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Veröffentlicht am 11.03.2020

Intensiv, emotional und überraschend

Nachtschwarz bis Blütenweiß. Rosen, Rilke und der Krieg
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"Nachtschwarz bis Blütenweiß - Rosen, Rilke und der Krieg" von Yngra Wieland ist nicht nur äußerlich wunderschön, sondern besticht auch durch eine eindringliche, packende Geschichte.

Ein ganz besonderes ...

"Nachtschwarz bis Blütenweiß - Rosen, Rilke und der Krieg" von Yngra Wieland ist nicht nur äußerlich wunderschön, sondern besticht auch durch eine eindringliche, packende Geschichte.

Ein ganz besonderes Detail des Buches sind die Kapitelüberschriften. Diese sind nach den Farben des Lebens der Protagonistin Ida benannt. Schon beim Lesen der Überschrift gerät man ins Träumen und überlegt, was wohl im diesem Kapitel passieren wird, das zu der jeweiligen Farbe passt.

Der Schreibstil ist ebenfalls gelungen, es wird sehr anschaulich, nachvollziehbar und mitreißend erzählt. Ich musste mich zwingen, das Buch zur Seite zu legen und mich wieder alltäglichem zuzuwenden. Gleich von Beginn an wird der Leser von der Geschichte in den Bann gezogen.

Ida ist eine sehr sympathische junge Frau. Sie ist anfangs voller Abenteuerlust, Träume und Lebenshunger und dann brechen so viele Dinge über sie herein. Ihre Gefühle werden eindringlich beschrieben, so dass man mit ihr mitempfindet. Als Ida das Versprechen gibt, sich um den Mann ihrer verstorbenen Schwester und deren Kind zu kümmern, habe ich mich richtig erschrocken. Sie erschien so frei und nicht passend für die Rolle als Frau und Mutter: "Ich will niemanden heiraten. Ich brenne für das Malen. Wenn ich die Farben sehe, beginnt es in mir zu leuchten und dieses Leuchten möchte ich in meinen Bildern festhalten, für etwas anderes ist kein Platz in meinem Leben." Der zeitgeschichtliche Hintergrund und die allmähliche Verschlimmerung mit jedem weiteren Kriegsjahr fließt gekonnt und intensiv in die Erzählung rund um Ida ein. So manches Mal stockte mir beim Lesen der Atem, weil es immer wieder traurig ist, zu lesen, was der Krieg für schreckliche Auswirkungen hat. Eindringlich wird beschrieben, wie sehr der Krieg das Leben von jedem einzelnen beschränkt hat und Träume, Pläne und auch Entwicklungen zunichte gemacht hat. "Plötzlich sind wir alle in Leben gelandet, die wir so nie gewollt haben. Es ist wie ein böser, nicht enden wollender Traum."

Während der Leser den Weg von Ida begleitet, lernt man wunderbar angelegte Nebencharaktere kennen, die die Geschichte bereichern. Da sind Idas Eltern, die sich nicht von der Nazipropaganda anstecken lassen und sich ihre Menschlichkeit bewahren. Da ist Hanna, eine Freundin von Ida, die von Idas Familie versteckt wird, weil sie jüdische Vorfahren hat. Da ist die Baronesse von Mellenthin, mit der Ida sich ebenfalls anfreundet, die aber ein großes Geheimnis birgt. Und dann sind da natürlich auch die Männer, der Mann von Idas verstorbener Schwester und Viktor. All diese Personen bringen neue Facetten in die Handlung ein, bewirken eine große Spannung und sorgen für einige Emotionen.

"Nachtschwarz bis Blütenweiß - Rosen, Rilke und der Krieg" von Yngra Wieland ist ein empfehlenswertes Buch, das sich wunderbar liest und emotional sehr berührt.

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Veröffentlicht am 06.03.2020

Carola Neher - ganz großes Theater

Die Königin von Berlin
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"Die Königin von Berlin" von Charlotte Roth ist wirklich ganz großes Theater.

Schon das Cover ist ein echter Blickfang und fängt sehr gut die Persönlichkeit von Carola Neher ein. Was mir an der Gestaltung ...

"Die Königin von Berlin" von Charlotte Roth ist wirklich ganz großes Theater.

Schon das Cover ist ein echter Blickfang und fängt sehr gut die Persönlichkeit von Carola Neher ein. Was mir an der Gestaltung des Romans besonders gefallen hat, ist die Idee mit einem "Grußwort Ihres Abendspielleiters" zu beginnen und dem ganzen Roman Züge eines Theaterstücks zu geben. Denn das ist der Roman: ganz großes Theater. Und auch Carola Neher lebte allein dafür, so dass ein Roman, der sie würdigen soll, in Gestalt eines Theaterstücks einfach perfekt passt. Zudem zieht dieser tolle, packende Start den Leser gleich in den Bann der Geschichte. Das ist ausgesprochen gut gelungen.

Bei der folgenden Erzählung wird das Leben von Carola in mehrere Akte geteilt. Durch die längst vergangene Handlung führen die Nachforschungen von Georg Becker, die er bei der Bibliothekarin Annette Dengler vertiefen will. Und so erfährt der "Zuschauer" nach und nach zusammen mit den beiden immer mehr über Carola als Persönlichkeit und wichtige Stationen ihres Lebens. Dabei ist der Schreibstil sehr unterhaltsam und witzig, spannend und mitreißend. Mit jeder Seite wurde es schwerer das Buch aus der Hand zu legen. Die Rahmenhandlung rund um Georg und Annette hätte es dennoch nicht gebraucht, denn die Spannung ging allein von Carola Neher und ihrem Leben aus. Mit Auftauchen der beiden wurde der Spannungsbogen unterbrochen, so dass ich in Versuchung war diese Episoden zu überblättern und direkt wieder in das Leben von Carola einzutauchen.

Carola Neher hat eine faszinierende Energie und Zielstrebigkeit. Ihr ganzes Handeln und Sinnen ist darauf gerichtet eine erfolgreiche Schauspielerin zu sein. Nur kann sie sich ihrer vielen Rollen auch im privaten nicht entledigen und findet nicht so recht Zugang zu den Menschen in ihrem Leben. Und so fragt sie sich: "Bei mir funktioniert vielleicht etwas nicht so wie bei anderen Menschen. Was soll ich dagegen machen?"

Dennoch gibt es zwei Männer, die eine große Rolle für sie spielen: Bertolt Brecht und Alfred Henschke.

Bertolt Brecht sieht in ihr eine Seelenverwandte, seine Zwillingsschwester, die auch ausschließlich für das Theater lebt. Und so verfolgt er über Jahre das Ziel mit ihr den Erfolg seines und ihres Lebens zu erreichen. In ihr Herz stiehlt sich dennoch ganz allmählich der eher erfolglose Alfred Henschke. Ihr Fredi, der sie sanft und bedingungslos liebt und ihr damit zeigt, was ihr von klein auf gefehlt hat. Die zarte Liebesgeschichte zwischen den beiden ist rührend.

Neben all dem Glanz der Theaterwelt, werden auch zeitgeschichtliche Hintergründe aufgegriffen. Es ist interessant und schockierend, den langsamen Aufstieg Hitlers aufgrund von Missständen wie schwindendem Geldwert und Arbeitslosigkeit zu sehen. Ein deutlicher Schwerpunkt liegt jedoch auch dem Künstler- und Theaterleben der goldenen Zwanziger in Berlin.

Für "Die Königin von Berlin" von Charlotte Roth kann ich eine begeisterte Leseempfehlung aussprechen. Es war faszinierend auf solch unterhaltsame Weise etwas über eine reale Persönlichkeit zu erfahren.

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Veröffentlicht am 03.03.2020

Hannah Arendt - ein freier Geist

Hannah Arendt
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"Hannah Arendt" von Maria Isabel Sánchez Vergara aus der Reihe Little People, Big Dreams ist ein wundervoll kindgerecht gestaltetes Buch über eine beeindruckende Frau. Die Illustrationen stammen von Sophia ...

"Hannah Arendt" von Maria Isabel Sánchez Vergara aus der Reihe Little People, Big Dreams ist ein wundervoll kindgerecht gestaltetes Buch über eine beeindruckende Frau. Die Illustrationen stammen von Sophia Martineck.

Ich finde es gut, dass reale Personen mit eindrucksvollen Lebensläufen auf ansprechende Weise für Kinder gewürdigt werden. Und dies mit einer wunderschönen, wertigen Ausgabe mit stabilem Rücken. Die Bilder kann man immer wieder gemeinsam betrachten, ohne dass das Buch zerlesen aussieht.

Die Zeichnungen sind detailliert und zeitgemäß. Dadurch gelingt es noch besser sich tatsächlich in die Zeit hineinversetzen, in der Hannah Arendt gelebt hat. Besonders faszinierend ist, wie es gelingt in wenigen Bildern und Sätzen ein Leben so gut auf den Punkt zu bringen:

"Ein freier Geist ist Hannah ein Leben lang geblieben. Bei Unrecht hat sie ihre Stimme erhoben und gewusst: Man muss sich wehren, man darf sich nicht ducken!"

Begeistert von dem Buch bin ich vor allem deshalb, weil es nicht ausschließlich unterhält, sondern eine Botschaft vermittelt und damit ermöglicht schon früh kindgerecht zu diskutieren und auch kritische Themen aufzugreifen.

Eine tolle Unterstützung, um Kinder zu eigenständigem, starken Denken anzuregen und ein guter Mutmacher, das man Träume verwirklichen kann.

"Hannah Arendt" von Maria Isabel Sánchez Vergara und die damit verbundene Reihe Little People, Big Dreams kann ich wärmstens empfehlen, um mit Kindern bereits früh über wichtige Themen und bedeutende Persönlichkeiten zu sprechen.

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Veröffentlicht am 01.03.2020

Gelungener und ausgewogener Jugendroman

Um 180 Grad
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"Um 180 Grad" von Julia C. Werner ist ein vielschichtiger Jugendroman, der neben dem Ziel die Erinnerungen der Holocaust-Überlebenden lebendig zu halten, auch sehr gekonnt auf die heutige Lebens- und Gefühlswelt ...

"Um 180 Grad" von Julia C. Werner ist ein vielschichtiger Jugendroman, der neben dem Ziel die Erinnerungen der Holocaust-Überlebenden lebendig zu halten, auch sehr gekonnt auf die heutige Lebens- und Gefühlswelt von Jugendlichen um die 14 Jahre eingeht.

Gerade diese gelungene Mischung aus Mahnen und Erinnern und den aktuellen Schwierigkeiten Jugendlicher, in denen die Leser sich selbst wieder finden können, macht die Besonderheit dieses Buches aus. Die jungen Leute heute finden gar nicht mehr so richtig den Zugang zu dem großen Unrecht und Leid, das weit vor ihnen passiert ist. Sie kommen aus einer Generation, wo schon die Eltern nicht mehr direkt vom Krieg und seinen Folgen betroffen waren und kennen nur Freiheit, Selbstbestimmung und viele auch, dass sie schnell ihre Wünsche erfüllt bekommen. Schwer sich dann in die Geschichte einzufühlen, vor allem da die Jugend heute ganz eigenen Herausforderungen ausgesetzt ist. Großartig, dass es so gelungene Jugendbücher wie dieses gibt, die den Zugang erleichtern und ein modernes Mahnmal setzen, dabei aber auch nicht die heutigen Schwierigkeiten außer Acht lassen.

Die Umsetzung als Jugendbuch ist wirklich gut gelungen. Lennard ist unglaublich authentisch, es ist leicht sich mit ihm zu identifizieren. Sprache, Verhalten, Überlegungen, alles passt gut zu ihm und seinem Alter. Lennard hat neben seiner zarten Verbundenheit mit Frau Silberstein noch einiges anderes, altersgerechtes im Sinn und ekelt sich auch mal vor dem Alter und dem damit leider verbundenen Verfall.

Frau Silberstein ist beeindruckend. Sie ist eine starke, einfühlsame Frau. So dankbar und sympathisch möchte ich auch bis ins hohe Alter sein. Obwohl fiktiv, ist sie eine inspiriende Frau. "Manchmal muss man einfach beschließen, glücklich zu sein, [...] von alleine, wäre es nicht passiert." Was für weise und allzuwahre Worte.

Dennoch spürt man in Blitzlichtern auch deutlich, dass Frau Silberstein in der Jugend schlimmes erlebt hat, was ihr heute noch zusetzt. Die Momente, wo sie unter ihren Erinnerungen an die Vergangenheit gelitten hat, sind mir sehr zu Herzen gegangen.

Die Annäherung zwischen Lea und Lennard finde ich süß. Die Schilderungen sind sehr realistisch. Ebenso auch die Schilderungen des Familienlebens von Lennard. Das Buch ist authentisch und nachvollziehbar und bringt gerade dadurch das Thema gut rüber und macht es für junge Leser zugänglich.

Mir gefällt die Entwicklung von Lennard unglaublich gut. Er ist, wie er selbst sagt, kein Held, aber er hat einiges an Reife und Einfühlungsvermögen dazu gewonnen. Seine Mama bringt es schön auf den Punkt: "Würden alle Menschen, so wie du jetzt, ein bisschen mehr für andere tun, als sie müssten, wäre unsere Welt wohl ein wenig besser".

"Um 180 Grad" von Julia C. Werner ist ein gelungener, ausgewogener Jugendroman, für den ich eine klare Leseempfehlung aussprechen kann.

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Veröffentlicht am 14.02.2020

Bewegender und tragischer Roman gegen das Vergessen

Rote Kreuze
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"Rote Kreuze" von Sasha Filipenko ist ein faszinierendes - teils bewegendes, teils tragisches - Zeugnis einer realen Zeit und einer fiktiven Freundschaft.

Der Autor selbst sagt: "Ich finde es gut, wenn ...

"Rote Kreuze" von Sasha Filipenko ist ein faszinierendes - teils bewegendes, teils tragisches - Zeugnis einer realen Zeit und einer fiktiven Freundschaft.

Der Autor selbst sagt: "Ich finde es gut, wenn ein Buch nicht nur eine Geschichte erzählt, sondern auch eine Geschichte hat."
Genau dies macht für mich eine Besonderheit dieses Romans aus und gibt eine große Tiefe. Denn es wird nicht nur die zarte Freundschaft zwischen Tatjana und Alexander erzählt. Es werden auch viele historische Hintergründe aus der Stalin - Zeit, der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg vermittelt. In die fiktive Handlung des Romans fließen geschickt verwoben immer wieder reale Begebenheiten und Personen ein. Es werden Originaltexte in die Erzählung aufgenommen, die ein trauriges Bild von sinnloser Menschenverachtung zeigen.

Der Leser wird gleich von Beginn an von Tatjana gefangengenommen. Auch wenn sie an Alzheimer leidet, ist sie immer noch sehr schlagfertig und zielstrebig. Sie lässt Alexander mit seiner anfänglichen Gleichgültigkeit und Abweisung nicht durchkommen. Und so entspannt sich zwischen den beiden ein Dialog bei dem überwiegend Tatjana aus ihrem langen Leben erzählt. Die Erzählung ist sehr facettenreich, amüsant, rührend, spannend, tragisch, nüchtern, emotional. Dennoch hat mir etwas gefehlt. Ich lese sehr gern Geschichten, bei denen sich eine Freundschaft trotz vieler Jahre Altersunterschied anbahnt. Aufgrund des Klappentextes hatte ich mir gewünscht, dass neben dem wichtigen Zeitzeugnis auch der Freundschaft zwischen Tatjana und Alexander Raum gegeben wird. Dieser Aspekt tritt jedoch deutlich in den Hintergrund.

Ungeschönt und direkt wird dagegen vieles über die neuere Geschichte Russlands vermittelt. Dabei übt der Autor deutliche Kritik durch seine Romanfigur: "Erst später, im Lager, wurde mir bewusst, dass dieses ganze System, diese riesige Maschinerie, auf komplexbeladenen Nullen [...] beruht. Von sich aus stellen diese Kreaturen überhaupt nichts dar, aber in einem Staat aus Ihresgleichen gewinnen die an Bedeutung." Genau diese offenen Worte sind wichtig, um nicht zu vergessen und dadurch hoffentlich zu erreichen, dass es nie wieder so weit kommt.

"Rote Kreuze" von Sasha Filipenko ist ein wichtiger Roman gegen das Vergessen. Kein leichter Wohlfühlroman, aber durch die Tiefgründigkeit umso wertvoller. Klare Leseempfehlung für Leser, die es schätzen, wenn ein Roman nicht nur unterhält, sondern auch nachdenklich stimmt.

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