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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.09.2017

Absolute Spitzenklasse!

Flamingo
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Dieser Roman ist ein weiterer der insgesamt zwanzig Dave-Robicheaux-Romane des Bestsellerautors. Auch diese Übersetzung ist bei Pendragon erschienen, wo bereits mehrere in deutscher Übersetzung erschienen ...

Dieser Roman ist ein weiterer der insgesamt zwanzig Dave-Robicheaux-Romane des Bestsellerautors. Auch diese Übersetzung ist bei Pendragon erschienen, wo bereits mehrere in deutscher Übersetzung erschienen sind. Mit ihm geht es in den tiefsten Sumpf der Verbrechen in Louisiana. Tiefer als die Sümpfe in dem Land selbst.

Dave hat mit seinem Kollegen eigentlich einen einfachen Auftrag zu erledigen. Zwei Gefangene sollen nach der Verurteilung zum Tode in ein anderes Staatsgefängnis überführt werden. Aufgehalten wird er dabei von der Großmutter des einen Verurteilten. Sie versucht Dave davon überzeugen, dass ihr Enkel nichts mit dem Mord zu tun hat, für den er bestraft wurde. Dave, der Tante Lemon, wie sie genannt wird, persönlich schon sehr lange kennt, fällt diese Situation schwer, schließlich tut er nur seine Pflicht. Der zweite Verbrecher ist ein hartgesottener Killer, bei dem es keinen Zweifel gibt, dass er zu Recht verurteilt wurde. Zu diesem Zeitpunkt ahnt Dave noch nicht, dass er die beiden Verurteilten zu einem späteren Zeitpunkt in gänzlich anderer Situation wieder treffen wird.

Lange Jahre wurde der Kriminalroman an sich in Deutschland als billig abgetan. Maximal gut für Groschenhefte. James Lee Burke beweist, dass dem nicht so ist. Seine Krimis bewegen sich literarisch auf sehr hohem Niveau. Seine Bilder zeichnen ein Setting, eine Location, eine Figur mit solcher Detailtreue, dass man als Leser meint, mittendrin zu sein. Reichlich Lokalkolorit aus Louisiana inklusive. Man spaziert in den Straßen New Orleans und atmet den abgestandenen Kneipengeruch der Bars. Sein Protagonist wird in diesen Roman so tief in die Verbrechen hineingezogen, dass er selbst nicht zu wissen scheint, ob er auf der guten oder böse Seite steht. Und er bekommt die Gewalt sehr körperlich zu spüren. Zudem erfährt der Leser lang zurückliegende Ereignisse. Er ist Veteran des Vietnamkrieges und seine Alpträume scheinen zurückzukehren. Diese Szenen erinnerten mich stark an PI Magnum auf Hawaii. Fantastisch herausgearbeitete Charaktere nicht nur der Ermittler, sondern auch der der Verbrecher machen diesen Roman lesenswert. Und James Lee Burke schafft eine Authentizität, dass man geneigt ist zu glauben, er hätte alles selbst erlebt. Und wenn nicht, dann hat er verdammt viel Erfahrung dem von ihm beschriebenen Millieus.

Absolute Spitzenklasse!


© Detlef Knut, Düsseldorf 2017

Veröffentlicht am 03.06.2017

historische Fakten mit einer fiktiven, sehr unterhaltsamen Handlung

Die fremde Königin
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Dieser Roman ist der Folgetitel von "Das Haupt der Welt", der im Mittelalter Deutschlands spielt und nichts mit den Waringham-Romanen zu tun hat. Die Autorin beweist wieder einmal ihren Einfallsreichtum ...

Dieser Roman ist der Folgetitel von "Das Haupt der Welt", der im Mittelalter Deutschlands spielt und nichts mit den Waringham-Romanen zu tun hat. Die Autorin beweist wieder einmal ihren Einfallsreichtum bei der Ausschmückung der historischen Fakten mit einer fiktiven, sehr unterhaltsamen Handlung.

Es geht um König Otto im 10. Jahrhundert. Insofern schließt der Roman an seinem Vorgänger an. Die italienische Königin Adelheid, die nach dem Tod ihres Mannes zusammen mit ihrer Tochter festgesetzt worden war, um die Herrschaft über ihr Reich zu ergaunern, wird von einem Mann König Ottos befreit. Der zuverlässige Panzerreiter Gaidemar wurde von Ottos Sohn Wilhelm für diese Aufgabe vorgeschlagen. Das ist Otto recht, denn sollte der Plan schief gehen, dann verliert er nur einen unbedeutenden Neffen. Sollte die Befreiung aber glücken, dann kann er seine eigenen Pläne umsetzen und durch die Hochzeit mit Adelheid die Macht über das Königreich Italien erlangen. Dieser Plan geht dank Gaidemar auf. Da er aber ein ungeliebter Bastard ist, wird ihm seitens Otto kein großes Lob zuteil. Doch es wächst eine Freundschaft zwischen Adelheid und Gaidemar als auch zwischen ihm und Wilhelm heran.

Mit viel Detailtreue versieht Gablé die einzelnen Szenen in der über mehrere Jahre laufenden Handlung. Ihre bildreiche Sprache, die passenden Vergleiche und Metaphern lassen ein tiefes Eintauchen in die Zeit am Hofe König Ottos zu. Besonders hervorheben möchte ich das Kapitel mit der Schlacht gegen die Ungarn im Lechfeld. Dies wird von ihr Freud und Leid ganz nah aneinander erzählt und seitenlang überzog eine Gänsehaut meine Arme.

Dieser Roman erhält die volle Punktzahl und sollte spätestens zu Weihnachten in jedem Bücherregal stehen. Schließlich bietet er deutsche Historie mit einer spannenden Story.

Veröffentlicht am 31.12.2016

Die Inszenierung der Lesung bietet weitaus mehr als nur einen vorgelesenen Roman

Hiobs Brüder
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Erneut stellt die Autorin Rebecca Gablé, die sich nach ihren ersten Krimis nun schon viele Jahre als Schriftstellerin von historischen Romanen einen Namen gemacht hat, unter Beweis, wie gekonnt sie die ...

Erneut stellt die Autorin Rebecca Gablé, die sich nach ihren ersten Krimis nun schon viele Jahre als Schriftstellerin von historischen Romanen einen Namen gemacht hat, unter Beweis, wie gekonnt sie die historisch belegten Wahrheiten mit einer fiktiven Handlung verbinden kann. Gleichzeitig mit dem Roman erschien bei Lübbe Audio das inszenierte Hörbuch, welches als Grundlage dieser Rezension zur Verfügung stand.

Die Handlung beginnt im England des Jahres 1147 auf einer kleinen Insel vor der Küste Yorkshires. Hierher werden Menschen verbannt und verbracht, von denen man an anderer Stelle nichts mehr sehen und hören will. Dazu gehören nicht nur Krüppel und Aussätzige, sondern auch Mörder und Menschen, die so manchem Machthaber im Wege stehen. Einer der Protagonisten ist Losian, der auf der Insel so genannt wird, weil er nicht mehr weiß, wer er ist. Er sowie Edmund, der sich für einen Märtyrerkönig hält, Regy, ein hinterhältiger Mörder, Godric und Wulfric , siamesische Zwillinge, und schließlich Oswald, die wohl wegen ihrer geistigen Zurückgebliebenheit liebenswerteste Person dieses Buches, nehmen den jungen Simon de Clare, der wegen seiner Fallsucht (Epilepsie) verstoßen wurde, in die Gemeinschaft der verfallenen Inselfestung auf. Ein mächtiges Unwetter, welches über die Insel hinwegfegt, öffnet der verstoßenen Gemeinschaft unverhofft einen Weg in die Freiheit, den die Männer nicht ungenutzt lassen. So kehren sie in einer waghalsigen Flucht auf das Festland zurück und begeben sich auf die Wanderschaft. Ein nahezu unendliches Abenteuer in einer sehr kriegerischen Zeit Englands beginnt und Losian, der von allen als Anführer akzeptiert wird, beschleicht das Gefühl, Schuld am Krieg um die Königskrone zu sein. Doch auf der Suche nach Losians Herkunft, denn nur seine wahre Identität kann ihm Aufklärung darüber geben, ob er tatsächlich schuldig ist, treffen die Gesellen nicht nur auf feindselige Raufbolde und machthungrige Ritter, sondern sie machen auch die Bekanntschaft eines Henry Plantagenet. Dieser Henry ist kein Geringerer als der Sohn der Kaiserin Maud, die eigentlich anstelle des Königs Stephen de Blois auf dem englischen Thron sitzen sollte.

Die fiktive Handlung um Losian und seiner Freunde wurde äußerst geschickt in die Ereignisse um den Machtkampf zwischen dem späteren Heinrich II. und seinem Widersacher Stephen de Blois gesponnen. Die Autorin schafft es auf diese Weise, dem Leser bzw. Hörer die historischen Ereignisse in fast spielerischer Weise nahe zu bringen, ohne dass dieser das Gefühl hat, ein Lehrer mit erhobenen Zeigefinger würde vor ihm stehen. Anhand dieses Buches bzw. Hörbuches macht das Eintauchen in die Geschichte Englands besonders viel Spaß. Die Beschreibung winziger Details ist so vollkommen, dass man glauben könnte, die Autorin hätte mit einer Kamera im mittelalterlichen England gestanden und alles festgehalten. Selbst die Zweikämpfe und Schlachten, die genau wie die Liebe und Zweisamkeit unweigerlich zu einem Abenteuerroman gehören, sind wegen ihrer unnachahmlichen Darstellung fest im Gedächtnis eingebrannt. In Sachen Liebe wird nicht nur die zwischen Mann und Frau zum Thema, sondern einnehmend ist immer wieder die Fürsorge der Schicksalsgesellen untereinander, die wirklich aus tiefem Herzen zu kommen scheint.

Da sich die Handlung über fast zehn Jahre hinzieht, ohne dabei auch nur ein einziges Mal von ihrer Spannung einzubüßen, ist die personelle Ausstattung erwartungsgemäß nicht gerade gering. Die auf dem Hörbuchcover enthaltene Liste der historisch belegten Personen ist dabei sehr hilfreich. Bewusst wurde dieses Mal bei der Gestaltung darauf geachtet, die fiktiven Personen nicht in einer Liste zu benennen, um dem Leser/ Hörer die Unterscheidung zwischen realen und fiktiven Personen zu erleichtern. Von besonderer Stärke aber erweist sich die Darbietung des Hörbuches als inszenierte Lesung. Mit opulenten mittelalterlichen Klängen wird in die einzelnen Kapitel und Abschnitte eingeführt, die den mit sehr subtilen Stimmen agierenden Berliner Schauspieler Detlef Bierstedt, auf besondere Weise unterstützen. Musikalisch werden verschiedene Themen benutzt, so dass der Hörer anhand der Klänge auf die Handlung hingewiesen wird: kraftvolles Orchester für Schlachtszenen oder Szenen am Hofe, sanfte Melodien für Momente der Zweisamkeit. Aber nicht nur Musik, sondern auch Geräusche lassen den Hörer in die Handlung eintauchen: Pferdegewieher, Schlachtgetümmel, das Aufeinanderprallen der Schwerter, die Schreie der Besiegten. Alles das, verbunden mit den höchst unterschiedlichen Stimmen des Vorlesers, macht das fast 15stündige Hörbuch zu einem Hörgenuss.

Die Inszenierung der Lesung bietet weitaus mehr als nur einen vorgelesenen Roman und stellt aus meiner Sicht deshalb einen Vorteil gegenüber der gebundenen Ausgabe dar. Alleine deshalb, aber nicht nur, ist dieses Hörbuch zu empfehlen. Die Verbindung der historischen Ereignisse mit einer abenteuerlichen Handlung stellt mindestens einen ebenso großen Grund dar. Selbst der Geschichtsinteressierte, der sonst kaum etwas anderes als ein Fachbuch vor der Nase hat, wird seinen Gewinn aus den spannenden Geschichten um Losian und seiner Weggefährten ziehen.

Veröffentlicht am 31.12.2016

Höchst empfehlenswert ist dieser Roman ohnehin

Der dunkle Thron
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Der vierzehnjährige Nicholas of Waringham ist 1529 im Schulinternat bei Sir Thomas More, einem engsten Vertrauten des Königs Henry VIII. Eigentlich hat er keine Lust zu lernen. Der junge Mann fühlt sich ...

Der vierzehnjährige Nicholas of Waringham ist 1529 im Schulinternat bei Sir Thomas More, einem engsten Vertrauten des Königs Henry VIII. Eigentlich hat er keine Lust zu lernen. Der junge Mann fühlt sich mehr zur praktischen Arbeit berufen denn zu den geistigen Künsten. Da erreicht ihn der Ruf, er solle zur Klärung einiger Dinge um seinen Vater Jasper, der kurz davor steht, beim König in Ungnade zu fallen, nach Waringham zurückkehren. Ob seiner Einstellung zum Lernen gegenüber ist er nicht traurig über diesen Ruf. Allerdings stimmt ihn der Grund bedenklich. Er soll seinen Vater überreden, seine ketzerische Meinung zurück zu halten und nicht überall kund zu tun. Doch es hilft nichts. Jasper wird von Cromwell verhaftet, im Verlies gefoltert und stirbt kurze Zeit darauf. Nick erbt die Baronie und muss sich nun gegen seine Stiefmutter und deren Familie durchsetzen. So gelangt er in ein ungeheures Intrigenspiel am und um den königlichen Hof.

Faszinierend sind die fiktiven Personen mit den historischen Personen verknüpft. Intelligent und spannend hat die Autorin die fiktive Geschichte in all die weißen Löcher der englischen Geschichtsschreibung gewoben, so dass eine gewaltige Mischung aus historisch belegten Fakten und erfundenem Abenteuer entstand. Da wundert es nicht, dass viele Details vom Hofe der Tudors des 16. Jahrhunderts ohne Mühe recherchierbar sind. Die Handlung ist im Herrschaftszentrum des Hofes genauso angesiedelt wie im damaligen Parlament, die Auflösung der Klöster durch Cromwell, die Hinrichtung der zweiten Gattin Henrys VIII., seine weiteren Ehen und Liebschaften. Überall ist ein Waringham mittendrin. das ist so nah an der Realität, dass manch ein Leser in Versuchung geraten könnte, nach dem Adelsgeschlecht derer zu Waringham zu recherchieren. Andersherum gesagt, mag es für den Leser vielleicht schwieriger sein, die fiktiven Ereignisse herauszufinden. Es ist beinahe schade, dass es die Waringhams nicht tatsächlich gibt. Aber glücklicherweise gibt es Rebecca Gablé, die sich um die Nachkommen der Waringhams wohl weiterhin wird kümmern müssen.

Das Netz der Intrigen wurde von der Autorin so geschickt konstruiert, dass der Leser unwillkürlich jede Figur, die im Roman in Erscheinung tritt, nur noch argwöhnisch beäugen kann. Schon nach kurzer Zeit wird ihm der Gedanke nicht aus dem Sinn kommen, dass die äußerst sympathisch erscheinende Figur vielleicht doch etwas Hinterlistiges vorhat. Er erlebt damit ein unablässiges Wechselbad der Gefühle, die sich beim Lesen des Romans auf einer Achterbahn zu befinden scheinen.

Wer sich etwas in der englischen Geschichte auskennt, der kennt zwar den Ausgang dieser Geschichte, zumindest den historischen. Denn daran hat die Autorin nicht gerüttelt, aber offen bleibt die Zukunft der Waringhams. Die Spannungsbögen innerhalb der 960 Seiten um Nicholas of Waringham, der wegen seines Versprechens zum Schutzbefohlenen von Prinzessin Mary, der ersten Tochter Henrys VIII., geworden ist, sorgen für ein rasches Durchkommen durch so viel geballte Geschichte im doppelten Sinne.

Höchst empfehlenswert ist dieser Roman ohnehin, und dennoch mögen auch die persönlichen Worte von Rebecca Gablé am Ende beeindrucken, in welchem Sie einige kleine Geheimnisse ihrer akribischen Arbeit preisgibt.

Veröffentlicht am 31.12.2016

Mit diesem Roman lässt sich Weihnachten sehr, sehr gut überwintern.

Das Haupt der Welt
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Einer Schriftstellerin, die als Mediävistin wie kaum eine andere die englische Geschichte aus dem FF beherrscht, sei es gegönnt, sich in anderen europäischen Landstrichen mit dem Schreiben abzulenken. ...

Einer Schriftstellerin, die als Mediävistin wie kaum eine andere die englische Geschichte aus dem FF beherrscht, sei es gegönnt, sich in anderen europäischen Landstrichen mit dem Schreiben abzulenken. Mit dem gerade erschienenen Roman Das Haupt der Welt wendet sich Gablé dem deutschen Volke zu und nimmt das 10. Jahrhundert unter die Lupe.

Der Leser befindet sich zu Beginn in Brandenburg des Jahres 929. Besser gesagt: auf der Brandenburg. Hier herrschen die Heveller, ein slawischer Stamm im Havelland. Sie haben sich auf der Burg verschanzt, um einer Belagerung des Frankenkönigs Heinrich zu widerstehen. Doch wie mit einem Handstreich werden die Slawen besiegt. König Heinrich hält es mit seinen Vorgängern und bemüht sich, das Reich der Sachsen nicht nur zu festigen, sondern es auch zu erweitern und die heidnischen Stämme dem christlichen Glauben zuzuführen. Bei Brandenburg erreicht er einen wesentlichen Sieg gegen den Hevellerfürsten Vaclavic, dessen Sohn Bolilut bei diesem Kampf ums Leben kommt. Vaclavics zweiter Sohn, Prinz Tugomir, und seine Tochter Dragomira werden von Heinrich als Geiseln gefangen genommen und nach Magdeburg verschleppt. So soll ein erneutes Aufbegehren der Heveller verhindert werden. Während der Geiselhaft wird Dragomira von Otto, Heinrichs Sohn, geschwängert. Nicht gegen ihren Willen. Sie hat sich in ihr Schicksal gefügt und findet den Prinzen ebenso attraktiv wie er sie. Ihrem Bruder Tugomir jedoch ist das ein Dorn im Auge. Doch so sehr er auch die Sachsen wegen ihrer Gewalttaten gegen die Slawen hasst, kann er sich aufgrund seines edlen Geblüts nicht eines gewissen Respekts seiner Unterdrücker gegenüber erwehren. Das Wort Freundschaft wäre zu viel des Guten, aber Otto, Tugomir und Ottos älterer Bruder Thankmar schwimmen quasi auf einer Wellenlänge.

Gablé hat auf 850 Seiten erneut ein großes Werk der Illusion geschaffen, die Illusion einer Welt, in die die Leser entführt werden. Quasi eine Geiselnahme mit dem Unterschied, dass sich die Leser hierhin gerne entführen lassen. Romane wie dieser dienen mehr denn je dem Eintauchen oder Abtauchen der Leser in andere Welten. Während es im täglichen Alltag immer mehr Stress und Hektik gibt, so kann man sich in diesem Roman trotz aller rasanten Spannung, die ab der Hälfte des Buches noch an Fahrt aufnimmt, in eine ruhigere und überschaubarere Welt versetzen. Die Heldinnen und Helden erscheinen wie Menschen zum Anfassen, sie sind sympathisch und liebenswert, genauso wie die Schurken hassenswert sind. Besonders gelungen ist die Nachvollziehbarkeit der Gedanken der Helden. Natürlich kann heute keiner sagen, was sich ein König bei einer Entscheidung gedacht hat. Aber der fiktive Roman darf das und Rebecca Gablé nutzt das entsprechend. Sie lässt den Leser teilhaben an der Entscheidungsfindung, sie lässt die Zweifel, Ängste, Freiheiten, Zwänge und Gewissensbisse ihrer Helden nachvollziehen. Die Entscheidungen der Herrscher wirken dadurch nicht mehr historisch abstrakt, sondern menschlich. Stundenlang wird der Leser in dieser Welt festgehalten, deren fiktive Handlung mit handwerklichem Geschick und Können durch historische Fakten und Belege untermauert wird. Die Schriftstellerin hat sich nach dem Studium altertümlicher Chroniken und Schriften ihre eigene Meinung gebildet und bietet den Lesern eine Alternative zu manchen Geschichtsschreibern darüber an, wie das Leben am Hofe König Ottos verlaufen sein könnte. In gewohnter Weise hat sie real existierende, historische Persönlichkeiten mit fiktiven Figuren gemischt, um ein dramaturgisch verdichtetes Geschehen der Jahre 929 bis 941 im ostfränkischen Reich aufleben zu lassen.

Mit diesem Roman lässt sich Weihnachten sehr, sehr gut überwintern.