Tolle Welt, tolle Charaktere, gelegentliche Längen in der Handlung
Das Lied der KrähenNachdem ich schon so viel Gutes über „Das Lied der Krähen“ gehört habe, war ich wirklich gespannt und habe es endlich von meinem SuB erlöst! Es geht um sechs Außenseiter, die gemeinsam einen der gefährlichsten ...
Nachdem ich schon so viel Gutes über „Das Lied der Krähen“ gehört habe, war ich wirklich gespannt und habe es endlich von meinem SuB erlöst! Es geht um sechs Außenseiter, die gemeinsam einen der gefährlichsten Magier ihrer Welt aus dem Gefängnis befreien sollen. Angeführt von Kaz Brekker, dem wohl gewieftesten Schlitzohr aller Zeiten, machen sich Inej, Jesper, Wylan, Nina und Matthias auf die beschwerliche Weise … und müssen wohl oder übel zu einem Team werden – denn jeder Fehltritt könnte ihr Verderben bedeuten. Aber können sie sich auch vertrauen?
Die ersten 200 Seiten stand ich auf dem Kriegsfuß mit „Das Lied der Krähen“. Es ist mir unglaublich schwergefallen, richtig in die Geschichte und zu den Figuren zu finden, was ich überhaupt nicht erwartet hätte. Das lag zum einen daran, dass die ersten Kapitel sehr lang sind, jedes hat ungefähr 30 Seiten. Dadurch kommt einem der Einstieg einfach zäh vor, obwohl es sofort spannend beginnt. Ich hätte mir definitiv kürzere Kapitel gewünscht, weil dadurch ein bisschen mehr Dynamik in die Erzählweise gekommen wäre.
Im weiteren Verlauf der Geschichte wurden die Kapitel dann etwas kürzer und auch das Erzähltempo steigerte sich. Immer wieder wurde durch Rückblenden die Vergangenheit der verschiedenen Charaktere beleuchtet, aber mit der Art und Weise bin ich immer noch nicht ganz d’accord. Ich hatte das Gefühl, dass dadurch einfach der Geschichte einiges an Spannung und Tempo genommen wurde. Zwar erhielten die Charaktere dadurch mit der Zeit eine erstaunliche Tiefe, allerdings wurde gefühlt jedes Mal, wenn die Story an Fahrt aufnahm, eine seitenlange Rückblende eingefügt, bis man beinahe vergessen hat, dass da ja ein Cliffhanger existiert.
So schwierig mir der Einstieg fiel, so fasziniert bin ich von der Welt, die Leigh Bardugo erschaffen hat. Ich finde das Konzept der Grischa total interessant, genauso wie die verschiedenen Länder. Es macht Lust darauf, mehr über die Welt zu erfahren, weil sie super durchdacht und komplex ist. Außerdem ist Ketterdam und Kerch einfach der Hammer – ich meine, eine High-Fantasy-Welt mit einer Börse? Das ist schon sehr genial.
Nachdem mir am Anfang die Charaktere nicht sonderlich nah waren – zwar facettenreich und gut ausgearbeitet, aber eine Bindung konnte ich nicht aufbauen – wurde das immer besser, je mehr Seiten ich gelesen habe. Außerdem habe ich mir sagen lassen, dass Band 2 in dieser Hinsicht noch eins draufsetzt. Ich bin total gespannt. Jetzt aber erst einmal meinen Eindruck zu den Charakteren in Band 1. Am Ende mochte ich einfach alle gerne. Ich liebe Jespers lustige Art und mag, dass der ruhige Wylan im Laufe der Geschichte über sich hinauswächst. Seine Entwicklung hat mir einfach sehr gut gefallen. Die gemeinsame Vergangenheit von Nina und Matthias fand ich total spannend, außerdem mussten beide über ihren eigenen Tellerrand hinausblicken, was umso schöner ist, bedenkt man, dass sie beide ziemliche Sturköpfe sind. Die beiden Herzstücke der Geschichte sind aber Inej und Kaz. Beide haben in der Vergangenheit gelitten, beide sind Kämpfer, aber auf ganz unterschiedliche Art und Weisen. Nichtsdestotrotz ergänzen die beiden sich ziemlich gut. Kaz ist zudem ein (kaltes und skrupelloses) Genie. Man will ihn hassen und lieben gleichzeitig.
Leigh Bardugos Schreibstil fand ich gut, aber nicht überragend. Er hat zur Story und zum Setting gepasst und die Geschichte angenehm abgerundet, aber mich nicht vom Hocker gerissen.
Wenn man das Buch beginnt, hat man irgendwie ganz andere Erwartungen an die Handlung und bleibt am Ende mit einer auf den Kopf gestellten Welt zurück. Nach der Hälfte des Buches dachte ich zu wissen, worauf der Schwerpunkt gesetzt wird, allerdings ist es dann am Ende doch ganz anders. Gut gefallen hat mir auf jeden Fall die Vorbereitung der Krähen auf ihren Coup und Kaz ausgeklügelten Plan. Das Buch alleinstehend wäre gute, solide High-Fantasy, wenn ich aber an das Ende denke und daran, dass es einen zweiten Teil gibt, denke ich, dass „Das Lied der Krähen“ lediglich die Grundlage für Band 2 ist und es da erst so richtig zur Sache geht. So, oder so, macht es Lust auf mehr, weil so viel Potenzial enthalten ist, was noch nicht ganz ausgeschöpft wurde, man allerdings das Gefühl hat, dass dies mit Absicht so gehandhabt wurde. „Das Gold der Krähen“ werde ich definitiv auch lesen!
Fazit: Eine faszinierende Welt mit schön ausgearbeiteten Charakteren, allerdings kann das Buch einen nicht von Anfang an mitreißen, sondern erst gegen Ende. Gelegentliche Längen und zu lange Kapitel nehmen stellenweise die Spannung aus der Geschichte. Allerdings macht es Lust auf mehr. Ich vergebe 4/5 Sterne!