Cover-Bild Die Tanzenden
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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Piper
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 240
  • Ersterscheinung: 06.07.2020
  • ISBN: 9783492070140
Victoria Mas

Die Tanzenden

Roman | Das preisgekrönte Literaturdebüt aus Frankreich. Jetzt als Film bei Amazon Prime!
Julia Schoch (Übersetzer)

Eine Hymne auf die Courage aller Frauen – der Bestseller aus Frankreich!

Ganz Paris will sie sehen: Im berühmtesten Krankenhaus der Stadt, der Salpêtrière, sollen Louise und Eugénie in dieser Ballnacht glänzen. Ob die Hysterikerinnen nicht gefährlich seien, raunt sich die versammelte Hautevolee zu und bewundert ihre Schönheit gerade dann, wenn sie die Kontrolle verlieren. Für Louise und Eugénie aber steht an diesem Abend alles auf dem Spiel: Sie wollen aus ihrer Rolle ausbrechen, wollen ganz normale Frauen sein, wollen auf dem Boulevard Saint-Germain sitzen und ein Buch lesen dürfen, denken und träumen und lieben dürfen wie die Männer.

Mit verblüffender Lebendigkeit erzählt Victoria Mas vom Aufbruch derer, die sich nicht zufriedengeben, von berührender Solidarität und unbeirrbarem Mut.

»Ein unentbehrlicher Roman.« Cosmopolitan Frankreich

»Eine der schönsten und augenfälligsten Überraschungen des Jahres!« Le Parisien

»In einer glasklaren Sprache, leicht wie ein Pastell, schreibt diese junge Autorin gegen die männliche Norm an und gibt denen eine Stimme, die man mundtot gemacht und unterdrückt hat.« L’Obs

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.03.2020

Die Frauen der Salpêtrière

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"Die Tanzenden" ist der Debütroman der 1987 geborenen französischen Autorin Victoria Mas. In Frankreich bekam er bereits viel Lob und die Auszeichnung als bestes Debüt des Jahres.

Die Gestaltung des ...


"Die Tanzenden" ist der Debütroman der 1987 geborenen französischen Autorin Victoria Mas. In Frankreich bekam er bereits viel Lob und die Auszeichnung als bestes Debüt des Jahres.

Die Gestaltung des Einbandes ist recht hochwertig. Auf dem Cover des Schutzumschlages ist der Umriss einer Tänzerin mit einem Federrock zu sehen, die bunten Federn glänzen und weisen eine Struktur auf.

Victoria Mas hat sich einem Thema gewidmet, das es verdient hat, wieder mehr ins Bewusstsein gerückt zu werden. "Die Tanzenden" spielt im Paris des Jahres 1885, Frauen hatten damals wenig Möglichkeiten von der Norm abzuweichen und die sah vor, dass sie früh heiraten, Hausfrau und Mutter werden und Männern nicht widersprechen. Schon der Wunsch zu studieren oder das Interesse für Literatur konnte dazu führen, dass eine Frau von ihrem Vater oder Ehemann in die berüchtigte Nervenklinik Salpêtrière eingewiesen wurde und aus ihr gab es meist so schnell kein Entkommen und viele Frauen starben unter den schlechten Umständen in der Klinik auch. Bereits seit 1863 ist dort der bekannte Neurologe Jean-Martin Charcot, der noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts als Wegbereiter der modernen Psychiatrie gefeiert wurde. Er veranstaltet Schau-Vorlesungen für interessiertes Publikum, nicht nur für Ärzte, und präsentiert dort die Hysterikerinnen, wie er alle eingewiesenen Frauen zusammenfassend nennt. Mit Hilfe von Hypnose löst er Anfälle bei ihnen aus und führt vor aller Augen zweifelhafte Behandlungsmethoden an ihnen durch. Eine seiner Probandinnen, Augustine, wird dabei regelrecht zu einem Star und jeder möchte die Präsentationen mit ihr sehen. Sie scheint sich damit zu arrangieren, aber irgendwann ist es zu viel für sie und sie flüchtet aus der Salpêtrière.

Diese Augustine wird auch im Roman am Rande erwähnt, die 16-jährige Louise möchte ihr nacheifern, zumindest auf diesem Wege zu Bedeutsamkeit kommen. Die zweite "Insassin", die im Mittelpunkt des Romans steht, ist Eugénie, Tochter eines gutbürgerlichen Notars. Dieser ließ sie einweisen, weil sie Botschaften von ihrem toten Großvater empfangen hat. Eugénie ist ansonsten eine ganz normale Frau, außer dass sie nicht viel Wert darauf legt, möglichst jung verheiratet zu werden, und sie geht sehr reflektiert mit ihrer Gabe um und möchte gerne mehr über die Hintergründe erfahren. Sobald ihre Familie aber davon Wind
bekommt, ist alles zu spät, mit Übersinnlichem hat man sich einfach nicht zu befassen, und so erfolgt ihre Einweisung. In der Salpêtrière ist Geneviève als leitende Schwester für die Betreuung der Frauen zuständig. Als Tochter eines Arztes hat sie sich schon früh für die Wissenschaft begeistert und da sie als Frau nicht studieren konnte, findet sie ihre Erfüllung jetzt darin, den berühmten Ärzten zumindest assistieren zu können und so bei den Vorlesungen dabei sein zu können. Zu den Patientinnen pflegt sie eigentlich immer ein professionell-distanziertes Verhältnis, doch dann knackt Eugénie ihre harte Schale und die Ereignisse nehmen ihren Lauf.

Der Titel, "Die Tanzenden" kommt daher, dass die Frauen sich, als Eugénie eingewiesen wird, gerade auf ihr Highlight im Jahr vorbereiten, den Kostümball an Mittfasten. Dazu kommen reiche Pariser in die Salpêtrière, um sich an den, ihrer Meinungen nach, Irren in ihren aufwändigen Kostümen zu ergötzen und hoffentlich Anfälle live miterleben zu können. Auch diese Bälle haben wohl wirklich stattgefunden.

Ich fand es auf jeden Fall sowohl interessant als auch erschreckend, in diese Zeit und diesen Ort einzutauchen und an den Schicksalen der Frauen, die ich wirklich nicht beneide, teilzuhaben. Dadurch, dass der Roman weitgehend im Präsens verfasst ist, kommt man den Protagonistinnen sehr nahe und kann sich gut in sie hineinversetzen. Weniger gefallen hat mir, dass Eugénie wegen ihrer Kommunikation mit Toten eingewiesen wurde. So etwas kann ich mir persönlich nur schwer vorstellen. Andererseits ist es jedoch für den weiteren Verlauf der Handlung wichtig. Ich persönlich hätte es aber besser gefunden, wenn sie wirklich nur wegen ihrer unangepassten Art in die Klinik gekommen wäre, was ja das Schicksal relativ vieler Frauen repräsentieren würde. Insgesamt empfehle ich dieses Buch aber gerne an alle weiter, die gerne Romane mit historischen Bezügen lesen. Der Schreibstil der Autorin ist sowohl gut lesbar als auch anschaulich und fesselnd.

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Veröffentlicht am 26.03.2020

Vergangene Zeit, grausame Schicksale und wie sie miteinander verknüpft werden

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Die Tanzenden ist ein Roman von Victoria Mas.

In diesem Roman geht es um Frauen, die sich nicht dem Willen der Männer beugen. Um Kranke, Hysterikerinnen und Rebellinnen. Sie alle wurden in einer ...

Die Tanzenden ist ein Roman von Victoria Mas.

In diesem Roman geht es um Frauen, die sich nicht dem Willen der Männer beugen. Um Kranke, Hysterikerinnen und Rebellinnen. Sie alle wurden in einer Nervenheilanstalt – der Salpêtrière in Paris untergebracht. Man erfährt von ihren Geschichten und erlebt mit ihnen gemeinsam die eine besondere Nacht: die Ballnacht in der alle vereint sind. Aus der ganzen Stadt kommen in dieser Nacht die Menschen um die Frauen der Salpêtrière zu bestaunen.

Das Cover ist unglaublich schön. Es sieht aus wie ein Traum. Die Farbtöne harmonieren super miteinander. Es passt perfekt zum Frühlingsanfang.

Der Schreibstil von Victoria Mas ist wirklich gut.

Mit verblüffender Leichtigkeit wird von brutalem Vergehen an der Weiblichkeit durch die Salpêtrière berichtet. Absolut schockierend – aber dennoch interessant und faszinierend.

Ein gelungenes Debüt von Victoria Mas.

Die Geschichte ist ganz anders als ich sie erwartet habe.

Die Charaktere wirken unheimlich authentisch und in diese Zeit passend.

Beim Lesen habe ich das Gefühl, etwas in den Händen zu halten, das wahr ist.

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Veröffentlicht am 19.03.2020

Poetischer Schreibstil, starke Frauen

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Ich mag das Cover wirklich gerne, weil es durch die lebendigen Farben und die Darstellung einer Tänzerin zunächst so gar nicht zu der Geschichte zu passen scheint, es aber nach der Lektüre doch tut und ...

Ich mag das Cover wirklich gerne, weil es durch die lebendigen Farben und die Darstellung einer Tänzerin zunächst so gar nicht zu der Geschichte zu passen scheint, es aber nach der Lektüre doch tut und vielleicht auch dadurch aus der Masse heraussticht.

Die Geschichte ist anders als man auf den ersten Blick denkt: Eugénie de Cléry passt nicht so richtig in das Bild, das ihr Vater gerne von ihr hätte, weil sie weder heiraten noch sich mit der Rolle als ruhige Hausfrau zufrieden geben will, vor allem aber weil sie mit Toten reden kann. Als sie sich ihrer Großmutter anvertraut, steckt ihr Vater sie, um den Ruf der Familie zu wahren, in die ‚Irrenanstalt‘ Salpêtrière. Dort trifft sie auf die Insassin Louise und die Aufseherin Genèvieve, die sie bittet, sie zu befreien und ihr die Möglichkeit zu geben, in die Gesellschaft zurückzukehren. Auch wenn diese sich zunächst weigert, gipfeln die Ereignisse in dem berühmten Ball vom Salpêtrière, wo die reichen Bürger einen Blick auf die verrückten Frauen werfen wollen und diese sich endlich wieder normal fühlen können…

Ich habe eigentlich gar nichts von der Geschichte erwartet, weil ich weder aus dem Klappentext noch aus der Leseprobe so richtig erfahren konnte, in welche Richtung sich das Buch entwickeln wird und habe ehrlich gesagt mit einer Familiengeschichte gerechnet. Mich hat vor allem das Cover gereizt weniger die Geschichte an sich und bei dieser habe ich auch eine ganze Zeit gebraucht, um wirklich in die Story einzutauchen. Das liegt vor allem daran, dass man sich erst einmal an den Schreibstil gewöhnen muss, besonders wenn man normalerweise andere Literatur liest. Dieser ist sehr leicht, sehr poetisch und lässt einen jeden Satz überlegen. Einen so anderen und gleichzeitig ausdrucksstarken Schreibstil habe ich schon lange nicht mehr erlebt.

Auch die Geschichte an sich ist nach einer Gewöhnungsphase durchaus spannend und interessant. Der Gedanke, dass Frauen im 19. Jahrhundert einfach eingesperrt werden konnten, wenn sie nicht mit den Anforderungen der Gesellschaft konform sind, lässt einen auch darüber nachdenken, inwiefern sich das in der Gegenwart geändert hat oder ob die Mittel vielleicht nicht nur andere geworden sind. Ich habe mit den Protagonistinnen mitgelitten und für alle auf ein besseres Leben gehofft, auch wenn mir von Anfang an klar war, dass es sich nicht für alle erfüllen wird. Besonders die ruhige, zumeist besonnene Art von Genèvieve fand ich sehr angenehm.

Mein größter Kritikpunkt an dem Buch ist wahrscheinlich, dass es wirklich sehr, sehr dünn ist. Man braucht bestimmt ein Drittel des Buches, um in die Geschichte zu finden und dann ist es schon fast wieder vorbei. Vor allem im letzten Abschnitt entwickelt sich die Handlung viel zu schnell, zu abrupt und letztlich auch ein wenig unglaubwürdig. Man hätte die Charaktere vielleicht ein bisschen behutsamer aufbauen und entwickeln können. Dennoch gefiel mir das Ende, weil es die Geschichte perfekt abrundet.

Alles in allem gefiel mir das Buch vor allem wegen des ausdrucksstarken Schreibstils und der ungewöhnlichen Geschichte. Victoria Mas schafft es eindrucksvoll, Frauen eine Stimme zu geben, die eigentlich keine haben und aufzuzeigen, wie schwer es war (vielleicht auch noch immer ist) eine Frau zu sein, die außerhalb einer Norm lebt.

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Veröffentlicht am 08.03.2020

Weggesperrt

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Die Handlung dieses Buches spielt vor über einhundert Jahren in Frankreich, das Thema ist aber leider heute noch weltweit aktuell, leider.

Es geht um diverse Insassinnen einer Nervenheilanstalt, auch ...

Die Handlung dieses Buches spielt vor über einhundert Jahren in Frankreich, das Thema ist aber leider heute noch weltweit aktuell, leider.

Es geht um diverse Insassinnen einer Nervenheilanstalt, auch landläufig manchmal Irrenhaus genannt, und und ihre Familien. Viele der jugendlichen bis alten Frauen gehörten gar nicht dort hin, andere ganz sicher doch.

In nicht so seltenen Fällen wurden Frauen, die sich auflehnten, unbequem waren und nicht alles kommentar- und klaglos hinnahmen, einfach weggesperrt. Aus diesen Einrichtungen kamen sie in der Regel nie wieder heraus. Niemand interessierte sich mehr für sie, keiner kümmerte sich. Umgeben von wirklichen Geisteskranken, vegetierten sie oft jahrzehntelang vor sich hin, bis sie endlich starben. Für viele der Frauen war nach einer gewissen Zeit ein Leben "draußen" auch überhaupt nicht mehr vorstellbar.

Für die dort angestellten Schwestern und Ärzte war der Umgang mit den so verschieden Frauen eine große Herausforderung. Einige stumpften früher oder später ab, aber manche schafften es, ihre Menschlichkeit zu bewahren.

Doch einmal im Jahr gab es immer einen bekannten und von der Pariser Oberschicht gern besuchten Ball. Es war der einzige Lichtblick für die eingesperrten Frauen. Viele von ihnen freuten sich darauf. Einige wollten ihn für einen ganz bestimmten Zweck nutzen. Ob das gelingen konnte?

Interessant, lehrreich, mit einer Botschaft und der bitteren Erkenntnis, dass sich in mancher Hinsicht seit damals nicht viel geändert hat...

"Die Hoffnung stirbt zuletzt."

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Veröffentlicht am 24.07.2020

Weggesperrt und für verrückt erklärt

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Den Roman "Själarnas Ö" von Johanna Holmström, in deutscher Übersetzung als "Die Frauen von Själö" erschienen, habe ich 2019 mit großer Anteilnahme gelesen. Darin geht es um eine Insel im äußeren Schärengürtel ...


Den Roman "Själarnas Ö" von Johanna Holmström, in deutscher Übersetzung als "Die Frauen von Själö" erschienen, habe ich 2019 mit großer Anteilnahme gelesen. Darin geht es um eine Insel im äußeren Schärengürtel vor Turku, auf der es bis 1962 eine Nervenheilanstalt für Frauen gab. Meist wurden sie von ihren Angehörigen eingewiesen, häufig nicht mit einer psychiatrischen Diagnose, sondern wegen Rebellion gegen gesellschaftliche Konventionen.

Eine ganze Reihe von Parallelen, aber auch grundlegende Unterschiede dazu, weist das preisgekrönte Debüt "Die Tanzenden" der 1987 geborenen Französin Victoria Mas auf, das im Hôpital de la Salpêtrière in Paris spielt. In beiden Romanen stehen je zwei Patientinnen und eine Krankenschwester im Zentrum, beide beschäftigen sich mit den Einweisungsgründen und dem Klinikalltag und in beiden leben nur wenige Patientinnen freiwillig, weil ihnen die Einrichtung Schutz vor meist männlicher Gewalt bietet. Doch während die Handlung in "Själarnas Ö" von 1891 bis in die 1930er-Jahre spielt, umfasst sie in "Die Tanzenden" lediglich zwei Wochen im Februar und März 1885 mit einem Epilog 1890. Abgeschottet lebten die Patientinnen hier wie dort, doch gab es in der Salpêtrière zahlreiche Ärzte, an der Spitze 1885 der berühmte Professor Charcot mit seiner Hypnosetherapie, der mit ausgewählten Patientinnen wöchentliche öffentliche Lehrvorstellungen gab. Höhepunkt des Jahres für die Salpêtriere wie für die Pariser Bourgeoisie war der jährliche zu Mittfasten abgehaltene Kostümball, der „Bal des folles“, bei dem man die „Hysterikerinnen“ einem sensationsgierigen Publikum präsentierte.

Zwei Patientinnen, eine Krankenschwester
Während Sigrid, die Krankenschwester auf Själö, ihre Patientinnen empathisch umsorgt und die Grenzen zwischen krank und gesund ständig infrage stellt, ist Geneviève, die ehrgeizige Oberaufseherin der Salpêtrière, distanziert und zweifelt nicht am Konzept ihrer Klinik. Louise, eine 16-jährige Waise, wurde drei Jahre zuvor von ihrer Tante eingeliefert, nachdem ihr Onkel sie missbraucht hatte. Ebenfalls Opfer ihrer Familie ist die rebellische 19-jährige Eugénie aus bürgerlichem Hause, die mit ihrer Geisterseherei eine Bedrohung darstellt:

"Dass sie Verstorbene sah, war ein untrügliches Anzeichen von Wahnsinn. Derlei Symptome führten eine Frau, das wusste Eugénie, nicht zum Arzt, sondern geradewegs in die Salpêtrière. Wer solche Dinge öffentlich erwähnte, dem war die Zwangseinweisung sicher." (S. 54)

Als Eugénie sich trotzdem ihrer Großmutter anvertraute, brachte ihr Vater sie umgehend in die berüchtigte Klinik. Nicht nur für Eugénie ein dramatischer Einschnitt, sondern auch für Geneviève, die durch die Geisterseherin in ihren Grundfesten erschüttert wird:

"Seit einer Woche, seit Eugénie da ist, entgleitet ihr alles, was sie im Griff zu haben meinte. Ein bedrückendes Gefühl, doch sie wehrt sich nicht mehr dagegen. Sie hat versucht, standhaft zu bleiben – umsonst." (S. 136)

Ein zwiespältiges Fazit
Einerseits ist die Geschichte äußerst spannend, gut recherchiert, die Ausrichtung auf den dramaturgischen Höhepunkt in der Ballnacht gelungen. Man merkt, wie sehr die Autorin für ihr Thema und die unterdrückten Frauen brennt. Der Erzählstil ist einfach und liest sich dank des fast konsequent chronologischen Aufbaus leicht, das Cover wunderschön. Leider hat mir aber das Abgleiten ins Okkulte und Spiritistische überhaupt nicht gefallen, weil es einer ansonsten realistischen Handlung die Glaubwürdigkeit raubt. Von der Lektüre abraten möchte ich trotzdem nicht, dazu hat mich der historische Hintergrund zu sehr gefesselt und das Geschehen abseits der Geistergeschichte zu gut unterhalten.