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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.03.2020

Eine Hommage an einen unbekannten Großvater

„So ich noch lebe …“
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Wolfgang Paterno erzählt in diesem Buch die Geschichte seines Großvaters Hugo, den er niemals kennengelernt hat, weil er 1944 wegen Wehrkraftzersetzung hingerichtet worden ist.

Huog Paterno ist der Sohn ...

Wolfgang Paterno erzählt in diesem Buch die Geschichte seines Großvaters Hugo, den er niemals kennengelernt hat, weil er 1944 wegen Wehrkraftzersetzung hingerichtet worden ist.

Huog Paterno ist der Sohn einer italienischen Gastarbeiterfamilie, die in Vorarlberg heimisch geworden ist. Er kämpft im Ersten Weltkrieg auf Seiten Österreich-Ungarns. Später wird er Zollwachebeamter. Seine Frau und er haben vier Kinder, er wird von seinen Vorgesetzten als gewissenhaft und als Beamter beschrieben, dem man auch Führungsaufgaben übertragen. Man weiß, dass er tief gäubig ist und macht sich manchmal darüber lustig, dass er auf Dienstfahrten die eine oder andere Kirche oder Kapelle besucht. Es scheint, als ob die Familie den Aufschwung, den Österreich durch den Anschluss an Hitler-Deutschland erlebt, nützen und genießen kann. Paterno erhält eine gute Stelle im Zollwesen.

Doch langsam schleicht sich Misstrauen ein, man sieht den gläubigen Katholiken scheel an und dann bricht die Katastrophe über die Familie herein: Eine unbedachte Äußerung an falscher Stelle und Hugo Paterno wird denunziert. Die Dienstbeschreibungen werden rapide schlechter. Es gibt ein Disziplinarverfahren auf Grund dessen er von Lustenau nach Innsbruck strafversetzt wird. Wenig später wird er inhaftiert. Der Prozess ist natürlich eine Farce, Entlastungszeugen nicht zugelassen. Alle Versuche eine Exekution zu verhindern, schlagen fehl. Hugo Paterno wird in München-Stadelheim von Staats wegen ermordet. Dass er nicht der einzige ist, ist für die Familie kein Trost. Sie müssen die scheelen Blicke und Anfeindungen der Bewohner Lustenaus ertragen. Nicht einmal das einfache Holzkreuz auf dem leeren Grab (die kopflose Leiche wird der Anatomie zur Verfügung gestellt), gönnt man der Witwe.

Meine Meinung:

Wolfgang Paterno hat sich akribisch auf Spurensuche nach seinem Großvater begeben. Er hat jahrelang Archive durchforstet, Briefe und Akten zusammengetragen und versucht mit den Nachfahren der Denunzianten Kontakt aufzunehmen. Die haben natürlich die sprichwörtliche Türe vor der Nase zugeschlagen. Warum? Weil sie sich genieren?
Die Frage des „WARUM?“ hat mich durch das ganze Buch begleitet. Warum denunziert man Mitmenschen? Einfach so? Aus Jux und Tollerei? Weil man sich eine Vergünstigung erhofft oder einfach weil man es kann? Zuerst habe ich gedacht, der Untergebene, war auf Hugo Paternos Position als Zollamtsleiter scharf. Doch das scheint nicht die Motivation gewesen zu sein. Ich vermute, dass das Motiv reine Bosheit war, denn persönliche Vorteile hatte, soweit ich das überblicken kann, niemand von den Denunzianten.

Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Es ist unheimlich wichtig, dass solche Bücher geschrieben und vor allem gelesen werden.

Der Autor hat einen angenehmen Schreibstil. Die Leser merken, wie viel Herzblut er in diese Spurensuche gesteckt hat. Zahlreiche private Fotos, Auszüge aus Briefen und Gerichtsakten machen diese Biografie zu etwas Besonderem. Nicht, dass das jemand selbst erleben will. Die Lebensgeschichte des Hugo Paterno nimmt einen mit.

Die Frage, ob so etwas wieder passieren kann, muss eindeutig mit JA beantwortet werden. Zwar wird man heutzutage nicht mehr enthauptet, aber Denunziation und Rufmord sind ein beliebtes Mittel jener, die durch eigene Leistung nicht so recht weiterkommen und anderen ihr Leben neiden.

Fazit:

Ein Buch, das berührt und zum Nachdenken anregt. gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 11.03.2020

Fesselnde Reise in eine unbekannte Welt

Die Bücherschmuggler von Timbuktu
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Dieses Sachbuch liest sich wie ein Roman. In zwei Handlungssträngen erzählt der Journalist Charlie English die Geschichte von der Entdeckung der sagenumwobenen Stadt Timbuktu in Westafrika (im heutige ...

Dieses Sachbuch liest sich wie ein Roman. In zwei Handlungssträngen erzählt der Journalist Charlie English die Geschichte von der Entdeckung der sagenumwobenen Stadt Timbuktu in Westafrika (im heutige Mali) bis hin zur Rettung von unschätzbarem Kulturgut vor dem zerstörerischen Furor des Islamischen Staates im Jahr 2012.

Man schreibt das Jahr 1826 und der Schotte Alexander Gordon Lainig erreicht als erster Europäer nachweislich Timbuktu. Da er wenig später ermordet wird, sind seine Aufzeichnungen verschollen. Der nächste Forscher hat ein wenig mehr Glück, allerdings scheinen seine Berichte nicht dem erhofften „El Dorado“ zu entsprechen, denn der Reichtum der Stadt besteht vor allem aus Schriftrollen und Pergamenten. Kurze Zeit später wird Timbuktu und das Land ringsherum zum Spielball der Kolonialmächte England und Frankreich.

Im Jahr 2012 erfährt Charlie English, Redakteur der britischen Zeitung „Guardian“, dass Timbuktu von den Horden des Islamischen Staates eingenommen worden ist, und der Bestand der wertvollen Bibliotheken ist in akuter Gefahr vernichtet zu werden. Beinahe gleichzeitig hört er, dass beherzte Bibliothekare Teile der einzigartigen Sammlungen und wertvollen Manuskripte mit List und unter Todesgefahr gerettet haben.

Meine Meinung:

Das Buch liest sich spannender als so mancher Krimi. Dennoch ist eine gewisse Aufmerksamkeit erforderlich. Die vielen arabisch-afrikanischen Namen bedürfen eines genauen Lesens. In drei Teilen, die in mehrere Kapitel unterteilt sind, erzählt der Autor von den Anfängen der Afrikaforscher bis hin zur Mythenbildung im Jahre 2015.

Der Schreibstil ist zwar sachlich, anschaulich und dennoch mitreißend. Man kann förmlich den Saharasand unter den Füßen knirschen spüren und das Geschrei der Angreifer hören.

Schon der Titel und das Cover machen neugierig. Die Fotos, Skizzen und Landkarten des antiken bzw. neuzeitlichen Timbuktu bereichern das Buch ungemein. Ich habe zwar nur die eBook-Version gelesen. Doch auch hier sind die Kostbarkeiten, die Manuskripte sichtbar.

In Anhang gibt es ausführliche Anmerkungen und zahlreiche Quellenangaben, die interessierte Leser tiefer in die geheimnisvolle Stadt eintauchen lassen.

Fazit:

Ein penibel recherchierte Geschichte, die bestens informiert und fesselnd geschrieben ist. Gerne gebe ich hierfür 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 08.03.2020

EIne Hommag an Entdecker und Kartografen

Der goldene Atlas
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Mit seinem zweiten Buch, dem "Goldenen Atlas" begibt sich der britische Dokumentarfilmer und Autor Edward Brooke-Hitching gemeinsam mit seinen Lesern auf eine gefahrvolle Reise. Wir reisen auf den Spuren ...

Mit seinem zweiten Buch, dem "Goldenen Atlas" begibt sich der britische Dokumentarfilmer und Autor Edward Brooke-Hitching gemeinsam mit seinen Lesern auf eine gefahrvolle Reise. Wir reisen auf den Spuren der großen Seefahrer und Entdecker.

An Hand von 39 Entdeckungsreisen beschreibt der Autor, den man wohl als Kartenfreak bezeichnen muss, wie sich das Wissen um die Erdgestalt im Laufe der Jahrhunderte verändert hat. Das Buch umfasst eine Zeitspanne knapp 4.000 Jahren, beginnend ca. um 2.250 v. Chr. bis zum Jahre 1917.

Neben Abbildungen von traumhaften Karten und dem notwendigem Instrumentarium für die Reisen, erfreut uns der Autor auch mit der Schilderung von Anekdoten, die u.a. auch von Messfehlern berichten. Nicht alle Entdecker haben so ausführliche Reiseberichte wie Alexander von Humboldt hinterlassen, die selbständig gelesen werden können.

Wir lesen von Triumph und Tragödien, von verschollenen Expeditionen und erfolgreichen Rückkehrern.

Im Zeitalter von Satellitengeodäsie und Google ist es kaum vorstellbar, mit welchem Aufwand und Einsatz früher Kartographie betrieben wurde.

Keine Epoche komm zu kurz, auch wenn über die antiken Entdecker wenig bekannt ist. Der Autor gibt Antwort auf drängende Fragen, wie doch die fremden Welten entdeckt worden sind.

Wer das erste Buch („Atlas der erfundenen Orte“) des Autors kennt, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Es ist ein eindrucksvolles Werk über die Geschichte der Entdecker und der Kartographen.

Die Aufmachung, gebunden und mit einem wunderschönen Schutzumschlag versehen, kann sich sehen lassen. Das Buch lässt das Herz historisch Interessierter höher schlagen. Es besticht nicht nur durch die Haptik sondern auch durch die detailreiche Fülle an Information. Trotzdem ist es auch für den interessierten Laien gut lesbar. Dieses Schmuckstück hat sich einen besonderen Platz in den Bibliotheken der Leser verdient.

Fazit:

Dieser Atlas bringt seinen Lesern nicht nur wunderschöne Landkarten nahe, sondern ist eine Hommage an die vielen Seefahrer und Entdecker, die oftmals ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben. Gerne gebe ich sowohl 5 Sterne als auch eine unbedingte Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 07.03.2020

Fesselnde Fortsetzung

Grado im Mondschein
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Nun ist er da, der große Tag für Maddalena Degrassis Mutter Sibilla: Sie heiratet Commandante Scaramuzza, den Vorgesetzten ihrer Tochter, auf dem malerischen Schloss Strassoldo. Die Vorbereitungen laufen ...

Nun ist er da, der große Tag für Maddalena Degrassis Mutter Sibilla: Sie heiratet Commandante Scaramuzza, den Vorgesetzten ihrer Tochter, auf dem malerischen Schloss Strassoldo. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren und Maddalena wird auch dazu abkommandiert. Alles sind höchst aufgeregt, nur die Commissaria nicht, oder vielmehr, ist sie angespannt. Denn ihr Verhältnis zu ihrem Vorgesetzten ist mehr als unterkühlt. Soll sie jetzt „Papà“ zu ihm sagen?

Neben der Hochzeit gibt es einen zweiten Handlungsstrang, der sich zwar auch mit der Verwirklichung eines Planes beschäftigt, doch der hat mit einem Rausch von rosa Tüll wenig zu tun...

Meine Meinung:

Dieser nunmehr 5. Fall für Commissaria Maddalena Degrassi hat es in sich. Bereits von der ersten Seite an ist die Spannung kaum auszuhalten. Die Leser werden vom Sog der Ereignisse förmlich mitgerissen.

Eigentlich soll der gewöhnliche Arbeitsalltag für die Mitarbeiter Scaramuzzas mit langwierigen Ermittlungen aus dem letzte Fall weitergehen. Doch irgendwie sind alle mit seiner Hochzeit beschäftigt. Sei es, darum eine passende Begleitung zu finden oder - wie eben bei Maddalena - aktiv bei den Vorbereitungen zu helfen.

Geschickt lässt Andrea Nagele ihre Leser zwischen dem Hochzeitswahnsinn und der Planung eines Verbrechens hin und her wechseln. Damit steigert sie die Spannung ins schier unerträgliche, bis sie sich in der Katastrophe entlädt.

Es ist kaum zu glauben, dass es der Autorin gelingt, den jeweiligen Vorgänger noch zu übertreffen. Doch auch diesmal vollbringt sie die Kunststück.

Mehrere Perspektivenwechsel lassen die Leser hautnah am Geschehen sein und bieten die Möglichkeit in die Haut des Täters zu schlüpfen.

Die Charaktere sind wieder bestens angelegt. Sie haben Ecken und Kanten. Maddalena schwankt zwischen den Gefühlen. Soll sie Franjo heiraten? Den Job aufgeben und zu ihm in den Karst ziehen? Was erwartet sie dort? Die Schwiegermutter, mit sie vermutlich nicht zurecht kommen wird? Oder doch als Commissaria in Grado bleiben? Unter ihrem „Stiefvater“ Commandante Scaramuzza weiterarbeiten als ob nichts wäre? Keine der Optionen scheint der Weisheit letzter Schluss zu sein.
Schön ist zu sehen, dass sich die anderen Charaktere langsam weiterentwickeln.

Es ist zwar möglich, direkt mit diesem Band in die Reihe einzusteigen. Allerdings empfehle ich, mit dem ersten Band zu beginnen, andernfalls bringt man sich um einen spannenden Lesegenuss.


Fazit:

Andrea Nagele ist wieder eine grandioser Krimi gelungen, der bis zur letzten Seite fesselnd. Gerne gebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 04.03.2020

Fesselnd bis zur letzten Seite

Die Präparatorin
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Felicitas Booth ist wie ihr Vater, der vor vielen Jahren ermordet worden ist, Tierpräparatorin. Sie lebt ein etwas verschroben wirkendes Leben, hat weder eine Beziehung noch viele Freunde und auch das ...

Felicitas Booth ist wie ihr Vater, der vor vielen Jahren ermordet worden ist, Tierpräparatorin. Sie lebt ein etwas verschroben wirkendes Leben, hat weder eine Beziehung noch viele Freunde und auch das Verhältnis zu ihrer Mutter ist mehr als unterkühlt. Als die dann gleich zu Beginn der Buches stirbt und sich Felicitas mit ihrem Nachlass beschäftigt, geschehen einige unheimliche Dinge: Es wird mehrmals eingebrochen, jedoch nichts entwendet. Den schleimigen Bestatter, der sie zu Hause aufsucht und ihr aufgeregt etwas mitzuteilen versucht, findet sie wenig später ermordet in seinem Institut. Hängen diese unheimlichen Dinge alle mit der Afrikareise ihres Vaters zusammen?

Dann gibt es noch neuen Mieter Thorsten, der sich nett um die verwirrte Frau kümmert. Doch ob hier der Schein trügt oder ob hier endlich ein patenter Mann in ihr Leben tritt, lest bitte selbst ...

Meine Meinung:

Andreas Wagner ist hier ein höchst spannender Krimi gelungen, der die Leser schon von der ersten Seite an fesselt. Hat das Kind seinen Vater ermordet? Oder was hat es damit auf sich? Da wir es nicht mir Stephen King zu tun haben, der jedes Tabu bricht, wird diese Anfangsszene im Laufe der Zeit ordentlich aufgelöst und die schlechte Beziehung Felicitas‘ zu ihrer Mutter hinreichend erklärt.

Der Autor webt ein Netz leicht gruseliger Ereignisse, deren Spannung man sich nur schwer entziehen kann. Es ist kaum möglich, das Buch aus der Hand zu legen.

Sehr gut hat mir das minimalistische Cover gefallen, das wohltuend unter den vielen Krimis hervorsticht. Auf die Rolle des abgebildeten Käfers wird der Leser neugierig gemacht.

Die Charaktere sind gut gelungen. Die traumatisierte Felictas, die von ihrer Mutter abgelehnt wird und wie eine Schlafwandlerin durch das Leben taumelt. Nur in der Werkstatt ihres Vaters scheint sie sich wohl zu fühlen. Sie führt dessen Lebenswerk fort. Völlig unaufgeregt erfährt der Leser wie Tiere präpariert werden. Der interessierte Laie, der diesen Krimi gelesen hat, wird nun nicht mehr von „ausgestopften Tieren“ reden.

Der Ausflug in Welt der Großwildjäger ist für viele neu, abstoßend und unverständlich. Einfach Tiere um ihrer Trophäen willen und der Lust am Töten schießen? Das ist nichts für mich. Doch bei näherer Betrachtung sind die Tier nur Mittel zum Zweck.

Geschickt lässt der Autor, durch gezielt platzierte Rückblicke, die Ereignisse der Vergangenheit Revue passieren. Manchmal ist nicht klar, wann und wie der Albtraum enden wird.

Fazit:

Ein fesselnder Krimi, der uns in die unbekannte Welt einer Tierpräparatorin führt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.