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Veröffentlicht am 17.07.2017

Atmoshpärisch guter Thriller

Teufelskälte
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Mit „Teufelskälte“ liefert der norwegische Autor Gard Sveen den zweiten Psycho-Krimi um den Osloer Kommissar Tommy Bergmann ab – einen verstörenden, aus meiner Sicht extrem gut erzählten Psycho-Thriller, ...

Mit „Teufelskälte“ liefert der norwegische Autor Gard Sveen den zweiten Psycho-Krimi um den Osloer Kommissar Tommy Bergmann ab – einen verstörenden, aus meiner Sicht extrem gut erzählten Psycho-Thriller, der sich zu einem Page-Turner mit Potenzial entpuppt.

Als eine junge Prostituierte auf brutale Weise misshandelt und ermordet wird, fühlt sich Tommy Bergmann auf eine unangenehme Weise an einen alten Fall aus seinen Anfängen bei der norwegischen Polizei erinnert. Damals wurde die junge 15-Jährige Kristiane grausam ermordert und wie Abfall weggeworfen. Ein Fall, der Tommy auch persönlich extrem berührt hat. Kristianes Mörder, Anders Rask, wurde gefasst und in einen psychiatrischen Hochsicherheitstrakt eingesperrt. Die Parallelen zum damaligen Fall erscheinen zu offensichtlich. Gibt es einen Nachahmungstäter, ist alles nur Zufall oder wurde damals der wahre Täter nicht geschnappt? Zusammen mit seiner jungen Kollegin Susanne Bech, einer alleinerziehenden Mutter, beginnt Tommy den Fall neu aufzurollen. Die Zeit drängt: Denn Anders Rask bestreitet, den Mord an Kristiane begangen zu haben - und der Fall soll neu aufgerollt werden. Als Anders aus dem Gefängnis entkommt, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit...

Persönlich empfand ich diesen Thriller als wirklich gut durchdacht, psychologisch ausgereift mit einer vielschichtigen, für den Leser leicht undurchsichtigen Geschichte. Bis zum Schluss rätselt man wirklich, wer der Täter ist - umso überraschender ist das Ende, was sich als ein wahrer Cliffhanger erweist. Insgesamt ist der Roman sehr düster gehalten, was sich auch durch das Setting mitten im Winter von Oslo, durch die Covergestaltung und nicht zuletzt in den Charakteren widerspiegelt. Schon auf den ersten Seiten, als der Leser vom Mordfall Kristiane erfährt, entsteht eine geradezu beklemmende Atmosphäre. Die Morde werden nicht im Detail beschrieben. Es bleibt dem Leser überlassen, sich vorzustellen, welche Grausamkeiten die Opfer erdulden mussten. Aber das genau zeichnet diesen psychologisch feinsinnigen Erzählstil, den ich sehr gut fand, aus. Fast alle Hauptcharaktere, wie Tommy und Susanne, werden in ihren Handlungsmotiven geradezu seziert. So erfährt der Leser, dass Tommy aus einem schwierigen familiären Umfeld stammt und zu Gewaltausbrüchen gegenüber seiner Partnerin neigt. Dass er selbst ins Zielfeld des Mörders aufgrund dieser Vergangenheit gerät, macht die Geschichte aus meiner Sicht faszinierend. Man ist sich niemals ganz sicher, ob Tommy den Täter bereits kennt. Und dieses Katz und Maus Spiel zieht sich bis zum Ende durch. Susanne hingegen ist eine junge, alleinerziehende Mutter, die an sich als Mutter und als Polizistin zweifelt, aber dennoch versucht den Fall durch eigenitiative Ermittlerarbeit zu lösen. Gard Sveen ist es gelungen, den Leser auf eine atmoshphärische Reise in den norwegischen Winter mitzunehmen. Dieser Thriller erweist sich als ein wahrer Page-Turner, der düster beginnt, bald rasant an Fahrt aufnimmt, ein Kaleidoskop unterschiedlicher Motive und möglicher Verdächtiger ausbreitet - und den Leser dadurch nicht so schnell loslässt. Mich hat der Autor jedenfalls überzeugt, die Fortsetzung zu lesen.

Veröffentlicht am 28.11.2020

Es ist nicht einfach erwachsen zu werden

Das lügenhafte Leben der Erwachsenen
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Giovanna ist ein junges pubertierendes Mädchen aus der Mittelklasseschicht Neapels. Musterschülerin, eine behütete Kindheit – die Eltern gebildete Intellektuelle, die durch ihr Auftreten Autorität ausstrahlen ...

Giovanna ist ein junges pubertierendes Mädchen aus der Mittelklasseschicht Neapels. Musterschülerin, eine behütete Kindheit – die Eltern gebildete Intellektuelle, die durch ihr Auftreten Autorität ausstrahlen und eine Vorbildfunktion darstellen. Kurzum: die idealen Eltern, die scheinbar alles perfekt machen und sich für Giovanna ein perfektes, erfülltes Leben wünschen. Bis zu dem Moment, in dem Giovanna aufhört das kleine Mädchen zu sein und zu einer jungen Frau heranreift und dadurch in Konflikt mit ihren Eltern gerät. Was erschütternd ist, dass ihr eigener Vater sie eines Tags mit seiner verhassten Schwester Vittoria vergleicht, der hässlichen Schwester, die aus dem vulgären, einfachen Neapel stammt. Eine Welt, die Giovannas Vater gerne vergessen möchte. Giovannas scheinbar perfekte Welt fängt an zu bröckeln….
Endlich dürfen wir wieder in die Welt von Elena Ferrantes Neapel eintauchen, das sich vor allem durch die Menschen auszeichnet. Ich mag Ferrantes Geschichten, die mir die Menschen aus der Unter- und Mittelschicht Neapels so authentisch und nah vermitteln, als würde man sie persönlich kennen. Und obwohl die Geschichten meist auf den ersten Blick für mich keine epischen Romane zu sein scheinen. So taucht man auf den zweiten Blick ein in diese Stadt, nimmt die Gerüche wahr, die unterschiedlichen sozialen Gegensätze, das Temperament der Menschen… vor allem deren Leben.
Heldin dieses Romans ist Giovanna, die uns von der ersten Seite an in ihre Welt mitnimmt und uns an ihren Gedanken und Beobachtungen teilhaben lässt. Wir erleben hautnah als Leser mit, wie Giovanna aus ihrer scheinbar wunderbaren Welt durch eine unachtsame Bemerkung ihres Vaters herausgerissen wird. Wir erleben ihre Sichtweise durch den Spiegel einer heranwachsenden jungen Frau, die konsequenterweise zwischen ihren Gefühlen hin und her gerissen ist. Trotz des Widerstands ihrer Eltern versucht sie die verhasste Schwester ihres Vaters, Vittoria, kennen zu lernen. Jene Schwester, die aus dem Teil Neapels stammt, den Giovannas Vater vehement leugnet und hinter sich lassen möchte. Giovanna taucht ein in die ihr unbekannte Welt, die ihr immer vertrauter und bald näher als die eigenen Eltern erscheint. Und so werden Vittoria und ihre Bekannten bald Giovannas neue Familie, wenn man das so sagen darf. Ich möchte fast sagen, dass diese beiden Welten, die frühere perfekte Welt ihrer Eltern und die Realität in Vittorias Leben ein Sinnbild für die Zerrissenheit von Giovanna ist. Denn auch sie ist unsicher, trotzig und versucht ihre Grenzen auszutesten, zu provozieren und – wie könnte es anders sein, verliebt sich.
Für mich ist Ferrantes Geschichte eine wunderbar ernste, vielseitige Geschichte des Erwachsenwerdens. Und zwar nicht nur körperlich. Für mich wacht Giovanna aus einer idealtypischen Welt auf, die ihre Eltern um sie geschaffen hatten. Es ist fast schon ironisch, dass es genau die Eltern sind, die diese Welt zerstören. Giovanna lernt immer mehr hinter die Fassade des Lebens ihrer Eltern zu blicken, hinterfragt deren Leben, Beziehungen und Einstellungen und merkt bald, dass diese nicht so perfekt sind, wie es immer den Anschein hatte. Manchmal erkennt man sich ein stückweit selbst in Giovanna wieder. Und vielleicht macht das genau den Zauber ist. Denn Giovanna ist auf ihre Art sehr nahbar und authentisch.
Ich finde, Ferrante hat eine sehr wunderbare nüchterne Art zu schreiben. Ich hatte bei der vierteiligen Saga um Lila und Lelu noch meine Schwierigkeiten mit dem Sprach- und Schreibstil. Hier liest sich für mich die Geschichte aus Sicht von Giovanna von Anfang an flüssig, aber auch sehr unaufgeregt und berührend. Für mich gelingt es der Autorin wunderbar, die Gefühle der jungen Giovanna und deren Verwirrtheit in Worte zu fassen.
Mein Fazit: Für mich ein wunderbar tragisch-herzliches Stück über das Erwachsenenwerden und der Frage nach, dem „Wer bin ich, wenn die scheinbar perfekte Welt meiner Eltern auseinanderbricht“.

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Veröffentlicht am 11.07.2020

Dramatische Liebesgeschichte mit kulturellem Flair

Die sardische Hochzeit
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Sardinien, Anfang der 20iger Jahre, eine Zeit im Umbruch. Italien steht kurz vor der Machtergreifung Mussolinis und die Wunden des Ersten Weltkrieges haben viele junge Männer und deren Familien gezeichnet. ...

Sardinien, Anfang der 20iger Jahre, eine Zeit im Umbruch. Italien steht kurz vor der Machtergreifung Mussolinis und die Wunden des Ersten Weltkrieges haben viele junge Männer und deren Familien gezeichnet. In der Vorgeschichte von Grit Landau’s Roman „Marina, Marina“ wird der Leser nach Sardinien entführt. Eine Insel, die stolze Bewohner hat, die sich nicht wie Italiener fühlen. Aber auch eine Kultur, die in einigen Regionen der Insel immer noch alte teils geheimnisvolle Traditionen pflegt und die an diesen Traditionen festhält: „Unsere Insel.“ – Es ist die Geschichte des jungen Leo Lanteri, der seine ligurische Heimat fluchtartig verlassen muss, um gleichzeitig für seinen Vater ein lukratives Geschäft an Land zu ziehen. Leo hat die traumatischen Erlebnisse des Ersten Weltkrieges noch nicht überstanden, Alpträume plagen ihn. Sardinien ist anders, ihm fremd und anziehend zugleich. Dann begegnet er Gioia, der jungen Tochter seines neuen Geschäftspartners. Gioia steht kurz vor der Hochzeit mit ihrem Jugendfreund. Sie ist eine junge progressive Frau, die sich den familiären und kulturellen Zwängen unterwerfen wird. Beide verlieben sich ineinander. Doch wird ihre Liebe die aktuellen sich anbahnenden politischen Umwälzungen überstehen?
Auch mit diesem Roman hat Grid Landau wieder einen wunderbaren historischen Roman auf hohem erzählerischem Niveau geschaffen. Ich durfte schon „Marina, Marina“ lesen und erfahre hier noch mehr über einige spannende Ereignisse aus der Familiengeschichte der Lanteris. Ich konnte mich wunderbar in die Geschichte einfinden, da ich historische Romane sehr gerne lese. Für mich sind dabei die Atmosphäre wichtig und die handelnden Personen in ihrem zeitlichen Kontext. Man spürt, wie akkurat die Autorin über die damaligen Ereignisse auf Sardinien zur Zeit der Machtergreifung Mussolinis recherchiert hat und ihr gelingt es meiner Meinung nach gut diese geschickt in die Geschichte von Leo und Gioia einzuweben. Ich konnte zeitweise richtig die Bedrohung vor den politischen und sozialen Umwälzungen spüren und hatte mich gefragt, was das für die beiden bedeuten könnte, denn Gioias Vater Antonio ist ein Sympathisant der Faschisten, während Leo auf Sardinien Freunde unter den sozialistischen Gegnern findet.
Ich finde, Grit Landau gelingt es hervorragend die damalige Atmosphäre sprachlich und bildlich einzufangen. Dabei kommt sicherlich zugute, dass sie selbst vor Ort auf Sardinien recherchiert hat und mir als Leser die Handlungsorte authentisch und atmosphärisch näherbringt. Spürbar wird Leos traumatischer Schmerz, der ihn immer wieder durch die Erlebnisse des Ersten Weltkrieges heimsucht. Ich fand diese Passagen sehr aufwühlend und finde, dass man dieses Kapitel der europäischen Geschichte literarisch noch sehr wenig aufgearbeitet hat. Darüber hätte ich gern mehr erfahren, zumal es für mich darin noch einen Aspekt gegeben hat, der mir etwas zu kurz gekommen ist. Aber zu viele Handlungsstränge hätten mitunter den Roman zu komplex gemacht. - Insgesamt sind die Charaktere des Buches sehr gut konzipiert, jeder hat eine begründete Motivation für sein Handeln. Gioia ist mir durch ihre selbstbewusste und moderne Art sympathisch. Anfangs hatte ich mich noch gefragt, ob sie es schaffen kann, aus ihrer durch ihr soziales Umfeld geprägten Rolle auszubrechen. Doch sie hat mich positiv überrascht. Leo ist vor allem ein stolzer junger Mann, der einen starken Familiensinn hat und tief traumatisiert ist – sich aber dennoch durch einen starken Gerechtigkeitssinn auszeichnet.
Wer – allein schon durch den suggerierten Titel und die beiden Hauptcharaktere – eine reine Liebesgeschichte erwartet, wird enttäuscht. „Die Sardische Hochzeit“ ist ein hervorragend eingefangenes kulturelles Bild einer Gesellschaft am Rande des Umbruchs. Man spürt, wie stark Sardinien durch seine alten Traditionen, Sagen und Riten geprägt wird. Für mich ein echter Pluspunkt dieser Geschichte. Das wird unterstützt durch die vielen kleinen Sagen und traditionellen Geschichten, die die Autorin zu Beginn jedes Kapitels einwebt und mich als Leser in diese „fremde“ Welt eintauchen und mich gleichzeitig ein Stück weit an den Denkweisen der Sarden teilhaben lässt. Man versteht gleich viel besser, warum dieses Volk sich im Roman bewusst anders verhält. Es ist aber auch eine dramatische Familiengeschichte, deren unerwartete, ja ich möchte fast sagen, sogar für mich überraschende Wendung sich erst am Ende offenbart. Einen kleinen Punkt Abzug muss ich aber genau an der Stelle machen, wegen einer für mich kleinen Unglaubwürdigkeit in der Handlung – aber insgesamt ist der Gesamteindruck dieses sehr gelungenen Romans sehr positiv.
Mein Fazit: Eine wunderbar dramatisch erzählte Geschichte - eingebettet zwischen Liebesgeschichte, Weltkriegs-Trauma, politisch-sozialen Umwälzungen und der teils fremd wirkenden sardischen Kultur. Man spürt, mit wieviel Herzblut hier die Autorin an der Geschichte gearbeitet hat.

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Veröffentlicht am 16.05.2020

Ein Stoff, aus dem wunderbare Geschichten entstehen

Die Kleider der Frauen
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Die Geschichte beginnt im Jahre 1940, als die junge Schneiderin Estella in eine Aktion des französischen Widerstands gerät und aus Frankreich Hals über Kopf fliehen muss. In New York angekommen, hat sie ...

Die Geschichte beginnt im Jahre 1940, als die junge Schneiderin Estella in eine Aktion des französischen Widerstands gerät und aus Frankreich Hals über Kopf fliehen muss. In New York angekommen, hat sie nur einen Traum: sie will eine erfolgreiche Modedesignerin werden, die aktuelle Mode modernisieren und Kleidungsstücke erschaffen, die Frauen selbstbewusster machen. Als sie den geheimnisvollen Alex begegnet, der für den Geheimdienst arbeitet, beginnt eine tragische Liebesgeschichte, die das Leben von Estella grundlegend verändern wird.
Im zweiten Handlungsstrang geht es um Estella’s Enkelin Fabienne, die durch Zufall auf ein dunkles Familiengeheimnis stößt. Ein Geheimnis, das ihre Großmutter Estella betrifft und eine Geschichte über große Liebe, schweren Verlust und über Mütter erzählt, die für ihre Kinder große Opfer gebracht haben.

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich selten einen Roman aus diesem Genre gelesen habe, der mich so emotional fesseln konnte, und gleichzeitig sehr berührt hat. Hier stimmt aus meiner Sicht einfach alles. Zum einen ist es der flüssige und bildhafte Schreibstil der Autorin, der es mir leicht gemacht hat, in die Geschichte einzutauchen. Zum andern gelingt es der Autorin sehr glaubhaft und packend zwei Zeitebenen so miteinander zu verknüpfen, dass für mich als Leser keine Langeweile aufkommt und die Spannung erhalten bleibt. Denn man lässt sich nicht nur von Estellas Traum anstecken und begleitet sie auf ihrem Weg zum Erfolg in der New Yorker Modeszene, sondern wird auch durch ein sehr komplexes und dunkles Familiengeheimnis gefesselt, was die familiäre Vergangenheit und rätselhafte Herkunft von Estellas Familie betrifft. Ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel verraten. Aber dieses komplexe Geflecht über Lügen, Opfer und die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, waren für mich spannend und emotional erzählt und der Leser darf sich auch auf ein paar überraschende Wendungen freuen. Dahingegen kommt Fabiennes Geschichte fast ein bisschen zu kurz. Dennoch wirkt auf mich alles sehr ausgewogen. Die Liebe zur Mode und der Wille den eigenen Traum leben zu wollen, ist das, was beide starke Frauen letztlich miteinander verbindet. Eine allzu komplex aufgebaute Geschichte von Fabienne hätte wahrscheinlich der ganzen Geschichte nicht gutgetan.

Die Hauptfigur Estella ist für mich eine starke, bewundernswerte Persönlichkeit, die nicht nur für die Mode lebt, sondern auch für ihre Überzeugung und ihren Traum kämpft. Sie ist bereit große Opfer zu bringen – auch für die Liebe. Sie wirkt auf mich sehr authentisch und facettenreich. Überhaupt sind alle handelnden Figuren durchweg komplex, lebendig und glaubwürdig. Die Autorin versteht es auch, reale Persönlichkeiten in die Geschichte einzuweben.
Obwohl ich mich persönlich selbst nicht für Haute-Couture interessiere, fand ich den Einblick in die Modewelt der 40er Jahre in New York spannend erzählt. Die Art und Weise, wie Mode entsteht – von der Idee über die Skizze bis zur Modenschau und welche Herausforderungen gerade in den Anfängen, als New York noch keine Modemetropole war, junge Designer wie Estella überwinden mussten, passen sehr gut in die Geschichte und lassen mich als Leser eintauchen.

Mein Fazit: Insgesamt ein äußerst packender historischer Roman über starke Frauen, die ihren Weg gehen. Über Liebe, Träume und Opfer – und einem Familiengeheimnis. Spannend und unterhaltsam erzählt, vor historischem Hintergrund und der faszinierenden Modewelt New Yorks der 40er Jahre.

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Veröffentlicht am 21.03.2020

Was am Ende wirklich zählt

Eine kurze Geschichte vom Fallen - Was ich beim Sterben über das Leben lernte
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„In solchen Momenten wirkte der Raum still, und alles ist ruhig. Ich habe mein ganzes Leben darauf gewartet, so einen Frieden zu erkennen. Zu erkennen, dass ich nicht mehr bin als dieser Körper.“ (S. 116)
Joe ...

„In solchen Momenten wirkte der Raum still, und alles ist ruhig. Ich habe mein ganzes Leben darauf gewartet, so einen Frieden zu erkennen. Zu erkennen, dass ich nicht mehr bin als dieser Körper.“ (S. 116)
Joe Hammond erzählt die Geschichte seiner eigenen schweren motoneuronischen Erkrankung. Einer unheilbaren Krankheit, die ihm am Ende das Leben kosten wird. Als verheirateter Vater mit zwei kleinen Söhnen hat er alles, was er sich wünschen kann. Er lebt glücklich mit seiner Familie in Portugal, als er eines Tages anfängt seine Beine nicht mehr zu spüren. Der Anfang eines langen schweren Prozesses…
Joe Hammond macht es uns als Leser in seiner autobiographischen Erzählung nicht leicht. Das Buch ist kein Roman über einen Dritten und ich war sehr gespannt darauf, was mich erwartet, als ich den Klappentext und die Leseprobe gelesen hatte. Mir war klar, dass wird keine leichte Erzählung. Denn der Autor ist selbst Betroffener und erzählt in klaren, ehrlichen, selbstreflektierenden Worten, wie ihn eine tödliche Krankheit Stück für Stück seiner Lebensqualität und seiner Würde beraubt. Dennoch verliert Joe nie den Humor und auch nicht den Kontakt zu denjenigen, die er am meisten liebt – seiner Familie. Es bleibt am Ende offen, was aus ihm geworden ist. Aber jeder Leser kann sich den Ausgang nach den schonungslosen Schilderungen ohnehin vorstellen. Es bleibt eine Lücke zurück und die Gewissheit, wie schnell alles vorbei sein kann und man am Ende womöglich genug Zeit hat, wie Joe, dem eigenen Verfall bei vollem Bewusstsein zuzuschauen. Obwohl ich ehrlich sagen muss, dass ich mit der Schreibweise und auch der teilweise sprunghaften Handlung so meine Schwierigkeiten hatte, fand ich die Erzählung insgesamt erschütternd und bewegend. Der Autor reflektiert viel, berichtet über die Beziehung zu seiner Familie, dem schwierigen Verhältnis zu seinen Eltern und wie er selbst sich mit der Krankheit abfindet. Teilweise ist er sehr metaphorisch, was sicherlich nicht jedem Leser entgegenkommt und es auch nicht jedem mit der Lektüre leicht macht. Aber darauf kommt es ihm hier sicherlich nicht an. Der Autor möchte Mut machen und zum Nachdenken über das Leben und seinen Sinn anregen. Und wenn man bedenkt, dass er das Buch schrieb, als er schon längst am Rollstuhl gefesselt und künstlich ernährt wurde, ist das eine bemerkenswerte Leistung. Und das ist für mich die entscheidende Quintessenz, die das Buch für mich lesenswert macht: nie den Mut zu verlieren und in jedem Augenblick das Leben zu genießen.
Mein Fazit: Ein schonungslos, ehrlicher und tief bewegender Roman über das Leben, der Mut gibt.

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