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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.05.2020

Dieser zweite Band wird von Krieg und mangelnder Kommunikation geprägt

Children of Virtue and Vengeance
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Nach den Ereignissen im Tempel auf der Heiligen Insel kehren Zélie und Amari auf dem von Roën und seinen Söldnern gekaperten Kriegsschriff aufs Festland zurück. Während Zélie um ihren Vater trauert, überlegt ...

Nach den Ereignissen im Tempel auf der Heiligen Insel kehren Zélie und Amari auf dem von Roën und seinen Söldnern gekaperten Kriegsschriff aufs Festland zurück. Während Zélie um ihren Vater trauert, überlegt Amari, wie sie auf den ihr nun rechtmäßig zustehenden Thron gelangt. Bei ihrer ersten großen Rede taucht jedoch eine mächtige Gegenspielerin auf, die deutlich macht, dass sie Amari den Thron nicht kampflos überlassen wird. Zwar können die Divînés nun Magie einsetzen, doch ungeplant sind auch magiebegabte Adelige, sogenannte Tîtánen, entstanden. Der Frieden schien zum Greifen nahe, doch nun geht der Kampf der Maji gegen die Adeligen weiter.

Der düstere, temporeiche Reihenauftakt von Tomi Adeyemi war im vorletzten Jahr ein echtes Fantasy-Highlight für mich. Entsprechend neugierig war ich auf diesen zweiten Teil der Trilogie, der die Geschichte relativ nahtlos weiterführt. Die Ereignisse im Tempel haben für Zélie und Amari alles geändert, doch in Ruhe trauern ist keine Option, denn der Krieg geht weiter und ein Frieden scheint erst möglich, wenn Amari Königin ist.

Das Tempo ist erneut rasant und eine Überraschung jagt die nächste. Gerade erst gefasste Pläne müssen dadurch verworfen werden und die Charaktere überlegen, welche Schritte sie stattdessen gehen können. Zélie und Amari haben mir im ersten Teil als willensstarke Frauen, die Dinge selbst in die Hand nehmen, sehr gefallen. Nun war ich jedoch enttäuscht von ihnen. Beide sind überzeugt davon, dass ihr Weg der einzig richtige ist. Von dieser Einstellung lassen sie sich bei ihren impulsiven Entscheidungen leiten und sind unempfänglich für Argumente der Gegenseite.

Es entsteht ein andauerndes hin und her: Kaum ist eine Seite endlich zur Annäherung bereit greift die andere Seite an und daraufhin muss ein Gegenschlag her. Dabei werden gute Ideen oft im allerletzten Moment zunichte gemacht. Mangelnde Kommunikation ist das Hauptproblem und bei mir machte sich zunehmend Ernüchterung breit. Man erfährt als Leser auch, was auf der Seite der Adeligen vor sich geht. Die einzige verhandlungsbereite Person hier verhält sich sehr naiv und muss immer wieder feststellen, dass sie eigentlich keine Ahnung von den Plänen ihrer Seite hat.

Es gab aber auch Lichtblicke, vor allem in Form der Divînés, die endlich wieder Magie einsetzten können und fleißig trainieren. Die Szenen in ihrem Lager fand ich schön und hier gibt es eine Menge interessanter Charaktere, die man langsam besser kennenlernt. Auch für die Liebe ist einige Momente und Szenen lang Zeit, bevor man sich wieder ins Gefecht stürzt. Der Söldner Roën war für mich in diesem Band der interessanteste Charakter. Eigentlich sollten er und seine Leute für denjenigen arbeiten, der am besten zahlt, doch das wird für ihn persönlich zunehmend zum Problem.

Vor dem großen Finale dieses Bands gibt es noch mal eine neue Entdeckung, die Hoffnung gibt und gleichzeitig zu emotionalen, traurigen Momenten führt. Der Showdown danach war kürzer als ich erwartet habe und gibt der Geschichte eine Wendung, die mich mit vielen Fragezeichen zurücklässt. In diesem von Krieg geprägten zweiten Teil konnten mich die Protagonisten leider nicht überzeugen. Die von Tomi Adeyemi geschaffene magische Welt finde ich jedoch weiterhin faszinierend, weshalb ich hoffe, dass es sich hier um ein klassisches Mittelband-Syndrom handelt und die Reihe im Finale zu alter Stärke zurückfindet.

Veröffentlicht am 18.04.2020

Wird an Ellerys Geburtstag erneut ein Mensch verschwinden?

Wie viele willst du töten
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Ellery hat in ihrem Leben früh Schreckliches erlebt: An ihrem vierzehnten Geburtstag geriet sie in die Fänge eines Serienmörders. Doch im Gegensatz zu den Mädchen vor ihr kam sie mit dem Leben davon: Reed ...

Ellery hat in ihrem Leben früh Schreckliches erlebt: An ihrem vierzehnten Geburtstag geriet sie in die Fänge eines Serienmörders. Doch im Gegensatz zu den Mädchen vor ihr kam sie mit dem Leben davon: Reed Markham vom FBI konnte den Täter überführen und fand sie in dessen Wandschrank. Vierzehn Jahre später ist Ellery selbst Polizistin in Woodbury, Massachusetts. Über ihre Vergangenheit hat sie hier mit niemandem geredet, auch ihr Geburtsdatum im Juli kennt absolut niemand. Dennoch hat ihr jemand in den letzten drei Jahren jeweils pünktlich die gleiche anonyme Geburtstagskarte geschickt. Und jedes Mal verschwand zur gleichen Zeit jemand aus dem kleinen Ort, in dem sie lebt und arbeitet. Bislang wollte ihr niemand glauben, dass die drei Fälle in einem Zusammenhang stehen. Doch nun ist wieder Juli - wird wieder ein Mensch verschwinden? Verzweifelt wendet Ellery sich an Reed Markham mit der Bitte, ihr zu helfen.

Das Buch fällt mit seinem farbigen Buchschnitt ins Auge und die mit meinem Leseexemplar verschickte Geburtstagskarte machte mich neugierig. Zu Beginn des Buches befindet sich Ellery mit ihrem Chef Sam in einem Motelzimmer. Die beiden haben eine Affäre und sie nutzt die Gelegenheit, ihn zu bitten, sie in den drei Vermisstenfällen der letzten Jahre ermitteln zu lassen. Er winkt jedoch ab, denn er glaubt nicht daran, dass hier ein Wiederholungstäter am Werk ist. Von den Geburtstagskarten hat Ellery ihm allerdings nichts erzählt und er ahnt auch nicht, was ihr als Kind zugestoßen ist.

Ein bisschen merkwürdig fand ich es schon, dass in Woodbury niemand Ellerys Geburtsdatum kennen soll. Als Polizistin steht es doch bestimmt irgendwo in ihren Akten. Auch ihr konsequentes Schweigen ihrem Chef gegenüber was die Karten und ihre Vergangenheit angeht konnte ich nicht hundertprozentig nachvollziehen, damit steht sie sich und ihrem Ziel ausführlicherer Ermittlungen aus meiner Sicht selbst im Weg.

Schließlich steht Reed Markham nach einem einzigen Anruf vor ihrer Tür. Er hat aufgrund einer Beurlaubung nach einem Ermittlungsfehler gerade nichts besseres zu tun und ist neugierig, was aus dem Mädchen geworden ist, deren Fall ihm damals große Bekanntheit und einen Karriereschub brachte. Sein Auftauchen wird von Ellerys Kollegen verständlicherweise reichlich skeptisch aufgenommen.

Lange ist die Spannung im Buch psychologischer Natur. Ellery und Reed arbeiten die drei Vermisstenfälle noch mal durch und suchen nach neuen Hinweisen. Die erste Vermisste hatte sich kurz zuvor mit ihrem Freund gestritten, die zweite hatte ein Alkoholproblem und der dritte Depressionen - vielleicht ist hier doch jeweils das Naheliegende vorgefallen? Dagegen sprechen nur die Karten, die jedoch wenige Anhaltspunkte bieten.

Schließlich kommt es zu einem Fund, der die Situation verschärft. Danach gibt es in regelmäßigen Abständen neue Erkenntnisse, durch die Verdächtige ins Spiel gebracht werden. Die Geschichte spielt dabei mit der Frage, wem man überhaupt trauen kann. Ich ahnte jedoch früh, auf wen das Ganze hinauslaufen wird. Ein dramatischer Showdown rundet die Geschichte dennoch zufriedenstellend ab.

„Wie viele willst du töten“ von Joanna Schaffhausen kommt nur langsam in Fahrt und bietet vorwiegend psychologische Spannung. Das Aufarbeiten alter Fälle und die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der Protagonistin machen den Großteil des Buchs aus, auf das Fortsetzungen folgen sollen. Das Buch ist für alle Thrillerfans interessant, die gerne bei düsterer Atmosphäre miträsteln und nicht so viel Blut und Action haben wollen.

Veröffentlicht am 18.03.2020

Ein mysteriöses Dorf am Rand des Tagebaus

Unter der Erde
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Nach über dreißig Jahren Funkstille ist Elias von seinem Großvater zu seinem 90. Geburtstag eingeladen worden. Mit gemischten Gefühlen macht er sich auf den Weg ins Dorf Volkow in der Lausitz, wo sein ...

Nach über dreißig Jahren Funkstille ist Elias von seinem Großvater zu seinem 90. Geburtstag eingeladen worden. Mit gemischten Gefühlen macht er sich auf den Weg ins Dorf Volkow in der Lausitz, wo sein Großvater in einem halb verlassenen Dorf am Rand des Tagebaus lebt. Kurz vor dem Ziel baut er einen Unfall, sodass sich sein Aufenthalt unfreiwillig verlängert, bis sein Wagen repariert ist. Sein Großvater verspricht ihm ein ausführliches Gespräch am nächsten Tag, um seine Fragen zu beantworten, unter anderem die, warum Elias im Heim aufwachsen musste, wenn es doch ihn gab. Aber am nächsten Morgen ist sein Großvater tot, und die anderen Dorfbewohner verhalten sich höchst merkwürdig...

Den Protagonisten Elias lernt der Leser kurz vor dessen Ankunft in Volkow kennen. Das Dorf liegt gefühlt am Ende der Welt, denn der Tagebau hat die Gegend eingenommen und so wird auch Volkow bald Geschichte sein. Ich stamme selbst aus einer Gegend, in welcher der Tagebau eine große Rolle spielt, sodass ich neugierig war, wie das kontroverse Thema in diesem Thriller verarbeitet wird. Leider spielte der Tagebau an sich keine größere Rolle und wird vor allem genutzt, um Atmosphäre zu schaffen.

Elias ist ein Schriftsteller im Horrorgenre, der nach neun erfolgreichen Büchern in der Krise steckt, denn alle Themen erscheinen ihm ausgelutscht. Den Besuch bei seinem Großvater möchte er möglichst kurz halten. Doch daraus wird nach seiner Autopanne und einer Gehirnerschütterung nichts. So groß scheint sein Wunsch, nach Hause zu kommen, aber auch nicht zu sein, denn er entscheidet sich bewusst dagegen, sich ein Taxi zu rufen.

In Volkow wohnen nur noch wenige Menschen, da die meisten aufgrund der nötigen Umsiedlung bereits weggezogen sind. Elias lernt diese auf der Feier seines Großvaters und am Tag danach kennen und wird aus ihnen nicht richtig schlau. Was machen Menschen wie ein Autoverkäufer und ein Arzt noch im Dorf, wenn es quasi keine Kunden mehr gibt? Als Leser erfährt man in kurzen Zwischensequenzen, dass Elias die ganze Zeit beobachtet wird und diskutiert wird, ob man ihn erschießen soll, man weiß jedoch nicht, wer dahinter steckt. Dadurch weiß man früher als Elias selbst, dass er in großer Gefahr schwebt.

Ich wusste als Leser lange nicht, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln wird. Das Buch nimmt einen langen Anlauf, bevor die Bedrohung konkret wird und man sich in einer für meinen Geschmack ziemlich abstrusen Geschichte wiederfindet. Nichts ist, wie es scheint, und zwar so auffällig, dass ich davon nur wenig überrascht wurde. Die Motivation der Handelnden wurde mir wenig verständlich gemacht, dass es sich um irre Kriminelle handelt musste als Erklärung weitestgehend reichen. Auch Elias’ Verdrängungs- und Erinnerungsmechanismen fand ich wenig realistisch.

Pluspunkte gibt es für die Selbstironie des Autors, zu dem der Protagonist einige auffällige Ähnlichkeiten hat. Elias steht zwar auf den Bestsellerlisten, würde sich aber gern neu erfinden, doch seine Leser erwarten das Bekannte. Schließlich ist es die junge Jessi, die ihm erklärt, dass das Kriterium für ein gutes Buch einzig ist, dass man weiterlesen will, wenn man einmal angefangen hat. Legt man ausschließlich diesen Maßstab an muss ich sagen: Wie diese verrückte Geschichte endet wollte ich tatsächlich dringend wissen.

In „Unter der Erde“ findet sich ein Schriftsteller in einem halb verlassenen Dorf wieder, dessen Bewohner etwas zu verbergen haben. Es ist ein Einzelband, weshalb er sich auch für alle Thriller-Leser eignet, die wie ich noch nichts vom Autor gelesen haben. Für meinen Geschmack war die Handlung zu abstrus, dennoch wollte ich wissen wie es ausgeht, sodass ich knappe drei Sterne vergebe.

Veröffentlicht am 13.03.2020

Sechs Monate Schweigen - Warum?

Hör mir zu, auch wenn ich schweige
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Frank und Maggie sind seit vierzig Jahren verheiratet. Doch seit sechs Monaten hat Frank kein Wort mehr mit seiner Frau gewechselt. Eines Abends reißt ihn das Signal des Rauchmelders aus seinem Schachspiel ...

Frank und Maggie sind seit vierzig Jahren verheiratet. Doch seit sechs Monaten hat Frank kein Wort mehr mit seiner Frau gewechselt. Eines Abends reißt ihn das Signal des Rauchmelders aus seinem Schachspiel gegen den Computer. Er findet Maggie am Küchentisch, wo sie eine Überdosis Tabletten genommen hat. Auf der Intensivstation weicht er nicht von ihrer Seite und erzählt seiner komatösen Frau die Geschichte ihrer gemeinsamen Ehe. Damit will er sich darauf vorbereiten, die Wahrheit für sein Schweigen auszusprechen. Schließlich muss er feststellen, dass auch sie ihm einige Dinge verschwiegen hat.

Zu Beginn des Buches schwirrten jede Menge Fragen in meinem Kopf herum. Warum hat Frank seit sechs Monaten nicht mit Maggie geredet? Warum versucht Maggie ausgerechnet jetzt, sich umzubringen? Was ist zwischen ihnen geschehen? Diese Fragen begleiten den Leser eine ganze Weile, denn erst einmal beginnt Frank, ihre gemeinsame Geschichte zu erzählen, beginnend bei ihrem Kennenlernen.

Beim Rückblick auf ihre Beziehung und Ehe redet Frank offen über Hochs und Tiefs. Er ist nach wie vor dankbar, ihr begegnet zu sein, doch die beiden sind auch durch schwierige Zeiten gegangen. Durch seine Worte spürt man, wie sehr er Maggie noch immer liebt. Gleichzeitig ist das Tempo zügig und auf rund 160 Seiten fasst er vierzig Jahre Ehe zusammen.

Der Clou an der Geschichte ist, dass man im zweiten Teil erfährt, wie Maggie auf die gleiche Zeit blickt. Einige Situationen wurden von beiden völlig unterschiedlich erlebt und interpretiert. Außerdem gibt es einige Dinge, die die beiden einander verschwiegen haben. Stück für Stück entwickelt man eine Ahnung, was vorgefallen sein könnte, das zur jetzigen Situation geführt hat. Gleichzeitig geht es immer wieder darum, ob und in welchem Maß man Schuld an gewissen Entwicklungen ist.

Auch wenn die beiden Dinge erlebt haben, die ich niemandem wünsche, würde ich ihr Leben bis zu einem einige Monate zurückliegenden Punkt als nicht als außergewöhnlich beschreiben. Die Sprache ist sehr emotional, den Verlauf ihrer Ehejahre fand ich jedoch nicht sonderlich fesselnd.

Um das große Warum wird lange herumgeredet und man weiß nur, dass hier noch eine dritte Person involviert ist. Als die Bombe endlich geplatzt ist, war ich enttäuscht. Zum einen fand ich es schade, dass man in das Innenleben der dritten Person nur wenige Einblicke erhält, sodass für mich Puzzlestücke fehlten, um ein Gesamtbild zu erhalten. Zum anderen ist die Geschichte für meinen Geschmack zu melodramatisch geraten und Franks konsequentes Schweigen eine ziemlich ungewöhnliche Reaktion auf das Geschehene.

„Hör mir zu, auch wenn ich schweige“ ist ein Buch für alle Leser, die dramatische und hochemotionale Geschichten mögen. Die Idee des Buches fand ich interessant, meinen persönlichen Geschmack hat die Umsetzung jedoch nur bedingt getroffen.

Veröffentlicht am 24.02.2020

Eine Forschungsreise durch den indischen Subkontinent aus der Sicht eines Waisenjungen

Das Museum der Welt
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Der Waisenjunge Bartholomäus ist im Jahr 1854 etwa zwölf Jahre alt und lebt in einem Waisenheim der Jesuiten in Bombay. Er pflegt eine Freundschaft zu Vater Fuchs, während er Vater Holbein und den anderen ...

Der Waisenjunge Bartholomäus ist im Jahr 1854 etwa zwölf Jahre alt und lebt in einem Waisenheim der Jesuiten in Bombay. Er pflegt eine Freundschaft zu Vater Fuchs, während er Vater Holbein und den anderen Waisen ein Dorn im Auge ist. Eines Tages beschließt er, ein Museum zu gründen, indem er in einer Schachtel Dinge sammelt, die ihn ausmachen. Nachdem die anderen Waisen es zerstört haben, schenkt Vater Fuchs ihm ein Notizbuch, in dem er zukünftigt sein Museum niederschreibt. Zu berichten hat er bald so einiges, denn die Brüder Schlagintweit engagieren ihn für ihre Forschungsreisen. Dabei entdeckt er Erstaunliches, gerät aber auch immer wieder in Gefahr und in Intrigen hinein.

Ich fand die Idee interessant, die Forschungsreisen der drei Brüder Schlagintweit über den indischen Subkontinent aus der Perspektive eines indischen Waisenjungen zu erleben. Diesen lernt man zu Beginn des Buches vor seiner ersten Begegnung mit den Brüdern kennen. Dank seiner Freundschaft zu Vater Fuchs spricht er Deutsch und hat sich ein erstaunliches Wissen angeeignet. Die anderen Waisen grenzen ihn jedoch aus, hänseln ihn und zerstören seinen Besitz, während er von Vater Holbein für jedes Vergehen hart bestraft wird.

Als Vater Fuchs plötzlich verschwindet und niemand ihm etwas über seinen Verbleib sagen will, ist Bartholomäus entschlossen, ihn zu finden. Die Tätigkeit als Übersetzer für die Brüder Schlagintweit ist dabei eine gute Gelegenheit, aus dem Waisenheim herauszukommen und sich in Bombay umzuhören. Doch er will unter keinen Umständen die Stadt verlassen. Bombay ist jedoch nur eine von vielen Stationen für die Brüder, und so ziehen sie schließlich gemeinsam mit dem Waisen sowie auch der Köchin Smitaben, dem Gärtner Devinder und dem Verwalter Hormazd weiter.

Die im Buch beschriebene Reiseroute entspricht den historischen Fakten, während die Figur des Bartholomäus fiktiv ist. Er wundert sich immer wieder über die Forschungsaktivitäten der Brüder, wofür sie sich begeistern können und welche Fragen sie stellen. Für sein Alter ist er erstaunlich klug, was durch die Freundschaft zu Vater Fuchs begründet wird. Viele seiner Überlegungen sind jedoch sehr philosophisch und er widmet sich grundsätzlichen Fragen der Menschheit, womit ich nicht gerechnet hätte und was für mich oft den Schwung aus der Handlung nahm.

Ich hätte es schön gefunden, wenn man auf der abgedruckten Indien-Karte die Reiseroute der Brüder Schlagintweit hätte erkennen können, damit man besser nachverfolgen kann, wo sie sich gerade aufhalten. Auch ein Personenverzeichnis und ein Glossar wäre hilfreich gewesen, denn die Handlung ist komplex und ich fand es zum Beispiel schwierig, einen Überblick über die verschiedenen indischen Bevölkerungsgruppen zu bewahren, die eine Rolle spielen. Einiges hätte gern expliziter erklärt werden können, ich musste für meinen Geschmack zu oft zwischen den Zeilen lesen. Bartholomäus ist bei vielen erstaunlichen Entdeckungen dabei und gerät in mehrere lebensgefährliche Situationen, sodass ich gespannt war, wie er an den Herausforderungen wächst. Durch die Komplexität der Handlung gepaart mit den philosophischen Exkursen hatte ich Schwierigkeiten, in diesen Abenteuerroman einzutauchen.

Insgesamt ist „Das Museum der Welt“ ein Roman, der vor allem für historisch interessierte Leser interessant ist, die sich fragen, wie Forschungsreisen im 19. Jahrhundert wohl von den Einheimischen, die diese begleitet haben, erlebt wurden.