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Veröffentlicht am 15.02.2020

Saturn schlägt zu

Sonne, Mord und Sterne
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Beim ersten Bochumer Astrologenkongress präsentiert sich die Szene im besten Licht. Veranstalter Holger van Aalen will sich in der Branche etablieren und am schnell verdienten Geld in der Esoterik-Branche ...



Beim ersten Bochumer Astrologenkongress präsentiert sich die Szene im besten Licht. Veranstalter Holger van Aalen will sich in der Branche etablieren und am schnell verdienten Geld in der Esoterik-Branche teilhaben und so hat auch eine Auszeichnung gestiftet, die für viel Presseecho sorgen soll. Eine ganze Reihe von Engelbotschaftern und Aurenleser, Astrologen und Wahrsager nehmen teil. Auch Stella Albrecht ist als Vortragende geladen, während ihre Großmutter als „Madame Pythia“ im Zigeunerwagen zum bunten Erscheinungsbild beitragen soll. Stella ist völlig klar, dass der Preis nur ein abgekartetes Marketing ist, aber sie ist neugierig auf das ganze Drumherum und will mit ihrem Beitrag auch ein seriöses Gegengewicht sein.

Marlene Silberstein ist die Königin der Veranstaltung und sonnt sich im Glanz ihrer Bewunderer und Förderer. Strahlend nimmt sie die Auszeichnung entgegen, aber die Freude daran währt nur kurz. Der schwere Kristall beendet noch am gleichen Abend ihr Leben.

Arno Tilikowski wird mit den Ermittlungen betraut und dass ausgerechnet Stella wieder involviert ist, bereitet ihm Kopfschmerzen, die werden noch beträchtlich stärker, als er seine Zeugen aus der Szene befragen muss und froh ist, dass Stella ihm mit ihrem Insiderwissen und gesunden Menschenverstand zur Seite steht.

Es adelt eine Autorin wenn sie für ein eigenes Genre steht. Lotte Minck hat die Ruhrpott-Krimödie geschaffen. Kriminalromane, die den Pott mal mehr oder weniger einbinden, immer unglaublich witzig und dabei auch spannend sind.

Ihre Hobbyermittlerin Stella Albrecht ist eine seriöse Astrologin, ganz im Gegensatz zur sonst eher diffusen Branche. Aber trotzdem kollidiert ihr Beruf immer wieder mit den Anschauungen von Kommissar Tilikowski, der Stella heimlich verehrt, aber nicht über seinen Schatten springen kann. Das finde ich auch gut so, denn aus dem Gekabbel der beiden so unterschiedlichen Charaktere, entsteht viel Wortwitz und Situationskomik. Die Autorin schreibt flott und nimmt ihre Leser von der ersten Seite an mit.

Auch die übrigen Figuren sind der Autorin sehr gut gelungen. Großmutter Maria hat fast ihr ganzes Leben als Zirkuswahrsagerin verbracht, ihre Tochter dagegen ist eine höchst respektable Studienrätin, der die Berufe von Mutter und Enkelin eher peinlich sind. Alle drei wohnen auch noch unter einem Dach. Das ist ebenfalls schon ein höchst vergnüglicher Ausgangspunkt.

Wer sich also bei einem Krimi wirklich gut unterhalten und amüsieren will, ist bei Lotte Minck genau an der richtigen Adresse.


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Veröffentlicht am 14.02.2020

Steuerprüfung

Schiffsmord
2


Romy Beccare von der Stralsunder Kripo wird zu einem Todesfall im Hafen von Sassnitz gerufen. Auf einer kleinen Yacht liegt der Finanzbeamte Florian Gerber. Ganz offensichtlich starb er keines natürlichen ...


Romy Beccare von der Stralsunder Kripo wird zu einem Todesfall im Hafen von Sassnitz gerufen. Auf einer kleinen Yacht liegt der Finanzbeamte Florian Gerber. Ganz offensichtlich starb er keines natürlichen Todes, sein Körper weist Spuren von Misshandlung auf und der Fundort ist keinesfalls der Tatort. Wer sollte Interesse am Tod eines honorigen Finanzbeamten haben?

Romy macht sich auf Spurensuche, dabei wird sie von Ruth Kranold aus Greifswald unterstützt, die als Springerin immer mal wieder bei Personalengpässen aushilft. Inzwischen schätzt Romy die Zusammenarbeit mit Ruth sehr.

Kleine Details im Lebenslauf des Toten machen Romy stutzig, aber keines scheint als Indiz ausreichend oder rechtfertigen gar eine weitere Suche im Lebenslauf. Aber das hat sie noch nie aufgehalten und es ist wirklich wieder ausgesprochen spannend die beiden Kriminalbeamtinnen bei ihren Ermittlungen zu begleiten.

Die Autorin schafft es immer wieder, auch kleinteilige Suchen fesselnd zu beschreiben und den Grad der Spannung im Lauf ihres Plots zu steigern. Je mehr Romy und Ruth ihre Suche ausweiten, desto mehr Ungereimtheiten kommen ans Licht. Seltsam nur, dass viele Zeugen auffällig wortkarg bleiben.

Die Rügen Krimis von Katharina Peters sind sehr atmosphärisch geschrieben, Rügen und die Küstenlinie sind immer auch ein Teil der Geschichte und ich tauche gern in den Kosmos dieser Kriminalromane ein. Vor allem weil die Geschichten sehr realistisch und nachvollziehbar aufgebaut sind. Das gilt auch für die Figuren, die sich die Autorin ausgedacht hat. Neben dem feststehenden Personal aus den Kommissariaten, die ich im Lauf der vorhergegangenen Bücher immer besser kennenlernte und deren Entwicklung mir sehr gut gefällt, sind auch die Charaktere der anderen Beteiligten sehr vielschichtig aufgebaut. Genauso vielschichtig ist auch der Plot, unterschiedliche Handlungsstränge entwickeln sich spannend bis zum Finale.

Dabei ist auch dieses Buch, obwohl bereits der neunte Band um Kommissarin Romy Beccare völlig eigenständig zu lesen. Man braucht keine Vorkenntnisse um in die Geschichte einzusteigen.

Katharina Peters steht für fesselnde Krimis mit hohen Unterhaltungswert. Ich freue ich auf jedes neue Buch der Autorin.

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Veröffentlicht am 10.02.2020

Blickkontakt

Der Korndämon
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Richard Deichfürst, Frührentner und Alkoholiker, lebt zurückgezogen auf Rügen. Zu seiner Ex-Frau und seiner Tochter ist der Kontakt längst eingeschlafen, sein Bruder hat sich zurückgezogen. Schon zu oft ...

Richard Deichfürst, Frührentner und Alkoholiker, lebt zurückgezogen auf Rügen. Zu seiner Ex-Frau und seiner Tochter ist der Kontakt längst eingeschlafen, sein Bruder hat sich zurückgezogen. Schon zu oft hat er im Rausch die Beherrschung und die Übersicht verloren.

Es ist ein Augenblick, der Richards Leben verändert. Auf der Straße erhascht er einen Blick in das Innere eines Wagens uns sieht einen Jungen in Todesangst. Doch seine Anzeige bleibt erfolglos, ganz im Gegenteil, ihm wird schnell klar, dass er als unzuverlässig und betrunken eingestuft wird. Das lässt ihn mehr als einmal die Beherrschung verlieren und er macht sich auf die Suche nach diesem Auto. Dabei zwingt er sich zur Abstinenz und stellt sich seinen Dämonen. In diesem Sinn erhält der Titel auch noch eine zweite, sehr treffende Bedeutung.

Erstaunlicherweise gibt es nur eine Person, die zu ihm hält. Seine 16jährige Tochter, die ihn bei der Suche unterstützt und zu der er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder eine vorsichtig tastende Beziehung aufbauen kann.

Das Buch hat meine Erwartungen unterlaufen. Es ist nicht einfach ein Krimi, in der eine Privatperson ermittelt, weil er ohne echte Beweise von der Polizei nicht ernst genommen wird. Es ist eher das Psychogramm eines Trinkers, der bis an seine Grenzen geführt wird. Er muss sein Leben in die Hand nehmen und umkrempeln, das ist fordernd bis zur Schmerzgrenze und oft darüber hinaus. Er muss sich seinen verkorksten Beziehungen stellen und Rückschläge und Demütigungen einstecken. Seine Leidensfähigkeit ist enorm.

Mir hat das Buch gefallen und ich habe es in einem Rutsch gelesen. Spannend war auch die Klärung, aber viel spannender und mitreißender fand ich die Person von Richard Deichfürst. Auch das Ende mit einer offen bleibenden Frage ist sehr stimmig.

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Veröffentlicht am 08.01.2020

Max Heller muss sich entscheiden

Juni 53
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Wir schreiben den 17. Juni 1953. Es gärt gewaltig im noch jungen Arbeiter- und Bauernstaat. Das Plansoll ist in allen Fabriken gewaltig, die Löhne gleichbleibend niedrig und die Versorgung mit allem lebensnotwendigen ...

Wir schreiben den 17. Juni 1953. Es gärt gewaltig im noch jungen Arbeiter- und Bauernstaat. Das Plansoll ist in allen Fabriken gewaltig, die Löhne gleichbleibend niedrig und die Versorgung mit allem lebensnotwendigen Dingen teuer und schwierig.

In Dresden, Kriminalkommissar Max Heller Wirkungsstätte, eskaliert in einer Fabrik für Isolatoren der Aufstand. Einer der Leiter wird brutal ermordet und Hellers Ermittlungen kollidieren immer wieder mit den Befragungen der Staatssicherheit. Denn Heller kommen immer mehr Zweifel, dass der Aufruhr in der Fabrik der Grund für den Tod des Mannes gewesen ist. Erschwert wird seine Arbeit mit der politischen Zuspitzung. Heller ist immer noch nicht in die Partei eingetreten und er weiß, dass ihn das nicht nur am beruflichen Fortkommen hindert, er ahnt auch, dass er sich damit angreifbar macht. Aber seine Haltung ist eindeutig, er will kein Werkzeug einer Partei werden, das immer mehr die junge Demokratie mit Füssen tritt.

Viele Menschen verlassen den Staat und auch Hellers Ehefrau Karin sieht keine Zukunft mehr für ihre Familie. Sohn Erwin lebt längst im Westen und mit Sohn Klaus, der sich ganz der Partei verschrieben hat, ist keine Verständigung mehr möglich.

Vor diesem Hintergrund hat Frank Goldammer seinen neuesten „Max Heller“-Fall angesiedelt. Ein Kriminalroman, der ganz von den geschichtlichen Ereignissen geprägt ist. Diese zeitgeschichtlichen Bezüge machen für mich auch die Faszination der Bücher aus. Historie aus der Sicht eines kleinen Rädchens in der neuen Republik! Dies führt allerdings auch dazu, dass der reine Krimiplot sich unterordnen muss und das fand ich ein wenig schade.

Allerdings ist das Personal in diesem Krimi wieder ganz lebendig und anschaulich beschrieben worden. Da gibt es die unverbesserlichen alten Nazis, die flugs ihr Fähnchen in den neuen Wind hängen, die stillen Mitläufer und natürlich auch die überzeugten Sozialisten, die ihrem Ziel alles unterordnen. Max Heller selbst und auch seine Frau haben in den vergangenen Jahren ihre Haltung bewahrt, sie wirken in ihrer Unerschütterlichkeit fast zu gut für diese Welt.

Werden Max und Karin Heller nach all den Ereignissen in den Westen gehen? Geschickt lässt Frank Goldammer am Ende diese Entscheidung in der Schwebe und damit die Aussicht auf einen neuen Fall in Dresden offen.

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Veröffentlicht am 28.12.2019

Häutungen

Die Wunder von Little No Horse
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Agnes als Schwester Cecilia im Kloster heimisch, dient Gott, ehrfürchtig und demütig. Doch wenn sie Klavier spielt, verselbstständigt sich ihr Seele, Musik durchdringt sie und das ist den Mitschwestern ...

Agnes als Schwester Cecilia im Kloster heimisch, dient Gott, ehrfürchtig und demütig. Doch wenn sie Klavier spielt, verselbstständigt sich ihr Seele, Musik durchdringt sie und das ist den Mitschwestern suspekt. Sie verlässt das Kloster und kommt auf einer Farm unter. Doch auch dieses Leben bleibt eine Episode. Zufällig kann sie in die Identität eines Missionspfarrers schlüpfen – Damien Modeste – und geht an seiner Stelle ins Objiwe Reservat. Dort in No Little Horse wird der Priester schon erwartet und Father Damien richtet sich ein.

Jahrzehnte später, Modeste ein Greis, läuft sein Leben noch einmal vor ihm ab, als er Auskunft über das Wirken einer Nonne aus dem Reservat geben soll, deren Seligsprechung ansteht.

Louise Erdrich entfaltet sprachmächtig und überwältigend einen ganz eigenen Kosmos. Die diversen Clans der First Nation, ihre Streitigkeiten, ihr Kampf ums Überleben wird sichtbar. Die Missionierung der Familien, die ihnen den alten Glauben raubt, den neuen aber nicht verinnerlichen lässt, fällt Agnes/Damien ins Auge. Er interessiert sich für die Überlieferung und Riten, er lernt die Sprache und im Lauf der Jahre wird er fast einer der Ihren.

Mit Agnes/Damien habe ich eine Figur kennengelernt, die den weiblichen Blick mit männlicher Entschlossenheit vereint und eine ganz besondere Schöpfung der Autorin ist.

Eine unglaubliche Vielzahl an Charakteren, die sich manchmal auch über die Generationen hinzieht, machte es mir nicht immer ganz einfach. Ohne den Figurenstammbaum zu Beginn des Buches wäre ich fast verloren gewesen. In ihrem Roman mischen sich Überlieferungen, alte Mythen und reale Begebenheiten zu einem vielschichtigen Epos. Wie gesagt, nicht immer einfach zu lesen, aber ein besonderes Leseerlebnis.

Manche der Figuren und Familien tauchen auch in anderen Romanen der Autorin auf und es erleichtert sicher den Einstieg, wenn man schon Bücher von Louise Erdrich kennt.


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