Beührend, authentisch, ernst und urkomisch zugleich - ein tolles Buch!
Jugendbücher, die sich mit ernsten Themen befassen wie psychische Erkrankungen fallen absolut in mein Beuteschema. Ich war daher sofort Feuer und Flamme, als ich das erste Mal von „Wörter an den Wänden“ ...
Jugendbücher, die sich mit ernsten Themen befassen wie psychische Erkrankungen fallen absolut in mein Beuteschema. Ich war daher sofort Feuer und Flamme, als ich das erste Mal von „Wörter an den Wänden“ hörte. Der unheimlich interessant klingende Klappentext überzeugte mich auf Anhieb und das originelle Cover konnte meine Neugierde ebenfalls umgehend wecken. Für mich stand daher sehr schnell fest: Den Jungen Adam möchte ich unbedingt kennenlernen! Ich ließ das Buch daher nur zu gerne bei mir einziehen.
Was ist Wirklichkeit und was ist Einbildung? Eigentlich ganz leicht voneinander zu trennen, sollte man meinen. Wenn man aber, wie der 16-jährige Adam, Dinge sieht, die gar nicht wirklich existieren, ist es eine schier nicht zu bewältigende Aufgabe. Adam leidet an Schizophrenie, er sieht Menschen, die nur er sehen kann. Rebecca zum Beispiel, eine wunderhübsche junge Frau, oder einen herrischen Mafiaboss. Ein neues Medikament aber gibt Adam Hoffnung. Er nimmt an einem Experiment teil, bei welchem diese neuen Wunderpillen getestet werden sollen. Anfangs wirken sie noch sehr gut und die nur für ihn realen Gestalten begleiten ihn immer weniger durch seinen Alltag. Adam wagt immer mehr zu hoffen. Als er sich an seiner neuen Schule in die hochintelligente Maya verliebt, möchte er unbedingt der sein, die sie in ihm sieht. Ihr von seiner Krankheit zu erzählen, traut sich Adam aber nicht. Als das Medikament jedoch abgesetzt werden muss und die Einbildungen wieder deutlich zunehmen, wird es für Adam immer schwieriger, sein Geheimnis zu wahren.
Bewegend, schockierend, warmherzig, humorvoll, urkomisch, brillant – mit diesen Wörtern lässt sich Adams Geschichte meiner Meinung nach hervorragend beschreiben. Mir hat das Buch genau das beschert, was ich mir erhofft habe: Ein Leseerlebnis, welches mich die auf die reinste emotionale Achterbahnfahrt der Gefühle mitgenommen hat. Ich habe eine herrliche Zeit mit „Wörter an den Wänden“ verbracht. Obwohl ich die Handlung als eher ruhig bezeichnen würde, war ich ohne Ende am Mitfiebern und wollte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen, da ich so gefesselt von Adams Erzählungen war. Ich habe öfters unendlich mit unserem Protagonisten mitgelitten, weil ihn seine Schizophrenie das Leben so schwer macht. Zugleich bin ich aber auch aus dem Schmunzeln und Grinsen gar nicht mehr herausgekommen und habe Adams ironische und unnachahmliche Art beim Lesen richtig gefeiert. „Wörter an den Wänden“ ist einfach genau so ein Buch, wie ich es liebe: Es befasst sich auf eine einfühlsame, authentische und total witzige Weise mit einem ernsten und ungemein wichtigen Thema.
Erfahren tun wir alles aus der Sicht des 16-jährigen Adam in der Ich-Perspektive. Wie uns Adam seine Geschichte erzählt, hat mir vom ersten Moment an unglaublich gut gefallen. Das Buch erinnert an ein Tagebuch, da unser Protagonist seine Erlebnisse für seinen Therapeuten aufschreibt. Super fand ich, dass Adam seinen Therapeuten sehr oft mit „Sie“ anspricht. Das Buch liest sich dadurch etwas ungewohnt, aber auch so wunderbar erfrischend anders.
Auch sonst kann ich euch von der Erzählweise nur was vorschwärmen. Für mich hat sich das Buch fantastisch lesen lassen. Der jugendliche Ton konnte vollends bei mir punkten und der locker-leichte, mitreißende Schreibstil führte dazu, dass ich nur so durch die Seiten geflogen bin. Hinzu kamen dann noch die Kapitel, die so schön kurz sind. Bei den Kapiteln erwartet uns übrigens eine weitere originelle Idee: Jeder Kapitelanfang klärt uns darüber auf, welches Datum wir in der Geschichte gerade schreiben, wie hoch Adams Medikamentendosierung aktuell ist und in welchem Gesundheitszustand er sich momentan befindet. Man kann dank diesen Vermerken Adams Entwicklung nur noch besser mitverfolgen, was ich große Klasse fand.
Mein Highlight in dem Buch war ganz klar Adam. Adam ist einfach nur genial und einzigartig. Ich habe ihn so dafür bewundert, dass er mit seiner Schizophrenie so prima umgehen und in seinen Berichten mit so viel Humor und Ironie davon erzählen kann. Wobei es natürlich auch sehr viele Momente in seinem Leben gibt, in welchem es ihm ganz und gar nicht gut geht und ihm seine „unsichtbaren Freunde“ an den Rande des Wahnsinns und der Verzweiflung treiben. Wie oben bereits erwähnt: Ich habe stellenweise so entsetzlich mit Adam mitgelitten. Schizophrenie ist eine so schlimme psychische Erkrankung. Mit hat dieses Buch nur deutlich vor Augen geführt, wie glücklich man sich schätzen kann, wenn man nicht an Schizophrenie leidet. Ich stelle mir das so furchtbar und wahnsinnig kräfteraubend vor, wenn man nicht weiß, ob das, was man sieht, nun real ist oder Einbildung. Und dann noch der Punkt, was andere von einem deswegen denken. Natürlich fällt man auf, wenn mit seinen Halluzinationen spricht oder auf Dinge reagiert, die gar nicht wirklich da sind. Man wird gemieden, ausgegrenzt und von vielen als total gestört und verrückt, sogar als gefährlich angesehen. Ich bin überhaupt keine Expertin auf dem Gebiet, aber in meinen Augen hat Julia Walton Schizophrenie ausgezeichnet und vollkommen realistisch und glaubhaft dargestellt.
Mir sind beim Lesen so einige Szenen richtig unter die Haut gegangen, aber wie oben bereits erwähnt: Das Buch zaubert einem zugleich auch immerzu ein fettes Grinsen auf die Lippen. Nehmen wir als Beispiel Adams „unsichtbare Freunde“. Von denen er übrigens so einige hat. Ich werde da jetzt nicht ins Detail gehen, da ich nicht zu viel verraten möchte, aber so viel: Ein paar von Adams Einbildungen sind schon irgendwie ziemlich ulkig.
Julia Walton diese Gratwanderung zwischen Ernst und Humor meiner Ansicht einfach nur perfekt gelungen. Was ihr ebenfalls grandios geglückt ist, ist die Themenmischung. Natürlich steht Adams Schizophrenie sehr im Vordergrund der Handlung, aber es geht auch noch um andere wichtige Dinge wie Liebe, Freundschaft, Familie, Schule und Religion.
Mit den Charakteren konnte mich die Autorin ebenfalls komplett überzeugen. Neben Adam dürfen wir im Verlaufe des Buches die Bekanntschaft mit vielen wundervollen und fabelhaft ausgearbeiteten Figuren machen. Die schräge Maya, in die sich Adam verlieben wird und die schon echt eine Nummer für sich ist, Adams Mum, die eine so tolle Frau ist und sein Stiefvater, der ebenfalls ein prima und herzensguter Kerl ist. Diese und all die weiteren Charaktere, egal ob liebenswert oder unsympathisch, tragen dazu bei, dass man eine unvergessliche Lesezeit mit dem Buch verbringt.
Fazit: Ein großartiges Buch, welches einen einfach nicht mehr loslässt! Julia Walton ist mit „Wörter an den Wänden“ ein wunderbarer Jugendroman gelungen, welcher auf eine geistreiche, berührende, authentische, ernsthafte und urkomische Weise die schlimme Erkrankung Schizophrenie behandelt. Mitleid, Hoffnung, Wut, Trauer, Freude – all dies und noch so manches mehr empfindet man bei diesem Buch während des Lesens. Was bin ich froh, dass ich auf „Wörter an den Wänden“ gestoßen bin und den einmaligen Adam kennenlernen durfte. Ich habe wunderschöne Lesestunden mit dem Buch verbracht und kann es jedem wärmstens ans Herz legen. Von mir gibt es volle 5 von 5 Sternen!