Wenn der Glaube zu weit geht
Ein wenig GlaubeLyle und Peg leben zufrieden im ländlichen Wisconsin. Sie haben alles was sie brauchen und nun ist auch ihre Adoptivtochter Shiloh mit ihrem 5-jährigen Sohn zurück – alles scheint gut. Lyle verbringt viel ...
Lyle und Peg leben zufrieden im ländlichen Wisconsin. Sie haben alles was sie brauchen und nun ist auch ihre Adoptivtochter Shiloh mit ihrem 5-jährigen Sohn zurück – alles scheint gut. Lyle verbringt viel Zeit mit dem kleinen Isaac, besucht seine Freunde, zeigt ihm die Welt, die der eigene vor Jahrzehnten verstorbene Sohn nie sehen konnte. Doch Shiloh beginnt sich jedoch von ihren Eltern abzukapseln, denn sie gehört einer Sekte an und wird eine immer treuere Anhängerin…
Der Glaube ist hier das zentrale Thema. Hier reicht der Glaube schon bis zum Irrglauben mit furchtbaren Auswirkungen. Immer wieder hört man gerade aus den USA von Fällen des „Gesundbetens“ – das kann nicht funktionieren! Warum ich das erwähne? Weil hier eine Mutter, die zwar nicht ganz gewöhnlich ist, aber dennoch einen gewisse Vernunftbegabung an den Tag legte, dem furchtbaren Irrglauben eines Sektenführers folgt und der Schulmedizin den Rücken kehrt – nicht folgenlos.
Ich habe kein Problem mit dem Glauben – solange niemand darunter leiden muss. Wenn Erwachsene sich mit ihren Entscheidungen – und ausdrücklich nur sich selbst – schaden – ihre Sache, doch Dritte, und insbesondere Kinder, dürfen nicht darunter leiden müssen. Wobei man hier wohl besser zwischen Glaube und Fanatismus unterscheiden sollte. Letzterer ist einfach nicht nachvollziehbar und schlicht gefährlich. Wie schmal der Grat sein kann und wie schnell man von tiefgläubig zu fanatisch schwankt, wird hier deutlich. Ich höre an der Stelle besser auf mich weiter reinzusteigern, denn das habe ich beim Lesen bereits schon. Manches Mal hätte ich gerade Shiloh zu gerne geschüttelt…
Was tun als Außenstehender? Kann man überhaupt was tun oder treibt man mit gutgemeinten Aktionen den Gläubigen weiter in das System rein? Diese Frage stellt sich auch Lyle. Die tiefe Unsicherheit ist schier mit Händen greifbar und man weiß auch als Leser nicht immer, was man dem Betroffenen raten würde.
Der Schreibstil ist extrem bildhaft und ansprechend. Sehr flüssig, emotional und an sich leicht zu lesen. Der Autor wirft große Fragen auf, zeigt die Gefahren von Sekten und ihre Manipulationsstrategien, sowie die Wichtigkeit der Familie, der Liebe und des Zusammenhaltes.
Ein berührender und trauriger Familienroman, der mich nachdenklich stimmte, manchmal zum Lachen und gelegentlich fast zum Weinen brachte.