Konnte mich leider nicht abholen
Das Haus der FrauenLaetitia Colombanis Debütroman "Der Zopf" war 2018 ein absolut gehyptes Buch, das ich letztes Jahr gelesen habe und das mir ebenfalls sehr gut gefallen hat. Besonders der Strang aus Indien hat mich mitgenommen ...
Laetitia Colombanis Debütroman "Der Zopf" war 2018 ein absolut gehyptes Buch, das ich letztes Jahr gelesen habe und das mir ebenfalls sehr gut gefallen hat. Besonders der Strang aus Indien hat mich mitgenommen und ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben.
Nun ist das zweite Buch der Autorin erschienen und natürlich stellt jedermann Vergleiche zum Zopf an, was nicht wirklich optimal ist. Diese Geschichte ist eine andere und ich muss zugeben, dass auch sie mich nicht wirklich abholen konnte.
Der Roman beginnt vielversprechend und ich konnte mich sehr schnell in die Geschichte einfühlen, was sich aber leider nicht fortsetzte.
Wir haben diesmal zwei Zeitstränge. In der Gegenwart lernen wir die Anwältin Solène kennen. Sie gerät in eine Lebenskrise, als sich einer ihrer Mandaten aus dem Fenster stürzt. Ihre Beziehung ist ebenfalls vor kurzem zerbrochen, woran sie noch immer zu knabbern hat. Sie steigt aus dem Berufsleben aus und versucht ihr Leben irgendwie wieder auf die Reihe zu bekommen. Ihr Therapeut legt ihr ans Herz sich sozial zu engagieren, um ihre eigenen Probleme hintenanzustellen. Sie bewirbt sich als öffentliche Schreiberin und geht daraufhin einmal in der Woche in ein Wohnheim für Frauen, wo sie amtliche Briefe aufsetzt und den Bewohnerinnen beim Umgang mit Behörden hilft. Dort lernt sie Frauen aus unterschiedlichen Ländern und Schichten kennen, deren persönliche Schicksale sie nach und nach kennen lernt und die sie sehr berühren. Und auch zur Geschichte des Hauses erfährt sie Näheres....
Im Vergangenheitsstrang erfahren wir mehr über das Leben von Blanche Peyron, der Gründerin des Hauses für Frauen in Not. Ihr Lebenslauf ist ungewöhnlich. Sie hat sich schon in jungen Jahren der Heilsarmee verschrieben und kämpft gegen die soziale Ungerechtigkeit. Blanche und ihr Mann gelingt dabei Unglaubliches. Obwohl die Heilsarmee in Frankreich beschimpft und belächelt wurde, bringt sie ein Umdenken zustande und gründet eines der größten europäisches Frauenhäuser.
Laetitia Colombani fand das Lebenswerk von Blanche Peyron, die sich Mitte der 1920iger Jahre für obdachlose Frauen einsetzte, bemerkenswert und hat ihren Roman dieser unglaublichen Frau gewidmet. Jedoch fand ich ihre, bis fast zur Selbstzerstörung betriebene Mission, nicht so heldenhaft, wie es sich die Autorin wohl gewünscht hat. Ich konnte leider zu Blanche kaum eine Bindung herstellen. Colombani erzählt ihre Geschichte eher sachlich, wie einen Lebenslauf . Die löste bei mir kaum Emotionen aus. Unverständlich war mir auch, dass sie sechs Kinder zur Welt gebracht hat, aber ihr Engagement nur der Heilsarmee galt. Im Buch wurden ihre Kinder nicht einmal namentlich erwähnt bzw. zwei oder drei am Ende bei der großen Eröffnungsfeier des Palastes für die Frauen.
Den Gegenwartsstrang fand ich emotionaler. Aber auch hier kamen mir die einzelnen Schicksale der Frauen, die im Frauenhaus näher beleuchtet wurden, zu kurz. Einige davon werden angerissen, aber der eigentliche Charakter vieler Frauen blieb auf der Strecke. Ich litt zwar mit ihnen mit, lernte sie aber nicht wirklich kennen. Solène ist eine typische Frau aus der Oberschicht, die sich keine Gedanken über ihr Einkommen machen muss und hier auf Schicksale trifft, die sie berühren und die ihrem Leben wieder ein bisschen Sinn geben.
Ich bin sehr schnell durch die Geschichte gekommen, aber ob sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen wird? Ich bin mir da nicht so wirklich sicher...obwohl auch "Der Zopf" bei mir erst später so richtig nachhallte, als direkt nach dem Lesen. Trotzdem war ich damals beim Lesen von der Geschichte von Smita vollkommen eingetaucht und fühlte mit ihr mit...das fehlte mir hier eindeutig. Für mich kommt "Das Haus der Frauen" nicht an Laetitia Colombanis Debütroman heran. Schade!
Schreibstil:
Laetitia Colombanis Schreibstil fand ich in diesem Roman etwas nüchterner und war mir diesmal fast zu sachlich. Mir fehlte es an Emotionen und Tiefe. Die oftmals sachliche Beschreibung, vorallem im Vergangenheitsstrang, konnte mich nur mäßig packen. Das ist schade, denn das Plädoyer für Solidarität und mutige Frauen, dem sich die Autorin hier angenommen hat, ist ein wichtiges Thema.
Fazit:
"Das Haus der Frauen" kommt leider nicht an "Der Zopf", den Debütroman der Autorin heran, hat aber einen interessanten Plot. Trotzdem konnte mich die Geschichte von Blanche und Solène nicht richtig abholen. Deswegen vergebe ich diesmal nur 3 Sterne....