Neuer Filz im Isar-Athen
München, 1920: Kommissär Reitmeyer ermittelt wieder! In einer Gastwirtschaft wird am Fuß der Kellertreppe die Leiche einer jungen Frau gefunden - auf den ersten Blick wirkt ihr Tod wie ein Unfall: eine ...
München, 1920: Kommissär Reitmeyer ermittelt wieder! In einer Gastwirtschaft wird am Fuß der Kellertreppe die Leiche einer jungen Frau gefunden - auf den ersten Blick wirkt ihr Tod wie ein Unfall: eine angetrunkene Frau erwischt auf der Suche nach der Toilette die falsche Tür und stürzt unglücklich. Doch auch dieses Mal wirft der zweite Blick des Gerichtsmediziners Fragen auf, denn Cilly Ortlieb starb an einer Überdosis Heroin. War das Filmsternchen in Spe drogensüchtig? Oder war sie jemandem im Weg?
Ich habe bereits Reitmeyers ersten Fall Der eiserne Sommer förmlich inhaliert. Und auch die Fortsetzung hat mich sofort in ihren Bann gezogen, es war sehr schön, so vielen der vertrauten Figuren wieder zu begegnen, auch wenn der große Krieg nicht ganz spurlos an ihnen vorübergegangen ist. Besonders der Protagonist Sebastian Reitmeyer hatte mein Herz bereits im Sturm erobert - seiner trockenen, pragmatischen Art mit den Widrigkeiten seines Berufsalltages umzugehen, kann man einfach nicht widerstehen. Auch ihn hat der Fronteinsatz verändert, er ist ein Kriegszitterer - das was ihm zu schaffen macht, würde man heute eine posttraumatische Belastungsstörung nennen. Da er nicht als Krüppel dastehen möchte, versucht er, seine Erkrankung (die damals nicht als solche wahrgenommen wurde, schließlich hat er überlebt und ist im Gegensatz zu vielen anderen sogar in einem Stück nach Hause gekommen) vor seiner Umwelt zu verbergen.
Rattler ist nach all den Jahren immer noch Polizeischüler, da sein Fronteinsatz und die anschließende Rekonvaleszenz seine Ausbildung unterbrochen haben. Er hat aufgrund von Gasverletzungen Probleme mit der Lunge, aber ansonsten ist er noch ganz der Alte und strapaziert die Nerven seiner Kollegen gerne mit Vorträgen über neue Erkenntnisse und Verfahren der Kriminaltechnik, die er nachwievor aus unzähligen Fachartikeln kennt. Steiger hat einen Arm verloren, und Brunner musste nicht an die Front, weil er ja zuvor schon beschädigt war. Alles in allem ist es schon eine ziemlich angeschlagene Truppe rund um den Kommissär, aber sie stürzen sich mit gewohntem Schwung in ihren neuen Fall, obwohl sie schon wieder in Richtungen ermitteln, die ihren Vorgesetzten wenig zusagen.
Durfte man im letzten Buch in die späte Vorkriegszeit eintauchen, als die Welt noch in Ordnung war und schneidige Offiziere sich in Glanz und Gloria sonnten, entführt Angelika Felenda ihre Leser nun in die unruhigen Nachkriegszeiten. Die Bevölkerung leidet noch immer unter den Rationierungen, für die Bezugsscheine gibt es nur eine Reihe von Ersatzlebensmitteln und auch Brennmaterial ist mehr als knapp. Die Inflation hat bereits eingesetzt, und Reitmeyers Gehalt kann mit den steigenden Preisen nicht mithalten. Freikorpstruppen treiben unter den Augen der Politiker und Behörden ihr Unwesen, Fememorde und Waffenschiebereien sind an der Tagesordnung. Der ideale Nährboden für Hitlers Hassparolen, die er zu dieser Zeit in München verbreitet und der so seine ersten glühenden Anhänger verzeichnen kann.
Angelika Felenda zeichnet den historischen Hintergrund für Reitmeyers Ermittlungen so gekonnt, dass man sehr leicht in diese politisch und wirtschaftlich chaotische Zeit abtauchen kann, ohne die Krimihandlung aus den Augen zu verlieren.
Besonders gern mochte ich wieder die lebendigen Dialoge, die mir die Figuren besonders nahebrachten. Die allgemeine Lage im Jahr 1920 war wirklich nicht rosig, und ohne eine gehörige Portion Galgenhumor wohl kaum zu ertragen - was sich auch in den Unterhaltungen widerspiegelt und mir beim Lesen regelmäßig ein Grinsen entlockt hat.
Definitiv eine gelungene Fortsetzung voller interessanter Historie mit einem verwickelten Kriminalfall. Hoffentlich bekomme ich bald Reitmeyers dritten Fall zu lesen!