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Veröffentlicht am 03.03.2020

Nicht nur Frauenschicksale

Die Frauen von Richmond Castle
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„...Du solltest dich in der Welt behaupten. Was hältst du davon, selbst eine Familie zu gründen? Kommas und Absätze werden dich nachts nicht wärmen...“

Wir schreiben das Jahr 1925. Ishbel Christina Camberwell, ...

„...Du solltest dich in der Welt behaupten. Was hältst du davon, selbst eine Familie zu gründen? Kommas und Absätze werden dich nachts nicht wärmen...“

Wir schreiben das Jahr 1925. Ishbel Christina Camberwell, genannt Blue, feiert auf Richmond Castle in England ihren 21. Geburtstag. Die Klatschpresse interessiert in erster Linie, wer Blues zukünftiger Ehemann wird. Doch die junge Frau hat andere Ambitionen. Sie möchte Schriftstellerin werden. Wie das Eingangszitat zeigt, ist nicht jeder überzeugt, dass dies eine gute Idee ist.
Nachdem genügend Alkohol geflossen ist, hält Kenneth, Blues Vater, eine Rede. Er verkündet, dass sich jeder junge Man im kommenden Jahr um Blue bewerben kann,
wenn er es schafft, ihr einen Brief zu schreiben und sie zu inspirieren. Er ahnt nicht, was er damit auslöst.
Die Autorin hat einen vielseitigen historischen Gesellschaftsroman geschrieben. Sie gewährt mir tiefe Einblicke in Blues Familienstruktur und bindet gleichzeitig gesellschaftliche Ereignisse mit ein.
Das eine Jahr, dass ich Blue begleiten darf, ist gespickt mit brisanten Ereignisse. Das geht schon damit los, dass Blue bei einem Ausflug auf eine junge Frau trifft und diese nach einem Missgeschick zu sich einlädt. Delphine ist vor ihrem gewalttätigen Ehemann geflohen. Außerdem eröffnet sich für Blue kurzfristig eine berufliche Perspektive. Und dann wird ein lang gehütetes Geheimnis offenbar, dass die Familie ein schweres Fahrwasser stürzt.
Der Schriftstil lässt sich gut gelesen. Er ist gehoben und detailgenau. Für die Darstellung der Natur verwendet die Autorin treffende Metapher:

„...In den Hecken leuchteten Beeren in dichten Trauben, über dem grünen seidigen Wasser schwebte Nebel wie hauchzarter Chiffon, so bleich wie Mistelbeeren…“

Allerdings fehlt mir ab und an etwas Spannung im Geschehen. Die komplexen Beziehungen zwischen den Protagonisten machen dies nicht immer wett.
Positiv möchte ich hervorheben, dass mir die Autorin einen tiefen Blick in die Psyche ihrer Protagonisten gewährt. Gerade Kenneth ist ein komplizierter Charakter. Er gehört zwar zur begüterten Schicht, hat sich aber seine soziale Ader bewahrt. Dabei ging sein Leben schon durch manche Tiefen. Deutlich wird an vielen Stellen, dass die Männer gezeichnet sind von dem Erleben des Ersten Weltkriegs.
Ab und an werden fast philosophische Gedanken eingeflochten.

„...Wenn wir nie an uns zweifeln würden, […] würden wir nicht lernen, und wir würden nicht wachsen. Der Zweifel ist das Fundament wirklicher Stärke […], solange wir nicht zulassen, dass er uns beherrscht...“

Gut ausgearbeitete Gespräche ermöglichen mir, die Gedanken der Protagonisten nachvollziehen und verstehen zu können. Dabei ändert sich dr Schriftstil in Abhängigkeit von den redenden Personen. Sachlich, sarkastisch, humorvoll sind nur einige Worte, die darauf passen.
Insgesamt hat mir die Geschichte sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 25.02.2020

Eher für ältere Kinder

Lang lebe König Frosch!
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„...Das ist es, was gut Eltern tun, sie lassen sich von der Liebe verführen und verschenken ihre Zeit, ohne etwas dafür zu fordern...“

Fuchs und Wildschwein freuen sich darauf, einen Tag wieder Eltern ...

„...Das ist es, was gut Eltern tun, sie lassen sich von der Liebe verführen und verschenken ihre Zeit, ohne etwas dafür zu fordern...“

Fuchs und Wildschwein freuen sich darauf, einen Tag wieder Eltern sein zu dürfen. Sie warten sehnsüchtig auf die kleine Eintagsfliege. Doch dann erscheint ein Frosch und der stellt sich dem Fuchs mit folgenden Worten vor.

„...Ich rede, wenn es mir passt. Und du redest, wenn ich es erlaube. […] Denn ich bin der König von die Wald und Herrscher über alle Tiere…“

Noch wissen Fuchs und Wildschwein, was sie wollen. Aber der Frosch ist raffiniert. Wenn die beiden eine Eintagsfliege wollen, spielt er eben eine Eintagsfliege.
Der Autor hat erneut ein Kinderbuch geschrieben, das in die Tiefe geht. Gekonnt zeigt er am Beispiel des Frosches, was man mit Manipulation erreichen kann. Dem kommt es auf eine Lüge mehr oder weniger nicht an. Hauptsache, er gelangt zum Ziel und wird nach Strich und Faden verwöhnt.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Kurze Sätze sorgen für einen guten Lesefluss, auch bei weniger geübten Lesern. Ein ständiges Auf und Ab gibt der Geschichte die nötige Spannung. Immer dann, wenn der Frosch aufzufliegen droht, lässt er sich etwas Neues einfallen. Eine Anleihe bei den deutschen Märchen gehört dazu.
Wie erreicht man, dass jemand sein eigenes Gefängnis baut – und das freiwillig? Auf humorvolle Art werden verschiedene Methoden der Beeinflussung des Denkens und Handelns auf die Schippe genommen. Notfalls wird das Blaue vom Himmel versprochen.
Gut gefällt mir, dass die Schriftfarbe variiert. Gleichzeitig werden Ausdrücke fett hervorgehoben und Gedanken kursiv wiedergegeben. Außerdem verfällt der Frosch häufig in die französische Sprache. Die Übersetzung gibt es als Fußnote.
Das Buch spielt geschickt mit Wörtern wie möglich und wahrscheinlich oder niemand und keiner.
Ein besonderer Blickfang sind die farbigen Illustrationen. Sie veranschaulichen das Geschehen und fallen durch ihre vielen Feinheiten auf.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Allerdings wäre ich mit der Altersempfehlung ab 6 Jahre vorsichtig. Die Feinheiten der Geschichte sind meiner Meinung nach eher ab 10 Jahre zu erfassen.

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Veröffentlicht am 18.02.2020

Spannend und gut recherchiert

Die Tochter der Bettlerin
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„...Sie wusste nicht, wann es zum ersten Mal gewesen war, dass sie über ihr Leben nachdachte. Beinahe ohne Überlegung war sie nämlich von einem mageren, zigeunerartigen Kind mit zerzausten Schopf zu einem ...

„...Sie wusste nicht, wann es zum ersten Mal gewesen war, dass sie über ihr Leben nachdachte. Beinahe ohne Überlegung war sie nämlich von einem mageren, zigeunerartigen Kind mit zerzausten Schopf zu einem auffallend hübschen Mädchen herangewachsen...“

Anna ist die Tochter einer Bettlerin. Auch der ist aufgefallen, wie sich ihr Kind verändert hat. Die Gardisten des Königs geben ihr bereitwillig eine Münze, wenn sie sich an sie wendet. Ihre Mutter möchte, dass sich Anna prostituiert. Die wehrt sich.
Wir befinden uns in Berlin des Jahres 1747. König Friedrich II. rüstet für den Krieg gegen Österreich. Es geht um die Macht in Schlesien. Anna bewundert die Gardisten bei der Parade. Zu den Favoriten des Königs gehört Freiherr Friedrich von Trenck.
Die Autorin hat einen spannenden historischen Roman geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen und zeugt von exakter Recherche der Zeitverhältnisse.
Der Schriftstil passt sich den Gegebenheiten an. Auf Einladung des Königs kommen Friedrich von Trencks Mutter und die Geschwister nach Berlin. Anna bekommt bei ihnen eine Stellung. Dadurch lerne ich das Leben der Dienstboten kennen. Belästigungen und Intrige waren an der Tagesordnung.
Zu den stilistisch und inhaltlichen Höhepunkten gehören für mich die Diskussionen am Hofe des Königs. Sie lesen sich wie ein Schlagabtausch zwischen den Eingeladenen. Jeder möchte mit seinen Kenntnissen vor dem König brillieren. So äußert Voltaire gegenüber seinen Konkurrenten:

„...Meine Werke sind natürlich nichts für Leute, die nichts verstehen, weil sie meinen, nur sie haben die Wahrheit gepachtet...“

Friedrich II. wird als musisch und künstlerisch begabter Herrscher dargestellt. Bei den Diskussionen erscheint er tolerant und ausgeglichen Wehe aber, wenn man bei ihm in Ungnade fällt. Das bekommt Friedrich von Trenck hart zu spüren, als seine Affäre mit Anna Amalie, Prinzessin von Preußen, bekannt wird. Hinzu kommt, dass er sich in den Reihen der Offiziere einige Feinde gemacht hat. Missgunst und Neid machen sich bemerkbar.
Drei Lebenswege werden im Buch nachgezeichnet. Zwei davon sind real, der dritte fiktiv. Ersteres ist der freie Fall von Friedrich von Trenck und das bittere Leben von Anna Amalie, die nicht nur auf ihre Liebe verzichten muss. Das gute Verhältnis zu ihren Bruder verkehrt sich in Bitternis.
Anna, die nach der Abreise von Trencks Familie wieder auf der Straße steht, fällt eine überraschende Entscheidung. Sie sieht nur einen Weg, der Armut zu entkommen und geht in die preußische Armee.
Gut wird beschrieben, wie die Soldaten gedrillt wurden. Die Schlachten werden ausreichend dargestellt, wobei die Autorin glücklicherweise nicht ins Detail geht, wenn es um Verletzungen und Grausamkeiten geht.
Einzige Ausnahme war ein Spießrutenlauf, der aber in den Zusammenhang der Handlung gehörte.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 17.02.2020

Gelungener Abschluss

Durch die kalte Nacht
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„...Die Welt ist völlig unmoralisch. Ob die Amerikaner die indianischen Ureinwohner abmurksen oder die Deutschen die Hereros in Südwestafrika oder die Türken die Armenier, das ist dem Rest der Menschheit ...

„...Die Welt ist völlig unmoralisch. Ob die Amerikaner die indianischen Ureinwohner abmurksen oder die Deutschen die Hereros in Südwestafrika oder die Türken die Armenier, das ist dem Rest der Menschheit scheißegal...“

Wir befinden uns in den Niederlanden im Juni 1943. Das Eingangszitat in seinem ganzen Zynismus stammt von Richard Christmann. Der ehemalige Fremdenlegionär arbeitet nun als freier Mitarbeiter bei der deutschen Abwehr. Menschen sind für ihn Spielfiguren auf einen Schachbrett, die er benutzt, solange er sie braucht und dann fallenlässt. Deshalb hat er auch kein Verständnis dafür, als ihn Gerhard um Hilfe bittet.
Im Mittelpunkt stehen Sofieke und Gerhard. Die junge Frau ist Jüdin und lebt nun unter fremden Namen. Gerhard war als Fallschirmspringer aus England gekommen und wurde in ein perfides Spiel eingebunden. Richard formuliert das so:

„...All unsere bisherigen Erfolge sind dadurch zustande gekommen, dass wir in die gegnerischen Organisationen eingedrungen sind...“

Der Autor hat auch im dritten Teil eine spannende Handlung integriert. Allerdings, nehmen jetzt, wo es auf das Ende zugeht, die sachlichen Erläuterungen zu. Die Geschichte schließt zeitnah an den Vorgängerband an.
Erneut erfahre ich, wie der Widerstand in den Niederlande unterwandert und verraten wurde. Je mehr die SS die Sache in ihre Hand nimmt, desto mehr Tote gibt es. Versprechen sind nur dazu da, um gebrochen zu werden und Menschen zu manipulieren. Übrigens ist auch Richard ziemlich schnell mit Versprechungen.
Für Gerhard brechen harte Zeiten an. Er erhält die Gelegenheit, seine Heimatstadt Hamburg besuchen. Es ist kurz nach deren Bombardierung. Was er dort sieht und erlebt, erschüttert ihn zutiefst. Er beginnt an seiner Mission zu zweifeln.
Je näher die Westfront kommt, um so undurchsichtiger wird das Geschehen. Es wächst die Angst, aber auch die Hoffnung. Sofieke möchte einen der Verräter stellen. Dann aber bekommt sie eine Nachricht, die ihre Welt auf den Kopf stellt. Richard warnt sie:

„...Ihr seid Spieler, Gerhard und du. Aber ihr spielt nach anderen Regeln. Gefühle spielen für euch eine Rolle. Und Moral. Das engt euch ein...“

Währenddessen sinken die Chancen der Inhaftierten. Man will keine Zeugen haben, bevor, wie es einer der Protagonisten äußert, die Ratten das sinkende Schiff verlassen.
Ein ausführliches Nachwort ergänzt das Geschehen. Es ist schwer nachvollziehbar, dass ein Teil der Täter in der Organisation Gehlen und den BND eine neue Aufgabe gefunden hat.
Ein ausführliches Personenregister, eine Karte der Niederlande und Quellenangaben vervollständigen das Buch.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Es war eine gelungene Kombination aus fesselnder Handlung und gut recherchierten Faktenwissen.

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Veröffentlicht am 13.02.2020

Amüsantes Kinderbuhc

Hilfe, ich habe meinen Bruder im Internet getauscht!
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„...Rasch klickte er nacheinander folgende Möglichkeiten an: witzig, abenteuerlustig, mag Essen, mag Sport, besonders Schwimmen, mag Hunde. Die Kästchen für „lebendig“ und „menschlich“ ließ er frei. Er ...

„...Rasch klickte er nacheinander folgende Möglichkeiten an: witzig, abenteuerlustig, mag Essen, mag Sport, besonders Schwimmen, mag Hunde. Die Kästchen für „lebendig“ und „menschlich“ ließ er frei. Er wollte einen Bruder, also waren das wohl ziemlich offensichtliche Dinge, oder?...“

Jonny hat Stress mit seinem älteren Bruder Ted. Da findet er im Internet die Seite GESCHWISTERTAUSCH.COM. Jonny füllt das angegebene Formular aus. Soll er es wirklich abschicken? Doch aus dem Wohnzimmer lästert Ted gerade wieder. Also drückt Jonny den entsprechenden Button.
Der Autor hat ein humorvolles Kinderbuch geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen. Dazu trägt bei, dass jedes Kapitel eine aussagekräftige Überschrift hat. Außerdem variiert die Schrift. Passende Wörter werden fett hervorgehoben. Das betrifft nicht nur die Kontakte mit der Internetseite. Gedanken sind kursiv gesetzt.
Der Schriftstil ist kindgerecht und lässt sich angenehm lesen. Die Wortwahl und die Länge der Sätze passt zur Zielgruppe. Gut gefallen haben mir die besonderen Wortkreationen wie Gehweg-Sitztanz-Wettbewerb, um ein Beispiele zu nennen.
Allerdings erwarten Jonny eine Menge an Überraschungen. Das Freilassen der beiden im Eingangszitat genannten Kästchen hat ungeahnte Folgen. Nehmen wir den ersten Bruder:

„...Es passiert nicht alle Tage, dass sich der eigene Bruder in der Badewanne in einen Fisch verwandelt. Ich meine, in einen Meerjungen...“

Beide sind sich einig, dass sie das Experiment abbrechen müssen. Doch auch Bruder Nummer 2 stammt aus dem Tierreich. Versuch Nummer 3 geht völlig daneben. Ich habe mich köstlich über die Einfälle des Geistes von Heinrich dem Achten amüsiert. Leider sorgt der bei Jonnys Mutter für einen Ohnmachtsanfall.
Wieso die Mutter Jonnys Erklärungen nie anzweifelt, bleibt mir ein Rätsel.
Nach mehreren Versuchen begreift Jonny, das er seinen eignen Bruder zurück will. Plötzlich erinnert er sich an die positiven Erlebnisse mit Ted. Wie aber soll das gehen? Jetzt bekommt er unerwartete Hilfe.
Das Buch enthält eine Menge an Schwarz-Weiß-Abbildungen. Sie veranschaulichen die Handlung und zeichnen sich durch ihre vielen, fein herausgearbeiteten Details aus.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

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