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Veröffentlicht am 12.01.2017

Der Traum vom Fliegen

Der Jahrhunderttraum (Jahrhundertsturm-Serie 2)
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Ende des 19ten Jahrhunderts steht die nächste Generation der Briests an der Schwelle: erwachsen werden, etwas mit dem eigenen Leben anfangen, vielleicht die Zwänge der adeligen Herkunft abschütteln? Kurz ...

Ende des 19ten Jahrhunderts steht die nächste Generation der Briests an der Schwelle: erwachsen werden, etwas mit dem eigenen Leben anfangen, vielleicht die Zwänge der adeligen Herkunft abschütteln? Kurz vor der Jahrhundertwende scheint vieles möglich zu sein.
„Der Jahrhunderttraum“ ist der zweite Teil von Richard Dübells Deutschlandsaga und er knüpft für mich qualitativ an den Vorgänger an. Ebenso spannend und mitreißend erzählt, dabei aber auch informativ. Dübells Humor konnte mich schon immer zum Lachen bringen, besonders in diesem Buch geht er auch auf die unterschiedlichen Dialekte der Figuren ein und bringt einen so zum Schmunzeln. Ein bierernster Graf Zeppelin wird doch gleich viel authentischer, wenn man ihm beim Schwäbeln “zuhört“.
Man kann durchaus Parallelen zwischen den beiden Bänden ziehen, im vorherigen ging es v.a. um die Entwicklung der Eisenbahn, in diesem hier stehen die ersten Flugversuche im Mittelpunkt. Wieder hat sich Dübell mit einer spannenden Thematik auseinander gesetzt und bringt so dem Leser die verschiedenen Vorreiter der Luftfahrt näher. Zeppelin, die Gebrüder Wright, Louis Blériot usw., jeder bekommt seinen kleinen Moment in der Geschichte und zeigt dem Leser so, wie viele Menschen sich damals mit dem großen Traum vom Fliegen befasst haben. Mittendrin die Gebrüder von Briest, die beide auf ihre Art mit der Materie in Kontakt kommen. Levin und Otto sind inzwischen erwachsen geworden und sind beide grundsympathisch. Auch ihre Schwester Amalie wird auf ihre Weise eine Figur ihrer Zeit werden und man verfolgt ihren Lebensweg mit Interesse. Mit den Briests erlebt man ca. zwei Jahrzehnte, die vor politischen, industriellen und gesellschaftlichen Umschwüngen bald platzen. Lebendig und authentisch erzählt, hat der Jahrhunderttraum vor allem eines gemacht: großen Lesespaß und Lust auf den nächsten Band.

Veröffentlicht am 29.12.2016

Klage einer Sünderin

Die Schrift des Todes
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Catherine Parr, sechste und letzte Ehefrau von Henry VIII, muss im Sommer 1546 große Ängste ausstehen. Gerade hat sie sich mit ihrem Ehemann wieder gut gestellt, den Vorwurf des Ketzertums abschütteln ...

Catherine Parr, sechste und letzte Ehefrau von Henry VIII, muss im Sommer 1546 große Ängste ausstehen. Gerade hat sie sich mit ihrem Ehemann wieder gut gestellt, den Vorwurf des Ketzertums abschütteln können, da droht ihre wahre Gesinnung endgültig ans Licht zu kommen. Sie hat ein Büchlein verfasst, welches sie in große Schwierigkeiten bringen könnte. „Die Klage einer Sünderin“ ist voller freigeistiger Gedanken, die Catherine schnell wieder als Reformerin entlarven würde und somit ihren Kopf kosten könnte. Das Büchlein wurde aus dem Inneren des Palasts entwendet und so wendet sich Catherine an den Anwalt Matthew Shardlake, der sie schon mehrfach unterstützt hat. Ein Kampf um den Kopf der Königin beginnt.

„Die Schrift des Todes“ ist bereits der sechste Band um Matthew Shardlake; ich kenne die vorherigen (noch) nicht, bin aber trotzdem sehr gut in die Geschichte gekommen. Die Zeit von Henry VIII fand ich schon immer sehr spannend, in diesen letzten Jahren spitzt sich die politische Situation noch einmal richtig zu, schließlich werden die Fäden für die Zeit nach Henrys Tod schon fleißig gezogen. Auch die große Glaubensfrage zwischen neu und alt, Rom und England, nimmt neue Formen an und hat mich wieder aufs Neue fasziniert. In diesem Umfeld entwickelt Sansom einen spannenden Kriminalfall, der den Leser zusätzlich fesselt. Shardlake hat mir als Hauptfigur sehr gut gefallen, ein sympathischer Kerl mit kleinen Makeln, die ihn umso authentischer erscheinen lassen. Sansoms Erzählstil gefiel mir auch sehr gut, er erzählt sehr flüssig und findet trotzdem Zeit politische Hintergründe ordentlich zu erklären. Alles in allem eine gelungene Mischung aus Krimi und historischem Roman, die große Lust auf die restlichen Bände der Reihe macht.

Veröffentlicht am 12.12.2016

Glasklare Leseempfehlung

Welt in Flammen
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„Der Orient Express war in Bewegung, versuchte der Vernichtung zu entkommen, die über Europa hereinbrach. Doch das würde ihm nicht gelingen.“ (S. 277)
Ende Mai 1940 verlässt der Simplon Orient Express ...

„Der Orient Express war in Bewegung, versuchte der Vernichtung zu entkommen, die über Europa hereinbrach. Doch das würde ihm nicht gelingen.“ (S. 277)
Ende Mai 1940 verlässt der Simplon Orient Express kurz vor der Invasion der deutschen Soldaten Paris. An Bord der luxuriösen Waggons befindet sich eine illustre Mischung aus verschiedensten Ländern. Egal ob es sich dabei um einen Ableger der berühmten Romanowfamilie, den abgesetzten carpathischen König oder den amerikanischen Ölmagnaten handelt, hinter jedem Gast scheint sich ein Geheimnis zu verbergen. So wie im letzten Wagon des Zuges…

Benjamin Monferat hat mich mit auf eine Reise genommen; eine spannende, luxuriöse, unterhaltsame und durchweg packende Fahrt quer durchs kriegsgebeutelte Europa. Ein mitreißender Erzählstil, gepaart mit der Tatsache, dass sich die Handlung in nur knapp 48 Stunden abspielt sorgt dafür, dass die Geschichte ebenso wie der Zug schnell in Fahrt kommt. Die Charaktere sind sehr unterschiedlich, meist vielschichtig angelegt und alle für eine Überraschung gut. Die Fülle an Figuren ist zu Beginn etwas verwirrend, eine Abbildung in der Buchkladde sorgt für den besseren Überblick. Monferat fängt mit seiner Geschichte die Ängste und Sorgen der Menschen gut ein, seine Passagiere geben einen guten Querschnitt des Europas ab, das gerade vor dem Kollaps steht und so erhält man einige Einblicke und verschiedenste Einsichten. Das alles fügt sich zu einer tollen Geschichte zusammen, bei der man sich nur Eines wünscht: dass die Fahrt niemals endet. Glasklare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 03.10.2016

Hannover 96

Hool
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„Wir stellen uns in drei Reihen über die Breite des Weges auf. Das Adrenalin pumpt durch meinen Körper. Der Kopf wird leicht. Die Truppe stampft los." (S. 12)
Der Mittzwanziger Heiko lebt für seinen Fußballverein ...

„Wir stellen uns in drei Reihen über die Breite des Weges auf. Das Adrenalin pumpt durch meinen Körper. Der Kopf wird leicht. Die Truppe stampft los." (S. 12)
Der Mittzwanziger Heiko lebt für seinen Fußballverein Hannover 96 und packt dafür auch mal gerne seine Fäuste aus. In arrangierten Treffen mit Hooligans anderer Vereine tragen er und seine Freunde so manche Schlacht aus. Doch auch im Privaten muss sich Heiko durchkämpfen.

Philipp Winklers Debut geht wirklich unter die Haut, auch oder vielleicht auch gerade weil ich selbst mit Fußball so gar nichts anfangen kann. Tatsächlich stehen Heikos Probleme auch immer im Vordergrund, er lebt am Rand der Gesellschaft und bewegt sich in kriminellen Milieus. Eigentlich aus gutbürgerlichem Hause kommend (zumindest der Fassade nach), ist er langsam aber sicher abgerutscht. Winkler zeichnet eine sehr tragische Person, die einem trotz seiner vielen Fehler nicht unsympathisch ist. Gerade zu seinen Freunden steht Heiko 100%ig, auch sonst kann er den Leser immer wieder positiv überraschen. Der Ton ist recht rau, passt aber sehr gut zur Handlung, der hannoversche Dialekt trägt ebenfalls zur Authentizität des Romans bei. Hool ist immer ehrlich, manchmal schockierend, oft traurig und melancholisch, und dabei jederzeit lesenswert. Mir hat Winklers Debut ausnehmend gut gefallen und ich bin sehr gespannt was uns dieser Autor noch präsentieren wird.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Gehört in jedes Wartezimmer!

Hund, Katze, Graus 2
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Wie lebt es sich eigentlich als Tierarzthelferin? Muss doch nett sein, den ganzen Tag plüschige Tiere streicheln und süße Tiere streicheln und nette Tiere… Naja, ganz so ist es dann doch nicht ; ) Bettina ...

Wie lebt es sich eigentlich als Tierarzthelferin? Muss doch nett sein, den ganzen Tag plüschige Tiere streicheln und süße Tiere streicheln und nette Tiere… Naja, ganz so ist es dann doch nicht ; ) Bettina Peters nimmt den Leser auch im zweiten Band ihrer Praxisgeschichten mit auf die Reise. Auf die Suche nach dem zwölften Socken. Oder auf die Suche nach der eigenen Fassung angesichts eines Nacktschneckennotfalls. Oder in die Untiefen des tierärztlichen Briefkastens. Inklusive ausgelaufenen Probenmaterials. Mit herrlichem Witz, einer Prise Ironie und schwarzem Humor erzählt Peters aus dem Alltag deutscher Tierarztpraxen. Ihre Kurzgeschichten und kleinen Anekdoten sind sehr lebensnah erzählt, man kann sich die teils urkomischen Situationen bildlich vorstellen. Apropos Bild: untermalt (im wahrsten Sinne des Wortes) sind die Geschichtchen mit allerlei Illustrationen. Diese hätte ich jetzt nicht zwingend gebraucht bin ich doch kein ganz großer Comicfan, sie waren aber ein nettes Goodie. Doch es geht nicht immer nur lustig zu. Tierbesitzer, die ihre Tiere wirklich nur besitzen ohne auch nur einen HAUCH einer Ahnung von den nötigen Haltungs- und Lebensbedingungen zu haben, oder auch unnötig auf Krawall gebürstete Kundschaft; auch sie gehören zum Alltag in der Tierarztpraxis und bekommen hier ihr Fett weg. Ein bisschen zumindest, denn man merkt den Seiten an, dass Peters ihren Job mit Herz und Verstand macht. Und da gehören auch die Sonnenscheins dieser Welt dazu ; )
Fazit: mir hat dieses Buch wirklich sehr gut gefallen, es steckt viel Witz, aber auch mehr als nur ein Körnchen Wahrheit drin.