Wunderbarer Familienroman über eine Großmutter und ihre Enkelin - bodenständig, authentisch und lebensklug
Ruth van Renning und ihre Enkelin Sara haben eine ganz besondere Beziehung zueinander. Sara arbeitet als Ärztin, hat einen kleinen Sohn und erhält die Möglichkeit, in England in ihrer beruflichen Karriere ...
Ruth van Renning und ihre Enkelin Sara haben eine ganz besondere Beziehung zueinander. Sara arbeitet als Ärztin, hat einen kleinen Sohn und erhält die Möglichkeit, in England in ihrer beruflichen Karriere einen großen Schritt nach vorn zu machen. Ihre Großmutter Ruth lebt mit dem sturen Großvater Walter in einer Wohnanlage für betreutes Wohnung auf Burg Winnenthal, wo sie sich sehr wohlfühlt und die vielen sozialen Kontakte zu ihren Mitbewohnern und das gemeinsame Singen genießt, während Walter sich nach dem eigenen Haus zurücksehnt. Bei ihren Besuchen auf der Burg tauschen sich Sara und Ruth regelmäßig aus, sprechen über die Gegenwart wie aktuelle Ereignisse auf der Burg, aber auch über Ruths Vergangenheit und ihre Ehe, in der es für Ruth alles andere als einfach war und ist. Auch Sara hat mit Problemen zu kämpfen und muss endlich eine Entscheidung treffen....
Anne Gesthuysen schreibt sehr angenehm: verständlich, klar und direkt. Der Roman liest sich unkompliziert und flüssig. Die Autorin erzählt aus unterschiedlichen Perspektiven, mal steht Saras aktuelle Situation im Fokus, dann werden Ereignisse aus Ruths Leben in Rückblenden geschildert. Vieles, was in der Vergangenheit der Familie passiert ist, erfährt der Leser auch über Gespräche der Figuren untereinander. Diese Erzählweise macht den Roman sehr lebendig und abwechslungsreich. Definitiv eine sehr interessante, nicht alltägliche Familiengeschichte.
Die Hauptfiguren Ruth und Sara werden ausführlich und sehr plausibel dargestellt. Beide befinden sich im Zwiespalt, Ruth führte eine unglückliche Ehe, musste aber stets Verantwortung für einen Sohn tragen. Sara möchte beruflich Karriere machen, aber gleichzeitig für ihren Sohn und Freund Lars da sein. Beide wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen, sind auf der Suche nach ihrem richtigen Weg. Sie zweifeln und das macht sie nachvollziehbar und sympathisch. Je mehr man über die beiden Frauen erfährt, desto verständlicher wird ihr Verhalten, desto intensiver fühlt der Leser mit ihnen. Besonders sind auch die Bewohner der Burg Winnenthal, sie zählen keineswegs zum alten Eisen. Unter ihnen finden sich einige erfrischende „Originale“ mit ganz viel geballter Lebenserfahrung, allen voran die lebenslustige Ottilie Oymann. Weniger angenehm erscheinen dagegen die Männer in Ruths Familie, ihr inflexibler Ehemann, mit dem ich aber trotz allem auch irgendwie Mitleid hatte, und der tyrannische Schwiegervater Berthold.
Mädelsabend ist ein großartiger Roman über zwei Frauen aus unterschiedlichen Generationen, die fest in ihrer Familie verwurzelt sind, über eine Familie, in der vieles alles andere als optimal, aber auch manches gut läuft und darüber, dass es sich nicht lohnt zu hadern, sondern das Leben so zu nehmen, wie es ist und war und das Beste daraus zu machen.
Ein Buch wie ein anregendes Gespräch bei Kaffee und Kuchen mit einer netten, lebenserfahrenen Großmutter, die verstanden hat, worauf es im Leben wirklich ankommt. Klug, authentisch, absolut empfehlenswert.