Cover-Bild Die verdammte Generation
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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Europa Verlage
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: Sachbücher / Geschichte
  • Seitenzahl: 328
  • Ersterscheinung: 21.02.2020
  • ISBN: 9783958902978
Christian Hardinghaus

Die verdammte Generation

Gespräche mit den letzten Soldaten des Zweiten Weltkriegs
Während Holocaust und Judenverfolgung seit Jahrzehnten ihren berechtigten Platz besetzen, haben wir vergessen, die Soldaten, die auf deutscher Seite im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben, zu fragen, wie das alles wirklich war im Krieg. Ein Versäumnis, das Ende der 1960er-Jahre seinen Anfang nahm, als rebellische Studenten damit begannen, ihre Elterngeneration pauschal als Nazis zu verdammen.

Alle bisherigen Versuche einer differenzierten Betrachtung unserer dunkelsten Geschichte scheiterten. Die Legende einer sauberen Wehrmacht ist zur Legende einer verbrecherischen Wehrmacht verkommen. Dabei haben historische Erkenntnisse nie bezweifelt, dass nur ein geringer Teil der Wehrmachtssoldaten an Kriegsverbrechen und Holocaust beteiligt war. Wenn es gelingt, dies anzuerkennen, können wir den Blick auf unsere Vergangenheit erweitern und uns selbst besser verstehen lernen. Wer weiß denn schon, wie es sich anfühlte, in einem Jagdflieger abgeschossen zu werden und allein im Mittelmeer zu treiben? Wie ertrugen unsere Väter und Großväter die qualvolle Hitze in Afrika oder unerträgliche Kälte und Hunger im Kessel von Stalingrad? Können wir weiterhin pauschal verurteilen, wenn wir erfahren, welches Leid Bromberger Blutsonntag, Rheinwiesenlager oder die Gemetzel während des D-Days und der Allerseelenschlacht über deutsche Soldaten gebracht haben?

13 Zeitzeugen der bedeutendsten Schlachten des Zweiten Weltkrieges bitten letztmalig darum, gehört zu werden. Sie öffnen sich und sprechen schonungslos ehrlich über alles, was sie erlebten. Hören wir ihnen zu, anstatt sie zu verdammen.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.03.2020

Trotz des erschütternden Inhalts eine unbedingte Lesempfehlung

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Christian Hardinghaus, Historiker, Sachbuch- und Krimiautor, hat mit diesem Buch ein längst fälliges geschrieben, denn der Umgang mit den Männern, die während des Zweiten Weltkrieges in der Wehrmacht gedient ...

Christian Hardinghaus, Historiker, Sachbuch- und Krimiautor, hat mit diesem Buch ein längst fälliges geschrieben, denn der Umgang mit den Männern, die während des Zweiten Weltkrieges in der Wehrmacht gedient haben, lässt in Deutschland und in Österreich sehr zu wünschen übrig.

Schon im Titel lässt sich ahnen, dass es diesen Männern zu keiner Zeit ihres oft langen Lebens leicht gemacht wurde. Sie sind quasi von Beginn an mehrfach verdammt. Verdammt dazu, in eine Zeit hineingeboren zu sein, die das Schlechteste und auch das Beste aus dem Menschen hervorholt, verdammt dazu, einem verbrecherischen Regime zu dienen, das rücksichtslos Millionen von Menschen in den Tod schickt, verdammt dazu zu töten, um selbst zu überleben, verdammt dazu in Kriegsgefangenschaft zu geraten, verdammt dazu zu sein, verletzt an Körper und Seele zurückzukehren und mit niemandem über die Erlebnisse sprechen zu können, weil das Grauen der Shoa alle anderen Leiden verdeckt. Diese Generation wird von ihren Kindern verdammt, weil sie dem Regime zu wenig Widerstand geboten hätten. Mit dem Wissen von heute, den Väter ihre Taten oder Unterlassungen vorzuwerfen, ist verdammt billig.

Christian Hardinghaus hat, stellvertretend für die abertausenden Männer, die er nicht mehr kennenlernen konnte, 13 Soldaten der Wehrmacht interviewt und ihre Geschichte aufgeschrieben. Dabei lässt er persönliche Eindrücke so stehen, wie sie ihm erzählt wurden. Behutsam setzt er die Berichte in den historischen Kontext und lässt für uns Leser die Zeit des Zweiten Weltkrieges auferstehen.

Das sind die 13 Männer, an deren Lebensgeschichten wir teilhaben dürfen:

Otto (1916-2017)
Wigand (1920-2017)
Werner (1920)
Johannes (1921)
Hans-Werner (1922)
Karl-Friedrich (1923) und Josef (1923-2019)
Fritz (1923-2019
Jakob (1924)
Paul (1925)
Rolf (1927)
Ernst (1923-2017)
Wolfgang (1930-2016)

Doch bevor wir uns den Einzelpersonen nähern können, müssen wir uns einigen Lügen, Mythen und Versäumnissen stellen, dieüber die Wehrmacht erzählt werden. So betrachtet Christian Hardinghaus die „Wehrmachtsausstellung“ mit gebotener Distanz. Diese Ausstellung, die zwischen 1995 und 1999 in zahlreichen deutschen und österreichischen Städten gezeigt wurde, räumt mit der „sauberen Wehrmacht“, die an keinen Kriegsverbrechen beteiligt war, auf und schwört dennoch ein falsches Bild der Soldaten herauf. Denn die meisten Soldaten wussten nicht, was in den Vernichtungslagern wie Auschwitz, Bergen-Belsen oder Mauthausen vor sich ging. Die Namen einiger Lager war zwar bekannt, doch hielt man sie für Straflager. Ein kleiner Teil der Wehrmachtsangehörigen war jedoch an Morden an der (jüdischen) Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten direkt oder indirekt beteiligt. Sei, dass sie selbst zum Hinrichtungspeloton gezwungen wurden oder als Logistiker Waffen, Munition oder Nahrungsmittel beschafften.

Wir begleiten also die jungen Männer quer durch Europa, auf die diversen Kriegsschauplätze von der Normandie bis ins tiefste Russland.

Jede Geschichte enthält biografische Daten wie Geburtsdatum, Herkunft und Elternhaus. Vor allem das Elternhaus prägt die jungen Soldaten, sei es, dass sie aus tief religiösen, christlichem oder humanistischen Elternhaus stammen oder, dass ein Vater doch bei der SS war. Anschließend lässt Christian Hardinghaus die betagten Männer erzählen. Die furchtbaren Ereignisse kommen wieder aus dem Inneren hervor und lassen den einen oder anderen in Tränen ausbrechen. Die Erzählungen werden - wie die Leser es vom Historiker Hardinghaus gewöhnt sind - in den historischen Kontext eingebettet, so dass der interessierte Leser auch von kaum bekannten Gefechten und Kriegsverbrechen (wie die „Allerseelenschlacht“ oder den „Bromberger Blutsonntag“ oder die Kriegsgefangenenlager der Alliierten wie die „Rheinwiesenlager“) erfährt.

Anschließend stellt der Autor den ehemaligen Wehrmachtssoldaten jeweils drei Fragen. Eine davon ist jene, ob und was sie von der Shoa gewusst haben. Hier tritt Erstaunliches zu Tage: Die Wehrmacht wurde „künstlich dumm“ gehalten. Die Soldaten haben darüber offiziell nichts erfahren, denn Soldaten durften (erstaunlicherweise) nicht Mitglieder der NSDAP sein. Dass die jüdischen ehemaligen Schulkollegen und Nachbarn verschwunden sind, haben sie eher noch im früheren Zivilleben mitbekommen. Doch, und das ist das Perfide am System und der Propaganda, die hier ganze Arbeit geleistet hat, waren die jungen Männer der Meinung, dass die jüdische Bevölkerung umgesiedelt würde, um die neuen Lebensräume urbar zu machen. Und um näher nachzufragen, hatten sie keine Möglichkeit bzw. mussten sie um ihr eigenes Überleben kämpfen.

Wir Nachgeborenen dürfen uns nicht vom Wissen von heute verleiten lassen, die Angehörigen der Wehrmacht zu verdammen. Die überwiegende Teil wollte kein Soldat sein, kämpften um das eigene Überleben und sind heute durchwegs Pazifisten.

Wie sehr die Kriegstraumata auch den aktuellen Alltag beeinflussen, zeigt ein Detail von Rolfs Geschichte, der bei Regenwetter nie sein Haus verlässt. Er hat als junger Kriegsgefangener in einem der Rheinwiesenlager miterleben müssen, wie die völlig entkräfteten, weil von der US-Armee unversorgt gelassenen Gefangenen, in Matsch und Pfützen ertrunken sind. Obwohl Rolf Jahrzehnte lang als Psychiater auch Patienten mit Kriegstraumata behandelt hat, hat erst das Interview zu diesem Buch und die Bemerkung seiner Enkelin „Deshalb gehst du bei Regenwetter nicht aus dem Haus“ aus dem Verborgenen geholt.

Christian Hardinghaus ist mit diesem Buch ein besonderer Blick auf die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs gelungen. Er rückt einiges zu Recht und gibt den abertausenden Soldaten, die in die Wehrmacht gezwungen wurden, ihre Geschichte zurück. Zahlreiche, zum Teile sehr private Bilder, ergänzen die Berichte.

Ich muss hier (wieder) den deutschen Schauspieler Michael Degen, der als jüdisches U-Boot den Krieg überlebt hat, zitieren. Er sagt „Nicht alle waren Mörder“. Aber jede Armee hat ihr Kriegsverbrechen.

Fazit:

Ein aufwühlendes Buch, dass einen etwas anderen Einblick in die Wehrmacht bietet als die Propagandareden von Goebbels & Co. Das Buch erhält von mir 5 Sterne und die Leser die dringende Empfehlung, es zu lesen und, wenn es noch Verwandte gibt, die diese Gräuel miterlebt haben, einfühlsam zu befragen. Einige warten darauf, sich ihre Last von der Seele reden können.

Veröffentlicht am 13.03.2020

Zeitzeugenberichte

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„...Die Identität eines Volkes wird maßgeblich durch seine historische Vergangenheit geprägt. Und die alles umspannende Pauschalisierung bzw. Popularisierung, der wir aktuell ausgesetzt werden, ist nichts ...

„...Die Identität eines Volkes wird maßgeblich durch seine historische Vergangenheit geprägt. Und die alles umspannende Pauschalisierung bzw. Popularisierung, der wir aktuell ausgesetzt werden, ist nichts als die Folge eines ausgewiesenen innerdeutschen Identitätsproblems...“

Der Autor ist Historiker. Das vorliegende Buch ist nicht sein Erstes über den Zweiten Weltkrieg. Es setzt aber einen besonderen Schwerpunkt. Es kommen Wehrmachtssoldaten zu Wort und berichten aus ihren Erinnerungen.
Das obige Zitat stammt aus dem einleitenden Kapitel. Dem folgt eine historische Beurteilung der Wehrmacht.
Anschließend folgen die Berichte von 12 Zeitzeugen. Die Männer waren zum Zeitpunkt der Befragung im Durchschnitt 90 Jahre alt oder älter. Man merkt aber in jedem ihrer Sätze, wie sich manche Erlebnisse ins Gedächtnis eingebrannt haben.
Der Aufbau der Zeitzeugenprotokolle folgt dem gleichen Schema. Am Anfang werden die wesentlichen persönlichen Daten genannt. Dann kommen die Erinnerungen der Männer. Die werden an passenden Stelle unterbrochen durch historische Fakten und Ergänzungen des Autors.
Während die Berichte der Männer mehr oder weniger emotional geprägt sind, erfolgen die Erläuterungen im sachlichen Stil.
Das folgende Zitat stammt aus den Erinnerungen eines Wehrmachtsangehörigen, der in Stalingrad war:

„...Nach einer Stadt sah das alles überhaupt nicht mehr aus. […] Bomben detonierten überall um mich herum. Ich fand Unterschlupf in einem Bunker...“

Paul kommt 1943 mit 18 Jahren zur Grundausbildung. Dort steckt er sich mit Diphterie und Scharlach an. Im Nachhinein resümiert er:

„...Das alles war mein Glück. Alle meine Kameraden der Kompanie, mit denen ich die Grundausbildung gemacht hatte, waren längst an der Ostfront, und der Großteil war vermutlich schon gefallen. Ich hatte einen Schutzengel...“

Der Autor hat bei einer Auswahl ganz normale Soldaten befragt. Nur zwei der Interviewten hatten einen höheren Rang. Erstaunlich fand ich, dass mehrere ihr Überleben mit ihren Glauben in Verbindung bringen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen.
Die Kriegserlebnisse führen mich als Leser nicht nur nach Russland. Ich erfahre von den Kämpfen in Norwegen, in dem heißen Sand der Sahara, bei der Landung der Alliierten und im Berliner Reichstag. Auch der Einsatz der Männer ist unterschiedlich. Einer war Pilot, ein anderer Funker. Ein junger Mann sollte als Flakhelfer verheizt werden. Dadurch wird die Vielschichtigkeit des Krieges nochmals lebendig.
Auch die Herkunft ist verschieden. Manche stammten aus christlichen Elternhaus, andere hatten Eltern, die das Regime begrüßt haben.
Doch es geht nicht nur um den Krieg. Erschütternd sind die Berichte aus den Gefangenenlagern. Was dort zum Teil geschah, würde man heute als Kriegsverbrechen bezeichnen. Damit meine ich nicht in erster Linie die russischen Lager.
Das folgende Zitat beschreibt das Rheinwiesenlager:

„...Dieser Regen, er brachte den Tod. Erst wurden die Kameraden, die neben mir lagen, bewusstlos, dann ertranken sie, während sie in der Erde einsickerten, dann trampelte einer drauf, und weg waren sie...“

Erschreckend wirkt es, wenn dann die Worte folgen:

„...Emotional mitgenommen hat mich das aber nicht mehr...“

Am Ende stellt der Autor jeden der Männer drei Fragen. Eine davon ist, was sie über den Holocaust wussten. Hier sind die Antworten nahezu einheitlich. Davon drang an die Front nichts durch.
Mehrmals wird darauf hingewiesen, dass die heutige junge Generation mehr über die Vergangenheit erfahren müsste.
Das Buch bewegt und zwingt zum Nachdenken. Ich hoffe, es findet viele Leser.
Das folgende Zitat aus dem Munde eines Zeitzeugen soll meine Rezension abschließen:

„...Allein, dass man auf die Idee kommt, heute ein Nazi sein zu wollen, klingt für mich komplett absurd...“

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