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Veröffentlicht am 13.04.2020

Überzeugende Familiensaga mit italienischem Flair

Belmonte
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Zuerst eine Warnung in eigener Sache:
Wenn ihr das Buch lesen möchtet, seht euch NICHT den Stammbaum am Beginn des Buches an!! Er verrät zu viel und spoilert ungemein!

Simona, deutsch-italienisches Gastarbeiterkind ...

Zuerst eine Warnung in eigener Sache:
Wenn ihr das Buch lesen möchtet, seht euch NICHT den Stammbaum am Beginn des Buches an!! Er verrät zu viel und spoilert ungemein!

Simona, deutsch-italienisches Gastarbeiterkind in 3. Generation, wuchs bei ihrer Großmutter Franca im Allgäu auf. Als diese stirbt, erbt sie das Elternhaus ihrer Nonna im verschlafenden Dorf Belmonte bei Ancona in Italien. Eine Überraschung für Simona, die keine Ahnung von diesem Besitz hatte und eben erst ihren Job als Landschaftsgärtnerin verloren hat. Auch die Beziehung zu ihrem langjährigen Freund fühlt sich nicht mehr so an, wie es sein sollte. Dieser Umstand und die Kündigung lässt Simona Richtung Süden nach Belmonte in die italienische Marken in Mittelitalien aufbrechen. Im kleinen mittelalterlichen Dorf wartet aber nicht nur ein altes Haus mit einem großen Garten, der ihr Gärtnerherz höher schlagen lässt, sondern auch ihre unbekannte italienische Familie. Eines Tages hat sie eine von Franca besprochene Kassette im Briefkasten, auf der sie ihre Lebensgeschichte erzählt....

Antonia Riepp erzählt in diesem bezaubernden Roman über vier Generationen von Frauen einer Familie. Auf unterschiedlichen Zeitebenen berichten Teresa und Franca in der 3. Person aus der Vergangenheit, sowie Simona in der Gegenwart aus der Ich-Perspektive aus ihren Leben.
Das hört sich kompliziert an - ist es aber nicht. Während man im ersten Kapitel mit Teresa im Jahr 1944 in die Berge geht, um Partisanen zu unterstützen, lernen wir später ihre Tochter Franca kennen, die als Gastarbeiterin in Deutschlandein neues Leben beginnen möchte.
Die Lebensgeschichten von Simona und ihren Vorfahren wird abwechselnd erzählt. Über jedem Kapitel steht der Name der Protagonistin, die wir begleiten. Normaler Weise begeistert mich der Handlungsstrang in der Vergangenheit immer mehr, doch dieser Roman hat mich auf allen Ebenen gleichermaßen überzeugt. Ich zitterte mit Teresa, die an ihrer erzwungenen Ehe zerbricht, hoffte mit Franca, dem "Bastard", auf eine bessere Zukunft, schüttelte den Kopf über die verzogene Marina und erlebte mit Simona die Herzlichkeit ihrer italienischen Familie. Sie lernt die fast hundertjährige Marta kennen, die Teresas beste Freundin und Francas Ersatzmutter war und die noch immer ein Geheimnis hütet, sowie Irma, Francas Freundin und Ersatzschwester.

Während Simona auf der Suche nach ihren Wurzeln ist und sich in Belmonte auf die Spuren ihrer Ur- und Großmutter macht, erzählt Antonia Riepp in wunderbar lebendigen und sehr bildhaften Beschreibungen über diese Gegend in Italien und lässt uns teilhaben am Leben im beschaulichen Dorf und ihren temperamentvollen Bewohnern. Die Geschichte ist nicht vorhersehbar und beinhaltet einige überraschende Wendungen.
Die Charaktere sind vielschichtig und lebendig. Einige wachsen uns ans Herz, andere haben mich aufgeregt und wiederum ein Teil blieb zuerst undurchschaubar. Alle haben Ecken und Kanten und sind Menschen, wie du und ich.
Wir erfahren mehr über den Kampf der Partisanen während des zweiten Weltkrieges, schütteln den Kopf über die streng konservatibven Moralvorstellungen dieser Zeit im erzkatholischen Italien, erleben die Wirtschaftskrise und Not der Nachkriegszeit, die viele Italiener als Gastarbeiter nach Deutschland führten und Simonas Sinnkrise, die durch die Suche nach ihre Wurzeln ein Ende findet. Besonders die Schicksale von Teresa und Franka haben mich sehr berührt.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Antonia Riepp ist einfühlsam und mitreißend. Ich habe mit allen drei Frauenfiguren mitgefiebert und mitgelitten.
Die Landschaftsbeschreibungen der italienischen Marken ist lebendig und sehr bildhaft und auch die typischen italienischen Lebensgewohnheiten werden wunderbar vermittelt. Belmonte ist ein fiktiver Ort. Die Autorin hat sich das Dorf Castiglioni di Arcevia in den Marken als Vorbild genommen.

Fazit:
Eine großartige und bezaubernde Familiengeschichte, die mich auf allen Zeitebenen begeistern konnte. Hätte ich diesen bewegenden Roman nicht bei Lovelybooks gewonnen, wäre mir eine wunderbare Geschichte entgangen. Den Roman kann ich zu 100% weiterempfehlen!

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Veröffentlicht am 08.04.2020

Die doch nicht so goldenen Zwanziger

Das Grand Hotel - Die nach den Sternen greifen
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Das Grand Hotel ist Caren Benedikts neuester Roman und hat mich wirklich mehr als überzeugt! Ich habe schon viele Familiensagen und ähnliche Geschichten gelesen, aber Caren Benedict gelang es, mich mit ...

Das Grand Hotel ist Caren Benedikts neuester Roman und hat mich wirklich mehr als überzeugt! Ich habe schon viele Familiensagen und ähnliche Geschichten gelesen, aber Caren Benedict gelang es, mich mit ihrer Erzählung immer wieder neu zu überraschen, sowie mich bei einigen Wendungen fassungslos zurückzulassen.
Sie bringt in diese Familiensaga etwas mehr Kriminalität und Brutalität hinein, als ich bei Romanen dieser Art gewohnt bin. Dies fand ich aber richtig gut und mochte auch das zwielichtige Flair von Berlin in den 1920iger Jahren.

Der Roman spielt nicht nur in Binz auf Rügen, wo das Grand Hotel der Familie von Plesow steht, sondern auch in Berlin. Dort führt Constantin, der jüngere Sohn der von Plesow's, sein eigenes Hotel, das Astor, sowie ein Varieté. Die Schauplätze könnten gegensätzlicher nicht sein. Das sündige und verruchte Berlin und Binz auf Rügen, ein Ort für Erholungssuchende und gut betuchte Hotelgäste.
Das Grand Hotel wird nach dem Tod ihres Mannes von Bernadette von Plesow mit strenger Hand geführt. Ihr ältester Sohn Alexander ist Geschäftsführer, hat aber nicht wirklich viel zu sagen.
Die Geschichte hat mich von Anfang an in den Bann gezogen und nicht mehr losgelassen. Bernadette trägt ein Geheimnis mit sich, das ihre Existenz und die der ganzen Familie zerstören könnte. Dieses schwebt die ganzen 528 Seiten wie ein Damoklesschwert über der Geschichte und nimmt mal mehr und mal weniger Platz ein.

Auch die Folgen des Ersten Weltkrieges werden ungeschönt dargestellt. Die Klassenunterschiede, Armut, Ausbeutung und Bandenkriege sind ebenso Teil des Romans, wie Familiengeheimnisse, Intrigen und das Streben nach Macht. Einzig die politischen Hintergründe kommen etwas zu kurz, werden aber angerissen.

Bernadette ist ein äußerst vielschichtiger und faszinierender Charakter. Sie ist zielstrebig und setzt ihre Macht ein, wo sie nur kann. Das Hotel ist für sie das Wichtigste und dafür tut sie alles. Sie war mir anfangs nicht wirklich sympathisch, aber mit der Zeit entdeckte ich auch ihre guten Seiten und verstand einige ihrer Handlungen - wenn auch nicht alle.
Alexander war mir hingegen zu still und angepasst, zu snobistisch und wankelmütig. Gemeinsam mit seiner snobistischen Frau Mathilde und den Zwillingen, lebt er im Nebenhaus.
Constantin hat Charme, aber hinter seiner freundlichen Maske steckt ein unbarmherziger Mann, der keine Rücksicht auf Verluste nimmt. Einzig für seine Schwester Josephine scheint er ein Herz zu haben und beschützt sie vor der Unterwelt in Berlin, wo er zu den ganz Großen gehört.
Josephine selbst ist verzogen und fühlt sich alleingelassen. Sie kann nicht wirklich etwas mit sich anfangen und sucht nach sich selbst. Ihren Weg muss sie allerdings erst finden.
Einen größeren Anteil in der Story nimmt auch Marie, eines der Zimmermädchen im Grand Hotel, ein. Sie stellt die untere Schicht dar. Durch eine schlimme Erfahrung entwickelt sich Marie vom schüchternen Zimmermädchen zu einer selbstbewussten Frau, die weiß was sie will.

Das Flair dieser Zeit und die Unterschiede zwischen Binz und Berlin werden sehr gut dargestellt. Die Figuren kommen mehr oder weniger aus allen Schichten. Es gibt überraschende Wendungen, schockierende Ereignisse, sowie Mord, Bandenkriminalität und Korruption.
Dieser erste Band des Grand Hotels mit dem Untertitel "Die nach den Sternen greifen" konnte mich mit einer wirklich vielschichtigen Geschichte überraschen. Ich warte sehnsüchtig auf den Folgeband.

Schreibstil:
Caren Benedict schreibt sehr bildhaft, detailliert und der Zeit angepasst. Die Autorin bringt so einige Überraschungen und viel Abwechslung in den Roman.
Die Geschichte wird aus der Sicht mehrerer Personen erzählt, auch aus der von Nebencharakteren. Die Figuren sind vielschichtig angelegt und manche durchschaut man nicht gleich auf den ersten Blick. Der Großteil entwickelt sich weiter und zeigt auch andere Seiten von sich.
Am Anfang jedes Kapitels stehen Zitate der einzelenen Charaktere.

Fazit:
Ein vielschichtiger historischer Roman, der einige Elemente eines Krimis mitbringt, sowie ein spannendenes Familiengeheimnis beinhaltet. Ein gelungener Auftakt dieser neuen Reihe mit viel Spannung und Dramatik. Leider dauert es noch ein ganzes Jahr bis der zweite Band erscheint.

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Veröffentlicht am 07.04.2020

Spannende und temporeiche Fortsetzung

Die Maske der Schuld
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Voller Spannung und Vorfreude habe ich auf den zweiten Band der Reihe rund um LKA-Ermittler Richard Schwarz gewartet. Und ich kann gleich vorab sagen....der neue Thriller steht Band 1 um nichts nach. Spannung ...

Voller Spannung und Vorfreude habe ich auf den zweiten Band der Reihe rund um LKA-Ermittler Richard Schwarz gewartet. Und ich kann gleich vorab sagen....der neue Thriller steht Band 1 um nichts nach. Spannung pur!

Diesmal spielt der Thriller nur in Österreich, denn Richards Ziehschwester Sarah gastiert mit dem Zirkus in Wien. Endlich kann er wieder etwas mehr Zeit mit ihr und seinen Nichten verbringen. Allerdings nervt ihn Gerichtspsychiaterin Theres Lend mit immer wiederkehrenden Anrufen um einen verschwundenen Bekannten, der dieselbe Selbsthilfegruppe wie Theres besucht. Fast zur selben Zeit wird eine unbekannte männliche Leiche aus der Donau gefischt. Der Tote gibt Richard und seinem Kollegen Paul so einige Rätsel auf. Gerichtsmedizinerin Emiliy berichtet den Ermittlern, dass der Mann im Rollstuhl ein seltsames Loch im Kopf hat, das nach einer verpfutschen OP aussieht. Doch in keinem Krankenhaus wurde so eine Operation durchgeführt....

Von Beginn an ist man, wie schon im ersten Band, sofort in der temporeichen Geschichte gefangen. Jennifer B. Wind erzählt aus verschiedenen Perspektiven und Zeitebenen. Dabei kommt auch wieder Richards Vergangenheit nicht zu kurz. Er hat endlich die Hoffnung, dass der Mord an seiner Mutter nochmals aufgerollt und als Cold Case bearbeitet wird. Immer wieder kommen nun wieder Erinnerungen an die Vergangenheit und an den Tod der Mutter hoch.
In kurzen Kapiteln in kursiver Schrift erhalten wir Leser einen Einblick in die kranke Psyche des Täters. In einem weiteren Strang begleiten wir eine an MS erkrankte Frau bei ihrer Reha. Dieser Strang wirft lange Fragen auf, verbindet sich aber am Ende - genauso wie alle anderen Handlungsstränge - zu einem perfekten Ganzen. Die Spannung ist durchgängig hoch und man kann das Buch kaum aus der Hand legen.
Zusätzlich wird ein Blick auf die Pharmaindustrie geboten, die einem nachdenklich macht. Auch das Thema Tierschutz und das Zirkussterben wird wieder aufgegriffen, welches bereits im ersten Band Aktualität hatte.

Die Figuren sind vielschichtig, lebendig und facettenreich. Alle Charaktere haben Ecken und Kanten. Richard ist für mich ein sehr sympathischer und charismatischer Ermittler, der noch immer nicht von den Ereignissen seiner Vergangenheit losgekommen ist. Sarah hat auch in diesem Teil ein größeres Problem, rückt aber mehr in den Hintergrund und ist vorallem für hren Ziehbruder die erste Anlauftselle.
Theres möchte sich, mit der im ersten Band gestellten Diagnose, nicht zufrieden geben und konsultiert weitere Ärzte und Scharlatane bis sie in dieser dubiosen Selbsthilfegruppe landet. Und Paul, Richards attraktiver Kollege, ist ihm ein guter Freund und drückt schon mal ein Auge zu, wenn es um privates geht.

Jennifer B. Wind überrascht immer wieder mit großartigen Wendungen. Den Täter habe ich allerdings ziemlich schnell erraten...doch dieser ist nur ein Teil der Ermittlungen, denn dieser Thriller ist vielschichtig. Erst ganz am Ende setzt sich Puzzlestück um Puzzlestück zu einem Ganzen zusammen...wobei...ein Stückchen fehlt und der kleine Cliffhanger am Ende lässt auf einen weiteren spannenden dritten Band hoffen, der noch dieses Jahr erscheinen soll. Darauf freue ich mich schon!

Schreibstil:
Jennifer B. Wind schreibt temporeich, dialoglastig und bildgewaltig. Neben den Schauplätzen in Wien konnte ich mir nur allzugut die Probleme der schwerkranken Menschen in der Selbsthilfegruppe und während der Reha vorstellen. Das verursachte oftmals ein sehr beklemmendes Gefühl. Aber es gibt auch sehr humorvolle Stellen, die der Geschichte das Grauen nehmen.
Die Kapitel sind kurz gehalten. Am Ende des Buches gibt es Adressen und Anlaufstellen in Österreich und Deutschland für Menschen, die an MS (Multiple Sklerose) erkrankt sind.

Fazit:
Spannend und temporeich geht es auch im zweiten Band rund um den charismatischen und untypischen Ermittler Richard Schwarz weiter. Jennifer B. Wind hat neben dem vielschichtigen Thriller auch einige wichtige Themen mit in den Kriminalfall eingebaut, die der Geschichte noch mehr Authentizität verleiht. Leseempfehlung für Thrillerfans! (aber mit Band 1 beginnen!)

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Veröffentlicht am 15.03.2020

Die beiden Seiten der Wehrmacht

Die verdammte Generation
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Christian Hardinghaus ist Historiker und beschäftigt sich besonders mit der Zeit um den Zweiten Weltkrieg. Ich habe bereits zwei seiner Bücher: "Ein Held dunkler Zeit" - ein biografischer Roman und "Die ...

Christian Hardinghaus ist Historiker und beschäftigt sich besonders mit der Zeit um den Zweiten Weltkrieg. Ich habe bereits zwei seiner Bücher: "Ein Held dunkler Zeit" - ein biografischer Roman und "Die Spionin der Charité", ein Roman über Ferdinand Sauerbruch, die Charité und Fritz Kolbe, gelesen.

In "Die verdammte Generation" hat Hardinghaus Gespräche mit den letzte Zeitzeugen geführt, die ihm von ihren Kriegserlebnissen erzählt haben.
Meine Eltern waren selbst im Zweiten Weltkriege dabei. Mein Vater war Fallschirmspringer, meine Mutter musste in den Arbeitsdienst. Beide überlebten, aber der Bruder und der Vater meiner Mutter kamen nicht mehr aus dem Krieg zurück. Gesprochen hat niemand über seine Erlebnisse und das wird auch teilweise in den Berichten der dreizehn Zeitzeugen bestätigt. Während die meisten nicht mehr daran denken wollten und diese Zeit verdrängt haben, haben andere geschwiegen, weil kein Interesse vorhanden war.
Einheitlich berichten alle Männer davon, dass man sich weder in Deutschland, noch in meiner Heimat Österreich, für ihre Geschichte interessiert hat. Im Ausland, vorallem in den USA, war das anders. Ein Zeitzeuge durfte sogar die Hand der Queen und die von Präsident Obama schütteln.

Aber bevor sich der Autor der Geschichte jedes einzelnen Zeitzeugen widmet, geht er generell auf die Wehrmacht ein. Hier habe ich doch einige neue Details erfahren, trotz meiner doch schon zahlreichen Lektüren zu diesem Thema. Zum Beispiel, dass es eine strikte Trennung zwischen NSDAP, SS, SA und der eigentlichen Wehrmacht gab. Wehrmachtsangehörigen war es auch während ihrer Dienstzeit verboten, Mitglied der NSDAP zu sein. Dass nicht nur die obersten, nämlich SS und SA, an Kriegsverbrechen beteiligt waren, leugnet niemand, aber dass der Großteil der einfachen Soldaten keinerlei Einblick hatte, was sich tatsächlich abgespielt hat, wird in den Zeitzeugenberichten mehr als klar.
Deswegen sollte man kein Pauschalurteil abgeben und alle Soldaten, die im Krieg kämpfen mussten, als Nazis oder Mörder verurteilen. Die Maschinerie hinter Hitler hatte ihre eigenen Pläne, die die einfachen Soldaten nie erfuhren und die streng geheim gehalten wurden. Ihnen wurde eingebleut, sie hätten die deutsche Bevölkerung, ihre Familien, vor der russischen Übermacht zu schützen. Ich will jetzt hier keine weiße Fahne für allejene hissen, die im Krieg waren, aber wie diese Männer, die oftmals verheizt und rücksichtlos in den Tod geschickt wurden bis zuletzt behandelt wurden, lässt sehr zu wünschen übrig. Mit dem Wissen von heute ist es wirklich wichtig dies auch der heutigen jungen Generation zu vermitteln und nicht weiterhin voller Scham zu schweigen.

Den dreizehn Zeitzeugen, die Christian Hardinghaus aus ihrem heutigen Leben und danach aus ihrem Kriegsalltag erzählen lässt, begegnen wir chronologisch nach dem Alter. Dies sind junge Männer aus unterschiedlichen Schichten und Familien. In den letzten Jahren des Krieges eher noch Kinder, die sich plötzlich mitten im Krieg befanden - letztere nicht einmal ausgebildet für die einfachsten Handgriffe und als Kanonenfutter an die Front geschickt. Einzelschicksale, die bewegen und die einem dem Krieg viel näher bringen, als diverse trockene Geschichtsstunden. Autor Christian Hardinghaus entführt uns an verschiedene Kriegsschauplätze und hat sich für seine Zeitzeugen bewusst Soldaten ausgesucht, die verschiedene Spezialausbildungen durchlaufen sind.
Ihre Lebensgeschichten verschmelzen mit dem historischen Kontext zu spannenden und berührenden Erzählungen, die einem viele verschiedene Einblicke gibt.

Am Ende jedes Interviews werden den Männern drei persönliche Fragen gestellt, die sich meistens mit der Kriegsgefangenschaft und dem Wissen um den Holocaust drehen.
Zahlreiche private Fotos bringen dem Leser diese dreizehn Zeitzeugen noch näher. Einige Geschichten werden wohl immer in meinem Gedächtnis bleiben.

Den Titel finde ich absolut treffend. Diese Generation war dazu verdammt zu kämpfen und danach zu schweigen. In den 1970igern wurden sie sogar dafür verdammt am Krieg teilgenommen zu haben. Doch dies war bei nur einem kleinen Teil eine freiwillige Entscheidung. Der Satz "Denk dir es ist Krieg und keiner geht hin" funktioniert leider bis heute nicht....was ich selbst bedaure.
Ich könnte hier noch viel mehr schreiben, sage aber einfach nur: Lest dieses Buch!

Fazit:
Bald werden keine Zeitzeugen mehr berichten können, deswegen lege ich euch dieses Buch sehr ans Herz. Wer keine trockene Geschichtsstunde, sondern Interesse an berührenden Einzelschicksalen, sowie einen Einblick in die damalige Propaganda haben möchte, der ist hier richtig. Bis heute gibt es noch immer so viel Unwissenheit oder Pauschalurteile. Das Gefühl, dass wir alle noch nicht damit abgeschlossen haben ist noch immer allgegenwärtig.
Für mich gibt es eine klare Leseempfehlung für alle Interessierten, aber auch auch für Leser, die sonst nicht in diesem Genre lesen. Denkt an eure Großväter oder Väter und ob ihr nicht doch etwas mehr aus deren Vergangenheit wissen möchtet...

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Veröffentlicht am 11.03.2020

Reise ins Ungewisse

Vor uns das Meer
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Dieser Jugendroman aus dem Hanser Verlag erzählt über drei unterschiedliche Schicksale, die jedoch das gleiche Thema haben: Flucht aus dem Heimatland - egal ob selbst gewählt, weil keine andere Option ...

Dieser Jugendroman aus dem Hanser Verlag erzählt über drei unterschiedliche Schicksale, die jedoch das gleiche Thema haben: Flucht aus dem Heimatland - egal ob selbst gewählt, weil keine andere Option mehr möglich ist oder durch Vertreibung.
Obwohl die drei Geschichten der Kinder Josef, Isabel und Mahmoud 1939, 1994 und 2015 spielen, erleiden alle daselbe Schicksal. Sie landen auf der Suche nach Frieden und Freiheit auf dem Meer. Alle wünschen sich nur ein Leben in Sicherheit und Hoffnung auf eine normale Zukunft.

Josef und seine Familie ergattern noch als eine der Letzten ein Ticket für die Schiffspassage auf der St. Louis. Das Ziel, der von den Nazis vertriebenen Juden, ist die Karibikinsel Kuba, die die vertriebenen Menschen aufnehmen sollen.
Isabel flüchtet 1994 genau von dieser Insel und dem Regime. Unter der Diktatur von Fidel Castro leidet die gesamte Bevölkerung. Es gibt laufend Aufstände, die brutal zurückgeschlagen werden. Die Menschen leiden Hunger. Gemeinsam mit ihrer Familie und den Nachbarn wollen sie über das Meer nach Florida flüchten und endlich frei sein.
Mahmoud wohnt mit seinen Eltern und kleinen Bruder im syrischen Aleppo. Nachdem die ganze Stadt total zerbombt ist macht er sich, wie viele andere Syrer 2015 auf, um über das Meer nach Deutschland zu flüchten.

"Vor uns das Meer" ist eine bewegende Geschichte, die mitten aus dem Leben gegriffen ist. Überall auf der Welt sind Menschen auf der Flucht. Jeder von ihnen hat furchtbare Dinge erlebt, um überhaupt den Entschluss zu fassen seine Heimat zu verlassen. Mich haben viele der Erlebnisse, die die Kinder durchleben wirklich mitgenommen und berührt. Manche Ereignisse sind einfach unglaublich und zeigen wie oftmals Menschen die Notsituation anderer noch zu ihren Gunsten ausnutzen.

Alan Gratz berichtet realitätsnah, aber nicht belehrend. Das Schicksal dieser drei Kinder kann jederzeit und überall auf der Welt passieren. Als Leser fühlt man mit ihnen und hofft auf einen positiven Ausgang.
Der Autor zeigt mit diesen drei Schicksalen auf, wie unmenschlich wir oftmals handeln und ohne groß nachzudenken über Tod oder Leben entscheiden. Aber es gibt auch Geschichten von Menschen voller Herzensgüte, die den Flüchtlingen Hoffnung geben und durch die sie neuen Mut schöpfen.

Schreibstil:
Der Roman ist aus der Sicht der Kinder geschrieben, die nicht verstehen, warum sie flüchten müssen oder verfolgt werden. Die Kapitel wechseln zwischen den Erzählungen von Josef, Isabel und Mahmoud. Die Kapitel sind dabei kurz gehalten und man fiebert bereits beim beenden eines Kapitels dem nächsten entgegen. Der Autor erzählt unsentimental und gerade dadurch ergreifend.

Ein ganz besonderes Schmankerl sind die drei Landkarten, die die Wege von Josef, Isabel und Mahmoud aufzeigen. Am Ende gibt es noch ein Nachwort des Autors und ein kleines zeitliches update.


Fazit:
Ein Roman, der in den Schulen als Schullektüre Pflicht sein sollte. Drei packende und berührende Geschichten mit authentischen Erlebnissen und einer Botschaft, die nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommt, aber sehr nachdenklich macht. Von mir gibt es eine große Leseempfehlung!

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