Edward Feathers ist zurück
"Ein untadeliger Mann" ist ein Roman aus dem Jahr 2004, welcher zunächst 2015 vom Hanser-Verlag als Hardcover und später vom dtv-Verlag (2017) im Taschenbuchformat in Deutschland veröffentlicht wurde. ...
"Ein untadeliger Mann" ist ein Roman aus dem Jahr 2004, welcher zunächst 2015 vom Hanser-Verlag als Hardcover und später vom dtv-Verlag (2017) im Taschenbuchformat in Deutschland veröffentlicht wurde. Er ist Teil der Old-Filth-Trilogie, zu welcher auch Eine treue Frau (2016) und Letzte Freunde (2018) gehören. Inhaltlich geht es um das Leben des ehemaligen Anwalts Edward Feathers, der mittlerweile über achtzig Jahre alt ist und auf sein Leben zurück blickt.
Edward Feathers wird in den Zwanzigerjahren als Sohn britischer Eltern in Malaysia geboren. Kurz nach der Geburt stirbt seine Mutter, weswegen Edward von der Tochter seiner Amme großgezogen wird. Sein Vater dient dem Empire im Zweiten Weltkrieg, sodass Edward nie eine Beziehung zu ihm aufbauen kann. Während er seine ersten vier Lebensjahre umgeben von malaysischen Kindern verbringt und sich nur optisch von diesen unterscheidet, beschließt eine Missionarin, Edward in das Herkunftsland seiner Eltern zurück zu schicken.
Angekommen in Großbritannien ist Edward großen Schwierigkeiten ausgesetzt. Er stottert und hat Probleme, sich anzupassen. Seine leiblichen Tanten wollen sich Edward nicht annehmen, sodass er einige Jahre bei einer Pflegefamilie in Wales lebt, die nicht sonderlich gut ausgewählt ist. Anschließend kommt Edward auf eine Privatschule und findet dort einen sehr engen Freund und Kameraden in Pat Ingoldby. Es folgen die Zeit während des Zweiten Weltkrieges, die Erfahrungen auf einem Frachter nach Singapur, sowie das Leben Edwards zwischen Großbritannien und dem Fernen Osten. Nicht zu vergessen seine langjährige Ehefrau Betty und sein Beruf als erfolgreicher Anwalt.
Ein untadeliger Mann ist ähnlich meisterhaft geschrieben wie schon Eine treue Frau, welches ich zuvor gelesen habe. Jane Gardam gelingt auch mit diesem Roman ein besonderes Buch, welches durch seine feine Erzählweise besticht. Obwohl sie sich auf verschiedenen zeitlichen Ebenen bewegt, ist Gardam in der Lage eine direkte Verbindung des Erlebten zu schaffen, ohne zu verwirren. Sie gibt einen ausführlichen, beeindruckenden Einblick in die Kindheit, die Jugend und das Leben des erwachsenen Edward Feathers.
Die Figur des Edward gilt als elegant und anmutig, ein wahrer Gentleman eben. Auch in seinem hohen Alter ist er noch immer eine Erscheinung und hat eine Wirkung auf seine Mitmenschen, nicht zuletzt auf Frauen. Sein Markenzeichen, neben seiner Seidensocken und den polierten Schuhen, ist zweifelsohne sein Spitzname Old Filth (steht für Failed in London try Hongkong). Edward ist einem sympathisch. Das fordert seine Figur einfach heraus. Es fällt schwer, ihn nicht zu mögen.
Gnadenlos und doch subtil erzählt die britische Schriftstellerin Jane Gardam von Edward Feathers, der den Zweiten Weltkrieg miterlebt, von Verlustängsten geplagt ist und seine Identität sucht. Sie behandelt die Geschehnisse mit Ernsthaftigkeit und nimmt ihnen doch die Traurigkeit, ohne dabei unsensibel zu sein. Die dunklen Erfahrungen, die bösen Szenen und die undankbaren Zeiten in Edwards Kindheit werden von ihren psychologisch gut ausgeklügelten Erzählungen charmant überdeckt, jedoch nie bagatellisiert. Hier ist die großartige Übersetzung von Isabel Bogdan unbedingt hervorzuheben, welche die Leichtigkeit von Gardams Schreibstil auf realistische Weise vermittelt.
Die faszinierende Geschichte des einstigen Raj-Waisen Edward Feathers geht unter die Haut. Es scheint, als habe dieser Edward, genannt Eddie keine Schwächen. Nahezu makellos, nie die Kontrolle verlierend, bleibt er sich selbst treu. Seine Selbstbeherrschung ist kennzeichnend für die nach außen hin tadellose Persönlichkeit. Besonders aber die menschliche Seite ist es, die Feathers so liebenswert macht.
Der bekannten britischen Autorin gelingt auch mit Ein untadeliger Mann ein Meistwerk der Literatur. Klug, humorvoll und subtil erweckt sie ihre Figuren zum Leben und besticht durch ihre anspruchsvolle Erzählweise.