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Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannend, bewegend, wunderschön -ein Meisterwerk!

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
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Kurzmeinung:
Ein spannender Krimi und ein Buch über Liebe, Freundschaft und das Schreiben. Die Seiten fliegen nur so dahin und ich konnte es kaum aus der Hand legen. Großartige Sprache!


Klappentext:
Es ...

Kurzmeinung:
Ein spannender Krimi und ein Buch über Liebe, Freundschaft und das Schreiben. Die Seiten fliegen nur so dahin und ich konnte es kaum aus der Hand legen. Großartige Sprache!


Klappentext:
Es ist der Aufmacher jeder Nachrichtensendung. Im Garten des hochangesehenen Schriftstellers Harry Quebert wurde eine Leiche entdeckt. Und in einer Ledertasche direkt daneben: das Originalmanuskript des Romans, mit dem er berühmt wurde. Als sich herausstellt, dass es sich bei der Leiche um die sterblichen Überreste der vor 33 Jahren verschollenen Nola handelt und Quebert auch noch zugibt, ein Verhältnis mit ihr gehabt zu haben, ist der Skandal perfekt. Quebert wird verhaftet und des Mordes angeklagt. Der einzige, der noch zu ihm hält, ist sein ehemaliger Schüler und Freund Marcus Goldman, inzwischen selbst ein erfolgreicher Schriftsteller. Überzeugt von der Unschuld seines Mentors - und auf der Suche nach einer Inspiration für seinen nächsten Roman - fährt Goldman nach Aurora und beginnt auf eigene Faust im Fall Nola zu ermitteln ...


Zum Buch:
Der Protagonist Marcus Goldman ist ein gefeierter Schriftsteller, dessen erster Roman gleich ein großer Erfolg wurde. 2 Jahre genoss er ein Leben in Saus und Braus und gab sich ganz seinem Ruhm hin, ohne eine weitere Seite zu schreiben. Als ihm klar wird, dass es so nicht weitergehen kann, muss Marcus jedoch feststellen, dass er an der "Schriftstellerkrankheit" leidet. Es fehlt ihm an Inspiration und so beschließt er, seinen alten Freund und Mentor Harry Quebert aufzusuchen. Dieser steckt jedoch in ernsthaften Schwierigkeiten. In seinem Garten wird die Leiche von Nola Kellergan entdeckt, einem beliebten Mädchen aus Aurora, welches vor 33 Jahren verschwunden ist. Quebert muss ins Gefängnis und es sieht nicht gut für ihn aus. Marcus Goldman ist schockiert und will seinem Freund beistehen. Er beginnt, selbst Nachforschungen anzustellen und ermittelt nach anfänglichen Schwierigkeiten bald zusammen mit dem ermittelndem Polizisten der State Police, Sergeant Gahalowood. Gemeinsam rollen sie den alten Fall noch mal auf und befragen alle Personen, die in Nolas Leben eine Rolle gespielt haben. Dabei machen sie bald schockierende Erkenntnisse und nichts ist, wie es zunächst scheint.

Das Buch ist hauptsächlich aus Sicht von Markus Goldman geschrieben. Allerdings gibt es auch immer Zeitsprünge in die Zeit von vor 33 Jahren. Dann schildert die jeweilige von Goldman befragte Person ihre Sicht der Geschehnisse im Jahr 1975. Der Leser sieht die Vergangenheit dadurch aus verschiedenen Blickwinkeln, was sehr spannend ist. Auch kann man so gut die Motive und Gedanken der verschiedenen Personen nachvollziehen und die Charaktere werden einem sehr greifbar und nah. Schon bald fühlt man sich, als wäre man gut bekannt mit den Einwohnern Auroras.

Das Buch ist in 3 Teile gegliedert:

Die Schriftstellerkrankheit (acht Monate vor Erscheinen des Buches)
Die Genesung der Schriftsteller (Das Schreiben des Buchs)
Das Paradies der Schriftsteller (Erscheinen des Buchs)

Die Kapitelnummerierung beginnt mit No.33 bis man sich langsam zu Kapitel 0 vorarbeitet. Schon allein diese absteigende Nummerierung erzeugt Spannung, da man sich im wahrsten Sinne des Wortes an "Stunde Null" heranarbeitet. Außerdem beginnt jedes Kapitel mit einer Lektion übers Schreiben von Harry an Marcus. Das waren teilweise wirklich wunderschöne Zitate.

„Lernen Sie Ihre Niederlagen zu lieben, Marcus. Denn an ihnen werden Sie wachsen. Es werden Ihre Niederlagen sein, die Ihre Siege so köstlich machen.“


Meinung:
Wow, was für ein Buch. Der Plot und der wunderschöne Schreibstil haben mich wirklich restlos begeistern können. Die Zeitsprünge und die verschiedenen Perspektiven sind gelungen umgesetzt und an keiner Stelle verwirrend.

Die Charaktere sind alle sehr fein gezeichnet und absolut glaubwürdig. Nach und nach werden sie liebevoll eingeführt und man erfährt immer mehr über sie und bekommt ein immer klareres Bild von den Einwohnern des kleinen Städtchen Aurora.
Auch die Stimmung zu der Zeit ist gut eingefangen. Man fühlt sich, als wäre man selbst mitten drin in dieser amerikanischen Kleinstadt im Jahr 1975.

Die Lektionen von Harry am Anfang jedes Kapitels fand ich sehr schön und teilweise sehr inspirierend.

Am meisten beeindruckt hat mich aber der wunderschöne Schreibstil. Er ist recht einfach und gut zu lesen, aber trotzdem elegant und schön. Das Buch ist ein Krimi, der vollkommen ohne übertriebene Gewaltdarstellung und Blutdurst auskommt. Spannungserzeugend sind nicht wie sonst oft wilde Verfolgungen und Katz und Maus spiel mit dem Täter, sondern wirklich die Geschichte und die Ermittlungsarbeit selbst. Dieses Buch ist ganz anderes als andere Krimis, die ich sonst gelesen habe und hat mich schwer begeistert.
Das Stilmittel der Zeitsprünge ist gekonnt eingesetzt und erzeugt zusätzlich Spannung. Nach und nach entfaltet sich die wahre Geschichte vor dem Leser und immer wenn man glaubt, eine Ahnung zu haben und langsam zu verstehen, kommt alles doch noch einmalganz anders, als man dachte.

Hier ein kleines Beispiel für die wahrlich geniale Konstruktion der Handlung:
Harry Quebert ist als Autor berühmt geworden mit dem Buch "Der Ursprung des Übels" in dem es um eine verbotene Liebe zwischen einem weißen Mann und einer schwarzen Frau geht. In Dickers Buch sind Auszüge aus dem (fiktiven) Buch "Der Ursprung des Übels" abgedruckt. Man liest die Passagen, darüber, ob den Liebe falsch sein kann und warum man sich Vorschriften von der Gesellschaft machen lassen kann, wenn was man fühlt so echt und rein ist. Und als Leser jubelt man und stimmt aus vollem Herzen zu. Wie engstirnig und gar albern, eine Liebe zu verpönen, nur weil die Liebenden verschiedene Hautfarben haben.
Und dann liest man die selben Passagen noch einmal, mit dem Hintergrundwissen, dass es eigentlich um die verbotene Liebe zwischen dem 33-jährigen Harry Quebert und der 15-jährigen Nola geht. Und dann sieht die Sache schon ganz anders aus.
Ich fand es unglaublich spannend zu sehen, was allein diese kleinen Passagen mit mir gemacht haben. Wie ich es je nach Hintergrundwissen anders wahrgenommen und bewertet habe. Für mich ein wahrer Kunstgriff.

Fazit:
Eindeutig eines meiner Highlights 2016. Das Buch hat mich wirklich begeistern können.
Es ist einfach alles stimmig in diesem Roman -die Atmosphäre, die Charaktere, die Handlung mit den vielen überraschenden Wendungen. Verpackt ist dieser spannende Krimi in eine wunderschöne, fließende Sprache. Und die Themen sind die, die wohl jeden von uns bewegen -Liebe, Freundschaft und Vertrauen.
Die Geschichte ist gut konstruiert uns spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Die Erarbeitung der Geschehnisse ist plausibel und man fiebert richtig mit.
Nebenbei bekommt man auch spannende Einblicke in die Arbeit der Schriftsteller und auch des Verlagswesen, was ich auch sehr interessant fand.
Eine absolute Leseempfehlung, auch für Leser, die sonst eher Krimi- Muffel sind.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine Hommage an das Leben

Sophia, der Tod und ich
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Kurzmeinung:
Jetzt schon ein Monatshighlight. Das Buch wird mich so schnell nicht wieder loslassen.
Es ist eine Hommage an das Leben und bringt einen mit einem Schmunzeln dazu, seine eigene Einstellung ...

Kurzmeinung:
Jetzt schon ein Monatshighlight. Das Buch wird mich so schnell nicht wieder loslassen.
Es ist eine Hommage an das Leben und bringt einen mit einem Schmunzeln dazu, seine eigene Einstellung neu zu überdenken. Und wer hätte schon gedacht, dass einen ein Buch über den Tod mehr als einmal laut zum Lachen bringen kann?


Zum Buch:
Zu Beginn des Buches klingelt der Tod bei unserem namenlosen Protagonisten und eigentlich sollte dieser dann nur noch 3 Minuten zu leben haben. Doch dann passiert etwas im großen Leben-Tod-Gefüge und der Protagonist darf noch eine Weile auf der Erde wandeln, allerdings nur mit dem Tod zusammen. Denn anscheinend gibt es einen neuen Bewerber für den Job des Todes und der aktuelle Tod muss den Bewerber im Kampf besiegen. Aber dazu später mehr.
In dem Moment, in dem der Protagonist eigentlich sterben sollte, klingelt dann auch noch seine Ex- Freundin Sophia an der Tür und das bringt dann erst recht alles durcheinander. Und weil der Tod nun mal der Tod ist, muss Sophia jetzt mit ihrem sterbenden Ex-Freund und dem Sensenmann zusammenbleiben, ob sie will oder nicht.
Dieses ungleiche Trio tritt nun eine Reise zur Mutter des Protagonisten an, um dann mit ihr zusammen bis in den Süden Deutschlands zu fahren, um den Sohn des Protagonisten vor dem neuen Tod zu retten, und damit der Protagonist seinen Johnny noch ein letztes Mal sehen kann.

Und auf dieser Reise passiert unglaublich viel. Erzählt werden liebevoll einzelne Episoden, schöne Anekdoten, die sich aber mühelos in den Gesamtverlauf der Geschichte zusammenfügen.
Der Protagonist realisiert erst jetzt, da er mit dem Tod konfrontiert ist, dass die letzten Jahre seines Lebens eigentlich nur so an ihm vorübergezogen sind. Er kam mir etwas "lebensmüde" vor, war nicht mehr begeistert vom Leben. Ganz anders der Tod. Dieser darf sonst immer nur 3 Minuten auf der Erde sein, bis er seinen Kandidaten auf "die andere Seite" bringen muss. Und nun ist er plötzlich mehrere Tag auf der Erde und kann sich für alles begeistern. Er erlebt viele erste Male, so zum Beispiel seine ersten Nudeln, seinen ersten Rausch, die erste Bahnfahrt und vieles mehr. Und alles kann ihn in Staunen versetzt und bringt ihm Freude. Und es ist unter anderem das Beobachten dieser Freude, die den Protagonisten aus seiner Lethargie erwachen lässt. Und das Gefühl, alles zum letzen Mal zu machen, verleiht den Situationen eine besondere Bedeutung und Tiefe. Es bringt ihn dazu, seine Entscheidungen, seine Beziehung zu ihm wichtigen Menschen zu überdenken und zu ändern. Und diese Entwicklung und Erkenntnis des Protagonisten mitzuverfolgen ist einerseits wunderschön und andererseits so traurig, weil es ja eigentlich zu spät ist. Aber ist es für solche Gedanken eigentlich je zu spät?



Meinung:
Wow, was für ein Buch. Es ist jetzt schon mein Monatshighlight. Ich muss sagen, es hat ein kleines bisschen gedauert, bis wir warm miteinander geworden sind, aber dann war es eine große Liebe.
Wie Thees Uhlmann es schafft, die großen Fragen um Leben, Liebe und Tod mit einfachen Worten und Metaphern wie aus dem Alltag zu beschreiben, ist einfach großartig. Oft ist es vorgekommen, dass ich einen Satz das erste mal gelesen habe und es klang, wie ein ganz normaler Satz. Und wenn man ihn dann noch mal liest, merkt man, wie viel eigentlich dahinter steckt und wie Uhlmann es schafft, dass einem diese schlichten Sätze den ganzen Tag im Kopf bleiben und einen beschäftigen.
Und das war es auch, was mir an dem Buch am besten gefallen hat und mich am meisten bewegt hat. Das hier die ganz großen Fragen behandelt werden. Was macht das Leben lebenswert? Wie verbringe ich die Zeit, die mir auf dieser Erde bleibt? Welche Menschen möchte ich in dieser Zeit um mich haben und wie behandele ich sie? Und um uns darüber nachdenken zu lassen braucht Thees Uhrmann keine hochtrabende, philosophische, schwere Sprache. Er schreibt im klaren, direkten norddeutschen Schnack und ist ganz nah am Alltag. Er hat in seinen Beschreibungen ein gutes Auge fürs Detail und lässt so Szenen vor dem inneren Auge entstehen, die so, oder so ähnlich wohl jeder kennt.
Für mich ist "Sophia, der Tod und ich" ein Buch, dass ich auf jeden Fall noch mehrere Male lesen werde, und wahrscheinlich immer wieder neue Perlen entdecken kann. Und am Liebsten würde ich gleich eine ganze Liste von Zitaten rausschreiben, über die ich dann erstmal eine ganze Weile nachdenken müsste.




Lieblingszitat:
Er: „Warum lieben die Menschen eine Blumenwiese?“
Ich: „Weil sie so schön bunt ist.“
Er: „Nein, weil sie nur vier Wochen lang so schön bunt ist. Und dann wird sie gelb, und dann ist sie tot. Ohne mich wäre es einfach nur eine Fläche mit bunten Punkten. Ich mache den ganzen Kram hier zu dem, was er ist. Ich bin der Grund, warum ihr morgens aufsteht. Ich bin die Angst, die euch lieben lässt. Ich bin das Ticken in eurem Kopf. Alles, was ihr am Leben liebt, bekommt durch mich erst seine Form. Die Angst, etwas zu verpassen. Was willst du verpassen, wenn du es immer nachholen kannst?“
(S. 248)

Veröffentlicht am 29.09.2022

Großartiger Roman über weibliche Wut

Die Wut, die bleibt
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Kurzmeinung:
Wow, was für ein großartiger Roman! Mit "Die Wut, die bleibt" konnte mich Mareike Fallwickl erneut begeistern. Die Geschichte behandelt die verschiedenen Formen und Gründe weiblicher Wut, ...

Kurzmeinung:
Wow, was für ein großartiger Roman! Mit "Die Wut, die bleibt" konnte mich Mareike Fallwickl erneut begeistern. Die Geschichte behandelt die verschiedenen Formen und Gründe weiblicher Wut, das Leben im Patriarchat und die himmelschreiende Ungerechtigkeit, die das mit sich bringt. Das Buch trifft einen Nerv, sowohl gesellschaftlich, als auch bei mir persönlich.

TW: Suizid, Gewalt

Meine Meinung:
Bei diesem Buch ist der Name Programm. Die "Die Wut, die bleibt" von Mareike Fallwickl hat mich bewegt und erschüttert und hat die Wut, die es schon lange in mir gab, wunderbar in Worte gefasst. Und dafür bin ich Mareike Fallwickl sehr dankbar. Der Roman hat dafür gesorgt, dass ich mich noch einmal auf andere Art und Weise mit den Themen Patriarchat, Feminismus und struktureller gesellschaftlicher Ungleichheit beschäftigt habe und ich möchte das Buch am liebsten jeder Frau, jeder Mutter, jeder Tochter, aber auch jedem Mann, Vater, Sohn in die Hand legen.

Aber ich erzähle euch erst einmal was zur Geschichte. In dem Buch geht es um drei Frauen. Der Roman beginnt damit, dass Helene, Mutter von drei Kindern, beim gemeinsamen Abendessen plötzlich aufsteht und vom Balkon springt. Dass das alles natürlich nicht plötzlich geschieht, sondern eine jahrelange Vorgeschichte aus Erschöpfung, Wut, Schmerz und Ungerechtigkeit vorangeht, erfahren wir im Verlauf des Romans.

Erzählt wir die Geschichte dann abwechselnd von Lola, Helenes Tochter, die nun mutterlos zurückbleibt und von Sarah, Helenes bester Freundin, die bei Helenes Familie einzieht und versucht, die Leerstelle, die Helene hinterlassen hat, zu füllen.

Und oh wie hat mich das alles wütend gemacht. Zum Bespiel Sarah, die sich ohne mit der Wimper zu zucken in das selbe ausbeuterische System pressen lässt, obwohl sie es doch eigentlich besser wissen müsste. Sie kümmert sich fast schon aufopfernd um die drei Kinder, schmeißt den Haushalt, gibt ihre Routinen auf, um der Familie in ihrer Not zu helfen. Und ihre Arbeit, ihre eigene Beziehung, das alles muss plötzlich nebenher laufen. Und Helenes hinterbliebener Mann lässt das alles nicht nur geschehen lässt, sondern nutzt das in Frauen über Generationen hineinsozialisierte Hilfegeben und Versorgen schamlos aus. Schamlos, weil es natürlich auch in ihm internalisiert ist und so vieles unbewusst abläuft und für selbstverständlich hingenommen wird.

Natürlich habe ich vieles von dem, was im Roman beschrieben wird, schon gewusst. So wie wahrscheinlich jede*r, die sich nicht erst seit gestern mit dem Thema Feminismus beschäftigt. Und doch war es für mich etwas anderes, die Fakten zu kennen, als sie hier in eine so authentische und realitätsnahe Form literarisch verarbeitet vor mit zu haben und zu erleben. Die Gefühle, die das in mir ausgelöst hat, waren so viel größer, als es Sachtexte auszulösen vermögen. Und zu wissen, dass es so, so vielen Frauen so geht. Das dieser Roman ihren Alltag beschreibt. Einen Alltag, in dem ganz selbstverständlich erwartet wird, dass die Frau ihre Bedürfnisse hinten anstellt, um für die Familie zu sorgen. Die ganz selbstverständlich den Großteil der Care Arbeit verrichtet, ohne dafür Dank und Anerkennung zu erhalten. Die natürlich alle Arzt- und Schultermine, sowie Geburtstags- und Einkaufslisten im Kopf hat. Die weiß, welches das aktuelle Lieblingsstofftier ist und welches Essen zur Zeit gar nicht geht. Die so viel von sich selbst und der eigenen Zeit aufgibt. Und für die das alles dann auch noch "die Erfüllung" zu sein hat. Boah, was für ein Druck. Und das alles hat sich während der Corona-Pandemie noch verschärft. Familien, besonders Mütter wurden allein gelassen. Auch diesen Aspekt verarbeitet die Autorin sehr gekonnt in ihrem Roman.

Einen anderen Aspekt bringt die Figur der Tochter Lola in die Geschichte ein. Sie zeigt, wie es auch anders geht. Sie hinterfragt, sie ist wütend, sie sieht die Ungerechtigkeit im System und weiß auch: das will ich nicht! Sie macht ihrem Ärger Luft, kann ihre Wut in Worte fassen und die Fehler benennen. Wir begleiten sie auf ihrem Weg des Widerstandes, der nach und nach immer wütender und radikaler wird.

Insgesamt war es für mich aufwühlend und scherzhaft, diese Geschichte zu verfolgen, aber ich habe auch jede Seite genossen und gefeiert. Was für ein aktuelles und wichtiges Buch, das so viel in Worte fasst, was sonst nur als irgendwie diffuses Hintergrundrauschen in meinem Kopf wabert.


Fazit:
Ich kann für "Die Wut, die bleibt" von Mareike Fallwickl nur eine ganz große Leseempfehlung aussprechen. Das Buch ist ehrlich, authentisch, es trifft einen mit ganzer Wucht und kann wohl niemanden kalt lassen.

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Veröffentlicht am 18.02.2020

Von Liebeskummer, Angst und mehr

Nix passiert
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Kurzmeinung:
Nix passiert von Kathrin Weßling ist ein Buch, dass es mir am Anfang nicht ganz leicht gemacht hat und mich dann doch ganz schnell voll und ganz für sich einnehmen konnte. Ich war begeistert ...

Kurzmeinung:
Nix passiert von Kathrin Weßling ist ein Buch, dass es mir am Anfang nicht ganz leicht gemacht hat und mich dann doch ganz schnell voll und ganz für sich einnehmen konnte. Ich war begeistert von der poetischen Sprache und wunderschönen Metaphern, von dieser emotional fordernden Geschichte. Begeistert von den echten, verletzlichen, menschlichen Figuren. Kathrin Weßling schafft den Spagat zwischen tiefgreifend und leicht, zwischen traurig und zum Lachen. Teilweise sarkastisch, fast zynisch, und meistens einfach so wahr und echt.


Meine Meinung:
Ein bisschen hatte ich Schwierigkeiten, in die Geschichte hineinzukommen. Für mich war es das erste Buch der Autorin und ich musste mit dem Stil erst warm werden und in das Setting hineinkommen. Etwas abgeschreckt war ich von zunächst langen Seiten gefüllt von Liebeskummer und Gejammer. Doch ich habe weitergelesen und war dann ganz schnell ganz begeistert von der poetischen Sprache und wunderschönen Metaphern, von dieser emotional fordernden Geschichte. Begeistert von den echten, verletzlichen, menschlichen Figuren. Ich habe Alex jedes Wort geglaubt und war ziemlich angetan von dieser erfrischenden Männerfigur, die so wenig den typischen Männerfiguren in der Literatur entspricht und mir gerade deswegen sehr gefallen hat.

Liebe Liebeskummer Bestseller Großstadt Kleinstadt Familie LeseprobeDie Geschichte ist jung, authentisch, „relatable“. Ich habe mich verstanden gefühlt und geborgen. Davon zu lesen, dass andere auch solche Erfahrungen machen. Das es ok ist, solche Sachen zu fühlen und zu denken. Das es ok ist, Angst zu haben, verletzlich zu sein, keinen Plan zu haben.
Aber am meisten begeistert hat mich wirklich der Stil und die großartige und außergewöhnliche Sprache. Diese Mischung aus Schmerz, tollen sprachlichen Bildern und Humor. Am liebsten hätte ich jeden zweiten Satz angestrichen und aufgeschrieben.
Kathrin Weßling schafft den Spagat zwischen tiefgreifend und leicht, zwischen traurig und zum Lachen. Teilweise sarkastisch, fast zynisch, und meistens einfach so wahr und echt.

In dem Buch stecken viele Themen und ich denke, für jeder Leserin wird etwas anderes herausstechen. In der Geschichte geht es um Liebeskummer, um falsche Entscheidungen. Um Freundschaft. Es gibt eine Reflexion darüber, was Heimat bedeutet. Was Familie bedeutet. Über den Umgang mit Schmerz, mit Unsicherheit, mit Trennungen und Liebeskummer.

Es macht den Vergleich zwischen dem Leben in der Stadt und auf dem Land (und kommt dabei leider nicht ganz ohne Klischees aus. Was mich beim lesen aber nicht gestört hat.). Es geht um die bedeutsamen und bewegten Jahre der Jugend. Wie grausam Jugendliche sein können. Wie schwer es einem die eigenen Ängste machen können. Wie einem die Heimatstadt viel zu eng werden kann, und man sich jahrelang fort träumt. Und wie einem der neue Ort dann zu weit ist und man selbst sich verloren fühlt.
Ihr merkt schon, in dem Buch steckt viel drin und ich würde euch empfehlen, das Buch einfach selbst zu lesen und herauszufinden, was dieses Buch für euch ist und was für euch heraussticht.


Fazit:
Nix passiert von Kathrin Weßling ist ein schönes Buch, ein echtes Buch. Eine Geschichte voller Schmerz und Schönheit, Angst und Hoffnung. Von Familie und Freundschaft, vom Erwachsenwerden und (Über)Leben. Und natürlich von der Liebe.
Ich habe Nix passiert von Kathrin Weßling gern gelesen und möchte jetzt unbedingt mehr von der Autorin lesen.

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Veröffentlicht am 17.11.2019

Gelungene Fortsetzung

Die Zeuginnen
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Kurzmeinung:
"Die Zeuginnen" von Margaret Atwood ist eine spannende Geschichte, eine interessante Dystopie und eine sehr gelungene Fortsetzung des großartigen Romans "Der Report der Magd".

Meine Bewertung:
Ich ...

Kurzmeinung:
"Die Zeuginnen" von Margaret Atwood ist eine spannende Geschichte, eine interessante Dystopie und eine sehr gelungene Fortsetzung des großartigen Romans "Der Report der Magd".

Meine Bewertung:
Ich muss zugeben, dass ich etwas skeptisch war. "Der Report der Magd" fand ich so, so gut und ich hatte meine Zweifel, ob die Autorin an dieses Meisterwerk würde anknüpfen können. Und der Klappentext hat mich auch nicht sonderlich überzeugt.
Doch zum Glück habe ich dem Buch eine Chance gegeben und Atwood hat mich mal wieder von ihrem Können überzeugen können.

Atwood widersteht der Versuchung, direkt an den riesigen Cliffhanger anzuknüpfen, mit dem sie "The Handmaid's Tale" hat enden lassen. Die Geschichte setzt einige Jahre später ein und dreht sich auch nicht mehr um Desfred, die Protagonisten aus dem vorangegangenen Roman, sondern um, wie der Titel schon verrät, drei Zeuginnen, die über die weitere Entwicklung und schließlich den Verfall des totalitären Gottesstaates Gilead berichten.

Zum einen erzählt ein zunächst noch junges Mädchen vom Aufwachsen in Gilead. Hier erhalten wir Einblicke in die Gedanken einer jungen Frau, die seit ihrer Geburt in Gilead lebt und kein anderes System kennt. Wir erfahren viel über ihren Glauben, der ihr Kraft gibt, aber auch über ihre Zweifel und die Ängste, angesichts der großen Ungerechtigkeiten, mit denen sie dieses misogyne System konfrontiert.

Die zweite Zeugin ist eine junge Frau, die in Kanada aufwächst und uns eine Außenperspektive auf Gilead ermöglicht. Wie wird der Staat in den benachbarten Ländern wahrgenommen? Wie reagieren die Regierungen. Wir erfahren etwas über Kriege, die andere Länder mit Gilead führen oder geführt haben. Über diplomatische Methoden. Über Flüchtlingsunterkünfte für die Frauen aus Gilead und über die Untergrundorganisation "Mayday", die die Zeit nach der Handlung von "The Handmaid's Tale" überdauert hat.

Die für mich spannendste Zeugin war die schon aus "Report der Magd" bekannte und berüchtigte Tante Lydia. War sie im vorangegangenen Roman hauptsächlich zur Schreckensfigur stilisiert, wird sie nun zur fassbaren Person, bekommt einen Hintergrund, Motive. Es lassen sich Schattierungen und Graustufen erkennen, statt nur schwarz und weiß. Ich fand es sehr interessant mehr darüber zu erfahren, wie diese zuvor vollkommen normale Frau, aufgewachsen und sozialisiert in dem uns bekannten Amerika, zur berüchtigten Tante Lydia wurde.

Die Geschichte Gileads wird plausibel weitererzählt. Die Perspektivwechsel zwischen den drei Zeuginnen sind gelungen und haben mir gut gefallen. Die drei verschiedenen Handlungsstränge sind spannend und Atwood verwebt sie nach und nach miteinander bis zu einem rasanten Schlussteil, der mich nur so durch die Seiten hat fliegen lassen.


Fazit:
"Die Zeuginnen" von Margaret Atwood hat mir gut gefallen. Zwar kann es nicht ganz an den großartigen Roman "Der Report der Magd" heranreichen, ist aber dennoch eine gelungene Fortsetzung und entwickelt die Geschichte des misogynen Gottesstaats Gilead plausibel weiter. Die Schicksale der drei Zeuginnen sind spannend erzählt und lassen sich sehr gut lesen. Denn Atwood ist eine großartige Erzählerin und das merkt man auch in ihrem neuen Roman "Die Zeuginnen". Ich kann euch die Geschichte sehr empfehlen, aber ich würde dazu raten, zuerst "Report der Magd" zu lesen, da einem sonst schon einige Hintergrundinformationen fehlen und die Geschichte eventuell weniger spannend ist.