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Veröffentlicht am 04.01.2017

Ein Neuanfang für Bartholomew

Die Sache mit dem Glück
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Der neununddreißigjährige Bartholomew hatte noch nie einen Job. Sein ganzes Leben lang hat er bei seiner Mutter gelebt und sie in den letzten Jahren, als der Krebs sie immer verwirrter werden ließ, gepflegt. ...

Der neununddreißigjährige Bartholomew hatte noch nie einen Job. Sein ganzes Leben lang hat er bei seiner Mutter gelebt und sie in den letzten Jahren, als der Krebs sie immer verwirrter werden ließ, gepflegt. Doch nun ist seine Mutter tot. Als Bartholomew im Zimmer seiner Mutter einen Brief von Richard Gere findet, in dem er zum Boykott der Olympischen Spiele in Tibet aufruft, beschließt Bartholomew, ihm zu schreiben. Über seine Mutter, die ihn vor ihrem Tod immer häufiger Richard nannte. Über Father McNamee, der auf eine Anweisung von Gott wartet und in der Zwischenzeit dem Alkohol zuspricht. Und über die Jungthekarin, die er schon lange in der Bibliothek beobachtet, ohne sich zu trauen, sie anzusprechen. Bartholomew weiß, dass sein Leben alles andere als normal ist, doch er sieht die Zeit gekommen, es endlich selbst in die Hand zu nehmen…

Die Geschichte dieses Buches wird ausschließlich in Briefen von Bartholomew an Richard Gere geschildert. Zu Beginn schildert Bartholomew die Gründe für diese Entscheidung. Weil seine Mutter ihn in ihren letzten Tagen nur noch mit Richard ansprach, hatte Bartholomew das Gefühl, selbst vorübergehend Richard Gere zu sein und seine eigentliche Persönlichkeit ablegen zu können. Nun erhofft er sich von Richard Gere Unterstützung bei einem Neuanfang. Ob er seine Briefe je abschickt, ist ungewiss und eigentlich auch nicht wichtig, denn schnell wird klar, dass Bartholomew diese Briefe schreibt, um seine Gedanken zu ordnen und sich selbst mithilfe eines imaginären Unterstützers Mut zuzusprechen. Wirkte das Stilelement am Anfang noch ungewöhnlich, wurde schnell deutlich, dass dies genau der richtige Weg war, um die Geschichte dieses ungewöhnlichen Mannes zu erzählen.

Bartholomew ist mir schnell ans Herz gewachsen. Er ist intelligent und hat ein riesiges Herz, verhält sich aber gleichzeitig auch naiv und verschließt seine Augen vor bestimmten Wahrheiten. Umso erstaunlicher ist die Entwicklung, die er in der Geschichte durchmacht und die das Herzstück des Buches ist. Er muss lernen, ohne seine Mutter zurechtzukommen und über seinen eigenen Schatten springen. Während er auf die ersten Veränderungen in seinem Leben nach dem Tod seiner Mutter noch kaum Einfluss nimmt, wird er selbst immer aktiver und mutiger. Dabei legt er eine starke und oft philosophische Selbstreflexion an den Tag.

Bartholomew ist nicht die einzige ungewöhnliche Persönlichkeit in dieser Geschichte. Matthew Quick hat interessante Nebenfiguren geschaffen, die nicht immer sympathisch sind, mit ihrem Verhalten aber zum Nachdenken anregen. Besonders unentschlossen war ich darüber, was ich von Father McNamee halten soll, der eher auf eigenes Bestreben bei Bartholomew einzieht und psychisch schwer erkrankt ist. Ist er wirklich der richtige, um Bartholomew in dieser schwierigen Zeit zu helfen? Auch bei anderen Charakteren, die auf den ersten Blick völlig durchschnittlich wirken, offenbaren sich ungeahnte Probleme. Sie haben allesamt kein einfaches Leben und unterstützen Bartholomew doch auf ihre Weise. So entsteht eine ganz besondere Geschichte über Zusammenhalt, Freundschaft und die Launen des Schicksals – oder ist das alles doch aufgrund von Synchronizität geschehen? Bartholomew ist von letztem überzeugt, während ich die Verkettung der zahlreichen Zufälle und Begegnungen eher unrealistisch fand.

„Die Sache mit dem Glück“ erzählt die Geschichte von Bartholomew, der nach dem Tod seiner Mutter einen Neuanfang wagen muss. Das Buch überzeugt vor allem durch ungewöhnliche Charaktere und die Entwicklung, die sie durchmachen. Die Geschichte ist zudem von Philosophie und Psychologie geprägt. Mich hat sie ins Nachdenken bringen können, weshalb ich gute vier Sterne vergebe.

Veröffentlicht am 04.01.2017

Neue Geschichten aus Mercy Falls

Ruht das Licht
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Sam hat die Meningitis-Infektion überlebt und damit den Wolf in ihm besiegt. Jetzt kann er für immer bei Grace bleiben. Doch der geht es zunehmend schlechter, und kein Arzt kann sagen, woran das liegt. ...

Sam hat die Meningitis-Infektion überlebt und damit den Wolf in ihm besiegt. Jetzt kann er für immer bei Grace bleiben. Doch der geht es zunehmend schlechter, und kein Arzt kann sagen, woran das liegt. Hat es etwas damit zu tun, dass sie als Kind gebissen wurde, sich aber nie verwandelt hat? Währenddessen verwandelt sich der erste von Becks neuen Wölfen, Cole, in einen Menschen zurück. Nach der Rückverwandlung bricht er ausgerechnet ins Haus der Culpepers ein. Zum Glück findet Isabel ihn vor ihrem Vater. Doch welches Geheimnis verbirgt Cole, und warum möchte er so unbedingt ein Wolf sein?

Nachdem der erste Band, „Nach dem Sommer“, vorerst ein Happy End bot, war ich gespannt, welche neuen Geschichten rund um die Wölfe von Mercy Falls mich in diesem Buch erwarten. Nachdem Grace und Sam im ersten Band im Mittelpunkt standen, spielen nun auch Cole und Isabel eine größere Rolle.

Grace und Sam genießen erst einmal ihre Zweisamkeit. Sam muss nun erst einmal mit dem Gedanken zurechtkommen, für immer ein Mensch zu bleiben, und die beiden müssen überlegen, was sie in Zukunft machen wollen. Ein College besuchen oder in Mercy Falls bleiben? Die beiden haben mir zusammen wieder gut gefallen. Bald wird ihr Glück aber von Grace mysteriöser Krankheit getrübt und ich war gespannt, ob herausgefunden werden kann, was ihr fehlt. Ziemlich genervt hat mich dabei die Reaktion von Grace Eltern. Ihren plötzlichen 180-Grad-Stimmungswandel gegenüber Sam fand ich nicht nachvollziehbar und ihre Entscheidungen ziemlich überzogen. Dass sie mit ihrem Verhalten alles nur noch schlimmer machen, ist ihnen offensichtlich keine Sekunde lang in den Sinn gekommen.

Der neue Charakter Cole wirkt zunächst geheimnisvoll. Wer ist er, und warum hat er sich entschlossen, ein Werwolf zu werden? Nach und nach erfährt man in Rückblicken mehr über seine Vergangenheit. Damit sammelt er nicht unbedingt Sympathiepunkte, trotzdem konnte mich seine freche und sarkastische Art unterhalten. Vor allem bei seine Begegnungen mit Isabel laufen ständig aus dem Ruder, und ich war neugierig, in welche Richtung sich das Verhältnis der beiden entwickeln wird. So manche wichtige Frage zu seiner Person war am Ende des Buches allerdings noch immer offen, was ich schade fand. Hat sich die Autorin diese Enthüllungen für den dritten Teil aufgehoben?

Insgesamt umfasst dieses Buch einen ziemlich kurzen Zeitraum und obwohl ich das Buch sehr schnell gelesen habe hatte ich oft das Gefühl, dass die Handlung nur sehr langsam voran schreitet. Über Olivia, Beck und den dritten neuen Wolf erfährt man so gut wie nichts Neues und es werden manche Themen kurz angeschnitten, dann aber wieder fallen gelassen. Das hat auf mich stark den Eindruck gemacht, als wolle sich die Autorin noch Stoff für den dritten Teil aufsparen. Zum Ende hin wird die Geschichte dann doch noch einmal dramatisch, doch das konnte mich leider nicht so fesseln wie die Entwicklungen im Vorgängerband.

„Ruht das Licht“ erzählt neue Geschichten rund um die Wölfe von Mercy Falls, und neben Grace und Sam stehen vor allem der neue Wolf Cole und Isabel im Mittelpunkt. Die Geschichte ließ sich schnell lesen, dennoch konnte sie für mich sowohl in Sachen Romantik als auch in Sachen Spannung nicht ganz an den Vorgänger herankommen. Insgesamt wurde ich aber gut unterhalten, sodass das Buch ganz knapp vier Sterne von mir erhält. Wen „Nach dem Sommer“ begeistern konnte, der kann mit „Ruht das Licht“ nichts falsch machen und nach Mercy Falls zurückkehren.

Veröffentlicht am 04.01.2017

Wohlfühl-Familiengeschichte rund um die Tuchvilla

Die Tuchvilla
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Im Herbst 1913 wird die Waise Marie das neue Küchenmädchen in der imposanten Tuchvilla der Familie Melzer in Augsburg. Damit steht sie in der Hierarchie der Bediensteten ganz unten und muss sich deren ...

Im Herbst 1913 wird die Waise Marie das neue Küchenmädchen in der imposanten Tuchvilla der Familie Melzer in Augsburg. Damit steht sie in der Hierarchie der Bediensteten ganz unten und muss sich deren Achtung erst erkämpfen. Doch bald erregt sie das besondere Interesse der Tochter des Hauses. Katharina wird in der kommenden Ballsaison in die Gesellschaft eingeführt, während ihre ältere Schwester Elisabeth noch immer auf einen Antrag wartet. Auch deren Bruder Paul wird bald auf Marie aufmerksam. Doch warum reagiert sein Vater so ungehalten, wenn das Gespräch auf sie kommt?

Das Cover des Buches verspricht eine Familiengeschichte vor winterlicher Kulisse. Das Buch beginnt zwar im Herbst, spielt dann aber tatsächlich lange Zeit im verschneiten Augsburg und endet im Juni 1914 kurz nach dem Attentat von Sarajewo. In diesem Zeitraum wird man als Leser Zeuge all der kleinen und großen Dramen, die sich unter den Bediensteten und der Familie Melzer abspielen.

Marie ist die zentrale Person der Geschichte, und das Buch beginnt mit ihrer Ankunft in der Tuchvilla. Von Beginn an merkt man, dass sie ein für ein Küchenmädchen großen Stolz besitzt und sich nicht unterkriegen lässt. Schnell lernt man aber auch andere Charakterzüge kennen, erfährt mehr über ihr künstlerisches Talent und ihre Aufrichtigkeit. Auch die Mitglieder der Familie Melzer und die anderen Bediensteten werden ausführlicher vorgestellt. Dabei erhalten vor allem die Familienmitglieder mehr Tiefe, während die Bediensteten eher einfach gestrickt sind.

Das Erzähltempo des Buches ist ruhig. Es gibt einige größere und abrupte Umbrüche, den Großteil des Buches machen aber kleinere Veränderungen und alltägliche Höhen und Tiefen aus. Obwohl das Buch immer wieder Sprünge macht, nicht zu sehr lange in einer Szene verharrt und mit einem dreiviertel Jahr einen überschaubaren Zeitraum umfasst, kommt es im Nu auf 700 Seiten, da zahlreiche Erzählstränge über die verschiedensten Charaktere immer wieder aufgegriffen und weitergeführt werden. Auch wenn ich immer wieder Probleme hatte, mich in die Personen einzufühlen und ihre Entscheidungen nachzuvollziehen, lässt sich das Buch zügig lesen und konnte dabei unterhalten.

Das Buch spielt zu einer Zeit, in der es klare Regeln für Erziehung und Haushaltsführung gab, doch vor allem die jungen Leute begehren gegen diese starren Vorschriften auf. So erlebt man als Leser eine Zeit des Umbruchs, in der es immer wieder zu emotionalen, auch romantischen Momenten kommt. Historische Ereignisse werden dabei eher zur Nebensache, denn die Verstrickungen innerhalb der Tuchvilla und vor allem der Weg der Waisen Marie stehen im Mittelpunkt dieser Geschichte.

„Die Tuchvilla“ bietet eine Wohlfühl-Familiengeschichte, in der die Liebe nicht nur fällt, wohin sie will, sondern auch ein Geheimnis aufgedeckt werden will. Zwar fiel es mir immer wieder schwer, mich in die Charaktere hineinzuversetzen, diese machen aber innerhalb kurzer Zeit interessante Wandlungen durch. Für eine gemütliche Winterlektüre ist das Buch bestens geeignet.

Veröffentlicht am 04.01.2017

Neue Herausforderungen warten auf Don

Der Rosie-Effekt
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Don ist inzwischen mit Rosie verheiratet und die beiden leben gemeinsam in New York. Doch einige Monate nach ihrer Hochzeit überschlagen sich die Ereignisse, denn Rosie wird ungeplant schwanger. Doch damit ...

Don ist inzwischen mit Rosie verheiratet und die beiden leben gemeinsam in New York. Doch einige Monate nach ihrer Hochzeit überschlagen sich die Ereignisse, denn Rosie wird ungeplant schwanger. Doch damit nicht genug, denn Gene hat sich von Claudia getrennt und möchte auf Einladung von Don zu den beiden ziehen, was Rosie so gar nicht passt. Don versucht, sich auf seine Rolle als Vater vorzubereiten und gleichzeitig alle Probleme zu lösen, die aber nur mehr statt weniger werden. Das bringt ihn mehr als einmal bis an die Grenze eines zerebralen Systemabsturzes und darüber hinaus…

Nachdem mich das „Rosie-Projekt“ im letzten Jahr begeistern konnte, hatte ich gar nicht mit einer Fortsetzung gerechnet, denn die Geschichte war in sich abgeschlossen und das Ende hatte mir gefallen. Als ich davon hörte, dass es nun eine Fortsetzung gibt, war ich dementsprechend kritisch. Schließlich hat meine Neugier aber gesiegt und ich wollte unbedingt wissen, welche neuen Herausforderungen in diesem Buch auf Don warten.

Das Buch setzt einige Monate nach den Ereignissen des ersten Bandes ein. Dons und Rosies erste Zeit in New York ist offensichtlich ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen. Doch nun überschlagen sich die Ereignisse. Daran ist vor allem Rosies mehr oder weniger ungeplante Schwangerschaft Schuld. Schon Dons erste Reaktion auf Rosies Schwangerschaft ist unterhaltsam schräg und macht klar, dass die kommenden neun Monate für ihn zu einer echten Herausforderung werden. Zusätzlich muss Don auch noch mit verschiedensten anderen Problemen auseinander setzen. Durch den Strudel der Ereignisse zog die Geschichte im Nu in seinen Bann.

Dons ungewöhnliche Denkweise und die oft skurrilen, unterhaltsamen Reaktionen, die sich daraus ergeben, haben mich erneut bestens unterhalten können. Um Rosie und seine Freunde zu unterstützen, wählt er oft unkonventionelle Wege. Diese führen leider meist nicht zum gewünschten Ergebnis, und in der Folge braut sich allmählich eine mittlere Katastrophe zusammen. In einigen Situationen fand ich Dons Verhalten und die Reaktion seiner Umwelt allerdings sehr übertrieben. Außerdem kommt Rosie mir in diesem Buch trotz ihrer Schwangerschaft etwas zu kurz, vor allem vermisste die besonderen Momente zwischen ihr und Don, die im Vorgänger echte Highlights waren.

Gut gefallen haben mir die Geschichten rund um die Männerfreundschaft zwischen Don, Gene, Dave und dem in die Jahre gekommenen Rockstar George. Dons Freunde haben alle ihre ganz eigenen Probleme, und Don sieht sich in der Verantwortung, auch ihnen zu helfen. Doch auch im Setzen von Prioritäten muss Don noch viel lernen, und so tragen seine Hilfsversuche zum unterhaltsamen Chaos seines Lebens bei, das ihn an den Rand der Überforderung bringt und schließlich Schritt für Schritt gelöst werden muss.

In „Der Rosie-Effekt“ muss Don sich damit auseinander setzen, Vater zu werden, und gleichzeitig noch einen ganzen Haufen an Problemen lösen, an deren Entstehung er selbst nicht ganz unbeteiligt war. Die schrägen Situationen, zu denen es durch sein ungewöhnliches Verhalten kommt, konnten mich erneut unterhalten. Trotzdem kommt das Buch nicht ganz an den Charme seines Vorgängers heran. Doch wen Don schon „Das Rosie-Projekt“ begeistern konnte, dem kann ich nur den Tipp geben: Lesen!

Veröffentlicht am 04.01.2017

Geschickte Verknüpfung der Perspektiven zweier starker Frauen

Die Erfindung der Flügel
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Charleston, 1803: An ihrem elften Geburtstag erhält Sarah Grimké, die Tochter eines Plantagenbesitzers, die Slavin Hetty „Handful“ Grimké als Geschenk. Sie soll ihr als Kammerzofe zur Hand gehen. Doch ...

Charleston, 1803: An ihrem elften Geburtstag erhält Sarah Grimké, die Tochter eines Plantagenbesitzers, die Slavin Hetty „Handful“ Grimké als Geschenk. Sie soll ihr als Kammerzofe zur Hand gehen. Doch Sarah ist die Sklaverei verhasst. Erst versucht sie, das Geschenk abzulehnen, dann, Handful die Freiheit zu schenken. Ihre Versuche werden von ihren Eltern vereitelt, stattdessen bringt Sarah Handful verbotenerweise das Lesen bei. Neben ihrem Wunsch, die Sklaverei abzuschaffen, hat sie auch für sich selbst größere Pläne als die einer Hausfrau und Mutter: Sie will Anwältin werden. Als Kind wird sie für ihre Ideen ausgelacht, doch Sarah ist bereit, einen steinigen Weg zu gehen, um sich selbst und ihre Ideen verwirklichen zu können.

Zu Beginn der Geschichte lernt der Leser Sarah und Handful kennen, aus deren Sichten die Geschichte abwechselnd erzählt wird. Durch die Ich-Perspektive beider Sichten fühlte ich mich schnell mit den beiden Mädchen verbunden, deren Leben nicht unterschiedlicher sein könnte, obwohl sie unter demselben Dach leben. Die rebellische Sarah kann sich so manches erlauben und hat nur die Zurechtweisung durch ihre Eltern zu befürchten, während grobe Fehltritte von Sklaven auch mit Peitschenhieben oder dem Arbeitshaus bestraft werden können. Trotzdem leidet auch Sarah unter ihrer Rolle als Frau, die ihr nicht erlaubt, ihrem Berufswunsch nachzukommen. Die eindringlichen Worte der Geschichte ließen mich mit beiden Mädchen mitfühlen. Ich freute mich mit ihnen über jeden noch so kleinen Erfolg, den sie verbuchen konnten und durchlitt mit ihnen jeden herben Rückschlag.

Die Geschichte ist sicherlich keine leichte Kost. Das Thema städtische Sklaverei wird schonungslos angesprochen, und vor allem durch Handfuls Augen erfährt man, was es heißt, das Eigentum von jemand anderem zu sein. Indem die Autorin auch Handful eine Stimme gibt, konnte ich als Leserin das Geschehen durch sie noch einmal aus einem ganz anderen Blickwinkel sehen. Handfuls fiktive Geschichte wurde von der Autorin geschickt mit Fakten über die historische Person der Sarah Grimké verknüpft, wobei die Autorin sich auch bei Sarah einige Freiheiten erlaubt hat. In der Rolle der Tochter des Hauses kann Sarah gegen diese Missstände jedoch nur wenig ausrichten. Dies soll sich später ändern. Der Leser sieht Sarah heranwachsen, begleitet sie durch ihre Kindheit und jungen Erwachsenenjahre und kann so nachvollziehen, warum Sarah die Entscheidungen trifft, die sie schließlich zu einer der berühmtesten und berüchtigtsten Frauen ihrer Zeit machen werden.

Die Geschichte macht immer wieder größere Zeitsprünge, sodass der Leser Sarah und Handful in hohem Tempo heranwachsen sieht. Der Fokus der Geschichte liegt dabei vor allem auf bedeutsamen Ereignissen im Leben der beiden, die ihren weiteren Weg prägen. Da die Autorin sich weitestgehend an die historischen Fakten gehalten hat, zog sich dies für mich jedoch vor allem im Mittelteil ein wenig in die Länge, als Sarah nach dem rechten Platz für sich selbst sucht und sich mehrfach umentscheidet. Über ihr Leben am Höhepunkt des Erfolgs hätte ich hingegen gern noch ein wenig mehr erfahren. Den Zeitpunkt, an dem die Geschichte des Buches schließlich endet, fand ich sinnvoll und gut gewählt, denn hätte die Autorin Sarahs ganze Lebensgeschichte bis zum Ende erzählen wollen, wäre dieses Buch sicherlich noch um einiges dicker geworden.

„Die Erfindung der Flügel“ zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass das Thema städtische Sklaverei schonungslos angesprochen wird. Durch die Perspektive der fiktiven Handful erlebt man die Schrecken der Sklaverei und ersten Ansätzen der Rebellion von Sklaven aus erster Hand. Durch die Perspektive der historischen Person Sarah Grimké erfährt man, wie sie vom kleinen Mädchen, das ihre Kammerzofe befreien möchte, zu einer einflussreichen Kämpferin gegen die Sklaverei und für Frauenrechte wird. Wer sich für diese Thematik interessiert, dem empfehle ich diese Geschichte, die mich durch die geschickte Verknüpfung von Fakten und Fiktion fesseln konnte, gerne weiter!