebaut wurden, statt in einem lächerlichen Blitzmoment vom Himmel zu schießen. Die immer wieder eingeblendeten Rückblicke helfen dabei, gerade diese Basis der Beziehung kennen zu lernen.
Dabei springt die Perspektive zwischen Bael und Ashra hin und her, sodass der Leser auch die „alte“ Ashra kennen lernt und versteht, warum Bael so bestürzt ist. Gleichzeitig zeigt der Roman so, welche unterschiedlichen Kräfte schon immer an der Prinzessin gezerrt haben und bringt unterschiedliche Bausteine zusammen. Dieses Mosaikhafte hat mir sehr gut gefallen. Erst der Leser, der beide Sichten kennt, versteht manche Zusammenhänge und Momente wirklich.
Auch zwischen Ashra und Beal gibt es eine sexuelle Spannung, die aber wesentlich weniger extrem ist, als zwischen den Protagonisten im ersten Band. Das wirkt wesentlich realistischer und nervt schlicht nicht. Das Zusammensein wird wesentlich vielschichtiger gezeigt. Gleichzeitig werden noch manche Fragen aus dem ersten Band geklärt und es bahnt sich eine Nebenhandlung an, die wahrscheinlich in einen weiteren Band übergehen wird. Diese Verbindung, die mitschwingt, aber nicht notwendig ist, um das Buch zu verstehen, hat mir gut gefallen.
Raywen White konnte mich mit Vergessene Leidenschaft: Der Fluch der Unsterblichen richtig überraschen. Im positiven Sinne. Das Buch ist ausgewogen und spannend, geht mit einer vernünftigen Portion Romantik und Leidenschaft an die Beziehung heran und gleitet dabei weder in Kitsch, noch in Ausschweifungen ab. Gut gemacht.

Veröffentlicht am 20.12.2016

Sind wir nicht alle ein bisschen Marla

Realitätsgewitter
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Ein Buch, auf das ich tierisch gespannt war, ist Realitätsgewitter von Julia Zange. Auf NetGalley habe ich den berührenden Roman gefunden, von dem Sogar Maxim Biller sagt: „Das kann nur Julia Zange: Alle ...

Ein Buch, auf das ich tierisch gespannt war, ist Realitätsgewitter von Julia Zange. Auf NetGalley habe ich den berührenden Roman gefunden, von dem Sogar Maxim Biller sagt: „Das kann nur Julia Zange: Alle zehn Jahre ein Buch schreiben, das man nicht mehr vergisst. Danke an NetGalley und den Aufbau Verlag für die 157 Seiten, die noch gar nicht so lange zu haben sind.
Marla lebt in Berlin und hat das Studium abgebrochen. Sie jobbt sich durch die Tage, als ihre Eltern ihr die Unterstützung streichen. Richtig erwachsen fühlt sie sich dabei nicht, eher auf der Suche. Nach was, kann sie nicht festhalten. Nach Halt? Liebe? Zu Hause? Zwischen Männern und Sehnsucht, Medien und einer schicksalshaften Heimreise versucht Marla sich selbst zu finden. Und das merkt sie noch nicht mal, bis es fast zu spät ist.
So kurz der Roman ist, so tief und schwer ist er. Von Anfang an ist da eine kühle Distanz, mit der Marla als Ich-Erzählerin ihr Leben betrachtet. So vollkommen unreflektiert und teilnahmslos lässt sie sich treiben. Von einem Mann zum anderen, von Bekannten zu Jobs. Es sind aneinandergereihte Augenblicke, die das große Ganze nicht etwa vermissen lassen, sondern die Lächerlichkeit zeigen, es zu suchen. Marla packt eine unerklärbare Sehnsucht nach irgendwas.
Zwischen Ablehnung und Pseudo-Leben verliert Marla sich selbst. Egal wie viele Freunde sie auf Facebook hat, sie können die Momente der Einsamkeit nicht verhindern. Und egal, wie sehr sie sich an einen Mann hängt, seine Zurückweisung trifft sie immer wieder. Marla will gar nicht erst erwachsen werden. Sie will stagnieren, immer so bleiben, wie sie gerade ist, in einer nimmerlandartigen Zwischenwelt gefangen. Doch die fehlende finanzielle Unterstützung treibt sie zu einem Broterwerb. Ohne, dass es sofort klar wird, schleichen sich Anzeichen der Veränderung ein. Ein neuer Rhythmus, der nach langen Abenden in Tageroutinen besteht. Ein Realitätsgewitter, dass auf sie niedergeht.
Die verschiedenen Stränge in Marlas Leben und Psyche laufen dabei in einem grotesken Moment zusammen, wenn sie ihre Eltern besucht. Psychologisierung. Marla, die eben noch so distanziert war und eine jugendliche Ignoranz gezeigt hat, gewinnt rasant Tiefe. Alles erscheint in einem anderen Licht und wird einfach mehr. Auch für Marla nicht leicht zu ertragen. Die Realität verwirrt sie. Sie kommt in ihr nicht zurecht.
Ein grandioser Roman, der virtuelle Freundschaften neben reale Begegnungen stellt. Einsamkeit neben dutzende Freunde, eine belebte Unterhaltung neben starres Schweigen. So sehr Marla es leicht fällt, im einen zu bestehen, so haltlos fühlt sie sich im anderen. Die Figurenentwicklung ist dabei nuancenhaft und doch unverkennbar. Sehr realistisch zeigt sich Marlas Suche nach sich selbst wischen den Hürden der Realität. Realitätsgewitter ist deswegen so unschlagbar, weil es detailliert und glaubwürdig ist, bis zum letzten Wort.
Das Marla als zentrale Figur, die einzige bleibt, die wirklich charakterisierbar ist, stört dabei nicht, denn die aufgezeigten Stereotype entstehen ja erst durch ihren Blick. Marla ist keine vorsichtige Beobachterin, sondern urteilt schnell und handelt dann trotzdem anders. Sie ist keine sympathische Figur der Literatur, ist aber so unheimlich menschlich, dass trotz allem eine Identifizierung mit ihr möglich ist. Sind wir nicht alle ein bisschen Marla?