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Veröffentlicht am 04.04.2020

Immer im August …

Mitten im August
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… macht Familie Milani Urlaub auf Capri, aber dieses Jahr ist ihr Sohn Jack allein mit seiner Freundin Sofia im Ferienhaus. Sie wollen die Semesterferien dort verbringen und ein Praktikum bei einem berühmten ...

… macht Familie Milani Urlaub auf Capri, aber dieses Jahr ist ihr Sohn Jack allein mit seiner Freundin Sofia im Ferienhaus. Sie wollen die Semesterferien dort verbringen und ein Praktikum bei einem berühmten Meeresbiologen machen. Eines Morgens wird Jacks Leiche in einem auf dem Wasser treibenden Ruderboot gefunden. Er wurde erstochen, von Sofia fehlt jede Spur. War es eine Beziehungstat?

Enrico Rizzi ist Polizist auf der Insel, auf der es sonst eher ruhiger zugeht. Wenn er nicht gerade kleinere Delikte verfolgt, widmet er sich mit Leidenschaft dem ökologischen Obst und Gemüseanbau auf den Feldern und Gärten seines Vaters. Der Tote im Ruderboot ist sein erster Mordfall und sein Chef ist davon gar nicht begeistert. Wenn Rizzi das Boot nicht an Land gezogen hätte, wäre der Fall nämlich gleich an die Kollegen von Neapel gegangen. Aber auch so reißt der Chef der dortigen Mordkommission die Ermittlungen an sich, Rizzi und seine neue Kollegin Cirillo werden zu Handlangern degradiert.

„Mitten im August“ ist der Auftakt einer neuen, unterhaltsamen Capri-Krimireihe und perfekt, um wenigstens in Gedanken reisen zu können. Die Handlung ist nicht zu blutig aber trotzdem spannend und man erfährt viel über Land und Leute. Zudem hat mir gefallen, wie mit den Erwartungen des Lesers / Hörers gespielt wird. Die Verdachtsmomente gehen in eine bestimmte Richtung und werden durch die Ermittlungen immer wieder bestärkt, trotzdem kommen ausreichend Zweifel auf, um sich nie ganz sicher zu sein.

Die Vergangenheit der Polizisten wird immer wieder kurz angerissen, aber ich hätte mir weiterführende Informationen gewünscht. Enrico Rizzi scheint geschieden zu sein und eine neue Freundin zu haben (das war für mich nicht ganz eindeutig). Antonia Cirillo wurde degradiert und zwangsversetzt, außerdem lebt ihr Sohn bei seinem Vater. Warum, wird bisher leider nur angedeutet, aber vielleicht erfährt man im nächsten Band mehr.
Rizzi ist sehr zielstrebig und will den Fall unbedingt vor den Kollegen aus Neapel lösen. Leider übergeht er Cirillo dabei immer wieder, er scheint sie nicht als gleichgestellte Kollegin zu sehen. Außerdem tauschen sie sich (noch?) zu wenig über ihre Ermittlungsergebnisse aus. Das verärgert Antonia, doch sie hält sich zurück.

Mein Fazit: Ein gemütlicher Urlaubskrimi mit viel Flair und interessanten Hintergründen zu Meeresbiologie und Umweltschutz. Von Johannes Klaußner sehr gut gelesen.

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Veröffentlicht am 20.03.2020

Moderne Mädchen

Radio Girls
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„Sie würde niemals hübsch oder schick sein, doch so, wie sie war, sah sie zumindest verlässlich und vernünftig aus.“ (S. 15)
London 1926: Maisie ist 23 und wurde schon in der Kindheit als graue Maus beschimpft. ...

„Sie würde niemals hübsch oder schick sein, doch so, wie sie war, sah sie zumindest verlässlich und vernünftig aus.“ (S. 15)
London 1926: Maisie ist 23 und wurde schon in der Kindheit als graue Maus beschimpft. Ihr fehlen weibliche Kurven, ihre Haare haben eine nichtssagende Farbe und ihre Kleidung ist abgetragen. Sie ist zu unauffällig, still und rücksichtsvoll, hat keinerlei Selbstvertrauen. Als sie einen Job als Sekretärin bei der BBC ergattert, wähnt sie sich am Ziel ihrer Träume – endlich verdient sie Geld und vielleicht lernt sie auch einen Mann kennen, der sie heiratet. Doch schon bald wird ihr klar, dass sie an einem Ort ist, wo die Zukunft passiert. Das Radio steckt noch in den Kinderschuhen, beeinflusst aber schon jetzt viele Menschen. Und im Gegensatz zu den Zeitungen: „… spielt es keine Rolle, ob die Leute Analphabeten sind, du kannst sie trotzdem mit nützlichen Informationen versorgen und ihren Verstand schärfen.“ (S. 322)
Ihre Chefin Hilda Matheson, die Vortragsdirektorin, spornt sie an, Fragen zu stellen, wann immer sie etwas nicht weiß oder versteht, und selber Nachforschungen anzustellen. Maisie lernt bei jeder Sendung etwas dazu, bringt bald eigene Ideen ein und arbeitet sich langsam hoch. Doch dann entdeckt sie etwas, was die BBC und das Land erschüttern könnte …

In „Radio Girls“ erzählt Sarah-Jane Stratford auf der Basis historischer Personen von den Anfängen der BBC in London. Damals brachte das Radio keine Musik, Wetter und Nachrichten, sondern sollte die Zuhörer unterhalten und bilden. Es gab z.B. Buchrezensionen, politische Streitgespräche oder Vorträge zur ersten Hilfe bei Haushaltunfällen. Die Gäste waren prominente Künstler oder Politiker, oft umstrittene Persönlichkeiten.

Maisie steht für eine neue Generation Frauen, die lieber arbeiten gehen als sich um Mann, Haus und Kinder zu kümmern. Sie dürfen wählen und können für sich selbst entscheiden. Ich fand es spannend und sehr interessant, Maisies Entwicklung von der ungebildeten grauen Maus zur taffen Karrierefrau zu verfolgen. „Jede Sekunde dort ist ein Abenteuer.“ (S. 278), auch wenn ich ausgehend vom Klappentext eher eine Spionagegeschichte erwartet hatte. Stattdessen geht die Autorin auf das Tagesgeschäft beim BBC ein, wie schwer es für Frauen war, sich in dieser Männerwelt zu behaupten, sich zu emanzipieren. Die Beiträge des Senders waren eng an die sich stets ändernde politische Situation gebunden, sie mussten oft mit ihren Chefs und den Sprechern bzw. deren Themen regelrecht jonglieren.

Mein Fazit: Ein interessanter biographischer Roman über die Anfänge des BBC-Radios, der etwas mehr Spannung vertragen hätte.

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Veröffentlicht am 19.02.2020

Wer war es?

Die schönen Mordschwestern
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„Ich habe es für Pokorny getan, und zwar aus Verzweiflung, weil ich ihn wahnsinnig liebe.“ (S. 111) sagt Gusti (Auguste Huber) 1906 zu ihrer Verteidigung im Mord-Prozeß gegen sie und ihre Schwester Fini ...

„Ich habe es für Pokorny getan, und zwar aus Verzweiflung, weil ich ihn wahnsinnig liebe.“ (S. 111) sagt Gusti (Auguste Huber) 1906 zu ihrer Verteidigung im Mord-Prozeß gegen sie und ihre Schwester Fini (Josefine) aus. Joseph Pokorny ist ein selbsternannter Opernstar und Gusti ist ihm verfallen. Um ihn halten zu können braucht sie dringend Geld – immer mehr – und weiß sich am Ende nicht anders zu helfen, als eine reiche Bekannte zu ermorden, meint zumindest das Gericht. Verurteilt wird sie aufgrund von Indizien und weil sie sich in ihren Aussagen mehrfach widerspricht. Ob ihre Schwester Fini involviert oder vielleicht sogar die Täterin ist, kann nicht nachgewiesen werden. Trotzdem wird sie zu 5 Jahren wegen Beihilfe verurteilt und Gusti 20.

Nach der Verbüßung ihrer Haftstrafe geht Fini nach Wien zurück und begegnet Pokorny wieder, der bereits einen neuen Namen angenommen hat. Sie muss sich erneut damit auseinandersetzen, was damals passiert ist und will ihn dafür büßen lassen – aber wie?

In „Die schönen Mordschwestern“ verarbeitet Franz Preitler einen realen Kriminalfall, der nie richtig aufgeklärt werden konnte. Fest steht, dass die zwei Schwestern mit ihrer Bekannten einen Ausflug unternahmen und ohne sie zurückkamen. Die Bekannte wurde kurz darauf ermordet aufgefunden und alle Indizien verwiesen auf die Schwestern.

Gusti und Fini stammen aus einem winzigen Dorf und träumen wie so viele andere jungen Frauen von einer guten Anstellung in Wien, bei der sie ihren zukünftigen (vorzugsweise reichen) Ehemann kennenlernen. Mehr wollen sie nicht vom Leben. Für Gusti scheint sich dieser Traum zu erfüllen, als sie Pokorny begegnet. Er gibt sich reich und berühmt und verspricht ihr, sie als seine Ehefrau mit zu seinem nächsten Engagement nach Sankt Petersburg zu nehmen, wenn sie nur irgendwie das Geld für die Fahrkarten auftreiben kann.

Die beiden Schwestern sind sehr naiv und rennen sehenden Auges in ihr Unglück. Egal was Pokorny macht, sie nehmen ihn in Schutz. Selbst während des Prozesses, als die Sprache auf seine Vorstrafen wegen Betrug und Heiratsschwindel kommt, glauben sie es immer noch nicht.
Pokorny ist skrupellos und gierig, leidet an Größenwahn. Er sieht nicht besonders gut aus, aber er kann die Frauen um den kleinen Finger wickeln und ihnen die große Liebe vorspielen. Er sieht sich selber im Recht – schließlich zwingt er die Frauen nicht, sich in ihn zu verlieben und ihm Geld zu geben, er sieht es eher als Gegenleistung für seine Dienste und die Träume, die er ihnen schenkt.

Die Geschichte ist sehr spannend. Man weiß bis zuletzt nicht, was damals wirklich passiert ist und was Fini jetzt als Rache plant. Aber auch Pokorny ist so undurchsichtig, dass ihn zwischendurch als Täter im Verdacht hatte.

Die Beteiligten erzählen die Geschehnisse abwechselnd aus ihrer Sicht. Auch ein Zeitungsreporter und Auszüge aus dem Buch, dass dieser und Pokorny zusammen schreiben, kommen zu Wort. Dabei drücken sie sich so aus, wie es damals wahrscheinlich üblich war. Mir persönlich ist der Erzählstil dadurch zum Teil etwas weitschweifig und umständlich. Aber sowas ist ja Geschmackssache.

Zudem hätte ich mich gefreut, wenn ich am Ende noch ein paar Hintergrundinformationen bekommen hätte. Ob es den Reporter z.B. wirklich gab und die Zeitungsartikel echt sind und welche Teile der Handlung auf dem realen Fall beruhen.

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Veröffentlicht am 13.02.2020

Mörder!

Die Begine von Ulm
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Ulm 1412: Das Ulmer Münster befindet sich noch mitten im Bau, doch jetzt schon haben die Menschen Angst, dass der Turm dereinst den Himmel berührt und damit Gott erzürnt. Bestimmt passieren darum auch ...

Ulm 1412: Das Ulmer Münster befindet sich noch mitten im Bau, doch jetzt schon haben die Menschen Angst, dass der Turm dereinst den Himmel berührt und damit Gott erzürnt. Bestimmt passieren darum auch so viele Unfälle auf der Baustelle.

Die junge Begine Anna Ehringer hat ihren ersten Arbeitstag im Heilig-Geist-Spital, als der Zimmermann Konrad mit einer schweren Kopfverletzung eingeliefert wird. Man geht wieder von einem Unfall auf der Baustelle aus, doch als Konrad kurz wach wird, flüstert er „Mörder.“ (S. 37) Anna gibt dem Siechenmeister Bruder Lazarus Bescheid, der es der Wache meldet, aber man glaubt ihnen nicht ...

Anna ist wehr wissbegierig und im Beginenkonvent für die Heilmittel und -tränke zuständig, außerdem hilft sie im Spital bei der Pflege und Behandlung der Kranken. Konrads Verletzung irritiert sie von Beginn an und schon bevor feststeht, dass er ermordet wurde beginnt sie mit eigenen Nachforschungen und bringt sich damit in Lebensgefahr. Unterstützt wird sie dabei von Bruder Lazarus.
Sie entstammt einer angesehenen Ratsfamilie und kann sich eine Ehe nicht vorstellen, aber Lazarus bringt ihr Herz zum Tanzen. Doch als Mönch ist er natürlich tabu. Ein weiteres Problem ist ihr Bruder Jakob. Er will im Rat aufsteigen und der schnellste Weg wäre eine Hochzeit Annas mit einem anderen Ratsherrn.

Im Rahmen der Handlung bekommt einen guten Einblick in den Alltag der Beginen und die Arbeit im Spital. Die ehemals unabhängigen Beginen waren zu dieser Zeit schon seit fast 100 Jahren verboten und mussten sich den Barfüßermönchen anschließen, um weiter bestehen zu können. Trotzdem wurden sie immer wieder angefeindet, dabei stammten sie aus einflussreichen Familien.

Das Buch ist recht spannend geschrieben, auch wenn erst am Ende so richtig Fahrt in den Kriminalfall kommt und alles in einem großen Showdown mündet. Dafür erfährt man viel über politische Intrigen innerhalb der Stadt und die gerade stattfindende Umwälzung der Gesellschaft. Die geistlichen Orden werden immer mehr in ihren Freiheiten beschnitten und das niedere Bürgertum drängt nach oben.

„Die Begine von Ulm“ ist der Auftakt einer neuen Reihe von Silvia Stolzenburg und mein Tipp für die Leser der Beginen-Reihen von z.B. Andrea Schacht und Petra Schier.

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Veröffentlicht am 23.01.2020

Frauenüberschuss

Violet
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Der 1. WK ist seit 13 Jahren vorbei, doch Violet steckt in ihrem Leben fest. Sie hat den Verlust ihres Verlobten nie verwunden, der genau wie ihr älterer Bruder gefallen ist. Seit dem Tod ihres Vaters ...

Der 1. WK ist seit 13 Jahren vorbei, doch Violet steckt in ihrem Leben fest. Sie hat den Verlust ihres Verlobten nie verwunden, der genau wie ihr älterer Bruder gefallen ist. Seit dem Tod ihres Vaters vor einem Jahr lebt sie mit ihrer Mutter in deren Haus in Southampton und wird den ganzen Tag von ihr schikaniert. Zum Glück hat sie nach dem Krieg einen Schreibmaschinenlehrgang besucht und als eine Versicherung in Winchester Schreibkräfte sucht, ergreift sie die Chance zur Flucht aus ihrem bisherigen Leben. „Für Violet war das Schreibmaschineschreiben ein monotoner und stumpfsinniger Vorgang, der mit der Zeit etwas Meditatives bekam und sie in einen Zustand versetzte, in dem sie nicht mehr nachdachte, sondern einfach nur war.“ (S. 19)
Doch auch in Winchester ist sie einsam. Ihre Kolleginnen sind deutlich jünger als sie und es gibt keine ledigen Männer, dafür einen großen Frauenüberschuss. Die Stadt ist zu klein, um sich wie früher 2-3 Mal im Jahr an eine Hotelbar zu setzen und darauf zu warten, dass ein Mann sie anspricht und auf einen Sherry einlädt – der Code für einen One-Night-Stand.
Als sie eines Tages in einen Segnungsgottesdienst der Broderinnen (Stickerinnen) platzt, findet sie ihre neue Bestimmung. Frauen aller Altersklassen und Schichten sticken wunderschöne Stuhl- und Kniekissen für die Ausschmückung der Kathedrale. Sie schließt sich ihnen an, lernt Sticken und fühlt sich endlich nützlich. „Vermutlich versuche ich hier einen Neuanfang … Spirituell und auch physisch. Ich habe gedacht, wenn es hier drin ein ganz kleines Stück von mir gäbe, könnte das vielleicht helfen.“ (S. 94)

Chevalier Tracy hat mich wie in ihren bisherigen Büchern vor allem durch ihre extrem ruhige Erzählweise und großartigen Beschreibungen überzeugt. Sie kann mit Worten malen, ich habe sofort Violets tristes Leben und die farbenprächtigen Stickereien vor mir gesehen. Besonders spannend fand ich, dass es Miss Pesel, die Leiterin der Broderinnen, und die Kissen wirklich gab bzw. noch gibt.

Violet selbst lässt mich etwas zwiegespalten zurück. Sie hat sich einerseits zu sehr in ihr Schicksal gefügt, immer wieder nachgegeben und war recht blauäugig, auf der anderen Seite hat mich am Ende sehr überrascht, auf welche Art und Weise sie ihr Glück findet und durchsetzt.

Die Autorin lässt das England der 30er Jahre lebendig werden und beleuchtet dabei vor allem die Rolle der „alten Jungfern“ (Violet ist ca. 39). Diese Frauen haben kaum eine Chance, noch einen Partner zu finden und liegen deshalb ihren Familien auf der Tasche. Es wird erwartet, dass sie sich um die Eltern kümmern oder klaglos in die Haushalte von verheirateten Geschwistern einfügen. Der einzige Ausweg ist eine – meist unterbezahlte – Arbeit und ein winziges Zimmer in reinen Frauenhaushalten.

„Violet“ ist ein Roman über Selbstfindung und Selbstbestimmung englischer Frauen in den 30er Jahren.

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