Cover-Bild Rote Kreuze
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 288
  • Ersterscheinung: 26.02.2020
  • ISBN: 9783257071245
Sasha Filipenko

Rote Kreuze

Ruth Altenhofer (Übersetzer)

Alexander ist ein junger Mann, dessen Leben brutal entzweigerissen wurde. Tatjana Alexejewna ist über neunzig und immer vergesslicher. Die alte Dame erzählt ihrem neuen Nachbarn ihre Lebensgeschichte, die das ganze russische 20. Jahrhundert mit all seinen Schrecken umspannt. Nach und nach erkennen die beiden ineinander das eigene gebrochene Herz wieder und schließen eine unerwartete Freundschaft, einen Pakt gegen das Vergessen.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.02.2020

Schonungslos

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Zwei Charaktere die unterschiedlicher nicht sein können. Alexander, der seine erste Nacht in der neuen Wohnung verbringen möchte und seine 91jährige NachbarinTatjana die an Alzheimer erkrankt ist. Alexander ...

Zwei Charaktere die unterschiedlicher nicht sein können. Alexander, der seine erste Nacht in der neuen Wohnung verbringen möchte und seine 91jährige NachbarinTatjana die an Alzheimer erkrankt ist. Alexander wundert sich beim ankommen warum ein rotes Kreuz an seiner Wohnungstür ist und will es schon entfernen, als Tatjana ihm sagt, sie habe es gemacht um nach Hause zu finden. So der Beginn eines Treffen bei dem man die Leben und Schicksale der beiden Protagonisten erfährt.

Nach der Lektüre musste ich doch noch eine Weile über das gelesene nachdenken. Wie damals mit den Kriegsgefangenen umgegangen wurde, hat man sicher immer mal wieder gehört, doch es dann so zu lesen war noch mal was anderes. Zudem prägen Verluste beide Leben, wobei das Schicksal der Dame doch etwas mehr nachhalt. Angst, Folter und Tod waren allgegenwärtig.

Der Scbreibstil ist etwas distanziert. Man fühlt sich nicht mittendrin, sondern in dem Fall eben als wäre man stiller Beobachter. Doch das finde ich nicht schlimm. Es passt zu den Schicksalen und wir sie darüber reden. Nämlich ganz schonungslos und ohne etwas zu verharmlosen.

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Veröffentlicht am 11.02.2020

Berührendes Schicksal - Gegen das Vergessen der Gräuel unter dem Sowjetregime

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Ein ganz beeindruckendes und berührendes Buch hat Sasha Filipenko da geschrieben. Es ist das erste seiner vier Bücher, das in deutscher Übersetzung erscheint.

So wünscht man sich einen Buchbeginn: Alexander, ...

Ein ganz beeindruckendes und berührendes Buch hat Sasha Filipenko da geschrieben. Es ist das erste seiner vier Bücher, das in deutscher Übersetzung erscheint.

So wünscht man sich einen Buchbeginn: Alexander, dreißig Jahre, hat soeben eine Wohnung in Minsk gekauft, mit Schlafsack und Wasserkocher will er die erste Nacht dort verbringen. Als er vom Einkaufen zurückkommt, ziert ein rotes Kreuz seine Wohnungstür. Er kommt nicht dazu, es wieder zu entfernen, seine Nachbarin Tatjana hält ihn davon ab. Sie leide an Alzheimer und benötige die Kreuze, um wieder nach Hause zu finden, erklärt sie. Nur widerwillig folgt Alexander ihr in ihre Wohnung. Dort beginnt Tata ihm ihre Lebensgeschichte zu erzählen.

Ein starker Buchbeginn. Alexander und Tatjana schenken sich nichts. Beide sind bis ins Unhöfliche ehrlich und sparen nicht mit Spott und Sarkasmus. Es macht Spaß ihnen zuzuhören und beide Charaktere sind sofort interessant und sympathisch.
Die Handlung ist von Beginn an spannend. Verluste prägen beider Leben, wobei das Schicksal von Tata den Leser gefangen nimmt und auch nach Abschluss der Lektüre nicht mehr los lässt. Der unsagbare Schrecken des Sowjetregimes während und nach dem zweiten Weltkrieg wird schonungslos geschildert. Der Umgang mit russischen Kriegsgefangenen und deren Familien war mir bisher in diesem Ausmaß nicht bekannt. Angst, Willkür, Verrat, Folter und Tod waren allgegenwärtig.

Erinnern und Vergessen sind zwei große Themen des Romans. Tata will nicht vergessen, sie will Gott gegenübertreten und fragen: Warum? Sie ist überzeugt, dass sie ihm die Alzheimererkrankung verdankt, damit er sich nicht vor ihr verantworten muss.
Wie ein roter Faden zieht sich auch der Romantitel durch die knapp 300 Seiten Text. Es sind nicht nur die roten Kreuze an den Türen, die gegen das Vergessen gemalt werden. Rote Kreuze tauchen zahlreich und in vielen Varianten auf und sind symbolisch aufgeladen.
Ganz konkret spielt die Hilfsorganisation „Rotes Kreuz“ eine wichtige Rolle. Filipenko recherchierte umfangreich in der Schweiz und zitiert aus Originaldokumenten.

Der Schreibstil gefällt mir sehr gut. Er ist anspruchsvoll, wechselt geschickt zwischen knappen Sätzen, die die Handlung vorantreiben und klugen, ausschweifenderen Passagen. Immer wieder blitzt eine Prise Humor durch.
Tatjana ist eine ganz besondere Figur, die symbolisch für unzählige Leidensgenossen/innen steht. Im Roman heißt es, dass die Fähigkeit eines Menschen sein ganz eigenes Kreuz zu tragen, Ausdruck seiner inneren Kraft sei. Demnach hat Filipenko seine Tatjana mit einer überragenden inneren Kraft versehen.

Das Cover ist reduziert, eben typisch Diogenes Verlag, aber sehr passend.
Der Schatten der einsamen Frauensilhouette wirft ein schwarzes Kreuz auf die roten Treppenstufen. Damit ist der Bogen zum Titel geschlagen.

Ich kann das Buch nur wärmsten empfehlen, es hat mich sehr beeindruckt. Ich bin sehr gespannt auf die weiteren Bücher des Autors.

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Veröffentlicht am 09.04.2020

Dramatische Schicksale - im Gestern und Heute

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Der dreissigjährige Alexander ist nach einem schweren Schicksalsschlag mit seiner kleinen Tochter nach Minsk gezogen. Direkt beim Einzug lernt er seine Nachbarin kennen, die über 90jährige Tatjana, die ...

Der dreissigjährige Alexander ist nach einem schweren Schicksalsschlag mit seiner kleinen Tochter nach Minsk gezogen. Direkt beim Einzug lernt er seine Nachbarin kennen, die über 90jährige Tatjana, die ihm ungefragt ihre Lebensgeschichte aufdrängt. Widerwillig hört er ihr zu und ist doch völlig gefesselt von ihren dramatischen, schmerzlichen Erlebnissen, die sogar sein eigenes Leid etwas in den Hintergrund rücken lassen.
Dass die Zeit unter Stalin für viele Menschen eine Tragödie war, ist zwar bekannt, aber mehr oder weniger verdrängt bzw. vergessen. Stattdessen wird er in Russland wieder zu einer Kultfigur - der starke Mann, der Erlöser - und die Zahl seiner AnhängerInnen wächst. Gegen dieses Vergessen schreibt Sasha Filipenko an mit seinem Buch 'Rote Kreuze'. Glaubhaft und überzeugend zeigt er am Schicksal der mittlerweile an Alzheimer erkrankten Tatjana, wie völlig Unschuldige während des II. Weltkriegs wegen Nichts in Lager und Gefängnisse geschickt oder getötet wurden.
Die fiktive Geschichte dieser alten Dame, die vermutlich für die vieler anderer 'echter' Menschen steht, wird mit dokumentarischen Belegen wie den Briefen des Roten Kreuzes ergänzt, die versuchten, die russische Regierung zum Austausch von Kriegsgefangenen zu bewegen. Doch diese lehnte stets ab oder reagierte überhaupt nicht, denn für sie waren russische Kriegsgefangene Verräter, sonst wären sie nicht gefangen genommen worden - und was zählt schon ein Menschenleben?
Dass der junge Alexander, das Gegenüber im Heute von Tatjana, ebenfalls ein Schicksal aufweist, das für ein ganzes Buch reichen würde, ist mir fast zuviel des Guten (oder Schlechten). Ob der Autor damit zeigen wollte, dass kein Leid das einzige ist? Oder dass es immer noch Schlimmeres gibt? Was auch immer, es wäre nicht nötig gewesen.
Ungeachtet des traurigen Themas gibt es dank der unkonventionellen alten Dame immer wieder Stellen, die mich grinsen ließen. "Mademoiselle hat zu lange im vorsintflutlichen Russland gelebt, das als einzige Leistung für sich beanspruchen kann, die Zahl der Finger beim Bekreuzigen von zwei auf drei erhöht zu haben." Oder als Tatjana mit zehn Jahren 1920 nach Russland kommt: "Wie hätte es einem Kind im Land des zunehmenden Infantilismus auch nicht gefallen sollen?".
Ein schnörkelloser, sehr direkter Sprachstil und eine tragische Geschichte - auch wenn es etwas zu viel Dramatik gibt, ist dieses Buch sehr zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 01.04.2020

Zwei verletzte Seelen

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Normalerweise gefallen mir die Cover gar nicht von Diogenes, weil sie oft nicht zum Inhalt passen. Dieses finde ich aber ok. Nicht gerade wow Effekt, aber man kann den Schemen einer älteren Dame ...

Normalerweise gefallen mir die Cover gar nicht von Diogenes, weil sie oft nicht zum Inhalt passen. Dieses finde ich aber ok. Nicht gerade wow Effekt, aber man kann den Schemen einer älteren Dame erkennen, dazu ist das Cover in rot gehalten. Es passt also recht gut.

Im Buch geht es um den Mann Sascha, der in eine neue Wohnung zieht. Eines Tages ist an seiner Tür ein rotes Kreuz. Er sieht sich um und sieht eine alte Dame. Diese bekennt sich zu der Tat und sagt ihm, dass sie die Tür markieren wollte da sie Alzheimer hat und immer vergesslicher wird. Sascha ist erst genervt, da die Dame sehr aufdringlich scheint. Sie beginnt ihm einfach eine Geschichte über sich zu erzählen. Aber schnell merkt Sascha, dass ihn die Geschichte sehr interessiert. Den die Dame hat eine verletzte Seele, hat sie doch den Terror der Sowietunion während und nach des zweiten Weltkriegs erlebt. Und auch Sascha hat ein trauriges Geheimnis.

Die Bücher von Diogenes sind einfach immer wieder etwas ganz besonderes, so auch dieses Buch. Von der ersten Seite hat es mich in seinen Bann gezogen und nicht mehr los gelassen. Sehr einfühlsam und gekonnt gelingt es dem Autor die Demenzerkrankung der alten Frau zu beschreiben. Die Geschichte, die diese Sascha erzählt ist einfach schockierend, ehrlich und schonungslos! Man erkennt im Buch, dass nicht nur die deutschen zur Zeit des zweiten Weltkriegs Gräueltaten verübt haben, sondern auch andere Länder wie die Udssr. Gezielt geht sie gegen das eigene Volk rigoros und rabiat vor, mit allen die den Mund zu weit aufmachen oder einfach nur die Frau des "falschen" sind. Das Land lässt ihre Kriegsgefangenen im Stich, ebenso die Frauen und die Kinder. Ich möchte nicht zu viel vorwegnehmen aber ich war geschockt. Es ist ein Teil der Geschichte, die mir so nicht bekannt war, und im Nachwort erwähnt der Autor auch das dieses Land alles tut um diese Vergangenheit unter den Teppich zu kehren. Aber die Opfer verdienen es genauso, dass an sie gedacht wird wie die anderen Opfer des Krieges!
Im anderen, ziemlich kleinen Teil der Geschichte geht es um die Vergangenheit von Sascha. Ich finde sie passt gut zum Buch, nimmt aber leider einen zu kleinen Stellenwert ein. Da hätte ich ein paar Seiten mehr und ein paar Seiten von Saschas Geschichte tut gefunden.
Im Buch geht es auch ums Thema Religion und wie Gott diese Gräultaten zulassen kann. Ich kann die ältere Dame und ihre Gedanken dazu sehr gut verstehen und nachvollziehen. Was für ein tieftrauriges Leben.

Fazit: Ein ganz besonderes Buch über eine historische Straftat einer Nation, die viel zu unbekannt ist. Ein fantastisches Werk das aufklärt, tief bewegt und einen schockiert und traurig zurück lässt, aber auch Hoffnung macht immer weiter zu leben und dankbar zu sein.

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Veröffentlicht am 22.03.2020

Gegen das Vergessen

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Von der Sowjetunion und ihren schlimmsten Phasen während des Stalinismus hat Sasha Filipenko nicht viel mitbekommen. Der weißrussische Autor wurde 1984 geboren. Seine Kindheit fiel in die Zeit von Glasnost ...

Von der Sowjetunion und ihren schlimmsten Phasen während des Stalinismus hat Sasha Filipenko nicht viel mitbekommen. Der weißrussische Autor wurde 1984 geboren. Seine Kindheit fiel in die Zeit von Glasnost und Perestroika, seine Jugend in den Zerfall der UdSSR. Sein Buch "Rote Kreuze" ist dennoch eine literarische Reise in die stalinistische Vergangenheit, zu den Prozessen gegen angebliche Volksfeinde, durch Folter erzwungene Geständnisse, Sippenhaft und Lagersystem.

"Rote Kreuze" ist auch die Geschichte einer untypischen und anfangs ungewollten Freundschaft zwischen dem verwitweten Alexander und seiner 91-jährigen Nachbarin Tatjana, die an Alzheimer leidet. Anfangs ist Alexander vom Mitteilungsbedürfnis der alten Frau genervt, er hat genügend eigene Probleme. Die Frau, deren Kurzzeitgedächtnis bereits gelitten hat und die durch Erzählen auch die Erinnerungen an eine dramatische Vergangenheit, an ihre Toten und die Zeit des Terrors bewahren will, findet erst nach und nach Zugang zu dem jungen Mann.

Sie ist ein eher herber Charakter, diese Tatjana Alexejewna, noch vor der Revolution in London geboren und von Gouvernanten erzogen. Der oft eher lakonische Erzählstil Filipenkos passt zu dieser Figur.

Trotz des privilegierten Hintergrundes hat sich ihr Vater der Idee des Kommunismus verschrieben und zieht kurzerhand nach Moskau, wo Tatjana zum neuen, sowjetischen Menschen heranwachsen soll.

Der jugendliche Idealismus hält an, die mehrsprachige junge Frau tritt eine Stelle im Außenministerium an. Dass immer wieder Kollegen verschwinden, dass in den Wohnblocks der Funktionäre nachts Menschen abgeholt werden, von denen man nie wieder hört - das weiß sie zunächst erfolgreich zu verdrängen. Sie hat die Illusion, all dem entkommen zu können, konzentriert sich auf das private Glück mit Mann und kleiner Tochter, selbst noch zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Wozu die Tschekisten fähig sind, muss sie nur allzu bald an eigenem Leib erfahren.

Gesäumt ist diese Lebensgeschichte mit tatsächlichen Dokumenten und Briefwechseln zwischen dem Internationalen Roten Kreuz und dem Außenministerium, geben dem Roman eine dokumentarischen Rahmen.

Von einer Freundschaft und einem Pakt gegen das Vergessen ist im Klappentext die Rede, doch angesichts der dramatischen Lebensgeschichte Tatjanas bleibt Alexander trotz seiner eigenen, persönlichen Tragödie als Ich-Erzähler eine eher blasse Figur und auch die Dyamik der sich entwickelnden Feundschaft ist beim Lesen nicht wirklich überzeugend. Eine bitterböse Pointe hat "Rote Kreuze" angesichts Tatjanas Bemühen, sich vor sich selbst zu rehabilitieren und ein vermeintlich begangenes Unrecht wiedergutzumachen.Hier schließt sich auch ein Kreis, denn es ist Alexander, der die Antwort findet, die Tatjana so lange gesucht hat. Eines ist klar: Tatjanas Erinnerungen können überdauern.

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