Gegen das Vergessen
Lennard steckt in Schwierigkeiten…nachdem man seine 2 Freunde und ihn beim Graffiti – Sprühen erwischt hat muss er Wiedergutmachung leisten, als Lesepate in einem Pflegeheim. Zu Beginn ist er gar nicht ...
Lennard steckt in Schwierigkeiten…nachdem man seine 2 Freunde und ihn beim Graffiti – Sprühen erwischt hat muss er Wiedergutmachung leisten, als Lesepate in einem Pflegeheim. Zu Beginn ist er gar nicht begeistert auch wenn er die ältere Dame Frau Silberstein eigentlich total locker und cool findet. Doch Lea, die ihre Großmutter öfter besucht, lässt Lennard zu seinen Terminen schweben, ist es doch die einzige Möglichkeit hier mit ihr in Kontakt zu treten. Doch auch Frau Silberstein hat einiges zu erzählen…denn sie ist eine Überlebende des Holocaust…
Die Zeitzeugen des Holocaust sterben, die jüngere Generation kann sich unter dem Grauen des zweiten Weltkrieges immer weniger vorstellen, sich ein Bild machen, aber es darf nicht vergessen werden, also wie damit umgehen?
Dies versucht die Autorin, mit ihrem Buch, und in meinen Augen sehr gelungen, umzusetzen.
Gerade für die jugendlichen Leser, hier ab 13 Jahren, wird das Buch einiges bieten. Der Schreibstil ist locker, leicht, die Kapitel nicht zu lange, es werden keine Fachausdrücke oder ähnliches verwendet und die Autorin beweist in vielen Themen wie Holocaust, Alter, Pflege, Tod, Familie und die Pubertät viel Feingefühl und vielseitige Blickwinkel.
Lennard ist 14 Jahre, mitten in der Pubertät und hält von sich nicht sonderlich viel. Man sagt immer er ist weder Fisch noch Fleisch und das spürt man als junger und älterer Leser hier sehr deutlich, wie die Hormone bei Lennard verrückt spielen und er seinen Platz im Leben sucht. Und dann die Dummheit mit dem Graffiti und die Lesepatenschaft, die Begeisterung hält sich in Grenzen.
Lennar war für mich immer sehr realistisch dargestellt, alleine weil ich selbst ein 14jähriges Pubertierchen daheim habe. Seine Reaktionen waren in meinen Augen nie übertrieben, kindisch dumm oder unrealistisch sondern nachvollziehbar.
Der große Plustpunkt erhält wohl hier Frau Silberstein, für eine ältere Dame ist sie auf jeden Fall richtig cool und offen, sie bemerkt die Stimmungen und dieses Hin und Her bei Lennard sehr genau und trifft mit ihren Aussagen meist den Nagel auf den Kopf. Aber schon zu Beginn gibt es Andeutungen was sie eventuell erlebt hat, die Autorin führt an die Thematik sehr schonend heran. Die jüngeren Leser werden das als Spannungsbogen sehen, die älteren Leser werden vielleicht hier und da etwas ungeduldig.
Wie schon erwähnt zählen in diesem Buch viele Faktoren die perfekt zusammenspielen – die Menschen werden immer älter, aber das Pflegesystem hält überhaupt nicht. Wie geht es in Pflegeheimen zu? Wie belastend ist es nicht nur für die Bewohner und die Betreuer sondern auch für die Angehörigen wenn sie dort zu Besuch sind? Wie mit dem Tod umgehen der ja in solchen Heimen oft gegenwärtig ist? Und was heisst es eine Überlebende des Holocaust zu sein?
Frau Silberstein erzählt ihre Geschichte, bewegend, eindringlich, erschreckend wie soviele andere, gleiche Schicksale. Hier sollten die Jugendliche, wenn sie das Buch alleine lesen, jemanden an der Seite haben der ihnen vieles erklärt, sich mit ihnen darüber unterhält und man sich austauscht denn auch ich, als ältere Leserin, bin von der Geschichte der Frau Silberstein bewegt, schockiert und mitgenommen worden, es geht jedes Mal aufs neue ans Herz und festigt sich dort.
Die jugendliche Liebe, dieses neugierig sein auf eine Freundin zu haben, sie zu erobern, sich als der richtige Freund darzustellen erhält natürlich ebenso seinen Platz, ist für Jungs und Mädels also gewiss sehr interessant, lustig und hier und da zu verstehen oder mit einem Augenrollen zu kommentieren. Diese kleine aber feine Liebesgeschichte die hier einfließt lockert die Stimmung zum richtigen Moment etwas auf und lenkt kurzweilig von den erdrückenden Erlebnissen von Frau Silberstein ab, das durchatmen für die Leser.
Im Ganzen hat mir das Buch sehr gut gefallen, es ist stimmig, es beinhaltet viele wichtige Themen und ist in meinen Augen ein sehr guter Ansatz gegen das Vergessen, für das Interesse der jüngeren Generation und kann von allen Generationen gelesen werden, sollte es auch!
Eine ganz klare Leseempfehlung!