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Veröffentlicht am 12.03.2020

„Du ziehst an einer Seite an einem Faden, und auf der anderen Seite kippt jemand tot um“

Die Therapeutin
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wichtig: PSYCHOthriller (eher vielleicht „Psycho-Krimi“). Hier gibt es lange keine Morde, sondern erst einmal eine sich aufbauende unheimliche Stimmung. Einiges weiß auch nur der allwissende Erzähler. ...

wichtig: PSYCHOthriller (eher vielleicht „Psycho-Krimi“). Hier gibt es lange keine Morde, sondern erst einmal eine sich aufbauende unheimliche Stimmung. Einiges weiß auch nur der allwissende Erzähler. Und als es die erste Leiche gibt, geht es nicht um irgendwelche Folter-Sadisten, es gibt auch keine sexuelle Komponente. Diese Information ist für die, die genau das bei einem Thriller erwarten – oder auch definitiv nicht brauchen. Allerdings ist das, was die Patienten erlebt haben, schon teils heftig (auch sexuell).

Vermutlich hat alles nichts zu bedeuten. Siri fühlt sich beobachtet, aber wer würde schon extra zu dem einsamen Haus an der Küste kommen. Es liegt sicher eher daran, dass sie sich ohnehin nicht gut fühlt, seit ihr Mann Stefan vor einem Jahr beim Tauchen gestorben ist, oder an ihrem Alkoholkonsum. Und die Ängste im Dunkeln hatte sie schon seit der Kindheit, als eine ihrer Schwestern sie als Strafe eingesperrt hatte, ein Kinderstreich. Die Katze war ja auch sehr eigenständig, so ein Tier kommt gelegentlich einige Tage nicht vorbei. Doch Siri weiß nichts von dem Zelt.

Siri Bergmann, Doktor der Psychologie, Doktor der Psychotherapie, 35, teilt sich eine Praxisgemeinschaft mit ihrer besten Freundin Aina Davidsson sowie dem älteren Kollegen Sven Widelius. Der gute Geist ist Marianne. In ihrem beruflichen Leben unterstützt sie andere nach Kräften, wie Sara Matteus, die junge Frau mit einer schlimmen Kindheit, die magersüchtige Charlotte Mimer, die unbedingt alles kontrollieren will, oder Peter Carlsson mit seinen Gewaltphantasien. Leider kann sie nicht jedem helfen. Auch ihre eigenen Probleme müssten eigentlich angegangen werden. Doch als eine Leiche im Wasser vor ihrem Haus gefunden wird, sind die ihr geringstes Problem: sie kannte die Person!

Ich hatte mir diesen ersten Band der Reihe geliehen, weil ich Nummer 2, „Das Trauma“, daheim habe. Es sind Eindrücke der gegensätzlichen Art, die die Lektüre mit sich brachte. Zum einen mag ich diese unterschwellige Spannung, bei der man weiß, das wird nicht gut – ohne das unbedingt allzu viel passiert. Mir hat der Einblick in die Therapie-Sitzungen sehr gut gefallen, gerade auch, was Therapeuten „hinter den Kulissen“ selbst tun, um „vor den Kulissen“ ihre Arbeit mit den Patienten liefern zu können. Ich mochte Siri, das vor allem. Was ich nicht ganz so toll fand: das ganze Buch ist eher so angelegt, dass es dem Leser ziemlich klar ist, dass der Täter jemand sein muss, mit dem Siri zu tun hatte, und dass es um Rache geht, nicht um einen irgendwie wirren Stalker aus dem Nichts. Also ergibt sich erstens, dass der Täter eine der im Buch genannten Personen ist (eher eine Krimi-„whodunnit“-Situation), und zweitens, dass das Motiv irgendwie im Zusammenhang zu Siri zu finden ist. MIr war dieses Motiv extrem früh klar rein aus der Gewichtung im Text, das hätte irgendwie besser aufgebaut sein können – vielleicht, indem der unbekannte Stalker noch eine Option geblieben wäre, vielleicht auch durch eine geschicktere Erwähnung des Motivs (siehe Spoiler). Dafür hatte ich dann ganz lange keine Idee, wer es denn sein möge, der als Täter in Bezug zum Motiv steht; ich habe der Reihe nach fast alle verdächtigt. Die Spannung blieb also, wenn auch auf einem anderen Niveau. Dass Siri sich nicht ganz logisch verhält, konnte ich für mich halbwegs akzeptieren aufgrund ihres Verlusts. Sprachlich fand ich einiges eher passend zu einem Stil von Jugendlichen, oder diesen alten Berufsjugendlichen, die unbedingt hip klingen wollen („Hallo, das meine ich jetzt wirklich“-Stil, zum Beispiel). Mit einem Ermittler etwas anzufangen, war mit etwas zu vorhersehbar. Am meisten Probleme habe ich aber mit dem Ende – da hat jemand gezielt einen anderen Menschen umgebracht, auch wenn es in der Situation gereicht hätte, sich „nur“ zu wehren (was mir schon reicht, um hier mental auszusteigen), und beginnt hinterher eine Therapie, aber nicht deshalb?

Markus:
„Wir sitzen wohl alle im selben Boot.“
„Sie und ich?“
„Alle. Alle Menschen“, erklärt er und beißt in einen Apfel.
„Alles, was wir tun. All unsere Handlungen, die wir ausführen, ohne die Konsequenzen überschauen zu können. All die komplizierten Verbindungen zwischen den Geschehnissen, die Beziehungen zwischen den Menschen. Du ziehst an einer Seite an einem Faden, und auf der anderen Seite kippt jemand tot um. Die Schuld von niemandem oder von allen? Aber für mich ist die Absicht wichtiger als die Ursache. Die Usache ist etwas Mechanisches, die Absicht ist eine Richtung, eine eigene Kraft.“

Ich hatte Elemente dabei von 5 Sternen (die Therapiesitzungen) bis 2 Sterne (der Schluss, wie das Motiv eingebaut wurde). Ich gebe 3 Sterne. Ich bin nicht völlig enttäuscht, aber da ist noch Luft nach oben.

2 Das Trauma

3 Bevor du stirbst

Camilla Grebe allein fand ich richtig toll in "Wenn das Eis bricht", aber auch da scheiden sich die Geister, weil es eher ruhig ist, mehr Psychodrama denn Psychothriller.

Spoiler: alles mögliche über Siri wird mehrfach und in größerer Tiefe beschrieben. Allein eine Person wird zwar erwähnt, auch als wichtig, aber dann nicht weiter ausgearbeitet. Preisfrage: wenn alle anderen genau beschrieben werden, was bedeutet das wohl?

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Veröffentlicht am 11.03.2020

Etwas zu sehr von sich überzeugt

Menschen lesen
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Die alte deutsche Rechtsprechung kannte den Unterschied zwischen „viel versprechend“ und „vielversprechend“. Ein Titelzusatz wie „Ein FBI Agent …“ klingt für einen begeisterten Krimileser wie mich vielversprechend ...

Die alte deutsche Rechtsprechung kannte den Unterschied zwischen „viel versprechend“ und „vielversprechend“. Ein Titelzusatz wie „Ein FBI Agent …“ klingt für einen begeisterten Krimileser wie mich vielversprechend – das Buch „Menschen lesen“ verspricht jedoch letztlich viel und kann nur einen Teil liefern. Doch ich nehme hier das Fazit voraus:

Mir hat einst jemand erklärt, gängige psychologische Tests, wie sie auch im Personalbereich verwendet wurden, seien entwickelt worden an und für männliche Insassen der Psychiatrie – entsprechend realistisch seien sie auch (okay, das wird heute – hoffentlich – besser sein). Joe Navarro hat also seinen Fokus darauf, (oft gewohnheitsmäßige) Verbrecher zu überführen, an ihnen „übt“ er sich. Das hat meines Erachtens nach einige methodische Schwächen bei der Auswertung von Körpersprache: er MUSS nämlich davon ausgehen, zu einem wesentlich größeren Anteil belogen zu werden bei seiner Arbeit als beispielsweise ein Kellner, der beruflich nur fragt, ob das Essen geschmeckt hat. Diese Selbst-Reflexion fehlt komplett, auch wenn Navarro zumindest regelmäßig darauf hinweist, dass seine Aussagen immer im Kontext zu betrachten sind. Was ich damit meine?

Nun, Navarro erklärt beispielsweise, dass es eine Territorial-/Dominanzgeste ist/sei, mit den Händen in den Hüften dazustehen – so dass die Arme eine Art liegendes V bilden. Wenn dabei die Daumen nach vorn zeigten, drücke das Neugierde aus, jedoch weniger Autorität. Nun, mein Physiotherapeut hat mir letztens genau zu dieser Haltung geraten – dabei die Hüfte vorschieben, gut für die Schmerzen im unteren Rücken, ich werde dadurch nicht neugieriger als sonst. Im Buch werden viele Varianten von Positiv-Beispielen genannt, für Zustimmung/Ablehnung, Flucht, Angst usw. – Gegenbeispiele fehlen. Dadurch bleiben mögliche „Falsch-Positive“ Deutungen für den Leser farblos. Doch zuerst zum Buch.

Zu den auszuwertenden Körpersignalen werden nicht nur Mimik und Gestik gezählt, sondern auch
- Körperbewegungen (Kinesik)
- Distanz- beziehungsweise Raumverhalten (Proxemik)
- Berührungen
- Haltungen
- Kleidung (eher Körperinszenierung: Kleidung, Schmuck, Frisur, Tätowierungen usw.)
- Tonfall, Klangfarbe, Lautstärke der Stimme

Dabei solle man besonderes Augenmerk legen auf sogenannte Tells, verräterische Körpersignale – besonders, wenn diese als multiple Tells auftreten (als Folge ODER Kombination) auftreten: z.B. guckt nach unten beim Lügen, richtet den Körper zur Tür als Fluchtsignal – und führt dann eine Beruhigungsgeste aus, indem er sich quasi selbst umarmt. Ähnlich wichtig seien Cluster – die Kombination aus Gefühls-Körpersprache und weiteren Gesten.

Navarro geht dann der Reihenfolge nach die verschiedenen Ebenen der Körpersprache durch – wer hätte gedacht, dass der „ehrlichste“ Körperteil die Füße sind, weil wir hier am wenigsten verbergen (zum Beispiel die Füße im Fluchtreflex Richtung Tür ausrichten bei unangenehmen Fragen), im Gegensatz zum Gesicht, dessen Ausdrücke wir schon früh zu „tarnen“ lernen. Viele seiner Aussagen sind nicht wirklich neu – Freude durch aufgerissene Augen, negative Reaktionen mit zusammengekniffenen. Dazu gibt es etliches, was ich für Stereotype halte – einige der Frauen-Gesten werte ich als kulturell übernommen, nicht als wirklich ursprünglich – wie das Herumgespiele in den Haaren, weil das irgendwelche Instagram-Poserinnen tun. Und ich habe definitiv noch nie die Hand über die Drosselgrube gehalten.

Insgesamt fand ich die Lektüre meist unterhaltsam – mit etwas zu vielen Längen/Wiederholungen und definitiv viel zu wenig Selbstreflexion. Da ist noch Luft nach oben. 3 Sterne.

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Veröffentlicht am 11.03.2020

„Ich dachte, dass eine unerklärliche Handlung weitere Handlungen von immer größerer Undurchsichtigkeit nach sich zog…“

Frau im Dunkeln
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Ich lasse das mit Elena Ferrante sein. Sie schreibt genial, aber ich mag nicht, was sie schreibt. Wie das? Nun, ich hatte eine Kindheitsfreundin. Meine Mutter hatte mich, das immer zuerst ziemlich zurückhaltende ...

Ich lasse das mit Elena Ferrante sein. Sie schreibt genial, aber ich mag nicht, was sie schreibt. Wie das? Nun, ich hatte eine Kindheitsfreundin. Meine Mutter hatte mich, das immer zuerst ziemlich zurückhaltende Kind, mit ihr bekannt gemacht, als wir beide in den Vorschulkindergarten kommen sollten, wir wohnten in derselben Straße, 300 Meter entfernt. Wir haben fast täglich miteinander gespielt. Sie fragte mich, was meine Eltern an Gehalt bekommen – arglos fragte ich daheim. „Geld, Kieselsteine nehmen sie nicht“ lehrte mich meine Oma. In der Schule war ihr immer wichtig, welche Noten ich im Vergleich zu ihr hatte – sie kannte meinen Notendurchschnitt vor mir. Als ihrer schlechter wurde, später, in der Pubertät, wurde ich von ihr als Streberin verhöhnt. Als ich sie einmal abholte, verstörte mich ihre Tante mit ihrer Bewunderung für meine Augenbrauen und Wimpern – dann, mit Blick auf sie: „nun, später malt das eh‘ jeder nach und es macht keinen Unterschied“. Als ich mir Schuhe mit etwas höheren Absätzen ertrotzt hatte, verstörte mich ihr Vater mit dem Ausruf „Pumps!“ – wiederholt, immer wieder, und „wie eine Animierdame“. Ich war vielleicht vierzehn. Als sie sitzenblieb, fand ich Freundinnen, die mir bis heute blieben. Wir vergleichen einander nicht, wir gönnen uns unsere Unterschiede. Wir üben „weißen Neid“ – „manchmal denke ich, ich hätte… und dann sehe ich … Wie schaffst Du das?“

Es gibt solche Frauen wie bei Ferrante, Frauen, die sich im Vergleich mit anderen definieren, dabei die andern heruntermachen, sich schlecht fühlen. Das braucht niemand. Frauen benötigen keine Frauen, die sie von oben bis unten mustern, die sie wahrnehmen als Konkurrentinnen um ihre Männer (solche wären es nicht wert), die Sätze äußern wie „also, ich würde ja nicht …“ oder „bei mir wäre ja ….“.

Ich-Erzählerin Leda, geschieden, Mutter zweier erwachsener Töchter, die beim Vater leben, fährt in den Strandurlaub. Dort trifft sie auf eine Großfamilie aus Neapel, an der sie sich reibt: „Diese Leute regten mich auf. Ich war in ein Umfeld hineingeboren worden, das sich kein Stück davon unterschied, auch meine Onkel, meine Cousins, mein Vater besaßen diese aufdringliche Herzlichkeit. Sie waren förmlich, im Allgemeinen sehr gesellig, jede Frage aus ihrem Mund klang wie ein Befehl, kaum abgeschwächt durch ihre falsche Gutmütigkeit, und bei Bedarf konnten sie auf die vulgärste Weise ausfallend und aggressiv werden. Meine Mutter schämte sich für die pöbelhafte Art meines Vaters und seiner Verwandten, sie wollte anders sein, spielte dabei die kultivierte Dame von Welt. Doch beim kleinsten Streit verrutschte diese Maske, und dahinter trat das gleihe Verhalten, die gleiche Sprache hervor, die alle an den Tag legten, um nichts weniger ausgeprägt.“

Besonders ist Leda fasziniert von der jungen Mutter Nina und ihrer kleinen Tochter. Sie beobachtet, nimmt aber bald auf eine ungute Art teil an den Ereignissen, oft eher durch Unterlassen, denn durch Handeln, fast zwanghaft. Parallel dazu erfährt der Leser schrittweise mehr über Leda, über ihre eigene Beziehung zu ihren Töchtern, über ihre Unzufriedenheit, aber auch über Ninas kleine Fluchten.

Ernsthaft? Leda ist eine unzufriedene, verwöhnte dusselige Ziege. Ich habe jetzt weniger das Problem damit, dass eine Mutter durchaus auch unzufrieden mit ihrer Mutterrolle ist, aber diese Frau weiß eigentlich nicht wirklich, was sie will. Nina „Warum hast du deine Töchter verlassen?“
„Ich liebte sie zu sehr, und ich hatte das Gefühl, meine Liebe zu ihnen hinderte mich daran, ich selbst zu werden.“
„…ich bin aus demselben Grund zurückgekehrt, aus dem ich gegangen war: aus Eigenliebe.“ Aha, ja.

Und so geht das durchgängig. Nina ist hübsch – nein, hässlich. Leda liebt ihre Töchter – aber sorgt sich, weil die eine so wenig liebenswert ist. Der ältere Herr, der sich als Faktotum um die Wohnung kümmert, wird ganz besonders zur Projektionsfläche ihrer Stimmungen. Ernsthaft, das Buch sollte ein Psychologe analysieren.

Der Schreibstil, die Sprache, die Bildhaftigkeit: 5 Sterne.
Inhaltlich? 2 Sterne. Ich bin genervt, aber reichlich. 3 Sterne, wohlwollend, wegen der Sprache und weil es vor der „Saga“ auch ging, ohne ein Thema so extrem breitzuwalzen und figurentechnisch aufzublähen

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Veröffentlicht am 11.03.2020

"Mutter wollte eine Tochter"

Der einsame Bote (Ein Fall für Tommy Bergmann 3)
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Warnung für Sensible vorab: Hier kommt ALLES vor. Extreme Gewalt, Gewalt gegen Kinder, sexuelle Komponenten bei Gewalt, Folter, Zerstückelung, echt kranke Täter.

20. Jan 2005. „Am gleichen Tag, an dem ...

Warnung für Sensible vorab: Hier kommt ALLES vor. Extreme Gewalt, Gewalt gegen Kinder, sexuelle Komponenten bei Gewalt, Folter, Zerstückelung, echt kranke Täter.

20. Jan 2005. „Am gleichen Tag, an dem Farberg angeblich von Elisabeth Thorsten sen getötet wurde, verschwand nämlich die dreizehnjährige Amanda Viskveen aus Kolbotn.“ Dieses 3. Band der Reihe bezieht sich direkt auf den Vorgänger-Band, könnte aber vermutlich auch einzeln gelesen werden (hingen Band 2 eher nicht ohne die finale Auflösung in diesem Band). Ein junges Mädchen wurde entführt von einem Täter, der getötet wurde, eben jener Farberg. So sagen es alle – alle, außer Polizist Tommy Bergmann. Trotz Abmahnung ermittelt er weiter. Ein wenig hilft ihm seine Kollegin Susanne Bech, auch wenn sie inzwischen mit dem Oberstaatsanwalt zusammenlebt.

In Schweden häufen sich sehr seltsame Ereignisse, ein Bild wird verrückt, es knarrt im Haus des Verdächtigen, es gibt Hinweise an mehrere Personen – oder Drohungen? Die Spur führt nach Vilnius in Littauen und zu einer seltsamen Sekte. Was dann passiert, übertrifft sicherlich alles, was Tommy sich hätte vorstellen können. Und der Fall kommt ihm nahe, sehr nah.

Ich war nicht so begeistert – auch wenn hier tatsächlich, so unglaublich es scheint, historische Tatsachen verarbeitet worden (Achtung, Beitrag mit Bildern – man glaubt es wirklich kaum): https://de.wikipedia.org/wiki/Skopzen
https://de.wikipedia.org/wiki/Tschechoslowakische_Legion
Insgesamt war es mir etwas zu viel – das ist jedoch nicht mein eigentliches Problem, denn ich fand eine wirklich spannende Lektüre vor (Motto bis kurz vor Schluss: heftig, aber auch heftig spannend). Leider ist der Schluss dann ein echtes Manko. Ich sollte dazu sagen, dass ich zufällig mit dem Folgeband in die Serie eingestiegen bin: der liegt nur 10 Jahre in der Zukunft und ist definitiv KEIN Abschluss dieses dritten Bandes. Das fehlt aber irgendwie, als Leser wird man mit immer mehr, noch mehr Spannung hochgepuscht, und wenn man dann am Höhepunkt ist: nix. Man könnte irgendwie sagen: Licht an, Ende, kein Kuscheln hinterher. Man weiß damit aber dummerweise nicht, wie das endete für eine ganze Anzahl von Personen. Unbefriedigend.

3 Sterne.

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Veröffentlicht am 06.02.2020

Thema, Engagement wichtig. Umsetzung mir meist zu gekünstelt

Das Haus aus Stein
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Aus dem Kommentar am Ende des Romans: Nachwort: „Taş Bina“ (= Haus aus Stein) wurde 2009 auf Türkisch veröffentlicht, 2019 auf Deutsch. Im Rahmen der Verhaftungswelle nach dem gescheiterten Militärputsch ...

Aus dem Kommentar am Ende des Romans: Nachwort: „Taş Bina“ (= Haus aus Stein) wurde 2009 auf Türkisch veröffentlicht, 2019 auf Deutsch. Im Rahmen der Verhaftungswelle nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei von 2016 wurden besonders viele kritische Stimmen verhaften, Journalisten, Menschen die sich einsetzten für die Rechte der Kurden, gegen Polizeiwillkür. Aslı Erdoğan verbrachte 132 Tage in Haft und sagte laut dieses Kommentars hinterher „Auch wenn man nur Monate im Gefängnis verbringt, verliert man sofort viele Fähigkeiten. Ich war nicht mehr in der Lage, Entscheidungen zu treffen, nicht einmal, welches Joghurt ich kaufen sollte. Man verläuft sich in der Stadt, findet die eigene Wohnung nicht mehr. In der Haft entwickelt man sich zurück, wird wieder zum Kind ohne Rechte und Verantwortung. Ich habe vergessen, wie man einen Bus nimmt, einen Anruf zu beantworten fällt mir sehr schwer“.

Dieser kurze Text erzählt die Geschichte der Inhaftierten. Er heißt mehrfach, er erzähle auch die der Autorin, damit tue ich mich schwer; doch dazu später.

„Nichts kommt so schlimm wie befürchtet, sagen manche, aber das sind Leute, die das Menschengeschlecht nicht richtig kennen und meinen, der Schmerz habe einen Anfang und ein Ende.“
Das ist nicht die Erfahrung der Inhaftierten. „Ein Schrei ertönt, verkümmert zu einem Wimmern, erklingt erneut. Dauert diesmal an. Schwillt an wie eine Lawine, lässt dich an die Wand zurückweichen, in tiefste Dunkelheit. Stammt er von einer Frau, einem Mann, einem Menschen oder einem viel unschuldigeren Wesen? Einem Körper oder etwa von der Seele selbst? … Nun bereitest auch du dich vor, so gut du kannst. Entscheidest, welches Ich an die Front soll und welches sich zurückziehen. Eines davon wird sich gewiss zu Tode fürchten. Du prüfst, was du opfern kannst und was nicht, rechnest ab, so gut es nur geht. In den Tiefen deines Körpers zittert ein anderer Körper, und mit ihm zusammen zittern auch die Wände,…“ Selten habe ich Folter so eindringlich vermittelt bekommen, der ganze Text vermittelt Qualen, Zerrissenheit, Sprachlosigkeit, Entfremdung, Angst, Hoffnungslosigkeit, seltene Momente der Menschlichkeit.

So nachvollziehbar wie in diesem Zitat ist „Haus aus Stein“ jedoch mitnichten durchgängig. Ich habe mich durch den Text gequält nicht wegen seines Inhaltes. Es dürfte unmöglich sein, eine Inhaltsangabe zu verfassen – zu wenig Zusammenhang, zu vieldeutig. Da gibt es Sätze, viele Sätze wie „Jene Stammgäste sehen im Leben der Menschen gegenüber nichts weiter als eine Reihe von Geschichten, die sie eines Tages gerne erzählen würden. Verfassen sie über das Menschsein eine Geschichte – ist das Schreiben nicht gewissermaßen die Kunst, in der Glut zu rühren, ohne sich dabei die Finger zu verbrennen? - , hinterlässt dies auf ihrem Gaumen den stechenden Geschmack des Todes.“ Bitte ganz ehrlich: das klingt poetisch, da sind bedeutungsschwangere Worte enthalten wie Glut, Tod, stechend – aber was will man uns damit sagen? Leider habe ich zu oft den Eindruck eines gewollt literarischen Schreibens. Das Feuilleton hilft mir: langes Prosagedicht, pathetisches Martyrium, abgenutzte oder kitschige Sätze und Bilder (Deutschlandfunk, 29.5.2019),
dichte expressionistisch-lyrische Struktur mit aufgebrochener Komposition, die die Grenzen verwischt zwischen Erzähler und Erzähltem, Verräter und Verratenem (NZZ 10.5.2019), bildreiche poetische Sprache, bei der nicht zu trennen ist, was innere, was äußere Wirklichkeit ist (Deutschlandfunk Kultur 19.3.2019), verdichtet, poetisch (FAZ 16.3.2019), Prosagedicht, Sturm von Metaphern (Zeit 14.3.2019). Die meisten schreiben positiv – ich dachte an „Des Kaisers neue Kleider“. Bei denen mag niemand sagen, dass es „zu wenig“ ist, vielleicht mag hier niemand sagen, es sei „zu viel“, um nicht als dumm beschimpft zu werden. Ich kann damit leben. Ich wollte es mögen, bei der Geschichte der Autorin, ihrem Engagement. Doch warum sollte man das nicht trennen von ihrer Arbeit?

So werde ich hin- und hergeworfen von Sätzen wie „So zeigte der Engel seine tödlichen Wunden. Die auf unseren Körpern rot aufblühenden Schnitte, die blauen Male, die Brandwunden, die urwaldartig verflochtenen Spuren der Schläge und schließlich das Blut, das wie wilde Rosen trocknende, zügellos dahinschießende, endloss quellende Blut.“ Endlich, endlich erklärt sich hier die mehrfach wiederholte Metapher der Rosen. Gleichzeitig wird etwa ab dort stark zu dem Mittel gegriffen, ganze Sätze, Abschnitte zu wiederholen – ein Kunstgriff, der mich mehrfach verwirrte. Vielleicht soll dargestellt werden, wie das Leben zur Endlosschleife wird, wenn – neiiiiiin, nicht noch so ein verzweifelter Versuch der Sinngebung. Damit hatte ich schon zu Beginn Zeit verschwendet bei einem Satz, den ich hier mit Absätzen darstelle, die ich benötigte, um ihn irgendwie zu verarbeiten:
„Wenn man den stellenweise eingedrückten Schädel entlang
jene Narbe verfolgt,
als wanderte man auf einem Bergpfad,
steht man nach der Umrundung der lädierten Augenhöhlen
am Rand eines Abgrunds,
der nicht in der Sprache der Menschen spricht, sondern in der Sprache des Windes, des Mondlichts und der Steine.“ Aber natürlich.

Anmaßend fand ich, dass Frau Erdoğan zu Beginn seitenlang die Verhaftungen in der Türkei mit den Konzentrationslagern der Nazis vergleicht. Ja, man sperrt(e) bei beiden Menschen ein, foltert. Jeder einzelne ist hier zu viel. Aber sie will kaum sagen, dass ihr Namensvetter alle Angehörigen einer Gruppe auslöschen will und als minderwertig erachtet, wie das gesamte Volk Isreal, wie Sinti und Roma. Auch ist definitiv Isolationshaft Folter, wie von Aslı Erdoğan ausgesagt und selbst erlitten. Ich halte jedoch die Aussage, ihr Text nehme das von ihr selbst erlebte unheilvoll voraus, für sehr aufgebläht: die Opfer im Text sind über Jahre schwersten Misshandlungen UND der Einsamkeit ausgesetzt.

Wichtiges Engagement für die Pressefreiheit. Ein mir zu sehr in Richtung „künstlerisch“ aufgeblähtes Schreiben bei einzelnen hervorscheinenden Passagen, die ich als herausragend empfand. Zu viel Anmaßung. 3 Sterne. Ohne das Engagement, das Thema, hätte es bei sonst ähnlichem Handwerk geführt zu 1 Stern.

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