Hämische Freude
Diese Geschichte befriedigt Lesegelüste, die man als "guter" Mensch eigentlich nicht haben sollte: Hohn, Häme, diebische Schadenfreude. Stellt euch vor, da ist dieses Pärchen, das ihr einfach nicht ausstehen ...
Diese Geschichte befriedigt Lesegelüste, die man als "guter" Mensch eigentlich nicht haben sollte: Hohn, Häme, diebische Schadenfreude. Stellt euch vor, da ist dieses Pärchen, das ihr einfach nicht ausstehen könnt - sei es, weil sie immer so toll tun und alles besser wissen, sei es, weil sie gar nichts tun und immer irgendwie damit durchkommen. So oder so, ihr seid genervt, wann immer die beiden auftauchen (man kann ja nicht jeden mögen). Und dann, eines Tages, bekommt ihr mit, wie dieses Pärchen sich so richtig in die Haare kriegt. Es wird ein ganz furchtbar peinlicher Moment, vor allem für die beiden, weil sie total die Contenance verlieren - und obwohl ihr es besser wisst und sowas eigentlich natürlich nie tun würdet, lacht ihr euch doch ins Fäustchen.
Dazu lädt dieses Buch ein. Die Voraussetzungen könnten nicht besser sein: Ein geschiedenes Paar (sie: die herzliche Überperfekte, er: der schludrige Berufsjugendliche) machen mit der gemeinsamen siebenjährigen Tochter und den jeweils neuen Partnern (der Neue: der pedantische Perfektionist, die Neue: die wenig durchsetzungsfähige Wissenschaftlerin) einen Ausflug über Weihnachten. Jaaaa… was soll da schon schiefgehen? Nun, ziemlich viel, denn das Ganze schaukelt sich hoch bis zu einem Unfall auf dem Bogenschießplatz des heimeligen Familienressorts (und nein, das ist kein Spoiler, denn das Buch beginnt mit dem Notruf, der eben jenen Unfall schildert).
Die Charaktere sind alle recht schablonenhaft in ihren Rollen gezeichnet und brechen nur an einigen wenigen Stellen mal aus. Aber das ist bei so einem Buch auch völlig okay, da erwarte ich keinen "character growth" ohne Ende, da will ich dramatische Höhepunkte! Und die gibt es auch. Die Spannungen zwischen den Pärchen und auch innerhalb derselbigen werden schnell offensichtlich.
Hinzukommt, dass die aufgeweckte Tochter ihren ganz eigenen Ballast mit sich herumschleppt, und zwar in Form von Posey, einem menschengroßen, imaginären Kaninchen, das ganz selbstverständlich am Leben der Siebenjährigen teilnimmt und auch einen Großteil ihrer Konversation und Aufmerksamkeit beansprucht. Und Posey hat so seine ganz eigenen Ansichten zu den Erwachsenen, die die Handlungen der Tochter wiederum beeinflussen. Das hört sich nach einem albernen Gimmick an, hat aber tatsächlich für schöne Extrawürze in dieser sowieso schon recht gut köchelnden "Familiensuppe“ gesorgt - zumal Posey irgendwann auch schlüssig "erklärt" wird.
Caroline Hulse hat in ihrem Buch nichts in die Länge gezogen, sondern kommt schnell zum Punkt, das hat mir sehr zugesagt. Zwar ist das Ganze recht linear auf einer inhaltlichen Eben geschrieben, liest sich entsprechend sehr flott und einfach weg. Dennoch hat die Autorin, neben bereits erwähnten Kaninchen, noch ein paar andere Extras eingebaut. Zum einen wechseln die Blickwinkel zwischen den Kapiteln, so dass gleich mehrere Charaktere inklusive der Tochter die Chance erhalten, ihr oder sein Verhalten zu erklären (bzw. vor sich selbst oder anderen zu rechtfertigen). Dazu gibt es ein paar Flashbacks, die zusätzliche Motivationen erläutern – oder bestehende Probleme nur noch offensichtlicher machen. Zu guter Letzt gibt es alle paar Kapitel Auszüge aus den Zeugenvernehmungen nach dem Unfall, die die jeweilige Szenerie nochmals in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen.
Ein ziemlich böses, schwarzhumoriges Buch, das für meinen Geschmack ruhig noch eine Prise "schwärzer" hätte sein können. Denn die Szenen, in denen es eskaliert, sind so schön zum sich peinlich-dramatischen Winden, da hätte ich noch mehr von vertragen. Aber auch so: Ein flottes und sehr unterhaltsames Buch. Und die Lektion? Wählt eure Reisebegleitungen mit Bedacht!