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Veröffentlicht am 22.02.2020

Sehr spannend! Was macht einen Menschen zum Spion?

Der Empfänger
0

Josef Klein ist von Deutschland nach Amerika ausgewandert und versucht in New York Fuß zu fassen. Er arbeitet in einer Druckerei, die neben Geburtstagskarten und Flugblättern für einen Schwarzenführer ...

Josef Klein ist von Deutschland nach Amerika ausgewandert und versucht in New York Fuß zu fassen. Er arbeitet in einer Druckerei, die neben Geburtstagskarten und Flugblättern für einen Schwarzenführer auch Flyer amerikanischer Naziparteien druckt.
Der Roman spielt In einer Zeit, als noch Radio und Zeitung vorherrschten. Der Fernseher sollte erst wenige Monate später als Neuheit auf der World Fair in New York vorgestellt werden.
Und noch wird Hitler von manchen als der neue Friedensbringer angesehen.

»Irgendwann kam die Einsicht, dass einfaches Sein das Schwierigste war. Alle wollten irgendetwas aus einem machen. Und sei es, einen Deutschen, der nichts dafür konnte, ein Deutscher zu sein.«

Josef beginnt, sich um einen ausgesetzten Hund zu kümmern, baut einen Funkempfänger, mit dem er die ganze Welt zu sich nach Hause holen kann, und bringt sich selbst das Morsen bei. Doch er freundet sich mit den falschen Leuten an.

»Es war nach 1941 schon ein Verbrechen, Deutscher zu sein, nachdem Deutschland Amerika den Krieg erklärt hatte.«

1949 ist Josef wieder zurück im zerstörten Deutschland und lebt bei seinem Bruder und dessen Familie. Wir erfahren, dass Josef mehrere Jahre auf Ellis Island interniert war und auch im Gefängnis gesessen hat.

Die Geschichte entfaltet einen großen Sog. Ich wollte unbedingt erfahren, wie Josef zum politischen Gefangen wurde. Auch die Schilderungen der Stimmung in den Straßen von New York, in den armen und reichen Vierteln war sehr spannend. Die Autorin erzählt vom »Sauerkrautboulevard« und dem Leben von ausgewanderten Deutschen. Politisch gesehen brodelte es, und Gruppen wie die Christian Front oder die American Patriots wünschten einen Umsturz. Bügerwehren patrouillierten mancherorts in den Straßen.

»Joe, der American Dream ist nicht für alle. Schau dir doch die Leute in den Fabriken an. Manchmal muss man sich über Gesetze hinwegsetzen. Schließlich setzen sich die Gesetze auch über uns hinweg.«

Die Autorin hat die Erlebnisse ihres Großonkels als fiktionale Geschichte verarbeitet und eine Zeit und eine Seite Amerikas beleuchtet, über die mir bisher wenig bekannt war.
Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.02.2020

Sehr spannend! Was macht einen Menschen zum Spion?

Der Empfänger
0

Josef Klein ist von Deutschland nach Amerika ausgewandert und versucht in New York Fuß zu fassen. Er arbeitet in einer Druckerei, die neben Geburtstagskarten und Flugblättern für einen Schwarzenführer ...

Josef Klein ist von Deutschland nach Amerika ausgewandert und versucht in New York Fuß zu fassen. Er arbeitet in einer Druckerei, die neben Geburtstagskarten und Flugblättern für einen Schwarzenführer auch Flyer amerikanischer Naziparteien druckt.
Der Roman spielt In einer Zeit, als noch Radio und Zeitung vorherrschten. Der Fernseher sollte erst wenige Monate später als Neuheit auf der World Fair in New York vorgestellt werden.
Und noch wird Hitler von manchen als der neue Friedensbringer angesehen.

»Irgendwann kam die Einsicht, dass einfaches Sein das Schwierigste war. Alle wollten irgendetwas aus einem machen. Und sei es, einen Deutschen, der nichts dafür konnte, ein Deutscher zu sein.«

Josef beginnt, sich um einen ausgesetzten Hund zu kümmern, baut einen Funkempfänger, mit dem er die ganze Welt zu sich nach Hause holen kann, und bringt sich selbst das Morsen bei. Doch er freundet sich mit den falschen Leuten an.

»Es war nach 1941 schon ein Verbrechen, Deutscher zu sein, nachdem Deutschland Amerika den Krieg erklärt hatte.«

1949 ist Josef wieder zurück im zerstörten Deutschland und lebt bei seinem Bruder und dessen Familie. Wir erfahren, dass Josef mehrere Jahre auf Ellis Island interniert war und auch im Gefängnis gesessen hat.

Die Geschichte entfaltet einen großen Sog. Ich wollte unbedingt erfahren, wie Josef zum politischen Gefangen wurde. Auch die Schilderungen der Stimmung in den Straßen von New York, in den armen und reichen Vierteln war sehr spannend. Die Autorin erzählt vom »Sauerkrautboulevard« und dem Leben von ausgewanderten Deutschen. Politisch gesehen brodelte es, und Gruppen wie die Christian Front oder die American Patriots wünschten einen Umsturz. Bügerwehren patrouillierten mancherorts in den Straßen.

»Joe, der American Dream ist nicht für alle. Schau dir doch die Leute in den Fabriken an. Manchmal muss man sich über Gesetze hinwegsetzen. Schließlich setzen sich die Gesetze auch über uns hinweg.«

Die Autorin hat die Erlebnisse ihres Großonkels als fiktionale Geschichte verarbeitet und eine Zeit und eine Seite Amerikas beleuchtet, über die mir bisher wenig bekannt war.
Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.02.2020

Fundiert, konkret, erschütternd - Must-Read für Eltern, Lehrer, Politiker, Vorgesetzte

Unsichtbare Frauen
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Fundiert, konkret, erschütternd - Must-Read für Eltern, Lehrer, Politiker, Vorgesetzte

Die Journalistin Caroline Criado-Perez beschreibt wie sich durch typische Vorurteile, unsere Sprache und unsere Kultur ...

Fundiert, konkret, erschütternd - Must-Read für Eltern, Lehrer, Politiker, Vorgesetzte

Die Journalistin Caroline Criado-Perez beschreibt wie sich durch typische Vorurteile, unsere Sprache und unsere Kultur ein Blinder Fleck gebildet hat. Sie nennt ihn Gender-Data-Gap.
Obwohl ohne böse Absicht entstanden, führt er zur Benachteiligung und Gefährdung von Frauen in allen Bereichen des Lebens. Er zeigt sich im Lehrplan, der Politik, der Stadtplanung, der Sicherheit, selbst der Förderung von Freizeitangeboten für Jugendliche.

Die Autorin hat ihr Buch in sechs Themenbereiche aufgeteilt:
Alltagsleben
Arbeitsplatz
Design
Medizin
öffentliches Leben
Katastrophen

Nach Naturkatastrophen seien zum Beispiel mehrfach Häuser gebaut worden, die keine Küchen gehabt hätten. Warum? Es waren keine Frauen in die Planung mit einbezogen worden.

Besonders gut gefallen hat mir die Vielfältigkeit der Beispiele. Die Autorin berichtet vom engen Nachbarschaftsnetz in brasilianischen Favelas, warum beim Tsunami 2004 in Sri Lanka viermal mehr Frauen als Männer gestorben sind oder von der Sprachsteuerungssoftware im Volvo Cross-Country.

Wusstest du, dass sich laut einer finnischen Studie unverheiratete Frauen besser von Herzinfarkten erholen als verheiratete?
Die Ehefrauen nehmen nach ihrem Krankenhausaufenthalt gleich die Hausarbeit wieder auf.

Schülerinnen bringen in den Naturwissenschaften bessere Leistungen, wenn die Bilder in den Schulbüchern auch Wissenschaftlerinnen zeigen.
Es könnte so einfach sein.

Die Autorin schreibt über Arbeitsmaterialien, Sicherheitskleidung von Soldatinnen und Polizistinnen, den traditionellen Kochstellen als Gefahrenstellen und Smartphones die für Männerhände gemacht sind.
Die Spracherkennungssoftware von Google erkennt männliche Sprache mit 70% höherer Wahrscheinlichkeit als weibliche.
Wieso sollten Frauen den gleichen Preis zahlen, wenn sie einen schlechten Service bekommen?, fragt die Autorin.

Frauen sind nicht einfach kleinere Männer, sie unterscheiden sich bis auf die Zellebene hinab.
Frauen sind mehr von Autoimmunerkrankungen betroffen, Raucherinnen bekommen eher Lungenkrebs als Raucher. Empfehlungen für männliche Diabetiker bringen Diabetikerinnen keinen Nutzen. Viele Studien bezögen sich nur auf Männer und es sei schwierig Fördergelder für frauentypische Beschwerden zu bekommen.

Ein sehr erhellendes Buch mit vielen konkreten Beispielen aus allen Bereichen des Lebens, die zum Teil sehr schockierend sind und wütend machen. Frauen sind durch bestimmte Traditionen höheren Gefahren ausgesetzt, haben weniger Zugang zu Bildung und trauen sich weniger zu.

Die Autorin zeigt auf, wie wichtig und konstruktiv es für die gesamte Gesellschaft ist, dass Frauen in Machtpositionen, in Vorständen oder der Politik vertreten sind.
Die weibliche Perspektive darf nicht fehlen.
Frauen sind die Hälfte der Menschheit.

Veröffentlicht am 18.02.2020

Fundiert, konkret, erschütternd - Must-Read für Eltern, Lehrer, Politiker, Vorgesetzte

Unsichtbare Frauen
0

Die Journalistin Caroline Criado-Perez beschreibt wie sich durch typische Vorurteile, unsere Sprache und unsere Kultur ein Blinder Fleck gebildet hat. Sie nennt ihn Gender-Data-Gap.
Obwohl ohne böse Absicht ...

Die Journalistin Caroline Criado-Perez beschreibt wie sich durch typische Vorurteile, unsere Sprache und unsere Kultur ein Blinder Fleck gebildet hat. Sie nennt ihn Gender-Data-Gap.
Obwohl ohne böse Absicht entstanden, führt er zur Benachteiligung und Gefährdung von Frauen in allen Bereichen des Lebens. Er zeigt sich im Lehrplan, der Politik, der Stadtplanung, der Sicherheit, selbst der Förderung von Freizeitangeboten für Jugendliche.

Die Autorin hat ihr Buch in sechs Themenbereiche aufgeteilt:
Alltagsleben
Arbeitsplatz
Design
Medizin
öffentliches Leben
Katastrophen

Nach Naturkatastrophen seien zum Beispiel mehrfach Häuser gebaut worden, die keine Küchen gehabt hätten. Warum? Es waren keine Frauen in die Planung mit einbezogen worden.

Besonders gut gefallen hat mir die Vielfältigkeit der Beispiele. Die Autorin berichtet vom engen Nachbarschaftsnetz in brasilianischen Favelas, warum beim Tsunami 2004 in Sri Lanka viermal mehr Frauen als Männer gestorben sind oder von der Sprachsteuerungssoftware im Volvo Cross-Country.

Wusstest du, dass sich laut einer finnischen Studie unverheiratete Frauen besser von Herzinfarkten erholen als verheiratete?
Die Ehefrauen nehmen nach ihrem Krankenhausaufenthalt gleich die Hausarbeit wieder auf.

Schülerinnen bringen in den Naturwissenschaften bessere Leistungen, wenn die Bilder in den Schulbüchern auch Wissenschaftlerinnen zeigen.
Es könnte so einfach sein.

Die Autorin schreibt über Arbeitsmaterialien, Sicherheitskleidung von Soldatinnen und Polizistinnen, den traditionellen Kochstellen als Gefahrenstellen und Smartphones die für Männerhände gemacht sind.
Die Spracherkennungssoftware von Google erkennt männliche Sprache mit 70% höherer Wahrscheinlichkeit als weibliche.
Wieso sollten Frauen den gleichen Preis zahlen, wenn sie einen schlechten Service bekommen?, fragt die Autorin.

Frauen sind nicht einfach kleinere Männer, sie unterscheiden sich bis auf die Zellebene hinab.
Frauen sind mehr von Autoimmunerkrankungen betroffen, Raucherinnen bekommen eher Lungenkrebs als Raucher. Empfehlungen für männliche Diabetiker bringen Diabetikerinnen keinen Nutzen. Viele Studien bezögen sich nur auf Männer und es sei schwierig Fördergelder für frauentypische Beschwerden zu bekommen.

Ein sehr erhellendes Buch mit vielen konkreten Beispielen aus allen Bereichen des Lebens, die zum Teil sehr schockierend sind und wütend machen. Frauen sind durch bestimmte Traditionen höheren Gefahren ausgesetzt, haben weniger Zugang zu Bildung und trauen sich weniger zu.

Die Autorin zeigt auf, wie wichtig und konstruktiv es für die gesamte Gesellschaft ist, dass Frauen in Machtpositionen, in Vorständen oder der Politik vertreten sind.
Die weibliche Perspektive darf nicht fehlen.
Frauen sind die Hälfte der Menschheit.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.01.2020

Eine erschütternde Geschichte über einen wahren Kriminalfall

Falschaussage
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Die 18jährige Marie wird vergewaltigt. Sie bringt den Fall zu Anzeige. Ihre Pflegemutter und die Polizei glauben ihr nicht. Marie widerruft und wird nun selbst der Falschaussage angeklagt.
Doch der Täter ...

Die 18jährige Marie wird vergewaltigt. Sie bringt den Fall zu Anzeige. Ihre Pflegemutter und die Polizei glauben ihr nicht. Marie widerruft und wird nun selbst der Falschaussage angeklagt.
Doch der Täter macht unbehelligt weiter. Nach einigen Jahren findet eine Polizistin zufällig Parallelen zu anderen Fällen.

Die Autoren berichten von Maries Leben, ihren Erfahrungen in verschiedenen Pflegefamilien und die Reaktionen des Umfeldes auf ihre Anzeige.
Sie nennen Zahlen zu Vergewaltigungen und Falschaussagen und beschreiben die Gesetzeslage und die Recherchen der Polizei. Besonders interessant fand ich dabei die polizeiliche Arbeit und der Austausch zwischen den Bundesstaaten sowie die Erfahrungen der Polizistinnen in einer Männerdomäne.
Wir lernen weitere Frauen kennen, die Opfer geworden sind, und den Täter, seine Vorgeschichte, seine Motive, seine Gedanken.

Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Ich war erstaunt, zu erfahren, wie aufwändig einerseits die Polizeiarbeit war, andererseits aber nur der Zufall half, einen Täter zu schnappen.
Die Reaktionen der Opfer können ganz unterschiedlich sein. Eine Frau, die emotionslos von ihrer Vergewaltigung berichtet, muss nicht unbedingt lügen. Durch das Trauma entstehen Lücken und die Ereignisse werden nicht chronologisch erinnert.

Die Journalisten T. Christian Miller und Ken Armstrong haben für ihren Artikel “An Unbelievable Story of Rape” den Pulitzerpreis erhalten. Ihr Buch war die Grundlage für die Netflix-Miniserie “Unbelievable” mit Tony Collette.

Ein spannendes Buch, das Einblick in die Psyche der Opfer und dem Täter sowie in die Polizeiarbeit gibt.