Nicht mehr so skandalös wie in den Achtzigern, dennoch (odergerade deswegen?) lesenswert
Sexualität. Begehren. Obsession. Das ist es, was Mary Gaitskills Figuren umtreibt. Sei es die Kollegin, der One-Night- oder auch More-Nights-Stand, sei es die goldige, das Herz erwärmende Prostituierte: ...
Sexualität. Begehren. Obsession. Das ist es, was Mary Gaitskills Figuren umtreibt. Sei es die Kollegin, der One-Night- oder auch More-Nights-Stand, sei es die goldige, das Herz erwärmende Prostituierte: Sie wecken Wünsche und Begehrlichkeiten, ohne die eigentliche Sehnsucht nach Liebe und Nähe wirklich befriedigen zu können.
Zugegeben, nach Büchern wie „Cat Person“, ganz zu schweigen von „Fifty Shades of gähnende Langeweile“ (hieß doch so, oder?), nehmen sich Gaitskills 1988 erstmalig erschienene Kurzgeschichten (Deutsch von Nikolaus Hansen), geradezu brav aus. Der Blick auf das, was schockiert, hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten offenbar zu sehr gewandelt. Und doch muss man sich bei der Lektüre von „Bad Behavior“ vor Augen halten, dass dies vor mehr als zwanzig Jahren durchaus eine neue Stufe weiblichen Literaturschaffens darstellte: Ein unverstellter Blick auf unterdrückte bzw. nur mühsam ausgelebte Triebe, geschrieben von einer Frau; dabei wertet Gaitskill nie, sie beobachtet, beschreibt, erzählt. Gibt es Böse, gibt es Gute? Gibt es Täter, gibt es Opfer? Gibt es überhaupt diese Unterscheidung, und schließt das Eine das Andere aus?
Auch wenn „Bad Behavior“ heute vielleicht nicht mehr ganz so aufzurütteln vermag wie in den Achtzigern, stellt es doch eine lohnenswerte Lektüre dar; nicht nur, weil es einem die veränderten Lesegewohnheiten und vielleicht auch eine Verschiebung moralisch geprägter Anstandsvorstellungen vor Augen führt, sondern weil es schlicht und ergreifend richtig gut erzählt ist.