"Vergiss die Vergangenheit. Vergib. Lebe." (Carolyn Miller)
Clara DeLancey leidet immer noch darunter, dass Nicholas Graf von Hawkesbury nicht sie, sondern Lavinia geheiratet hat. Als sie sich eines Nachts bei einem Spaziergang auf den Klippen von Brighton in eine ...
Clara DeLancey leidet immer noch darunter, dass Nicholas Graf von Hawkesbury nicht sie, sondern Lavinia geheiratet hat. Als sie sich eines Nachts bei einem Spaziergang auf den Klippen von Brighton in eine gefährliche Situation bringt, wird sie von einem Unbekannten in letzter Sekunde gerettet. Nur kurze Zeit später macht Clara die Bekanntschaft der Pfarrersfrau Mathilda, und deren Schwester Tessa und freundet sich mit den beiden Frauen an. Als sie auch den Bruder der beiden Schwestern, Kapitän Benjamin Kemsley, kennenlernt, stockt Clara der Atem, denn er ist ihr Lebensretter. Clara hofft, dass er sich nicht an sie erinnert und möchte sich eigentlich so fern wie möglich von ihm halten. Auch ihre Eltern sind von Claras neuen Freunden nicht gerade begeistert, hoffen sie doch immer noch, dass diese einen angesehenen und vor allem wohlhabenden adligen Ehemann findet, der ihrer würdig ist. Doch Claras und Benjamins Wege kreuzen sich immer wieder, ob auf Spaziergängen oder auf Bällen der Londoner Gesellschaft, wo die junge Tessa in die Gesellschaft eingeführt werden soll. Schon bald müssen beide für sich feststellen, dass der jeweils andere mehr durch ihre Gedanken geistert, als ihnen lieb ist. Wird Clara doch noch das Glück finden?
Carolyn Miller hat mit „Die zweifelhafte Miss DeLancey“ erneut einen hinreißenden und spannenden Roman vorgelegt, der den Leser ins englische Regency-Zeitalter entführt. Der Erzählstil ist flüssig, gefühlvoll und voller Bilder, so dass der Leser sich bereits mit den ersten Zeilen in der Vergangenheit wähnt, um dort Clara unsichtbar zur Seite zu stehen und ihre Gedanken- und Gefühlswelt sowie ihre Sorgen und Nöte genau kennenzulernen. Sehr schön verbindet die Autorin die Handlung mit ihren vorangegangenen Romanen, indem sie altbekannte und liebgewonnene Protagonisten hier ebenfalls kleinere Rollen spielen lässt. Ebenso stellt sie die unterschiedlichen gesellschaftlichen Strukturen heraus und die Erwartungen, die an eine junge Frau aus adligem Hause gestellt werden und diese zu einem sehr engen Korsett werden lassen, die ihr nicht viele eigene Möglichkeiten lassen. Gut platzierte überraschende Wendungen und spannende, schon fast kriminalistische Elemente, fesseln den Leser an die Seiten und lassen ihn nicht von Claras Seite weichen. Auch der christliche Aspekt wurde innerhalb der Geschichte wunderbar herausgearbeitet, denn bei Clara kann der Leser regelrecht miterleben, wie sie nach und nach durch kleine Gebete immer mehr Sicherheit und inneren Frieden gewinnt und sich dadurch auch ihre eigene Persönlichkeit immer mehr dem Leben öffnet. Das Thema Vergebung ist hier ebenso wichtig wie Vertrauen in Gott.
Die Charaktere sind liebevoll und vor allem lebendig gezeichnet. Mit ihren individuellen Eigenschaften wirken sie sehr authentisch und glaubwürdig, so dass dem Leser leicht fällt, sich mit ihnen wohlzufühlen und mit ihnen zu fiebern. Clara ist eine zutiefst verunsicherte Frau, die sehr an der Abweisung zu knabbern hat. Zudem leidet sie unter der Fuchtel ihrer lieblos agierenden Mutter, die ihr keine Möglichkeit gibt, sich selbst zu entfalten. Clara leidet unter Schuldgefühlen und dem gesellschaftlichen Makel, dem sie ausgesetzt ist, so dass sie sich immer wieder von allem zurückzieht. Sie ist eine talentierte Pianistin, die sich nur mit ihrer Musik richtig lebendig fühlt. Sehr schön zu beobachten ist ihre Entwicklung innerhalb der Geschichte, denn sie gewinnt an Selbstsicherheit, Vertrauen und vor allem auch die Herzen von einigen Menschen, was für sie vorher undenkbar war. Benjamin Kemsley ist ein nationaler Held, der bescheiden geblieben ist. Er liebt seine Familie und kümmert sich rührend um seine kleine Schwester. Er ist intelligent, vorausschauend und handelt überlegt. Aber auch Tessa, Mathilda, Featherington, Richard und viele andere Protagonisten tragen ihren Teil dazu bei, dass die Geschichte rundum spannend und kurzweilig zu lesen ist.
„Die zweifelhafte Miss DeLancey“ ist ein wunderbarer historischer Roman, der von der ersten bis zur letzten Seite mit gut positionierten Spannungselementen und einer langsam wachsenden Liebesgeschichte überzeugen kann, während der Leser durch eine wahre Achterbahn der Gefühle gejagt wird. Wunderschön erzählt und mit einer absoluten Leseempfehlung ausgestattet!