Mit Reckless – Lebendige Schatten ist Cornelia Funke eine sehr gute Fortsetzung gelungen, die weniger düster ist und sich somit deutlich von ihrem Vorgänger unterscheidet. Anders bedeutet in diesem Fall allerdings nicht etwa schlechter, sodass denjenigen, die Reckless –Steinernes Fleisch mochten, auch der zweite Band gefallen wird.
Da Will von seinem Bruder gerettet wurde und wieder sicher in seiner Welt lebt, dreht sich im zweiten Teil alles nur noch um Jacob Reckless und seinen Kampf ums Überleben. Wer sich im Vorfeld ein wenig über die Serie informiert hat und weiß, dass sie, nach der bisherigen Planung, fünf Bände umfassen soll, dem ist von Anfang an natürlich klar, dass Jacob nicht sterben wird. Das mindert die Spannung allerdings nicht, denn wie das Sprichwort so schön sagt, ist auch hier der Weg das Ziel. Die Frage nach dem ‚Wie’ – Jacob sein Leben retten kann – ist also viel bedeutender als die Frage nach dem ‚Ob’.
Nach drei gescheiterten Versuchen ist die sagenumwobene Armbrust Jacobs letzte Chance älter als fünfundzwanzig zu werden. Niemand kann mit Sicherheit sagen, ob die Geschichte mit dem Schuss, der das Leben anstelle des Todes bringt, überhaupt stimmt, aber was hat er schon zu verlieren?
Die Suche ist jedoch alles andere als einfach. Die Armbrust ist besonders gut versteckt, immerhin handelt es sich um die gefährlichste Waffe in der Spiegelwelt, und Jacob rennt die Zeit davon. Als wäre das nicht schon genug muss Jacob außerdem schon bald feststellen, dass noch jemand anderes hinter der Armbrust her ist und dieser jemand versteht sein Handwerk genauso gut wie Jacob.
Celeste, besser bekannt als Fuchs, ist dabei – wie immer – an Jacobs Seite. Seitdem er ihr endlich gebeichtet hat wie hoch der Preis für das Leben seines Bruders tatsächlich gewesen ist, weicht sie nicht mehr von seiner Seite. Sie liebt ihn mehr als alles andere, mehr sogar noch als ihr geliebtes Fellkleid, und will sein Leben unbedingt retten, koste es, was es wolle. Obwohl er ihre Gefühle bislang nicht erwidert hat, kann sie sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen.
Auch Jacob erkennt im zweiten Teil endlich, wie viel Fuchs im eigentlich wirklich bedeutet und beginnt schließlich die Frau in ihr zu sehen, die sie geworden ist. Seit vielen Jahren ist sie seine ständige Begleiterin, doch erst jetzt wird ihm bewusst, dass er viel mehr für sie empfindet als er sich bisher eingestanden hat. Er bemerkt, wie andere Männer seine Füchsin ansehen und ertappt sich sogar dabei eifersüchtig zu sein. Von einer Liebesgeschichte kann man, zumindest in diesem Teil, aber leider noch nicht sprechen, denn Fuchs und Jacob sind viel zu sehr mit der Armbrust und den Steinen, die ihnen auf der Suche danach in den Weg gelegt werden, beschäftigt um sich richtig näher zu kommen oder einander ihre gegenseitigen Gefühle zu gestehen. Hoffentlich ändert sich das dann im nächsten Band.
Die Suche selbst hat Cornelia Funke ziemlich spannend gestaltet, denn um die Armbrust zu finden muss man erst einmal drei andere Sachen finden, die natürlich nicht weniger gut versteckt sind, und mit einer vierten vereinen. Das wissen sowohl Jacob und Fuchs als auch ihre wesentlich besser ausgerüsteten Konkurrenten. Doch immer wenn die Beiden ihrem Ziel einen Schritt näher kommen, werden sie durch ein neues Problem zurückgeworfen.
Durch die häufig wechselnden Perspektiven kann man nicht nur Fuchs und Jacob, sondern ferner ihre Gegner auf der Jagd nach der Armbrust begleiten. So lernt man ihre zum Teil sehr interessanten Gegenspieler besser kennen und weiß zudem über deren Pläne Bescheid. Der Wissensvorsprung ist selbstverständlich begrenzt, sodass man trotzdem mehr als einmal von der Handlung oder ihren Wendungen überrascht wird.
Die vielen kurzen Kapitel tragen genauso zum Spannungsaufbau bei wie die verschiedenen Blickwinkel und sorgen häufig dafür, dass man viel mehr liest als geplant und das Buch kaum aus der Hand legt.
Auch im zweiten Band der Serie gibt es wieder zahlreiche Märchenelemente, teils bekannt, teils jedoch sicher noch unbekannt. Manche Märchen, z.B. das französische Märchen ‚Der Blaubart’, sind direkt in die Handlung eingebunden und spielen eine zentrale Rolle, andere werden nur nebenbei erwähnt. Auf jeden Fall lernt man so immer wieder neue interessante Märchen kennen.
Das Ende ist der Autorin ebenfalls seht gut gelungen und macht Lust auf den nächsten Teil. Einerseits ist die Handlung des zweiten Bandes relativ in sich abgeschlossen, andererseits werden ein paar Andeutungen zum möglichen Inhalt der Fortsetzung gemacht, die schon jetzt die Neugier des Lesers wecken. Vor allem eine bestimmte Figur, die Jacob sehr geholfen hat, aber trotzdem äußerst geheimnisvoll blieb, könnte im nächsten Buch vielleicht eine entscheidende Rolle spielen.
FAZIT
Reckless – Lebendige Schatten ist ein toller zweiter Teil und somit ein würdiger Nachfolger von Reckless –Steinernes Fleisch. Er ist weniger düster, etwas spannender und verspricht vor allem einen noch besseren dritten Band. Jacobs Bruder Will taucht so gut wie nie auf, dafür rückt nun die sympathische Fuchs umso mehr in den Vordergrund und was sich in diesem Buch zwischen Jacob und ihr angebahnt hat, wird im nächsten hoffentlich endlich Wirklichkeit.