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Veröffentlicht am 22.11.2020

Ganz anders als erwartet

Mr. Crane
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Elisabeth, deren eine Gesichtshälfte aufgrund eines Feuerunglücks entstellt ist, arbeitet als Krankenschwester im Tuberkulose-Sanatorium Badenweiler, wo einst Anton Tschechow Patient war. Im Sommer 1900 ...

Elisabeth, deren eine Gesichtshälfte aufgrund eines Feuerunglücks entstellt ist, arbeitet als Krankenschwester im Tuberkulose-Sanatorium Badenweiler, wo einst Anton Tschechow Patient war. Im Sommer 1900 reist ein weiterer prominenter Schriftsteller im fortgeschrittenen Tuberkulosestadium ein: Stephen Crane. Elisabeth, die alle seine Bücher gelesen hat, fühlt eine große Verbundenheit zu dem Patienten, die dieser auch vom ersten Augenblick an erwidert. Acht intensive Tage folgen… Vierzehn Jahre später, Elisabeth ist mittlerweile Oberschwester, wird ein junger Soldat mit schweren Verletzungen in das Sanatorium gebracht. Er soll wieder gesund gepflegt und an die Front geschickt werden. Doch Elisabeth versucht dies um jeden Preis zu verhindern…

Der Roman „Mr. Crane“ kommt in einer edlen Qualität daher: fester Einband mit Lesebändchen, auf dem Schutzumschlag ist ein Bild des Schriftstellers zu sehen, im Hintergrund sieht man das Profil einer Frau. Auch der Klappentext ist vielversprechend und macht neugierig. Ich lese gerne Romane, in denen reale Personen fiktional verarbeitet werden. Leider war der Roman ganz anders als ich erwartet habe. Ich habe intensive Gespräche zwischen Stephen Crane und Elisabeth erwartet. Eine geistige Verbindung wie sie nur zwischen zwei Menschen, die von Leid gezeichnet sind, entstehen kann. Statt dessen spielt sich bei den beiden die Annäherung hauptsächlich auf der körperlichen Ebene ab. Ungeachtet dessen, dass sich Mr. Crane im Endstadium seiner Tuberkulosekrankheit befindet und somit extrem schwach und außerdem auch äußerst ansteckend ist, kopuliert er mit Elisabeth wann er nur kann. Elisabeths Verhalten ist sogar noch unverständlicher und gewissenloser: Sie weiß, dass sie ihn schwächt, rüttelt ihn oftmals aus dem Schlaf, damit er eine seiner Geschichten zu Ende erzählt und ‚päppelt‘ ihn schließlich mit Whiskey und Zigaretten auf, damit er länger bei Bewusstsein bleibt. Ein besonders schlechtes Gewissen scheint sie deswegen nicht zu haben, „im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt“ scheint ihre Devise zu sein. Gegenüber dem Oberarzt wird sie auch noch aufmüpfig, der ihr mit Verständnis begegnet und ihr sogar eine bessere Position anbietet. Sie hätte eigentlich wegen ihrer Unprofessionalität gefeuert werden sollen, stattdessen ist sie ein paar Jahre später Oberkrankenschwester… Ich frage mich, was die Intention des Autors gewesen ist. Zwar hat Mr. Crane ein paar Geschichten aus seinem Leben zum Besten gegeben, aber als Mensch und Schriftsteller ist er mir persönlich nicht näher gekommen. Die ‚Liebesgeschichte‘ zwischen ihm und Elisabeth ging mir weder nah noch fand ich sie in irgendeiner Form überzeugend. Der zweite Erzählstrang ist meiner Meinung nach besser gelungen: Elisabeth rettet ein Menschenleben, als Wiedergutmachung ihrer Schuld Mr. Crane gegenüber (so meine persönliche Interpretation).

Als Fazit halte ich fest, dass es sich bei „Mr. Crane“ um eine abstruse, wenig überzeugende Geschichte handelt, dem der abgehackte Erzählstil und die oftmals aneinander vorbeiredenden Figuren zusätzlich geschadet haben.

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Veröffentlicht am 13.07.2020

Anders als erwartet

Die Perlenfarm
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„So lag ich da, die ganze Nacht, lauschte dem endlosen Echo und begriff, dass Einsamkeit überall gleich ist.“ (S. 201)

Der neue Roman von Liza Marklund kommt in einem farbenfrohen Cover daher. Ein Strand ...

„So lag ich da, die ganze Nacht, lauschte dem endlosen Echo und begriff, dass Einsamkeit überall gleich ist.“ (S. 201)

Der neue Roman von Liza Marklund kommt in einem farbenfrohen Cover daher. Ein Strand mit Palmen und Blick auf das türkisfarbene Meer. In der Ferne sieht man eine kleine, grüne Insel. In großer sandfarbener Schrift prangt der Titel „Die Perlenfarm“ darüber. Der Umschlagseite eines Reisekatalogs sieht es so ähnlich, dass man nicht umhinkann, als sich dahin zu wünschen – wo auch immer dieser äußerst ansprechend aussehende Ort sein soll. Im Klappentext heißt es, dass „die junge Kiona im Paradies lebt“, auf einer Perlenfarm, an deren Küste eines Tages ein Segelboot mit einem verletzten Mann an Bord strandet. „Kiona pflegt ihn gesund und verliebt sich in ihn“, heißt es weiter, bis Erik eines Tages die Insel fluchtartig verlässt und Kiona sich auf die Suche nach ihm begibt. Klingt spannend, nicht wahr? Und was erwartet man bei diesem Cover, Titel und Klappentext? Genau, einen romantischen Abenteuerroman. Den habe ich jedenfalls erwartet und ich denke, es ging den meisten Lesern so. Es kann wohl niemand leugnen, dass genau diese Erwartungshaltung aufgebaut wird. Aber wozu, frage ich mich. In der Vermarktung dieses Buches ist ziemlich viel falsch gelaufen, würde ich sagen. Ein Abenteuerroman mit Liebesgeschichte und nachfolgendem Roadtrip ist es nämlich keineswegs. Am ehesten würde ich „Die Perlenfarm“ als Politthriller bezeichnen. (Der Titel ist im Original allerdings derselbe und das Cover der schwedischen Ausgabe der deutschen sehr ähnlich, der Klappentext ist aber bei weitem nicht so schnulzig wie der von der vorliegenden deutschen Ausgabe, sondern ist viel nüchterner verfasst. Wie man sieht, ist der Fehler nicht nur dem List-Verlag unterlaufen.)

Zunächst ist die Insel Manihiki, auf der Kiona mit ihrer Familie wohnt, keineswegs als Paradies zu bezeichnen. Recht karge Verhältnisse herrschen auf dieser Insel und Kiona muss auf der Perlenfarm ihrer Familie mithelfen, indem sie mit ihrem Bruder nach Perlenmuscheln taucht, was eine anstrengende und gefährliche Arbeit ist. Wenn sie nicht taucht oder mit dem Öffnen von Muscheln beschäftigt ist, hilft sie ihrer Mutter im Krankenhaus oder im Haushalt. Trotz großem Wissensdurst stehen ihr nur wenige Bücher zur Verfügung. Klingen die beschriebenen Verhältnisse nach einem Paradies? Ich würde eher nein sagen. Die Beschreibungen des Lebens auf der Insel wirken äußerst fade und trostlos, so dass sich der Teil, der auf Manihiki spielt (ungefähr ein Viertel des Romans), sehr in die Länge zieht. Dass der geheimnisvolle Schwede Erik dabei auf der Bildfläche erscheint, ändert auch nicht viel daran. Die angebliche große Liebe, die sich zwischen Kiona und Erik entwickelt (und aus der sogar zwei Kinder entstehen) ist ebenfalls so fade beschrieben, dass an keiner Stelle ein Funke auf den Leser überspringen kann. Die wenigen Gespräche, die sie miteinander führen und die den Leser kalt erwischenden recht unappetitlichen Sexszenen lassen auf keine tiefe Liebe schließen. Umso mehr überrascht dann der weitere Verlauf des Romans, in dem Kionas entbehrungsvolle Suche nach Erik beginnt. Und hier beginnt wirklich eine Handlung, die sich geradezu überschlägt. Zunächst landet Kiona in Los Angeles, wo sie unbedarft wie sie ist (schließlich ist sie noch nie weiter als bis zur Nachbarinsel in ihrem Leben gekommen) in die Hände von vier Kriminellen gerät. Von ihren physischen und psychischen Schäden erhölt sie sich bei einer buntzusammengewürfelten Wohngemeinschaft, deren Oberhaupt Clay (eine Person, die ihre geschlechtliche Identität mehrmals gewechselt hat) darstellt. Weitere Mitglieder sind ein versehrter Kriegsveteran, ein drogenabhängiges Model, ein homosexuelles aidskrankes Pärchen sowie drei Teenagermädchen aus schwierigen familiären Verhältnissen. Wenn sie nicht gerade Zeitschriftenabonnements verkaufen, diskutieren sie leidenschaftlich über den Glauben und die Evolution. Als es zu einer verhängnisvollen Verwicklung kommt, bricht Kiona mit Clay nach London auf und später nach Daressalam. Und hier verwundert bereits sehr, wie gut Kiona zurechtkommt, immer genau weiß, bei welchem Problem sie sich an welche Institution wenden muss und sich außerdem glaubwürdige Geschichten aus dem Stegreif ausdenkt. Bei jemandem, der sein ganzes Leben auf einer Insel verbracht hat und mit der restlichen Welt keinerlei unmittelbaren Kontakt hatte, ist das ein äußerst ungewöhnliches und damit unglaubwürdiges Verhalten. Insgesamt halten einen die geschilderten Geschehnisse ab Los Angeles bis zum Ende allerdings in Atem und lassen einen auf die Lösung des Rätsels mitfiebern. Auf emotionaler Hinsicht bleibt die Geschichte allerding in höchstem Maße farblos. Und so bleibe ich ziemlich ratlos zurück. Der Roman war zugegebenermaßen streckenweiße interessant und spannend, einige Stellen haben einem auch zu denken gegeben, aber insgesamt, weiß ich wirklich nicht, was ich von Liza Marklunds neuestem Werk halten soll. Eine klare Linie konnte ich nicht erkennen.

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Veröffentlicht am 05.05.2020

Wo ist die Geschichte?

Wie uns die Liebe fand
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Elsass 2019: Die 92-jährige Ich-Erzählerin Marie-Anne Nanon möchte uns über das Jahr 1979 erzählen, in dem sich vieles für sie und ihre vier Töchter (allesamt Kopien von Madame Nan) änderte. Nach dem Tod ...

Elsass 2019: Die 92-jährige Ich-Erzählerin Marie-Anne Nanon möchte uns über das Jahr 1979 erzählen, in dem sich vieles für sie und ihre vier Töchter (allesamt Kopien von Madame Nan) änderte. Nach dem Tod ihres Mannes hat sie sich mit ihrer Familie mehr schlecht als recht über Wasser gehalten. Als ihr von Monsieur Boberschram der heruntergekommene Lebensmittelladen geschenkt wird, wendet sich das Blatt schlagartig. Nach einer gelungenen Erneuerung und Verschönerung, wird "Chez Malou" geradezu von Kundschaft überrannt. Das liegt nicht nur an dem einladenden Ambiente des Ladens, der außergewöhnlichen Schönheit der Bedienung und an Madame Nans kleinen Magenfüllern, die sich äußerster Beliebtheit erfreuen, sondern an einer Erfindung Maries (Madame Nans ältester Tochter) und ihres Freundes Malou: den sogenannten Liebesbomben, die nicht nur das Geschäft florieren lassen, sondern auch das ganze Dorf in einen sinnenfreudigen Liebestaumel versetzen. Alle, bis auf Madame Nanon selbst, die ihre plötzliche Liebe für Monsieur Boberschram entdeckt, der sich ihr gegenüber seltsam verhält. Während Madame Nan immer wieder Ereignisse aus dem Jahr 1940 Revue passieren lässt, nähern wir uns gemeinsam dem Geheimnis, der hinter Monsieur Boberschrams seltsamen Verhalten steckt.

In das Cover von "Wie uns die Liebe fand" habe ich mich direkt verguckt. Bevor ich mit dem Lesen begonnen habe, bin ich erstmal lange mit den Fingern über den Buchdeckel gefahren: Nicht nur die Schrift ist geprägt, sondern auch die farbigen Blütenblätter, sodass sie sich im Gegensatz zu den graugefärbten Blättern "frisch" anfühlen. So wie einige unserer Erinnerungen frisch und andere verblasst sind. Eine schöne Idee.

So sehr mir das Äußere des Romans gefallen hat, so sehr habe ich mir gewünscht, dass der Inhalt mich ebenfalls für sich einnehmen würde. Leider war dem nicht so. Das gesamte Buch über habe ich auf die "Geschichte" gewartet, die uns Madame Nan unbedingt erzählen wollte. Dass die Familie Nan einen Laden betreibt und dort Liebesbomben anbietet, die ganz Bois-de-Val in ein "Freudendorf" verwandelt, ist für mich noch keine Handlung. Gut, es gibt da noch den Witwer Boberschram, für den Madame Nan plötzlich Liebe entwickelt, der eine Zeitlang zum Essen kommt, dann nicht mehr und irgendwann wieder auftaucht, um etwas zu beichten, das 1940 passierte. Und natürlich werden sie am Ende doch noch ein Paar. Diese "Geschichte" wird allerdings in ellenlangen Beschreibungen von Banalitäten ertränkt, sodass man am Ende erschlagen nur noch kapitulieren kann. Allein die Verbindung der beiden Zeitebenen und Handlungsstränge von 1940 und 1979 beißt sich: der Ton passt oft zum Erzählten nicht und das Geschehen wirkt nicht authentisch. Reaktionen und Gefühle werden theatralisch und übertrieben dargestellt, die Figuren sind eindimensional und überzeichnet - das alles umrankt von ausschweifendem, blumigem Schreibstil. Es tut mir leid, aber dieses literarische Debüt ist reinster Kitsch.

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Veröffentlicht am 02.03.2020

Liest sich wie eine Nacherzählung

Das Haus der Frauen
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Laetitia Colombani hatte eine sehr interessante Idee für ihren neuesten Roman. Sie hat sich das Lebenswerk der von 1867 bis 1933 lebenden Heilsarmistin Blanche Peyron angeguckt, der Paris das dort stehende ...

Laetitia Colombani hatte eine sehr interessante Idee für ihren neuesten Roman. Sie hat sich das Lebenswerk der von 1867 bis 1933 lebenden Heilsarmistin Blanche Peyron angeguckt, der Paris das dort stehende „Palais de la femme“ zu verdanken hat – eine Institution, die obdachlosen und notleidenden Frauen Schutz bietet. Das Leben dieser großen Frau arbeitet die Autorin in ihrem Roman „Das Haus der Frauen“ auf. In einem parallel verlaufenden Erzählstrang, der im heutigen Paris angesiedelt ist, entwirft Colombani die fiktive Figur der Anwältin Solène, die nach einem erlittenen Nervenzusammenbruch die ehrenamtliche Tätigkeit eines „Öffentlichen Schreibers“ in dem Palast der Frauen aufnimmt. Auf diese Weise hofft sie ihrem Leben wieder einen Sinn zu geben sowie sich selbst wiederzufinden. Sie ahnt noch nicht, wie sehr sie sich dabei auf die Schicksale der in dem Palast lebenden Frauen einlassen wird...

So ehrenhaft und lobenswert Laetitia Colombanis Vorhaben ist, so sehr scheitert es letztlich in der Umsetzung. Allem Anschein nach hat sie sich zu viel vorgenommen und allein deswegen konnte das Buchprojekt nicht gelingen. So versucht die Autorin auf gerademal 250 Seiten nicht nur die Geschichte von Blanche und Solène, sondern auch von einigen Frauen mehr zu schildern. Da ist die Serbin Cvetana, die vor dem Krieg in ihrem Land geflohen ist, da ist Binta, die mit ihrer kleinen Tochter Sumeya aus Guinea flieht, da ist die junge Cynthia, der man ihren Sohn weggenommen hat, da ist die Strickerin Viviane, die von ihrem Mann misshandelt wurde, da ist Iris, die sich eine neue Identität erarbeitet, da ist die Renée, die 15 Jahre lang auf der Straße gelebt hat und da ist die neunzehnjährige Bettlerin Lily – sage und schreibe acht Frauenschicksale, die auf minimalstem Raum Platz finden. Würde die Autorin zu den wortgewaltigen Schriftstellerinnen gehören, die mit Hilfe von nur wenigen Worten Wunder erschaffen, hätte ich nichts dagegen einzuwenden. Doch zu diesem Kreis ist sie bei weitem nicht zu zählen.

So sind die Romanpassagen um Solène oftmals sentimental und kitschig. Ihre Stimmung ändert sich häufig schlagartig und ohne ersichtlichen Grund. War sie im ersten Moment voller Zweifel, ist sie einige Sätze später fest entschlossen; war sie eben noch verzagt, ist sie im nächsten Moment voller Hoffnung. Auch derartig abgedroschene Phrasen wie „Abrupt bleibt sie stehen, wie ein Reh bei Nacht im Scheinwerferlicht auf einsamer Landstraße“ häufen sich in den Erzählsträngen, die Solène betreffen.

Im Versuch wiederum der Person der Blanche Peyron die höchste Ehre angedeihen zu lassen, flüchtet sich die Autorin derartig tief ins Pathos, dass kaum Raum mehr für wahre Ergriffenheit von Seiten des Lesers bleibt. Blanche ist in der Erzählung dermaßen über jeden Zweifel erhaben, dass die Bewunderung vom Leser mehr einem Zwang als einem inneren Bedürfnis gleicht.

Ein weiterer in meinen Augen schwerwiegender stilistischer Fehltritt ist die von der Autorin gewählte Erzählweise. Und zwar werden alle Frauenschicksale – auch dasjenige von Blanche und Solène – in dritter Person erzählt, gelegentlich wird auch das noch unpersönlichere „man“ verwendet. Direkte Rede fehlt fast gänzlich, wird sie hin und wieder verwendet, so ist sie durch Kursivschrift im laufenden Text markiert. Dabei wären die Einzelschicksale der Frauen doch bereits viel ansprechender, wenn sie in der Ich-Form erzählt worden wären. Die Erzählweise in der dritten Person erzeugt eine Distanz, die unmöglich von der Autorin intendiert worden ist.

Beim Lesen von „Das Haus der Frauen“ hat sich bei mir in der Summe das Gefühl eingestellt, als hätte jemand einen Roman gelesen, den er nun möglichst getreu nachzuerzählen versucht. Die Geschichte mag dieselbe sein, aber das Leben, der zündende Funke, der auf den Leser überspringt, das gewisse Etwas fehlt in der zweiten Version – dieser Version – gänzlich.

Mein Fazit: Eine schöne Geschichte, die aber leider mit den falschen Stilmitteln ausgestaltet, etwas unbeholfen erzählt und unnötigerweise mit Kitsch und Pathos garniert wurde.

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Veröffentlicht am 30.01.2020

Tiefe lässt sich nicht erzwingen

Das Knistern der Sterne
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Stella befindet sich am tiefsten Tiefpunkt ihres Lebens, als sie Balthasar begegnet. Der siebzigjährige Herr lädt sie bereits nach dem ersten Kennenlernen ein, ihn auf einer Kreuzfahrt zu begleiten. Nach ...

Stella befindet sich am tiefsten Tiefpunkt ihres Lebens, als sie Balthasar begegnet. Der siebzigjährige Herr lädt sie bereits nach dem ersten Kennenlernen ein, ihn auf einer Kreuzfahrt zu begleiten. Nach anfänglichem Ablehnen willigt Stella schließlich ein – zu verführerisch ist die Vorstellung von einer sorgenlosen Reise auf einem Kreuzfahrtschiff. Und Balthasar stellt ihr auch nur eine einzige Bedingung: am Ende des Tages soll sie ihm beim Abendessen von ihren Erlebnissen erzählen. Gerne geht Stella dieser Bitte nach. Mit der Zeit wird jedoch immer deutlicher, dass Balthasar etwas zu verbergen hat, doch Stella ist viel zu sehr mit ihrer eigenen Selbstfindung und dem Glücklichmachen von anderen beschäftigt, um der Sache gründlich nachzugehen. Bis es zu spät dafür ist…

Ich muss zugeben, dass mich das wunderschöne Cover magisch angezogen und auch der Klappentext neugierig auf die Geschichte gemacht hat. Da ich selbst noch nie eine Kreuzfahrt gemacht habe, dachte ich mir, ich könnte virtuell mitreisen und nebenbei einer spannungsreichen Geschichte folgen. Leider haben sich meine Hoffnungen nicht erfüllt, denn der Roman fiel ganz anders aus, als ich ihn mir vorgestellt habe. Die im Roman vorkommenden Figuren sind ein-, höchstens zweidimensional, die Geschichte vorhersehbar, die Gespräche, die im Roman geführt werden, sind kurios und voller Gemeinplätze [Die Autorin hat zudem die äußerst befremdliche Angewohnheit folgende Zeichenabfolge » – – – « zu benutzen, wenn jemand statt zu antworten auf irgendeine Weise reagiert, was weder für die Identifikation mit den Figuren förderlich ist, noch den Versuch, in die Romangeschichte einzutauchen, erleichtert und wird, soweit ich weiß, nicht einmal in der Dramatik praktiziert, ganz zu schweigen von der Epik] und die von der Autorin beabsichtigte Tiefgründigkeit der Geschichte ist eine nervenraubende Pseudotiefe – höchstens bei den eingestreuten Zitaten lohnt es sich manchmal länger zu verweilen. Man vergisst keinen Augenblick lang, dass man es mit Fiktion zu tun hat und das ist wahrlich kein Zeichen guter Prosa. „Das Knistern der Sterne“ war mein erster Roman von Claire Hoffmann und wird auch mein letzter bleiben. Er wird sicher seine Anhänger finden, mich konnte er nicht begeistern.

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