Schöne Schwestern in der Hand eines Psychopathen
„Vielleicht war es deshalb kein Schock für sie. Oder vielleicht war sie inzwischen nicht mehr fähig, mit einem Schock zu reagieren, denn immer wenn sie dachte, sie hätte nun das Schlimmste von Paul gesehen, ...
„Vielleicht war es deshalb kein Schock für sie. Oder vielleicht war sie inzwischen nicht mehr fähig, mit einem Schock zu reagieren, denn immer wenn sie dachte, sie hätte nun das Schlimmste von Paul gesehen, tauchte eine entsetzliche neue Tat von ihm auf und mit ihr die Erkenntnis ihrer eigenen bewussten Blindheit.“
Inhalt
Eines Nachts endet die harmonische Ehe zwischen Claire und Paul Scott ebenso brutal wie abrupt, denn während sie sich in einer dunklen Gasse lieben wollten, wird Paul bei einem tätlichen Raubüberfall mit einem Messer getötet. Als trauernde Witwe bleibt die nun vollkommen entwurzelte Claire zurück, die den tragischen Tod ihres Mannes kaum verwinden kann. Erst als sie in einer Computerdatei von Paul belastendes Videomaterial entdeckt, regen sich erste Zweifel bei ihr. Wurde Paul tatsächlich nur als willkürliches Opfer erwählt oder steckt Berechnung dahinter? Warum besitzt er grausame Pornodarstellungen, die er akribisch archiviert hat? Und aus welchem Grund ähneln die Frauen aus den Filmen ihr so sehr? Claire kommen ernste Zweifel an ihrer Menschenkenntnis und sie beschließt der Sache nachzugehen, um wieder ruhig schlafen zu können. Doch je tiefer sie gräbt, desto düsterer wird der Sumpf an Menschenverachtung, der sich vor ihr auftut. Und je näher sie der Wahrheit kommt, desto unwahrscheinlicher wird es, dass sie ungeschoren aus ihrem persönlichen Alptraum entfliehen könnte …
Meinung
Die amerikanische Bestsellerautorin, die zu den weltweit populärsten Schriftstellerinnen auf dem Sektor des Spannungsromans gehört, widmet sich auch in diesem psychologischen Thriller den düsteren Gedanken eines Sadisten, der seine kranke Erfüllung im Leid unschuldiger Frauen findet. Äußerst facettenreich und wahnsinnig nervenaufreibend gestaltet die Autorin den temporeichen Handlungsverlauf, der nach und nach sämtliche Gräueltaten offenbart. Gemeinsam mit einer ambitionierten, wenn auch geschockten Hauptprotagonistin gerät der Leser immer tiefer in ein dunkles Kellerverlies menschlicher Abgründe und trifft dort auf ein wahres Paradies der sadistischen Auswüchse, dem man teilweise nur ungern bis in den letzten Winkel folgen möchte. Stellenweise sehr brutal und detailliert werden Foltermethoden beschrieben, so dass man an harten Worten und echten Grausamkeiten nicht ganz vorbeikommt.
Karin Slaughter wählt eine sehr interessante Erzählperspektive, indem sie ein dramatisches Puzzle aus diversen Blickrichtungen schildert. Zunächst aus der Sicht eines verzweifelten Vaters, der seine älteste Tochter an die Ungewissheit ihres plötzlichen Verschwindens verloren hat und später aus Sicht seiner beiden jüngeren Töchter, die dem Teufel in Menschgestalt viel näherstehen, als sie lange Zeit ahnen. Und trotz der Tatsache, dass bereits nach den ersten Seiten die Opfer- und Täterrollen klar verteilt sind und auch im Verlauf der Geschichte keine unspektakulären Wendungen vollzogen werden, blickt man bald auf ein grausames Schlachtfeld, das ebenso anzieht wie abschreckt.
Wie man es von einer amerikanischen Autorin erwartet, fehlt es auch nicht an gruseligem Actionpotential und Gänsehautstimmung, so dass man beim Lesen lieber nicht allein in der düsteren Kammer sitzt.
Fazit
Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen psychologischen Thriller mit dem Fokus auf desolaten menschlichen Beziehungen, in denen die Unschuld kilometerweit entfernt scheint. Generell ein guter Mix aus Drama, Grauen und unerbittlichen Rachegedanken, voller Nervenkitzel und Spannung bis zum finalen Countdown. Ein klassischer Vertreter des Genres, den ich Freunden guter Plots empfehlen kann und der mich trotz einiger echter Schockmomente in seinen Bann gezogen hat.