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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.04.2020

Ein liebevoll gestaltetes Buch

Musik – Letters of Note
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Inhalt und Gestaltung:

Die dreissig schönsten Briefe rund um die Musik, an und über Musikerinnen und Musiker aus den letzten Jahrhunderten und aus diversen musikalischen Genres, an Plattenfirmen und ...

Inhalt und Gestaltung:

Die dreissig schönsten Briefe rund um die Musik, an und über Musikerinnen und Musiker aus den letzten Jahrhunderten und aus diversen musikalischen Genres, an Plattenfirmen und ganze Orchester sind in diesem wundervoll aufgemachten Geschenkband versammelt. Zu jedem Brief ist eine spannend recherchierte Hintergrundinformation mit den genauen Umständen und Daten angegeben, damit man den Brief auch ohne vorherige Kenntnisse der Figuren und des Kontexts wunderbar einordnen kann. Bei jedem Brief wird innerhalb von wenigen Zeilen klar, weshalb er es in diese aussergewöhnliche, amüsante, berührende und aus dem Leben gegriffene Sammlung geschafft hat. Dieses Buch ist aber nicht nur ein perfektes Geschenk, es macht sich (wie man auf meinem Blog sehen kann) auch einfach wunderbar in jedem Bücherregal, insbesondere auf dem Regalbrett mit den musikalischen Sachbüchern


Meine Meinung:

Ich war überrascht, wie vielseitig, bewegend und total unterhaltsam die einzelnen Briefe sind und wie gut sie alle aus den unterschiedlichsten Gründen in diese Sammlung passen. Wie im Film erscheint es, dass Keith Richards seiner Tante nur drei Monate vor dem grossen Durchbruch einen Brief über einen "Kerl namens Mick Jagger" schrieb. Und ist es nicht äusserst unterhaltsam, dass eine wichtige Aktennotiz bei Columbia Records über den Titel eines neuen Albums von Miles Davis fast genau so Geschichte geschrieben hat, wie der grosse Künstler selbst? In diesem Buch geht es nicht ausschliesslich um die Musik, es geht um die Liebe, um Krankheit, Tod, um Grössenwahn und um den Zusammenhalt von Menschen. Ich bin mir sicher, dass die zahlreichen Übersetzenden, die übrigens im Anhang des Buches aufgeführt und einprägsam vorgestellt werden, einen fantastischen Job geleistet haben. Genau so wie Shaun Usher, der mit dieser Sammlung beweist, dass er nicht nur ein Händchen für eine gute Sammlung von guten Texten und die Gefühle, welche diese Texte hervorrufen, sondern vor allem auch für die kleinen aber feinen Details um die Umstände, in denen die Briefe entstanden sind, hat. Denn erst diese machen jeden einzelnen Brief erst so richtig fassbar.


Meine Empfehlung:

Von mir gibt es eine äusserst herzliche Empfehlung für dieses kleine Schmuckstück, das nicht nur hervorragend zusammengestellt, sondern vom Verlag auch mit viel Sorgfalt und sehr hochwertig ausgearbeitet worden ist. Das perfekte (Geschenk-)Buch für alle Musikfreundinnen und Musikfreunde.

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Veröffentlicht am 28.02.2020

Ein absolutes Muss

Skandalös
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Meine Meinung:

Beim Lesen dieses Buches musste ich immer mal wieder innehalten, ein wenig recherchieren, nachdenken, mich erinnern... Denn leider waren mir längst nicht alle dieser zwanzig Frauen ein ...

Meine Meinung:

Beim Lesen dieses Buches musste ich immer mal wieder innehalten, ein wenig recherchieren, nachdenken, mich erinnern... Denn leider waren mir längst nicht alle dieser zwanzig Frauen ein Begriff und von einigen kannte ich lediglich ein paar Bilder, Texte oder Fotografien. Cristina De Stefano ist es gelungen, zwanzig Portraits von zwanzig so unterschiedlichen Persönlichkeiten zu schaffen, dass ich nach jedem Kapitel sofort mehr sehen, lesen und hören wollte von diesen unglaublichen Frauen, die im 20. Jahrhundert für Furore gesorgt und zwischen zwei Weltkriegen, während Bürgerkriegen, in Kolonien und/oder an der Spitze der Frauenrechtsbewegung gelebt, geliebt, Kunst, Literatur und Musik geschaffen, für ihre Rechte gekämpft, sich aus unglücklichen Beziehungen geflüchtet und ihre Kinder aufgezogen und somit ganze Generationen geprägt haben. Einfühlsam und mit einem Händchen für spannende und wissenswerte Details, sowie einer grossen Bewunderung für die Werke, Gedanken und Fortschritte, welche diese Frauen uns allen hinterlassen haben, hat De Stefano mit einem feinen Sinn für die wirklich bewegenden kleinen und grossen Begebenheiten aus zwanzig verschiedenen Leben, diese Sammlung gestaltet.



Was dieses Buch uns zeigen will:

Viele dieser zwanzig Frauen haben ein Leben zwischen Extremen gelebt, mit ihrer äusserst ruhigen oder auch explosiven Art angeeckt und mit ihrem fortschrittlichen Denken und ihrer Sexualität damalige Grenzen gesprengt. Obwohl sie frei waren oder immer wieder frei sein wollten, sind sie nicht immer glücklich gestorben, aber sie haben ihre ganze Wut und ihren Schmerz, aber auch ihre Leidenschaft und Kraft dazu eingesetzt, für ihre Überzeugungen einzustehen.

Über die meisten von ihnen hätte ich gerne noch viel mehr gelesen (oder habe dies mit weiterführenden Recherchen unmittelbar nach dem jeweiligen Kapitel getan), aber die Abschnitte bleiben bewusst kurz. Die wichtigsten Lebensdaten, Werke, ein paar Anekdoten und auch viele sehr tragische Ereignisse werden behutsam zu einem kleinen Portrait verarbeitet, das berührt und aufmerksam machen will auf Menschen, auf Frauen, die für sich und ihr Geschlecht, ihre persönliche, künstlerische und sexuelle Freiheit gekämpft und uns allen nicht nur grossartige Kunst, Literatur und Musik hinterlassen haben, sondern auch eine Geschichte, die von Mut erzählt. Von Kraft, von Liebe, von Schmerz. Davon, sich nicht unterkriegen zu lassen, sich zusammenzutun, sich Hilfe zu holen, sich immer wieder aufzurichten und sich seiner eigenen Stärken, Ziele und Träume bewusst zu sein. Jede dieser Frauen ist ein Vorbild, eine Vorkämpferin. Jede von ihnen hat es verdient, vermehrt ins Bewusstsein von uns allen zu treten.


Meine Empfehlung:

Ich bin so dankbar, dass ich dieses Buch bei Jamie (vom Blog librovore.de) entdecken durfte. Es ist ein kleiner Schatz, der auf so wenigen Seiten, aber mit direkt ins Herz treffenden Worten zwanzig unglaubliche, aber wahre und äusserst mitreissende Geschichten erzählt. Ein kleiner Schatz, der definitiv in jedes Bücherregal gehört.

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Veröffentlicht am 27.02.2020

Ein rasantes und bewegendes, aber auch ein sehr zärtliches Buch

Dad
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Inhalt:

Eine junge Frau begibt sich auf die Suche nach den Spuren, die ihr Vater auf der ganzen Welt hinterlassen hat, nach seinem Andenken, seiner Liebe zu ihr und seinem Verhängnis. Ihre letzten Erinnerungen ...

Inhalt:

Eine junge Frau begibt sich auf die Suche nach den Spuren, die ihr Vater auf der ganzen Welt hinterlassen hat, nach seinem Andenken, seiner Liebe zu ihr und seinem Verhängnis. Ihre letzten Erinnerungen an ihn und seine Erzählungen niederschreibend und dabei nicht wissend, was davon seine Fantasie, was Wirklichkeit, was Übertreibung und was durch Drogen verzerrte Erlebnisberichte waren, beschliesst sie, ihm nachzureisen. Aus der Studie des ländlichen Deutschlands der letzten fünfzig Jahre wird eine sehr persönliche Reise in die eigene Vergangenheit und Gegenwart und der Versuch einer Schraffierung der Lebensumstände dieser mysteriösen Vaterfigur, die neben Verlustgefühlen und Ängsten auch warme, fröhliche Erinnerungen hervorruft.



Meine Meinung:

Nora Gantenbrink ist mit diesem Buch eine ganz besondere Meisterleistung gelungen, weil sie es stets schafft, mit ihrer Sprache, die kein Blatt vor den Mund nimmt, zu berühren. Wenn sie etwas von ihrem Vater geerbt hat - so scheint es - dann der Hang zum Erzählen und Beschreiben.

Sie bastelt ihrer fiktiven Protagonistin Marlene ein ganz eigenes Leben, das diese neben dem Transenstrich auf dem Hamburger Kiez wohnen und leben lässt und das eine Vielzahl schillernder Figuren beinhalten, die mit ihrem ganz eigenen Leben und ihrer Rolle in Marlenes Leben so viel zur Eingängigkeit und Warmherzigkeit dieses Buches beitragen. Marlenes Leben entwickelt sich dem der Aurotin ähnlich. Auch Marlene verliert ihren Vater und hinterfragt, beschreibt, trauert und sucht und als sie dann von der Reise nach Asien berichtet, bekommt ihre Erzählung nach dem Beschreiben der Enge und Verlorenheit in Deutschland so viel Weite, Sanftheit und Sehnsucht, dass es körperlich schmerzt. So unterhaltsam und packend "Dad" ist, so bewegend und tragisch ist dieses Buch auch. Es sind die kleinen Dinge, die hängenbleiben und sich so gnadenlos einbrennen. Die letzte gemeinsame Currywurst oder die Zigarette, die der Vater durch ein Loch in seiner Wange rauchen konnte.

Wie auf einer grossen Lebensleinwand werden geschickt die autobiografischen Elemente aus Gantenbrinks Leben, ihre Erinnerungen und die behutsame literarische Annäherung an ihren Vater als Mensch, aber auch an die stete Abwesenheit und dann wieder das plötzliche Auftauchen dieser Vaterfigur mit Marlenes Geschichte verknüpft und versponnen, bis die Grenzen verschwimmen und ein bunter Strudel an atemloser Erzählung entsteht, die Seite um Seite umblättern und mitfiebern, mitbrennen und mitleiden lässt.



Meine Empfehlung:

"Dad" ist packend, berührend, unendlich tragisch und gleichzeitig urkomisch. Es ist sanftes, zärtliches Buch, es hadert, hinterfragt und klagt an. Und auch wenn es darin vor allem um eine junge Frau geht, die ihren Vater sucht, die versucht, ihm vielleicht sogar zu verzeihen, so geht es doch um so viel mehr, nämlich um die ganz grossen menschlichen Gefühle wie Freundschaft, Liebe und Verlust. Und "Dad" ist zudem einfach grandios gut erzählt.

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Veröffentlicht am 15.02.2020

Ein wichtiges Buch

Untenrum frei
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Inhalt:

In sieben Kapiteln, die mit sehr persönlichen Erfahrungen gespickt sind, erzählt Margarete Stokowski von ihren eigenen Erlebnissen als Tochter, Schwester, Partnerin, Freundin, Angestellte, Mitarbeiterin ...

Inhalt:

In sieben Kapiteln, die mit sehr persönlichen Erfahrungen gespickt sind, erzählt Margarete Stokowski von ihren eigenen Erlebnissen als Tochter, Schwester, Partnerin, Freundin, Angestellte, Mitarbeiterin und Selbstständige. Sie schreibt über Liebe, Sex, darüber, was im Aufklärungsunterricht in der Schule schief läuft und über den Gender Pay Gap. Sie fordert einen Feminismus, der allen Menschen unabhängig ihres biologischen Geschlechts, ihrer Hautfarbe und Religion die gleichen Möglichkeiten zugesteht und räumt ausserdem mit Halbwahrheiten auf, indem sie die Bedeutung einiger Begriffe verständlich erklärt, diverse PhilosophInnen und WissenschaftlerInnen zitiert und nicht nur einen äusserst aufschlussreichen und detaillierten Quellennachweis mitliefert, sondern auch gleich noch eine Auflistung weiterführender Literatur.


Meine Meinung:

Ich bin nicht die einzige (und schon gar nicht die erste) Person, die dieses Buch am liebsten bereits im Teenageralter gelesen hätte. "Untenrum frei" plädiert für Selbstliebe und das genaue Benennen von Vorgängen im und am Körper, von Körperteilen, eigenen Wünschen und Vorlieben. Ich kann mir vorstellen, dass vor allem die Kapitel, in denen über die (sexuelle) Selbstbestimmung, über auf Augenhöhe geführte Beziehungen und faire Entlöhnung geschrieben wird, junge Menschen ansprechen. Zudem wird mit einigen Vorurteilen und Verallgemeinerungen aufgeräumt, es werden Anfeindungen erwähnt, die wir wohl alle aus unserem Alltag kennen und gleich noch angeführt, wie man damit umgehen kann, damit man erstens nicht selber daran zugrunde geht und zweitens auch noch aufklären, kontern und es selber in Zukunft besser machen kann.

Margarete Stokowski steht ein für junge Menschen, die sich in ihrem Körper und mit ihre Sexualität unsicher fühlen, die von ihren Familien nicht verstanden oder akzeptiert werden und die eine durch pinke und hellblaue Spielsachen geprägte Kindheit hatten und nun nicht wissen, wie sie sich von diesen vorgefertigten Bildern lösen und ihren Kindern später mehr Möglichkeiten aufzeigen können. Ausserdem erhebt sie ihre Stimme für Frauen, die eigentlich selbstbestimmt wären und dann durch die Geburt ihres ersten Kindes in mittelalterliche Rollenverhältnisse zurückgeworfen werden, die trotz gleicher Ausbildung und gleicher Arbeit nicht die gleichen Löhne bekommen, wie ihre männlichen Mitarbeiter und für Menschen, die sexuelle Gewalt, Diskriminierung und diverse Verunsicherungen erlebt haben und sich nicht selber wehren können.


Schreibstil:

Sprachlich ist dieses Buch ebenfalls sehr gelungen, da es offensichtlich von einer äusserst emanzipierten und intellektuellen Philosophin und Sozialwissenschaftlerin geschrieben worden ist, aber stets einfach gehalten ist, in kurzen, thematisch geordneten Kapiteln auf verschiedenste - meiner Meinung nach sehr wichtigen Themen - eingeht und dabei immer sehr verständlich bleibt. Neue oder eventuell mit Vorurteilen behaftete Begriffe werden ausserdem einfach und nachvollziehbar erklärt und mit ausreichend vielen Belegen, Nachweisen und weiterführender Literatur ergänzt.


Meine Empfehlung:

"Untenrum frei" ist provokativ und kritisch, aber vor allem auch sehr informativ und fundiert und ein Buch, das wirklich alle gelesen haben sollten. Es räumt mit Vorurteilen auf, liefert Erklärungen, Belege, Beispiele und Diskussionsgrundlagen und ist doch nie belehrend oder gar schwer verständlich, sondern aufgrund der vielen Beispiele (leider) komplett aus dem Leben gegriffen.

Veröffentlicht am 12.02.2020

Definitiv ein Herzensbuch

Wie der Soldat das Grammofon repariert
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Inhalt:
Aleksandar erzählt seine Geschichten von Herzen, er beschreibt, was er sieht und er macht Listen von alltäglichen Dingen, die er nicht vergessen will. Das Erzählen hat er von seinem Grossvater ...

Inhalt:
Aleksandar erzählt seine Geschichten von Herzen, er beschreibt, was er sieht und er macht Listen von alltäglichen Dingen, die er nicht vergessen will. Das Erzählen hat er von seinem Grossvater Slavko gelernt, dessen Tod Aleksandar und die ganze Familie erschüttert hat. Und weil er versprochen hat, nie mit dem Erzählen aufzuhören, erzählt er immer weiter. Sein Lehrer bewertet seine Aufsätze als Ausgeburt kindlicher Fantasie, welche immer das Thema verfehlen und somit häufig nur sehr knapp genügend sind. Aber Aleksandar gibt nicht auf. Er erzählt von seiner Tante Taifun, die ihr Kind sicher drei Monate zu früh bekommen wird, weil sie in allem immer die Schnellste ist, von seiner Uroma, welche ein Comwboy ist und von der Einweihung der ersten Innentoilette in seinem Dorf. Dabei ist er immer an allem interessiert, was gerade passiert, was noch unvollkommen und unfertig ist, und was er sich wünscht. Also malt er unfertige Bilder und unterhält damit seine Familie. Das Malen hat er von seinem Vater, dieser ist schliesslich Künstler und malt täglich. Auch ein Fest beschreibt er, welches eskaliert, die Häuser, die Menschen und ihre Geschichten und die Drina. Seine Drina. Dieser Fluss, welcher stolz durch Višegrad fliesst und der ein Gesprächspartner für Aleksandar geworden ist. Die Drina spielt in dieser ganzen Geschichte eine grosse und wichtige Rolle. Schliesslich angelt Aleksandar fast täglich in der Drina, er spricht mit ihr und sie antwortet ihm. Die Drina darf aber nicht nur eine schöne Rolle spielen. Im Krieg werden die Leichen der Hingerichteten in ihr versenkt und auch wenn der Erzählton des jungen Mannes sehr pubertär scheint, so werden doch die Schrecken des Krieges klar und brutal ersichtlich. Auch wenn das Kind im Erzähler nicht alles begreifen kann, was vor sich geht, so versteht der Leser, was mit den Erzählungen und angedeuteten Situationen gemeint ist.
Aleksandar muss schliesslich flüchten, seine Familie geht nach Deutschland. Wie er Deutschland erlebt und was er in Deutschland erlebt, erzählt er mit genau diesem Hunger auf Geschichten, den er schon vorher in sich trug und lässt den Leser so an dieser neuen Welt teilhaben.
Doch seine Heimat hat er nicht vergessen.Während er noch in Bosnien war, hat er Listen gemacht. Listen von allen Menschen, die er kennt, Listen, in denen er alle Distanzen, die ihm wichtig waren, in Schritten gemessen hat, Listen von Dingen und Wörtern, die er nie vergessen wollte und Listen von Häusern und dem ganzen Dorf. Mitten in der Nacht beschliesst er, sich seiner Geschichte zu stellen und macht sich mit seinen Listen auf in seine Heimat Višegrad, wo er jetzt fast ein Fremder ist. Er besucht seine Verwandten, mit denen er nicht mehr vertraut ist und er trifft sich mit der Drina, welche immer so schöne Geschichten erzählen konnte und jetzt nur noch traurige Geschichten übrig hat.

Meine Meinung:
Wie der Soldat das Grammofon reapiert ist ein Buch, welches sich nicht mit wenigen Worten beschreiben und loben lässt. Mit einer uglaublichen Frische und einem brillanten Erzählstil zeigt uns der Autor Saša Stanišić seine Heimat und die Liebe zu Land und Leuten, welche er immer noch in seinem Herzen trägt. Er spielt mit den üblichen Balkan-Klischees und -Vorurteilen, er übertreibt und zwinkert dabei mit den Augen.
Dieses Buch besteht aus vielen zusammen gefügten Geschichten, welche eigenständig eine Begebenheit aus Aleksandars Vergangenheit schildern und sich trotzdem aufeinander beziehen.
Ausserdem findet sich ziemlich in der Mitte des Romanes ein Buch im Buch, welches der junge Protagonist in seiner Kindheit geschrieben hat und eine Sammlung von Ideen und Geschichten beinhaltet, die damals wichtig waren. Dieses Buch im Buch endet genau dort, wo der eigentliche Roman begonnen hat, nämlich beim Tod des Grossvaters Slavko und erklärt so, was vor diesem Todesfall geschehen ist und was früher im Leben des Jungen von Bedeutung war.
Manchmal fühlt es sich an, als wäre man mitten im Geschehen, aber trotzdem sieht man nur durch ein Fernglas zu. Und manchmal wird man als Leser mit Informationen überflutet und überfordert mit dem, was man im Gegenteil zum kindlichen Aleksandar bereits verstehen und begreifen kann und was betroffen und traurig und hilflos macht.
Am meisten hat mich diese Rückkehr des mittlerweile erwachsenen Mannes erschüttert. Was er in seiner Heimat vorfindet, erzählt bekommt und erleben muss, deckt sich mit so vielen Geschichten, welche ich von "Rückkehrern" gehört und gelesen habe. Diese Ohnmacht, nichts mehr ändern oder bewirken zu können und nur noch akzeptieren zu müssen, macht regungslos. Und dieses Wissen darum, dass man eine friedliche Heimat verlassen musste und nun als Fremder zurück kehrt, macht alles nicht einfacher. Indem Aleksandar aber seine Vergangenheit akzeptiert und es wagt, sich sowohl an die schönen, als auch an die schlimmen Dinge zu erinnern, kann er abschliessen und für sich einen Neubeginn wagen. Einen Neubeginn, welcher aus Wissen, Erfahrung und vielen schönen und auch traurigen Geschichten besteht.

Fazit:
Selten hat mich ein Buch so gefesselt und berührt und selten hat mich ein Buch zugleich auf so intelligente Art unterhalten und auf andere Gedanken gebracht.
Dieser Roman ist ein Schatz, welcher alle nur menschenmögliche Gefühle vereint und tausende von Geschichten und Schicksalen zusammen fügt.
Ich lege euch dieses Buch ans Herz mit dem Wissen, dass ich es selber wohl noch einige Mal lesen werde.

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