Mit welchen Erwartungen sucht man sich als Leser eine Lektüre aus? Diese Frage möchte ich der Besprechung des als „Kriminalkomödie“ bezeichneten Buches vorausstellen. „Verdammt lässig und verdammt viel schwarzer Humor – hier tun sich Abgründe auf“apostrophiert zudem der Klappentext die irrwitzige Geschichte, die den gespannten Leser erwartet und auf deren Zusammenfassung ich mit Verweis auf besagten Klappentext verzichte. Klar, da kann man schon neugierig werden, wenn man Krimis mag und zudem glaubt, selbst auch mit einer tüchtigen Portion Humor gesegnet zu sein. Doch der Krimikomödien gibt es viele, genauso, wie es die unterschiedlichsten Ausprägungen schwarzen Humors gibt. Beides gefällt in ihrer jeweiligen Ausprägung nicht immer, kommt nicht bei jedem Leser gleich gut an.
Wie aber findet man heraus, ob man auch zur von Patrick Lorenz anvisierten Zielgruppe gehört? Indem man sich darauf einlässt und schaut, was er in petto hält. Und das trifft dann entweder den persönlichen Geschmack – oder eben nicht!
Aufgrund der Inhaltsbeschreibung konnte man entschieden nicht vorbereitet sein auf das, was man da zu lesen bekommt und was, das wird schnell klar, natürlich unmöglich ernst gemeint sein kann, das von Anfang bis Ende eine Parodie ist und als solche völlig legitim stark überzeichnet und bevölkert ist mit an Comics gemahnende Figuren, die allesamt nicht dazu angetan sind, ihnen Sympathie oder wenigstens einen Funken Empathie entgegenzubringen, und die von einer aberwitzigen, von Gier, Eifersucht, krassem Egoismus und grenzenloser Blödheit provozierten, Panne in die nächste geraten. Das liest sich durchaus komisch – aber wenn man schon zum Lachen ansetzen möchte, bleibt einem dieses nahezu sofort im Halse stecken, denn die Slapstick-Szenen geraten samt und sonders außer Kontrolle und werden zu blutigem Ernst, dies freilich inflationär und im wahrsten Sinne des Wortes! Ja, es geht überaus blutig zu – und um vorauszusehen, dass der eskalierende Unfug, den sich die handelnden Charaktere da leisten, nicht gut ausgehen kann, muss man beileibe kein Hellseher sein!
Aber was ist denn nun mit dem nicht zur Zielgruppe gehörenden Leser, also demjenigen, der sich nicht auskennt in dem Genre, das der Autor bedient, dem Leser, der mit Trash und Schund und Tarantino-Szenarien, die er in seinem Werk auf die Schippe nimmt, nicht vertraut ist beziehungsweise diesen so gar nichts abgewinnen kann? Dieser kann unmöglich die Anspielungen, Zitate und Reminiszenzen, mit denen Patrick Lorenz seinen Roman angefüllt hat, erkennen und schon gar nicht einordnen, womit ihm logischerweise sowohl die Ironie als auch eventuelles Augenzwinkern entgeht, auf dem der Autor beharrt! Und nicht verstehen bedeutet im Grunde auch, die Geschichte, so wie sie gedacht ist, nicht würdigen zu können; sie wird ihm zu einem einzigen, langen Ärgernis, zu einer Provokation, die vom Autor zwar beabsichtigt sein mag, aber sicher nicht in der von ihm gewünschten Form. Wobei andererseits davon ausgegangen werden kann, dass die Kenner, die Eingeweihten, die Fans des Genres, dem Lorenz mit seinem Roman huldigt, geradezu in helles Entzücken geraten. Nun, alles ist eben eine Frage des Geschmacks!
Wie dem auch sei, ich, die ich den Krimi gelesen habe – und besser stutzig geworden wäre bei den auf dem Cover erwähnten „Abgründen“ - und besprechen soll, gehöre der Fraktion an, die mit dieser speziellen Art des schwarzen Humors nichts anfangen kann, die sich von dem hier angeblich eingeflossenen Wortwitz nicht angesprochen fühlt, ja ihn nicht einmal als solchen erkennt, für die der gelegentlich auftauchende Ausdruck „pulp fiction“ inhaltlich gesehen ein Fremdwort ist, und die sich darüber hinaus entschieden hat, kein Freund von Quentin Tarantino und Co. zu werden. Und somit trennen mich natürlich Meilen von den Lesern, für die Herr Lorenz sein Buch geschrieben hat. Das wurde sehr bald offensichtlich, doch ich habe mich dennoch darauf eingelassen – warum auch sollte es der Nicht-Zielgruppe verwehrt sein, Neues auszuprobieren? -, war gleichermaßen fasziniert wie abgestoßen, erheitert wie verärgert. Ich bin mir recht sicher, dass ich durchaus auch Gefallen an dem Krimi hätte finden können, wenn die Protagonisten nicht zu widerwärtig gewesen wären, wobei ich nicht einmal diejenigen meine, denen Gott vergessen hat, Hirn mitzugeben, sondern diejenigen Figuren, die mit jenem einigermaßen bis reichlich ausgestattet sind, deren Handlungsweise – überzeichnet, ich weiß... - so selbstherrlich-verachtend und von Selbstliebe und Selbstsucht geprägt ist. Diese Typen kann ich nicht mit dem vom Autor erwünschten Amüsement zur Kenntnis nehmen.
Was aber weitaus schwerer ins Gewicht fällt, ist die Sprache, die der Autor seine Schießbudenfiguren sprechen lässt – und zwar, das wäre ja verzeihlich, nicht nur die geistig und charakterlich Minderbemittelten, sondern eben auch alle Übrigen – und diese Sprache, die leider wacker den Roman durchzieht, reicht von dem stark überstrapazierten Gossenjargon, über obszön-beleidigende Ausdrucksweisen bis hin zu einer Art Sprachenunsinn, den man wohl als „hipp“ bezeichnet, der also durchsetzt ist von Anglizismen, welche ich grundsätzlich als nicht nur überflüssig, sondern nervig ohne Ende empfinde.
Und wenn dann zu guter Letzt der Autor in seiner Danksagung am Schluss erwähnt, dass seine Frau ihm einen „Einblick in die weibliche Psyche gewährt“ hat, - worauf er, mit diesem Wissen ausgestattet, seine weiblichen Akteure ihrerseits ausstattete und agieren ließ?! - möchte ich am liebsten in lautes Protestgeschrei ausbrechen! So sind wir also, wir Frauen – ja? So ticken wir – wirklich? So wie die verschlagene Melisa, die den gesamten Wirrwarr doch erst angezettelt hat und Menschen rücksichtslos für die eigenen Zecke ausnutzt? So wie ihre Freundin Luzia, die eine Parodie ihrer selbst und eine Beleidigung für jede Frau mit Verstand ist? So wie jene unbeherrschte Hilde, bei der „Kacke“ das Lebensmotto zu sein scheint? Dagegen möchte ich mich freundlichst, mit Entschiedenheit und mit allem gebotenen Respekt vor Ihrem Werk verwehren – und, lieber Autor, diesen Zynismus kann und will ich Ihnen denn doch nicht verzeihen!