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Veröffentlicht am 10.03.2020

Die Einsamkeit in der Menge

Das Savoy - Schicksal einer Familie
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London 1936: Seit 4 Jahren leitet Violet Mason das Savoy in London, unterstützt von ihrer Schwägerin Judy und den guten Geistern des Hauses. Doch das Personal und das Gebäude brauchen dringend eine Verjüngungskur, ...

London 1936: Seit 4 Jahren leitet Violet Mason das Savoy in London, unterstützt von ihrer Schwägerin Judy und den guten Geistern des Hauses. Doch das Personal und das Gebäude brauchen dringend eine Verjüngungskur, Schadensfälle und Störungen häufen sich. „Mittlerweile wirkte das Hotel erschöpft, verbraucht und ausgelaugt, es war im höchsten Grad renovierungsbedürftig.“ (S. 39)
Zudem erschüttert ein neuer Mord das Savoy und Violet wird von der Presse gejagt. Doch dann tritt Omar, ein adeliger Geschäftsmann und Hotelgast in ihr Leben. Er umwirbt sie und lädt sie zu den Olympischen Sommerspielen nach Berlin ein. Dort trifft sie ausgerechnet Max, ihren ehemaligen Chefredakteur vom BBC, wieder. Er soll von den Spielen berichten und öffnet ihr die Augen für das, was in Deutschland gerade passiert: „Du siehst nur eine Fassade. Du siehst, was die Nazis dich sehen lassen wollen, jetzt, da sie von der ganzen Welt beobachtet werden.“ (S. 163) Und dann überschlagen sich die Ereignisse …

Maxim Wahl hat es geschafft, mich von der ersten Seite wieder in den Kosmos des Savoy zu ziehen und mit Violet mitzufiebern. Geschickt bindet er wichtige Personen, Details und Ereignisse aus dem ersten Band „Das Savoy – Aufbruch einer Familie“ in die Handlung ein, sodass man die Zusammenhänge versteht, auch ohne ihn gelesen zu haben. (Was allerdings schade wäre, da auch er sehr spannend war!)

Violets Tage sind mit Arbeit angefüllt, das Privatleben bleibt auf der Strecke. „Ein Hamsterweibchen im Laufrad des Savoy war sie geworden, während draußen drastische Umwälzungen vor sich gingen.“ (S. 175) Immer öfter sehnt sie sich nach ihrer Zeit beim Radio zurück, dem relativ unbeschwerten Leben ohne die ganze Verantwortung. Auch den Tod ihres Partners John, der sich nach dem Vorfall 1932 das Leben genommen hat, hat sie noch nicht überwunden, sondern sucht die Schuld bei sich. Ihr Großvater hat die Folgen seines Schlaganfalls immer noch nicht überwunden, wird im Hotel gepflegt und kann ihr nur durch Augenbewegungen bei Entscheidungen helfen. Omar bringt endlich wieder Leichtigkeit und Abwechslung in ihr Leben, macht die Reise nach Berlin zu einem Abenteuer.

Das historische Setting passt perfekt zur fesselnden Handlung und zeigt die angespannte politische Lage, die verschiedenen Facetten des immer stärker werden Nationalsozialismus. Dieser hat inzwischen auch in den höchsten Kreisen von England Befürworter, welche sich u.a. offen gegen die emigrierenden Juden und für Hitlers Pläne aussprechen.
Das Savoy ist ein Schmelztiegel, ein Treffpunkt viele Menschen. Hier werden Geldgeschäfte, politische Gespräche, Konferenzen und geheime Tête-à-Têtes abgehalten und ist darum auch für interessant für verschiedene zwielichtige Gestalten.

Der Fall ist sehr komplex und man kommt den Drahtziehern (auch hinter dem Anschlag auf Violets Großvater) immer näher. Leider endet das Buch mit einem fiesen Cliffhanger, der mich denn nächsten Band schnell herbeisehnen lässt.

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Veröffentlicht am 09.03.2020

Der Mann mit der Maske

Tschudi
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Berlin 1896: Hugo von Tschudi, der neue Direktor der Nationalgalerie, eröffnet eine Sonderausstellung und bringt den Impressionismus nach Berlin. Er hat mit der Unterstützung von Max Liebermann in Paris ...

Berlin 1896: Hugo von Tschudi, der neue Direktor der Nationalgalerie, eröffnet eine Sonderausstellung und bringt den Impressionismus nach Berlin. Er hat mit der Unterstützung von Max Liebermann in Paris in die Zukunft investiert und Gemälde und Plastiken von Degas, Rodin, Manet, Cezanne, Monet u.v.a. gekauft. Die Ausstellung ist ein Erfolg, sie spaltet die künstlerisch „Blinden“ von den „Sehenden“, wie Tschudi sich ausdrückt. Man liebt oder hasst sie und damit gleichsam auch ihn, aber auf jeden Fall ist er in aller Munde. „Sie sind die Art Mann, die seine Feinde gar nicht mehr berühren muss, um sie zu töten.“ (S. 19)
Doch man starrt nicht nur die Bilder an, sondern auch ihn, den Direktor, weil sein Gesicht von der Wolfskrankheit (Lupus) gezeichnet ist. E trägt oft Halbmasken, um wenigstens die schlimmsten Wunden zu verstecken.

„Tschudi“ ist das Portrait eines Mannes, der für die Kunst und gegen seine Krankheit kämpft. Er ringt stets um Anerkennung – die der Bilder und ihrer Schöpfer – und darum, selbst erkannt und (an)gesehen zu werden, dass man ihm ins Gesicht schaut ohne abgestoßen zu sein.
Immer wieder erklärt er dem Kaiser, Kritikern und interessierten Besuchern, dass die modernen Gemälde nicht mehr die Gegenwart projizieren. Im Vordergrund stehen nicht der Inhalt, sondern die Farben und das Licht, welche darauf eingefangen werden. Aber Berlin scheint noch nicht bereit zu sein für die Moderne. Seine Gegner sammeln sich. Auch Wilhelm der II. ist entsetzt – warum werden im Deutschen Nationalmuseum keine deutschen, sondern Bilder jüdische Ausländer gezeigt?! Nationalistische, rassistische und antisemitische Parolen werden laut. Die Emotionen kochen hoch.

Doch nicht nur seine Gegner, auch seine Krankheit behindert ihn. Nicht alle können sich verstellen, er sieht ihnen den Ekel und die Angst an – das kränkt und ärgert ihn. Denn Lupus ist nicht ansteckend (im Gegensatz zur Syphilis, die in Berlin grassiert), aber er ist schmerzhaft und wird ihn irgendwann umbringen. „Ich bin kein Mensch, der krank ist – ich bin ein Kranker, der ein Mensch ist.“ (S. 73)
Die Auswirkungen des Lupus werden sehr detailliert beschrieben und haben selbst mich, die ich diese Krankheit leider nur zu gut kenne, immer wieder erschreckt. Ich kann also sowohl Tschudi als auch seine Gegenüber sehr gut verstehen und mich in sie einfühlen.

Mariam Kühsel-Hussaini schreibt sehr literarisch, manchmal etwas sperrig. Ich musste viel nachschlagen, weil es nur kurz angedeutet oder erwähnt wird. Sie beschreibt Treffen mit Freunden, anderen Kunstinteressenten, Berühmtheiten, Gedankenfetzen und Episoden. Dadurch erinnerte mich die Handlung oft an Tagebucheinträge. Trotzdem ist das Buch sehr spannend (und leider auch sehr schnell ausgelesen). Man bekommt einen guten Einblick in die damalige Kunst Welt, wie sie funktioniert, wer dazugehört – eine umfangreiche Milieustudie.

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Veröffentlicht am 01.03.2020

5 Sterne deluxe

Veggie-Burger deluxe
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Auch als Vegetarier esse ich gern mal einen Burger, allerdings mag ich die vegetarischen bzw. veganen Patty-Alternativen (die es fertig zu kaufen gibt) meist nicht, da sie durch die verwendeten Gewürze ...

Auch als Vegetarier esse ich gern mal einen Burger, allerdings mag ich die vegetarischen bzw. veganen Patty-Alternativen (die es fertig zu kaufen gibt) meist nicht, da sie durch die verwendeten Gewürze oft wie ihre Vorbilder aus Fleisch schmecken, und habe bisher oft zu Halloumi gegriffen.

Dank dem „Veggie-Burger deluxe“ Kochbuch aus dem südwest Verlag haben wir jetzt viele leckere Alternativen kennengelernt, die für einigermaßen geübte Köche auch recht unkompliziert nachzumachen sind. Besonders gefallen hat mir, dass es für jedes Rezept auch eine vegane Alternative gibt. Alle Gerichte werden durch ansprechende Fotos extrem lecker in Szene gesetzt.

Neben Rezepten für 6 verschiedene Buns / Brötchen (die man gut vorbereiten und überzählige Exemplare ja auch fürs nächste Mal einfrieren kann) – von klassischen über Ciabatta und Pita, bis zu Chapatis – werden 30 ganz unterschiedliche Burger aus allen Regionen der Welt vorgestellt: z.B. asiatische Varianten mit Buns aus Sushi-Reis oder aus Ramen-Nudeln, Karotten-Erdnuss-Burger, amerikanische mit Guacamole, europäische mit Mozzarella, Polenta oder pochiertem Ei und internationale mit Waffeln, Tomaten oder (Süß-)Kartoffeln statt der klassischen Buns. Man sollte also wirklich für jeden Geschmack und jede Gelegenheit die passende Anregung finden. Selbst die überzeugten Fleischesser unserer Familie waren nach dem Senf-Burger begeistert und ich darf jetzt regelmäßig aus dem Buch Nachkochen.

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Veröffentlicht am 26.02.2020

Geständnisse

Hör mir zu, auch wenn ich schweige
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„… ich habe eine Weile nicht mehr mit ihr gesprochen … Inzwischen … fast sechs Monate.“ (S. 11)
Maggie und Frank sind seit 40 Jahren verheiratet, als er von einem auf den anderen Tag aufhört zu sprechen. ...

„… ich habe eine Weile nicht mehr mit ihr gesprochen … Inzwischen … fast sechs Monate.“ (S. 11)
Maggie und Frank sind seit 40 Jahren verheiratet, als er von einem auf den anderen Tag aufhört zu sprechen. Am Anfang rebelliert Maggie noch, heult, schreit, kämpft, doch bald hofft sie, dass Frank vielleicht nur Zeit braucht, um seine Stimme wiederzufinden und lässt ihm diese, denn Tisch und Bett teilen sie weiterhin.
Aber dann passiert etwas, das Frank aufrüttelt. Plötzlich rennt ihm die Zeit davon. Wenn er Maggie und sich, ihre Beziehung, retten will, muss er endlich wieder reden und ihr gestehen, was ihm die Sprache verschlagen hatte. „Ich weiß, dass ich Maggie im Stich gelassen habe. Ich weiß, dass sie in den vergangenen Monaten mehr als einen schweigenden Resonanzkörper gebraucht hätte.“ (S. 21)

Er beginnt am Anfang, erzählt von ihrem Kennenlernen, wie sie ihn sofort bezaubert und für sich eingenommen hat. Dass sie sich auch in ihn verliebte, kann er bis heute nicht fassen. Sie sind so verschieden. Er ist ruhig, zuverlässig, schüchtern – ein Fels in der Brandung, aber eher unscheinbar. Sie hingegen sehr impulsiv, weltoffen, freundlich und ein echter Wirbelwind, der überall auffällt. Zudem ist sie wunderschön. „… du warst wie das Licht eines Leuchtturms. Dein heller Schein richtete sich direkt auf mich, und ich konnte mich nur bemühen, in deinem Glanz, der alles erleuchtet, was du berührtest, nicht zu erblinden. (S. 67)
Er dachte, dass sie ein glückliches und erfülltes Leben führen würden. Zwar hatte Maggie schon immer dunkle Stunden, in denen er sie halten und ihr Trost spenden musste, aber auch diese Seite an ihr hat er geliebt. Und zusammen haben sie es immer wieder überwunden.
Doch dann passiert etwas, was beide sprachlos zurücklässt. Was sie nicht wissen, beide fühlen sich wegen der gleichen Sache schuldig, aber sie können es dem jeweils anderen nicht sagen, weil sie Angst haben, ihn zu verlieren.

„Hör mir zu, auch wenn ich schweige“ ist eine extrem berührende und intensive (Liebes-)Geschichte, die mich sehr nachdenklich zurückgelassen hat. Schnell zieht sie mich in einen Strudel voller Gefühle. Ich will unbedingt wissen: Was hat diese scheinbar perfekte Beziehung zerstört? Das Buch ist eine emotionale Achterbahnfahrt – man kann eigentlich nicht aufhören zu Lesen, weil es so spannend ist, andererseits kommen Dinge ans Tageslicht, die man erstmal sacken lassen muss und es dann eben doch kurz weglegt – wenn eine Befürchtung zur Gewissheit wird. Abbie Graeves erzählt sehr eindringlich von so viel Leid, dass man es fast nicht mehr erträgt. Ich bin erschüttert und es fließen sogar Tränen. Aber es lässt auch Platz für Hoffnung, schafft der Gewissheit Raum, dass ein Ende oft auch einen neuen Anfang in sich birgt. „Vierzig Jahre Höhen und Tiefen, die Kämpfe und die Freude und das Licht, auf dem sie ein Leben aufgebaut haben. Er sieht alles, was sie gewesen sind. Er sieht alles, was sie sind. Er sieht auch alles, was sie noch werden können.“ (S. 331)

„Hör mir zu, auch wenn ich schweige“ ist auf mein erstes emotionales Highlight für dieses Lesejahr.
#TheSilentTreatment

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Veröffentlicht am 21.02.2020

Mord im Charlottenhof

Völkerschau
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Leipziger Herbstmesse 1898: Die Stadt ist voller Fremder und Kriminalcommissar Joseph Kreiser darf endlich in seinem ersten Mordfall ermitteln. Einer der einflussreichsten Industriellen der Stadt, Carl ...

Leipziger Herbstmesse 1898: Die Stadt ist voller Fremder und Kriminalcommissar Joseph Kreiser darf endlich in seinem ersten Mordfall ermitteln. Einer der einflussreichsten Industriellen der Stadt, Carl August Georgi, wurde nach dem Sommerabschlusskonzert im Charlottenhof ermordet. Verdächtige gibt es viele, denn Georgi war ein unangenehmer Mensch, das sagt auch Kreisers Vermieterin Hannah Faber: „Georgi war ein sehr lauter Mensch, der wusste, dass er sich wegen seines Geldes alles erlauben konnte.“ (S. 40) Dabei verdrängt Kreiser fast, dass er ja auch den entflohenen „Wilden“ – einen Afrikaner der zum Ensemble der Völkerschau gehörte – suchen muss.

„Völkerschau“ ist der Auftakt einer neuen historischen Krimireihe, die in Leipzig um die Jahrhundertwende spielt.

Kriminalcommissar Joseph Kreiser ist ein Mann in den besten Jahren, der schon lange auf seine Beförderung hinarbeitet. Er ist intelligent und immer sehr korrekt. Seine Vermieterin Hannah wundert sich nur, dass er noch keine Frau gefunden und eine Familie gegründet hat. Allerdings kommt dadurch sie in den Genuss der abendlichen Zusammenfassungen seines Tages und an erste Informationen zu aktuellen Fällen. Da sie vor einiger Zeit erblindet ist und nicht mehr als Lehrerin arbeiten kann, hat sie viel Zeit zum Nachdenken und macht sich ihre eigenen Gedanken zu seinen Berichten.

Kreisers Ermittlungen gewähren einen interessanten Einblick in den Ablauf und die Organisation der damaligen Polizeiarbeit. So ist er als Ermittler nie allein unterwegs, sondern wird stets von Staatsanwalt Möbius begleitet, der die Untersuchungen und Verhaftungen rechtlich absichert bzw. anordnet.

Mit Mawuwe greift der Autor ein erschreckendes Thema auf. Mawuwe wird als Attraktion im Zoo im Rahmen der Völkerschau ausgestellt, muss sich gebärden wie und brüllen wie ein Löwe – ein „Schwarzer“ ist eben kein Mensch, sondern ein Tier. Dass er deutsch spricht, einen richtigen Vertrag hat und für seine „Arbeit“ bezahlt wird, interessiert die Zuschauer nicht. Ihnen geht es nur darum, sich zu gruseln und die „Wilden“ zu betrachten – eben sich unterhalten zu lassen.

Die Schilderungen von Hannahs Alltag, den sie mithilfe eines Hausmädchens ziemlich gut meistert, fand ich sehr interessant. Hannah beschäftigt sich u.a. mit der Frauenbewegung und Emanzipation, da sie auch als ehemalige Lehrerin immer noch dem Zölibat unterliegt und nicht heiraten darf, um ihre kleine Rente nicht zu verlieren. Das geforderte Frauenwahlrecht ist ihr dann aber doch zu modern.

Diese ganzen Informationen machen den Krimi sehr abwechslungsreich und unterhaltsam. Auch das alte Leipzig kann ich mir durch die Beschreibungen sehr gut vorstellen, das Flair, die vielen verschiedenen Menschen zur Messezeit und den dadurch herrschenden Trubel.

Georg Müller ist für mich die Entdeckung des Gmeiner Frühjahrsprogramms und ich hoffe, dass Joseph Kreiser bald wieder ermitteln darf.

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