Cover-Bild Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche
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12,99
inkl. MwSt
  • Verlag: tacheles!
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 24.04.2019
  • ISBN: 9783864845772
Alina Bronsky

Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Sophie Rois (Sprecher)

Jenseits des Urals herrschen klare Verhältnisse: Die Tatarin Rosalinda bestimmt, ihr Gatte Kalganow spurt, und ihre Tochter Sulfia benimmt sich schlecht. Es mangelt an vielem, aber nicht an Ideen, und schon gar nicht an Willenskraft. Es steht also immer etwas Scharfes auf dem Tisch, und alle größeren Malheurs, die Sulfia anrichten könnte, werden verhindert. Nur ihre Schwangerschaft nicht, und auch nicht die Geburt von Aminat, dem genauen Gegenteil ihrer Mutter: schön, schlau, durchsetzungsfähig – ganz die Großmutter eben.
Rosalinda steht zum ersten Mal einem Geschöpf gegenüber, das ihr ebenbürtig ist, und wird die leidenschaftlichste Großmutter aller Zeiten. Im ungleichen Kampf zwischen der glücklosen Sulfia und der rücksichtslosen Rosalinda wird das Mädchen zur Wandertrophäe – und der Hörer zum Zeugen haarsträubendster Ereignisse, komischster Szenen, schlagfertigster Dialoge.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.10.2020

Tragikomische Familiengeschichte einer tatarischen Matriarchin

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Mit "Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche" hat Alina Bronsky sowohl eine tragikomische Familiengeschichte geschrieben als auch die Spätphase der Sowjetunion wieder aufleben lassen - Komunalka, ...

Mit "Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche" hat Alina Bronsky sowohl eine tragikomische Familiengeschichte geschrieben als auch die Spätphase der Sowjetunion wieder aufleben lassen - Komunalka, Datscha und eingelegtes Gemüse inclusive. In der Hörbuchversion gibt Sophie Rois mit rauem Charme der Matriarchin Rosalinda eine Stimme, die ihre Sicht der Familiengeschichte schildert, unerschütterlich davon überzeigt, dass dies ohnehin die einzig wahre ist.

Rosalinda führt in ihrer kleinen Familie unangefochten das Zepter. Ehemann Kalganow mag als Gewerkschaftssekretär außerhalb der zwei-Zimmer-Gemeinschaftswohnung etwas zu sagen haben - doch in det Familie hat allein Rosalinda das Sagen, ebenso stolz auf ihre tatarischen Wurzeln wie auf ihre Sowjetidentität. An Selbstbewusstsein mangelt es der studierten Pädagogin nicht, und als Tochter Sulfia, die sie als schwächlich, reizlos und nicht sonderlich intelligent empfindet, ungewollt schwanger wird, führt Rosalinda einmal mehr das Kommando - erst bei missglückten Abtreibungsversuchen, dann bei der Erziehung von Enkeltochter Aminat, die entgegen aller Erwartungen ein hübsches, aufgewecktes, intelligentes Kind ist - also ganz wie sie, findet Rosalinda.

Weder das Scheitern ihrer Ehe noch private Schicksalsschläge können der sturmerprobten Großmutter langfristig etwas anhaben. Ihr ganzer Ehrgeiz: Aminat soll einmal reich und berühmt werden. Und Sulfia zu diesem Zweck gut verheiratet werden. Männer spielen in dieser Geschichte allenfalls eine Nebenrolle, bestimmt wird die Handlung durch die komplizierten emotionalen Bande der drei Frauen.

Eine "liebe Oma" ist Rosalinda ganz sicher nicht, als Familiendespotin mit scharfem (Vor-)Urteil ist sie bestimmt keine Frau, mit der es sich leicht zusammenleben lässt. Einen gewissen herben Charme kann man ihr allerdings ebenso wenig absprechen wie ein unerschütterliches Selbstbewusstsein und eine Stehauf-Männchen-Mentalität, die sie selbst als Putzfrau in deutschen Haushalten von einer medizinischen Karriere träumen lässt. Ob das gelingt? Reinhören!

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Veröffentlicht am 26.02.2020

Mutig

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Respekt an die Autorin für eine derart unsympathische und unangenehme Hauptfigur - die sie nicht nur zum Leben erweckt, sondern sie "ihr Ding" auch mehr oder weniger kompromisslos von Anfang bis Ende durchziehen ...

Respekt an die Autorin für eine derart unsympathische und unangenehme Hauptfigur - die sie nicht nur zum Leben erweckt, sondern sie "ihr Ding" auch mehr oder weniger kompromisslos von Anfang bis Ende durchziehen lässt.

Wir haben es hier mit einer eher seltenen Erzählperspektive zu tun: Missbrauch, vor allem emotionaler Natur, aus Sicht der Täterin. Dabei handelt es sich um Rosalinde, eine grausame, aus eigener Anschauung aber allen anderen in allen Belangen deutlich überlegene Ehefrau, Mutter und später auch Großmutter. Rosalinde lebt gewissermaßen in einer völlig eigenen Welt, in der sie die einzige ist, die Durchblick hat und überhaupt dafür sorgt, dass alles läuft - ohne sie wären ihre Angehörigen hoffnungslos verloren. Vielleicht kennt ihr ähnliche dominante Frauengestalten aus eurem eigenen Umfeld, mir zumindest kamen einige Szenen und Aussagen Rosas - wenn man das völlig Überzeichnete mal abzieht - durchaus bekannt vor.

Die Geschichte beginnt Ende der 70er Jahre in einem abgelegenen Teil der Sowjetunion, Rosalindes noch junge (und völlig dumme, häßliche und unfähige) Tochter Sulfia ist schwanger. Was folgt ist ein Familiendrama über drei Generationen hinweg, das in der Fastgegenwart in Deutschland endet.

Grob gesagt habe ich das Buch in vier Teilen "erlebt". Der Anfang war ziemlich heftig, denn die innerfamilären Beziehungen werden in ihrer brutalen Direktheit gleich auf dem Silbertablett präsentiert. Das hat mich zunächst einmal interessiert: Schafft die Autorin es, Rosalinde durchgängig zu unsympathisch zu erzählen, ohne dass es am Ende ins Kitschige oder gar Belanglose abdriftet? Nun, grundsätzlich hat sie das für mich geschafft, auch wenn der Weg nicht immer ganz leicht war. Denn nach dem Auftakt kam für mich eine ziemliche Durststrecke, ca. das zweite Viertel. Da passierte nichts genug, um mich mitzunehmen, und ich fand es eher langweilig.

Dann wartet der Plot ab ca. der Hälfte allerdings mit drei nacheinanderfolgenden dramatischen Wendungen auf, die mich ziemlich mitgenommen haben. Da war das Buch ganz stark: Zwar weiterhin größtenteils sehr unangenehm zu lesen, denn der emotionale Missbrauch schlug wirklich sehr eklige Wege ein, aber ich war fasziniert, auf eine angewiderte-mitfühlende Weise.

Das Ende, also ca. das letzte Viertel, fiel dann wieder etwas ab, da wurde es mir ein wenig zu "schrill". Ich bin mir ehrlich gesagt auch nicht ganz sicher, ob da am Ende alle Erzählstränge der tatsächlichen Realität entsprechen oder Rosa sich nicht immer weiter in ihre eigenen Illusionen und falschen Wahrnehmungen geflüchtet ist. Ihr ursprüngliches Verhalten wurde durch die grausame Kindheit und zahlreichen damit verbundenen Entbehrungen angedeutet: Verdrängen, Vergessen, das Schaffen einer eigenen Realität - das half Rosalinde beim Überleben. Nicht ausgeschlossen, dass sie bei den späteren Schicksalsschlägen wieder in diese psychologischen Muster zurückfiel.

So oder so, ein mutiges Buch, mit dem die Autorin ein ziemliches Wagnis eingegangen ist. Fröhlich geht anders, auch würde ich es nicht als "schwarzen Humor" klassifizieren - eher nur schwarz. Also nicht für jeden, aber wer mal Lust auf etwas Abgründiges aus sehr ungewöhnlicher, unbequemer Perspektive hat, kann ja mal reichschauen.