Zwischen Angst und Hoffnung
Tage des LichtsUlrike Renk meinte ihr dritter Teil der Seidenstadt-Saga um die jüdische Familie Meyer sei ihr ruhigster. Dem kann ich nicht ganz zustimmen, denn ich hatte den 576 Seiten dicken Schmöker wirklich schnell ...
Ulrike Renk meinte ihr dritter Teil der Seidenstadt-Saga um die jüdische Familie Meyer sei ihr ruhigster. Dem kann ich nicht ganz zustimmen, denn ich hatte den 576 Seiten dicken Schmöker wirklich schnell durch. Die Geschichte ist fesselnd erzählt. Es mag zwar stimmen, dass es nicht viele große Spannungsmomente gibt, aber man durchlebt mit Ruth und ihrer Familie all die Ängste und Gefühle in dieser schrecklichen Zeit. Zusätzlich erfährt man mehr über die politische Lage und die Entwicklung aus der Sicht von Großbritannien bis es zum Kriegseintritt kommt.
Ruth hat im Vorgängerband alles daran gesetzt, dass sie ihre Familienangehörigen nach England nachholen kann. Nun wartet sie noch immer am Bauernhof der Sanderson auf eine positive Nachricht. Die Lage in Deutschland spitzt sich immer mehr zu und es kommt zum Krieg. Ruth erlebt diese Zeit unter größter Anspannung. Zusätzlich zu ihrer Furcht, die Eltern und ihre Schwester nicht schützen zu können, arbeitet sie jeden Tag bis zur totalen Erschöpfung am Hof mit. Olivia Sanderson behandelt sie wie ein Sklavin, doch Ruth benötigt das Arbeitsvisum, damit sie in England bleiben kann. Als ihre Elterne und kleine Schwester noch rechtzeitig, bevor England Deutschland den Krieg erklärt, in London ankommen, ist sie erstmals erleichtert und erleidet die Schikanen von Olivia mit noch größerer Geduld als zuvor. Sie weiß, nach einem Jahr kann sie gehen und Amerika ist noch immer das Ziel der Meyers.
Doch nicht nur Olivia Sanderson macht ihr das Leben schwer. Als Großbritannien in den Krieg einsteigt, erlebt sie von einigen Engländern Anfeindungen, die sie nur als Deutsche sehen und nichts von den Verhaftungen und Schikanen an den Juden wissen. Für sie ist nun auch Ruth der Feind, obwohl sie eigentlich denselben haben...
Eine große Hilfe ist Edith Nebel, die den Juden in Großbritannien und auch noch in Deutschland zu helfen versucht. Ihr Mann hat als deutscher Botschafter einige wenige Möglichkeiten, die Edith für die Geflüchteten einsetzt.
Ulrike Renk blendet in ihrer Geschichte einige Mal nach Deutschland zurück, wo sich die Lage immer mehr zuspitzt. Ihre Großeltern, Tante Hedwig und vorallem Kusin Hans, sowie auch die Familie Aretz erleben mehr oder weniger die Übergriffe der NSDAP-Anhänger und der Gestapo, die sie überwachen und schikanieren. Die beiden Familien schreiben sich zwar regelmäßig, doch die Briefe kommen nie bei den Empfängern an. Die quälende Unsicherheit, was mit den Meyers in England und auf der anderen Seite dem Rest der Familie in Krefeld passiert, macht allen schwer zu schaffen.
„...Warum tut niemand etwas dagegen? Die Welt müsste doch aufstehen, müsste sich erheben gegen Hitler und seine Schergen...“
Sehr interessant ist auch die Sichtweise Großbritanniens, die zuerst die Hinhaltetaktik benutzen, bis dies nicht mehr möglich ist und es auch zu einem Wechsel an der Spitze des Premierministerpostens kommt. Die Ängste, die Ruth zu dieser Zeit durchmacht, werden äußerst gefühlvoll und plastisch beschrieben. Zuerst die Furcht um ihre Eltern, danach die Angst von der deutschen Wehrmacht und dazu die körperliche sehr anstrengende Arbeit im Haus und auf dem Feld. Aus dem etwas verwöhnten Mädchen aus der Oberschicht, ist eine zupackende und zu schnell erwachsen gewordene junge Frau geworden, die nicht so schnell aufgibt.
Wie bereits oben erwähnt, lebt dieser dritte Band vorallem von der Atmosphäre und der Gefühlswelt der Protagonisten, sowie vom geschichtlichen Hintergrund dieser grausamen und schlimmen Zeit.
Ulrike Renk erzählt sehr eindringlich, wie es der Familie Meyer weiter ergangen ist.
Im Nachwort erfährt der Leser weitere Fakten über ihre Nachforschungen, über Wahrheit und Fiktion.
Ich freue mich schon auf den abschließenden vierten Band, der voraussichtlich auf See und in den USA spielen wird.
Fazit:
Obwohl dieser Teil der Familiensaga um die jüdische Familie Meyer ruhiger als die beiden Vorgänger ist, finde ich die Reihe von Band zu Band interessanter und spannender. Ich freue mich schon auf den Abschlussband im August.