Familienzusammenführung
Eigentlich wollte Alice nur nach Berlin reisen, um ihrer Großmutter die Meinung zu sagen, da sie ihre Tochter, die Mutter von Alice, verstoßen hat und bis zu deren Tod zu keiner Versöhnung bereit war. ...
Eigentlich wollte Alice nur nach Berlin reisen, um ihrer Großmutter die Meinung zu sagen, da sie ihre Tochter, die Mutter von Alice, verstoßen hat und bis zu deren Tod zu keiner Versöhnung bereit war. Doch dann stellt sie fest, dass sie eine relativ große Familie in Berlin hat, von der sie nichts wusste, und beschließt zu bleiben.
Ich war etwas irritiert, mit welchem Tempo die Geschichte losmarschiert. Alice wirft kurzerhand ihren Job und ihr Leben in Wien hin, zieht mit ihrem Reisegepäck bei ihrer Tante ein, stellt fest, dass sie zwei Onkel hat und lernt einen Mann kennen – alles an einem Tag, wow.
„Die Galerie am Potsdamer Platz“ ist der Debütroman von Alexandra Cedrino, welche selbst aus einer Kunsthändlerfamilie stammt und sich somit in diesem Metier auskennt. In jedem Fall weiß sie , sich lebendig auszudrücken, so dass die Geschichte für den Leser interessant bleibt. Mir ist es leicht gefallen, der Handlung zu folgen, auch wenn es ein paar Logiklücken gibt. Zum Beispiel sind die beiden Onkel von Alice extrem herzlich und erfreut über ihr Auftauchen und können es kaum erwarten, mit ihr zusammenzuarbeiten. Warum haben sie sich dann all die Jahre nie für ihre Nichte interessiert und keinen Kontakt zu ihrer Schwester gesucht. Auch hat es für meinen Geschmack zu lange gedauert, bis das Zerwürfnis zwischen Alice Mutter und Großmutter erneut thematisiert wurde. Es war der Aufhänger für die Geschichte, wurde dann allerdings zunächst komplett fallen gelassen und letztendlich auf drei Seiten aufgelöst.
Der Roman spielt Anfang der 1930er Jahre, kurz vor Kriegsausbruch und reißt einige interessante Themen an. Die Nazis, die immer mehr an Bedeutung gewinnen, Menschen die beginnen vorsichtshalber Allianzen zu schließen und die Auswirkungen der neuen Politik auf die Kunst bzw. den Besitz von Kunstschätzen. Leider kratzt Alexandra Cedrino nur an der Oberfläche. Es fehlte mir an Tiefgang. Die einzige Dramatik die entsteht, ist die um Alice und ihr kompliziertes Liebesleben mit dem Iren John sowie dem unliebsamen Verehrer Erik. Ich lese gerne Liebesromane, aber von diesem Buch hatte ich etwas weniger seichtes erwartet.
Außerdem wurde für meinen Geschmack zu viel geraucht. Gefühlt jede zweite Seite wird erwähnt, dass Alice sich eine Zigarette anzündet.
Inzwischen habe ich erfahren, dass es sich bei „Die Galerie am Potsdamer Platz“ um den ersten Teil einer Trilogie handelt. Von daher könnte es sein, dass der Auftaktband dazu gedient hat, die Charaktere einzuführen und es im nächsten Teil mehr ins Detail geht. Die Prämisse dieser Serie ist auf jeden Fall sehr vielversprechend und ich würde gerne erfahren, wie es mit der wiedereröffneten Galerie nach der Machtergreifung Hitlers weitergeht. Deswegen werde ich den zweiten Teil sicherlich lesen.