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Veröffentlicht am 24.04.2020

Pass auf, wen Du in Dein Haus lässt

VERGESSEN - Nur du kennst das Geheimnis
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Nach dem Zusammenbruch und Selbstmordversuch ihres Mannes Adrian, sollte mit einem Neuanfang in Wales Alles besser werden. Mit Hilfe ihrer Mutter hat die Familie ein altes Pfarrhaus erstanden und es mit ...

Nach dem Zusammenbruch und Selbstmordversuch ihres Mannes Adrian, sollte mit einem Neuanfang in Wales Alles besser werden. Mit Hilfe ihrer Mutter hat die Familie ein altes Pfarrhaus erstanden und es mit viel Arbeit und Herzblut in eine kleine Pension umgebaut. Die ersten Gäste haben gebucht aber auch Familienmitglieder kündigen ihren Besuch an. Mit Unbehagen empfängt die Icherzählerin Kirsty ihre Cousine Selena mit ihrer kleinen Tochter in ihrem neuen Zuhause und ahnt schon, dass diese Unruhe, wenn nicht sogar Unglück ins Haus bringen wird. Sie hatte sich in ihrer Jugend so mit ihr überworfen, dass sie sie nie wiedersehen wollte. Verwelkte Blumensträuße. die vor ihrer Haustür abgelegt werden, erzeugen schon erstes Unbehagen, und dann kurz nach der Eröffnung, wird tatsächlich einer der Gäste schwerverletzt ins Krankenhaus gebracht.

Claire Douglas schafft es, nicht nur eine düstere Atmosphäre zu schaffen, sie deckt Geheimnisse von Pensionsgästen und Familienmitgliedern auf, die letzendlich fast Jeden verdächtig machen. Dabei ist das Buch jetzt nicht übermäßig spannend aber durch die einfühlsame Ausarbeitung der Charaktere und die kleinen Hinweise, die die Handlung vorantreiben, möchte man das Buch kaum aus der Hand legen. Insbesondere die Beschreibungen der Kinder haben mir sehr gut gefallen.

Wer einen großen Showdown am Ende braucht, ist mit diesem Buch sicher nicht so gut beraten. Für die Leser, die eine leise psychologische Spannung mögen, ist dieser Roman genau richtig.


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Veröffentlicht am 02.04.2020

Ein Rückblick zu den Anfängen der Psychiatrie

Die Tanzenden
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In ihrem Debütroman " Die Tanzenden", der im Original "Le bal des folles" (Der Ball der Verrückten) heißt und mir ehrlich gesagt viel besser gefällt als der deutsche Titel, erzählt die Autorin Viktoria ...

In ihrem Debütroman " Die Tanzenden", der im Original "Le bal des folles" (Der Ball der Verrückten) heißt und mir ehrlich gesagt viel besser gefällt als der deutsche Titel, erzählt die Autorin Viktoria Mas vom Schicksal der Frauen, die in Paris 1885 in die Salpêtrière eingeliefert wurden , der im 19. Jahrhundert wohl bekanntesten Nervenheilanstalt Europas. Stellvertretend für die vielen Frauen, die aus heutiger Sicht aus den widersinnigsten Gründen zu Verrückten abgestempelt wurden, stehen die Protagonistinnen Eugénie, Louise und Therese Pate. Aber auch die Sicht einer Pflegerin wird durch Geneviève gespiegelt, die schon 20 Jahre in dieser Einrichtung arbeitet und den führenden Professor Charcot bewundert und keine seiner Methoden in Frage stellt.

Die Autorin beschreibt diesen Ort so: "Eine Mülldeponie für all jene, die die öffentliche Ordnung gefährden. Eine Anstalt für Frauen, deren Empfindungen nicht den Erwartungen entsprachen. Ein Gefängnis für diejenigen, die sich einer eigenen Meinung schuldig gemacht haben."

In dieser durch und durch patriarchischen Gesellschaft schließt Viktoria Mas daraus : " Dass die Männer ihnen solche Grenzen aufgezwungen hatten, legte den Gedanken nahe, dass sie die Frauen nicht verachteten, sondern vielmehr fürchteten."

Die meist einfachen Frauen sind überrascht, als eines Tages die junge Eugénie aus gutem Hause von ihrem Vater in Begleitung ihres Bruders eingewiesen wird, weil sie die Geister von Toten sieht und mit ihnen sprechen kann. Die junge Frau hat wenig Hoffnung die Anstalt jemals wieder verlassen zu können. Doch als es ihr gelingt zu der obrigkeitshörigen Oberaufseherin eine Verbindung aufzubauen, schöpft sie neue Hoffnung. Sie ist zu einem Zeitpunkt in die Salpêtrière gekommen, an dem der triste Alltag der "Verrückten" voller Vorfreude auf das Ereignis des Jahres, den Ball zu Mittsommer unterbrochen wird. Es ist ein Ball, der der Pariser Gesellschaft die Gelegenheit gibt, hinter die Kulissen der berümten Nervenheilanstalt zu schauen. Die Mädchen kostümieren sich und freuen sich auf einen außergewöhnlichen Abend, die feine Ballgesellschaft hofft, den einen oder anderen hysterischen Anfall schaulustig beiwohnen zu können. Der Professor des Hauses ist auch bekannt dafür, in Hypnosevorführungnen Anfälle seiner Patientinnen zu provozieren.

All das schreibt Viktoria Mas mit leichter Feder dahin, so dass man ihren Ausführungen gerne folgt, Sympathie und Mitleid für ihre Protagonistinnen empfindet und die jungen Frauen, die sich nicht unterkriegen lassen, natürlich auch für ihren Mut bewundert. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, die schöne Sprache genossen aber fand es schade, dass die Hauptfigur Eugénie ausgerechnet mit Geistern spricht. Mir hätte es besser gefallen, man hätte sie für ein vorgeschobenes Vergehen weggesperrt, um sie einfach mundtot zu machen.

Trotzdem ein tolles Debüt, dass ich gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 15.03.2020

Wie die Kindheit unser weiteres Leben prägt

Neujahr
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Einem spontanen Entschluss folgend, macht sich Henning am Neujahrsmorgen ,während des Familienurlaubs auf Lanzarote, mit dem Fahrrad auf, den Atalaya Vulkan zu erklimmen. Untrainiert mit schlechter Ausrüstung ...

Einem spontanen Entschluss folgend, macht sich Henning am Neujahrsmorgen ,während des Familienurlaubs auf Lanzarote, mit dem Fahrrad auf, den Atalaya Vulkan zu erklimmen. Untrainiert mit schlechter Ausrüstung und wie er unterwegs bemerkt sogar ohne Wasser, kraxelt er dennoch die Bergstraße immer weiter hoch und reflektiert dabei sein Leben, dass in einer Krise steckt. Er steht mit beiden Beinen im Leben, hat 2 gesunde Kinder und lebt ein modernes Familienmodell mit seiner Frau, bei dem sich beide Partner gleichermaßen auch um die Kinder und den Haushalt kümmern. Doch irgendwie überfordert ihn dieses Leben, und seit der Geburt der Tochter leidet er an Panikattacken und weiß nicht warum.

Im ersten Teil des Buches, der sich fast bis zur Mitte zieht, ist Henning mit seiner Radtour beschäftigt. Der Leser partizipiert an seinen Gedanken und Emotionen. Schließlich kommt er dehydriert und entkräftet an einem einsamen Hof aus, wo die Bewohnerin seinen desolaten Zustand erkennt und ihn erst einmal bewirtet, damit er wieder zu Kräften kommt. Henning hat in dem Haus sofort das Gefühl ein Dejà Vu zu erleben. Es stellt sich heraus, dass es ein traumatisches Erlebnis in seiner Kindheit gab, dass sein Unterbewusstsein komplett verdrängt hat und das jetzt wieder zum Vorschein kommt.

Das Buch wird spannender und entwickelt einen Sog, wie in einem Krimi. Ich fand das Buch ein bisschen vorhersehbar. Wenn man aufmerksam liest, ahnt man was kommen wird. Trotzdem ist es fesselnd geschrieben und birgt Stoff zu Nachdenken. Das Ende ist mir etwas zu schnell abgehandelt. Ich vergebe gute 4 Sterne, da ich den Schreibstil von Juli Zeh sehr gerne mag. "Leere Herzen" hat mir allerdings noch etwas besser gefallen.

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Veröffentlicht am 13.03.2020

Verstörend und brilliant zugleich

Sommer bei Nacht
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Es ist Sommer in Wiesbaden. Es ist heiß. Es ist kurz vor den Sommerferien. In der Schule findet ein Trödelmarkt statt, und in einem unaufbesichtigtem Moment verschwindet ein kleiner Junge. Anhand eines ...

Es ist Sommer in Wiesbaden. Es ist heiß. Es ist kurz vor den Sommerferien. In der Schule findet ein Trödelmarkt statt, und in einem unaufbesichtigtem Moment verschwindet ein kleiner Junge. Anhand eines unscharfen Bildes einer Überwachungskamera ist der Junge mit einem Fremden mitgegangen, der ihn mit einem Teddy geködert hat. Die Polizei beginnt mit ihren Ermittlungen und kommt nur mühsam voran, bis ihnen ein ähnlich gelagerter Fall in Österreich zu Ohren kommt.

Was macht diesen Krimi von Jan Costin Wagner so besonders? Es ist ein literarischer Krimi, mit einer besonderen Sprache, oft abgehackt mit vielen Wiederholungen, aber auch irgendwie poetisch. Ich habe eine Weile gebraucht ,mich daran zu gewöhnen. Es geht um Kindesmissbrauch und Wagner lässt ausgerechnet einen Kommissar ermitteln, der selbst pädophile Neigungen hat. Das war für mich fast unerträglich, und ich habe zu Beginn des Buches mit mir gerungen, ob ich dieses Buch gleich wieder abbrechen soll.

Aber ich glaube genau diese Reaktion will der Autor auch erzeugen. Es ist nicht immer Alles schwarz oder weiß. Die Grenzen verschwimmen zuweilen. Ben, einer der Polizisten, sollte doch eigentlich ein Guter sein , schaut sich Bilder von nackten, kleinen Jungs an? Das ist sehr provozierend, zumal der Autor wohl eine Reihe geplant hat und man davon ausgehen muss, dass es nicht bei den Bildern bleiben wird.

Das Buch hat mich dennoch gefesselt. Die Kapitel sind kurz und aus der Perspektive von quasi allen Beteiligten geschrieben. Das ist sehr emotional und ergreifend und bringt tiefe Einblicke in die unterschiedlichen Charaktere. Man kann sich einfühlen in Familien, deren Lebensentwurf durch den Verlust eines Kindes von einem Moment zum anderen zusammenbricht. Auch die Polizisten, die so unbedingt noch eine Ergebnis erzielen wollen, bevor es zu spät ist und doch nur schleppend langsam vorankommen, kann man gut verstehen. Sogar die Täterperspektive gibt es und einen kurzen Abschnitt in dem der kleine Junge zu Wort kommt.

Der Roman "Sommer bei Nacht" ist ganz bestimmt keine leichte Kost und wird polarisieren. Je weiter ich jedoch mit dem Lesen vorangeschritten bin, desto weniger konnte ich das Buch aus der Hand legen. Ich komme nicht umhin, dem Autor einen brillanten Sparchstil und ein sehr gutes psychologisches Gespür zu attestieren, auch wenn die Geschichte düster und verstörend ist.

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Veröffentlicht am 23.02.2020

Ungewöhnlich

Rivenports Freund
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Der Autor Damiano Femfert schickt uns mit seinem Debütroman "Rivenports Freund" nach Argentinien ins Jahr 1952. In dem nicht näher bekannten kleinen Ort S. lebt Professor Rivenport, Direktor des örtlichen ...

Der Autor Damiano Femfert schickt uns mit seinem Debütroman "Rivenports Freund" nach Argentinien ins Jahr 1952. In dem nicht näher bekannten kleinen Ort S. lebt Professor Rivenport, Direktor des örtlichen Krankenhauses, nach dem Tod seiner Frau sehr zurückgezogen und einzig auf sein Hobby dem Schmetterlingssammeln fokussiert. Sein großer Traum ist es ein eigenes Naturkundemuseum mit der schönsten Schmetterlingssammlung nördlich von Buenos Aires zu eröffnen. Dafür bedarf es großer Anstrengungen seinerseits, und deshalb ist er wenig erbaut von der Störung seiner Arbeit, die sich durch einen unbekannten Schwerverletzten ankündigt, der plötzlich in sein Krankenhaus gebracht wird und so seine volle Aufmerksamkeit erzwingt. Der blonde Fremde wird mit großer Fürsorge von den ebenfalls im Krankenhaus tätigen Nonnen gepflegt und aufgepäppelt. Sein körperlicher Gesundheitszustand wird dann auch von Tag zu Tag besser, aber er leidet an Amnesie und spricht zunächst nicht. Lediglich an seinen Namen erinnert er sich nach einer Weile. Er heißt Kurt und ist offensichtlich Deutscher. Darüberhinaus verhält er sich wie ein Kind, naiv und wißbegierig, ein Sonnenschein mit musikalischem Talent, den Jeder sofort in sein Herz schließt und der aufgrund seines Charmes eine gewisse Narrenfreiheit besitzt. Auch Rivenport fühlt sich gewissermaßen als väterlicher Freund, versucht Kurt nach seinen Vorstellungen zu formen, bevor er beginnt die Vergangenheit des Deutschen zu ergründen, indem er auch der klitzekleinsten Spur folgt, was schließlich zum Erfolg führt.

Der Roman hat eine ganz wunderbare Sprache, sehr poetisch, humorvoll, einfach schön. Sehr gefallen haben mir die Personenbeschreibungen, z.B die der Nonnen:

"Es beeindruckte Rivenport immer wieder, dass Nonnen nicht nur wegen der schlichten Eleganz ihrer Uniform, sondern auch durch ihre Körperhaltung eine natürliche Anmut besaßen. Im Falle der Priorin handelte es sich um die sprichwörtliche Ausnahme von der Regel" (Seite 21)

Auch das südamerikanische Lebensgefühl, die Rivalität zwischen Argentinien und Chile, konnte der Autor wunderbar mit einem zwinkernden Auge vermitteln.

In diesem Roman wird die Entwicklung des Schmetterlings mit seinen Metamorphosen herangezogen, um die Frage aufzuwerfen, ob ein Mensch unterschiedliche Identitäten haben kann. Und was macht es mit einer Freundschaft, wenn der Mensch, den Du liebgewonnen hast, tatsächlich ein ganz anderer ist, vielleicht ein schlechter Mensch, der schwere Schuld auf sich geladen hat?

In der 2. Hälfte des Buches verliert der Roman seine Leichtigkeit und weist auch leider ein paar Längen auf. Die Glaubwürdigkeit der Geschichte sei mal dahingestellt.

Trotzdem hat mich "Rivenports Freund" faziniert und in seinen Bann gezogen. Für mich war der Debütroman von Damiano Femfert ein sehr ungewöhnliches Buch, dass mich in weiten Teilen verzaubert hat und dem ich viele begeisterte Leser wünsche.

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