Eine Geschichte über das Erwachsenwerden
Sweet SorrowDavid Nicholls hat mich vor Jahren mit "Zwei an einem Tag" verzaubert. Der Roman gehört zu meinen absoluten ALL-TIME-FAVOURITES. Gleich vorweg: "Sweet Sorrow" kann mit meinem Lieblingsroman nicht mithalten.
Meine ...
David Nicholls hat mich vor Jahren mit "Zwei an einem Tag" verzaubert. Der Roman gehört zu meinen absoluten ALL-TIME-FAVOURITES. Gleich vorweg: "Sweet Sorrow" kann mit meinem Lieblingsroman nicht mithalten.
Meine Meinung nach suggeriert der Untertitel eine reine Liebesgeschichte, doch das ist der Roman nicht. Mich stört das nicht, aber einige Leserinnen in der Lovelybooks-Leserunde waren deswegen enttäuscht. Viel mehr ist "Sweet Sorrow" ein Coming-of-Age Roman, der das Erwachsenwerden eines 16jährigen in allen Facetten aufzeigt. Die Geschichte spielt einen Sommer lang und erinnerte mich teilweise an meine eigene Orientierungslosigkeit und an all die Selbstzweifel in diesem Alter.
Der bereits ältere Charlie Lewis blickt zurück auf einen unvergesslichen Sommer, der sein Leben maßgeblich verändert hat. Er hat sein letztes Schuljahr abgeschlossen und einige Prüfungen vermasselt. Seine Mutter hat mit seiner Schwester die Familie verlassen und Charlie bei seinem depressiven Vater gelassen. Der Junge ist damit gänzlich überfordert und flüchtet so oft er kann aus seinem trostlos gewordenen Zuhause. Neben einen kleinen Teilzeitjob an einer Tankstelle radelt er ohne Ziel in der Gegend herum oder trifft sich mit seinen Freunden. Eines Tages liegt er lesend in einer Wiese, als ihn ein Mädchen dort überrascht. Sie verbringt den Sommer über bei einer Theatergruppe, die Shakespears "Romeo und Julia" aufführen. Charlie möchte Frances Fisher wiedersehen und kommt danach täglich zu den Proben, obwohl er sich eigentlich gar nicht fürs Theater interessiert. Dadurch entwickelt sich nach anfänglicher Skepsis und Distanz eine immer intensivere Freundschaft zu einigen Teilnehmern und zu Fran, aus der schließlich Liebe wird. Aber Charlie weiß auch, dass der Sommer irgendwann zu Ende sein wird...
Die Beziehung der Beiden entwickelt sich sehr langsam. Der Autor lässt sich und seinen Figuren Zeit. Für die erste große Liebe wirkt es sogar manchmal etwas nüchtern, jedoch sehr realistisch und natürlich. Genau das mochte ich daran! Es könnte ebenso die Geschichte von dir, mir oder einem Nachbarn sein - fernab von den verkitschten Szenen in vielen Young Adult oder Jugendromanen, die mich oftmals nur den Kopf schütteln lassen.
Mit viel Humor und mitten aus dem Leben gegriffen erzählt Nicholls auch über das erste Mal, wobei er Frans und Charlies Sicht der Dinge sehr authentisch und gefühlvoll beschreibt.
Bis es jedoch überhaupt zur Beziehung zwischen Fran und Charlie kommt, hat der Roman doch ein paar Längen. Nicholls versteift sich nicht nur auf die Liebesgeschichte, sondern widmet sich generell Charlies Leben und dem Sprung ins Erwachsenenalter. Die Orientierungslosigkeit und die Überforderung durch die Bürde, die ihm seine Mutter auferlegt hat, ist für einen Jungen in seinem Alter einfach zu viel. Dazu die Sorgen um die berufliche Zukunft nach den vergeigten Prüfungen und der Umgang mit seinem depressiven und alkoholkranken Vater....es überwiegen nicht nur die schönen und süßen Dinge in diesem Sommer, sondern auch Kummer und Sorgen.
Auch das Thema Freundschaft spielt eine große Rolle. Der Wechsel von seinen alten Kumpels, mit denen er zwar viel Spaß hat, sich aber oftmals fragt warum diese Jungs eigentlich Freunde sind und sich treffen, zu neuen Bekanntschaften. In der Theatergruppe erfährt Charlie durch Helen und Alex, was wirkliche Freundschaft bedeutet. Die Beiden weisen ihn auch die Richtung in seinem weiteren Leben....
Obwohl ich "Romeo und Julia" liebe, waren mir einige Passagen, bei dem es um die Prologe des Stückes geht, doch zu lang. Ebenso haben mich einige willkürliche Zeitsprünge genervt und die Gegenwart erhält nur sehr wenig Raum. Irgendwie hätten einige Passagen kürzer und andere wieder länger sein können....aber das ist nur mein Gefühl und spiegelt nicht unbedingt die der Mehrheit bei der Leserunde wider.
"Sweet Sorrow" ist zwar eine Liebesgeschichte, wie es der Untertitel suggeriert, aber eine, bei der es um unterschiedliche Lieben geht. Es geht um Liebe in der Familie, unter Freunden, zu den Eltern, zum Theater und natürlich auch die erste explosive Liebe, aber nicht nur.
Wäre dies mehr betont worden, hätte es weniger enttäuschte Leser bei der Leserunde gegeben. Ich mochte den Roman und er wird mir auch sehr in Erinnerung bleiben, aber an "Zwei an einem Tag" kommt er bei weitem nicht heran.
Schreibstil:
David Nicholls schreibt sehr detailliert und ausschweifend, aber auch sehr lebendig, poetisch und humorvoll. Die Charakter sind authentisch und wir erleben sehr schöne Momente, die der Autor gekonnt dargestellt hat. Der Schreibstil ist diesmal aber auch jugendlich und dem Alter des damals 16jährigen Protagnisten angepasst.
Fazit:
Eine Geschichte über das Erwachsenwerden, über Freundschaften, Shakespeare und die erste Liebe. Der Roman hat einige Schwächen und Längen, konnte mich aber trotzdem verzaubern, wenn man ein klein wenig das Auge zudrückt und weiß, dass es sich hier eher um einen Coming-of-Age Roman handelt. Nachdem ich das Buch bereits vor mehr als einer Woche beendet habe, hallt es noch immer nach und spukt noch immer im Kopf herum. Es hat doch mehr Platz eingenommen, als ich dachte. Deswegen vergebe ich sehr gerne gute 4 Sterne.