Tiefgründiger New Adult-Roman mit außergewöhnlicher Hauptthematik
Schon viel Positives hatte ich über das schriftstellerische Talent von Autorin Bianca Iosivoni gehört und freute mich unbändig über die Gelegenheit, mir endlich selbst eine Meinung diesbezüglich bilden ...
Schon viel Positives hatte ich über das schriftstellerische Talent von Autorin Bianca Iosivoni gehört und freute mich unbändig über die Gelegenheit, mir endlich selbst eine Meinung diesbezüglich bilden zu können. Im Rahmen einer Leserunde durfte ich ihr aktuelles Werk "Feeling Close To You" lesen, welches den zweiten Band der "Was auch immer geschieht"-Reihe darstellt. Aufgrund der vielversprechenden Leseprobe, die mir einen soliden Einblick in die Story vermittelt hatte, ahnte ich bereits im Vorfeld, dass dieses Buch mir in Sachen Schreibstil, Handlungsaufbau und Ausarbeitung der Figuren außerordentlich gut gefallen würde. Ich war gespannt wie ein Flitzebogen, ob ich mit meinem Eindruck recht behalten sollte und wurde nicht enttäuscht. Tatsächlich habe ich mir nach wenigen Kapiteln zusätzlich Band 1 der Dilogie bestellt ("Finding Back To Us"); beide Werke haben jeweils eine in sich geschlossene Handlung und können unabhängig voneinander gelesen werden.
Das traumhaft schöne Cover besticht mit einem zarten Blauton, der mit einem von goldenen Elementen durchzogenen Marmorhintergrund kombiniert worden ist. Diese optisch sehr ästhetische Gestaltung mag zwar nicht auf die Thematik Gaming schließen lassen, welche ein zentrales Element der Geschichte ist, wirkt jedoch äußerst geschmackvoll, elegant und einfach zeitlos schön. Auch der Glanzdruck des Buchtitels trägt zum edlen Eindruck bei. Das Cover ist definitiv ein Eyecatcher, auch bzw. vor allem in Kombination mit dem Vorgängerband, dessen Gestaltung hier in Form einer Spiegelung aufgegriffen worden ist. Meiner Meinung nach war es ein cleverer Schachzug, keine auf Videospielen basierende Coverabbildung zu wählen, da dies womöglich eine abschreckende bzw. einschüchternde Wirkung auf Leser/innen hätte haben können, die sich bisher wenig oder gar nicht mit Gaming beschäftigt haben. Ich selbst bin z.B. auch keine erfahrene Zockerin, im Gegenteil – und an einen Roman im optischen Videospiel-Gewand hätte ich mich wahrscheinlich nicht herangewagt. Zum New Adult-Genre hingegen passt das hübsche Cover ideal!
Teagan steht kurz vor ihrem Highschool-Abschluss. Sie ist die klassische Außenseiterin, weil sie anders ist als der Durchschnitt. Rein optisch hebt sie sich durch ihren casual style von ihren Mitschülern ab – selbstbewusst trägt sie ihre Tattoos und ihre neonlila gefärbten Haare zur Schau, während alle um sie herum eher dem Barbie und Ken-Ideal nachstreben. Auch charakterlich sticht Teagan aus der Masse hervor, indem sie Oberflächlichkeit jeglicher Art keine Bedeutung beimisst und sich nicht von aufgesetzter Freundlichkeit einlullen lässt. Aufgrund der Tatsache, dass sie früh erwachsen werden musste, hat sie eine genaue Vorstellung von ihrer Zukunft entwickelt – sie möchte Game Design studieren, denn in der Onlinewelt fühlt sie sich wohl, hier kann sie sich mit Gleichgesinnten austauschen, hier ist sie kein Freak, kein Sonderling. Nachts streamt sie live Videospiele und bessert mit den Einnahmen ihre Collegekasse auf – denn ihr Dad würde ein Studium finanziell zwar unterstützen, allerdings nur, wenn Teagans Studienfach etwas 'Vernünftiges', etwas 'Seriöses' wäre. - Nur über Teagans Leiche! In einer ihrer nächtlichen Sessions besiegt sie ausgerechnet den erfolgreichen Gamer Parker. Der mit einem eigenen YouTube-Kanal und Millionen von Followern gefeierte Star der Gaming Szene ist wenig begeistert, dermaßen vorgeführt zu werden von einer unbekannten Spielerin und will unbedingt mehr über sie herausfinden. Schon bald entwickelt sich ein Dialog zwischen ihm und Teagan; beide genießen den lockeren, ungezwungenen Chat und kommen sich trotz der räumlichen Distanz immer näher…
Man merkt, dass die Autorin selbst eine Vorliebe für Videospiele hat; ihre Begeisterung dafür ist in allen betreffenden Szenen deutlich spürbar - man möchte am liebsten direkt selbst zum Controller greifen und mitspielen! Ich könnte mir nun sogar vorstellen, mal eine Convention zu besuchen, so wie die RTX Convention in Austin, Texas. Die detaillierten, enorm ansprechenden Beschreibungen der Onlinespiele haben mich – zu meiner eigenen Überraschung - absolut mitgerissen, beeindruckt und mein Interesse für dieses Hobby geweckt. Nie hätte ich gedacht, dass ich die Schilderung von einzelnen Spielzügen oder Spielfiguren dermaßen spannend finden könnte! Insbesondere 'GuildWars' klingt wahnsinnig interessant – ich würde zu gerne auch einmal das tanzende Lama sehen! Mein Mann dachte, er hört nicht richtig, als ich beim letzten Einkaufsbummel vorschlug, dem lokalen Game Store einen Besuch abzustatten, haha! Wer sich selbst nicht mit Onlinespielen identifizieren kann und befürchtet, gewissen Szenen des Romans nicht folgen zu können, dem kann ich diese Sorge getrost nehmen - auch für Nicht-Zocker (und unerfahrene Neulinge wie mich) ist alles zu diesem Thema mehr als verständlich erläutert worden. Ich finde es großartig, dass die Autorin mit sämtlichen Vorurteilen aufräumt – Gamer sind nämlich nicht automatisch männlich, Nerds und von Gewaltphantasien besessen.
Teagan mag nach außen hin ziemlich tough (und auf manche Menschen vielleicht sogar einschüchternd und arrogant) wirken, aber im Grunde ist ihre harte Schale ein reiner Selbstschutzmechanismus – zu oft ist sie enttäuscht worden. Von ihrer Mom, ihrer (ehemals) besten Freundin, ihrem (Ex-)Freund… Ihre Devise lautet: 'Erwarte nichts und traue niemandem, dann wirst du nicht enttäuscht.' Auch in Parker habe ich mich prima hineinversetzen können; mir hat vor allem gefallen, dass er trotz seines riesigen Erfolges kein bisschen abgehoben ist. Sein Humor und seine spitzbübische, freche Art sind legendär und man kommt nicht umhin, sich ein klein wenig in ihn zu vergucken. Oh, und habe ich erwähnt, dass er auch noch unverschämt gut aussieht?! Kein Wunder, dass es zwischen ihm und Teagan gewaltig knistert! Die Nebenfiguren, allen voran Parkers gesamte WG, sind ein weiteres Highlight für sich – ich hoffe inständig, dass die Autorin irgendwann auch ihnen einen eigenen Roman widmen wird.
Den Schreibstil würde ich als humorvoll und beflügelnd bezeichnen; ich habe oft schmunzeln müssen, speziell im Hinblick auf den Chatverlauf zwischen Teagan und Parker. Diese Neckereien zwischen ihnen sind herrlich authentisch und wirken total realistisch. Besonders lobenswert finde ich, dass die Autorin ein locker-flockiges Buch geschrieben hat, ohne sich jemals des ansonsten in diesem Genre oft vertretenen, auf Krampf eingefügten Jugendslangs zu bedienen. Bravo! Auch auf den obligatorischen Bad Boy (den ich in der Regel recht gerne mag, es geht mir hier eher um die Außergewöhnlichkeit des vorliegenden Werkes) hat sie verzichtet; ganz so, als wolle sie sagen: 'Es geht auch anders!' Dennoch sollte man nicht meinen, dass alles eitel Sonnenschein ist und die feinen Töne, die tiefgründigen Themen zu kurz kommen würden. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist die Situation in Parkers Elternhaus, deren Szenen mit so viel Feingefühl und Empathie ausgearbeitet worden sind, dass sie mir die Kehle zugeschnürt haben. Selbiges gilt für die Beziehung zwischen Teagan und ihrem Vater, die mich ob ihrer glaubwürdigen Darstellung voll und ganz überzeugt hat.
Die im Vorfeld angefügte Playlist passt hervorragend zum Romaninhalt, auch die als 'Level' bezeichneten Kapitel unterstreichen die Kreativität der Autorin. Der eher langsam ansteigende Spannungsbogen verleiht dem Werk etwas sehr Angenehmes, Entspannendes. Erzählt wird abwechselnd aus den Perspektiven der beiden Hauptfiguren, wobei gegen Ende Teagans Sichtweise überwiegt. Prinzipiell hat das meinem Lesevergnügen keinen Abbruch getan, doch ich fand es für den Gesamteindruck nicht vorteilhaft, dass man gerade in solch einem bedeutenden Abschnitt relativ wenig Einblick in Parkers Gedanken erhält. Sicher, es sorgte kurz vor knapp nochmal für Spannung (und Drama), hat mir allerdings auch etwas Unbehagen bereitet, immerhin ging es bei seiner Backgroundstory um ein ernstes Thema. Prinzipiell hätte ich übrigens kein Problem damit gehabt, wenn der Fokus über die gesamte Handlung hinweg gänzlich auf Teagan gelegen hätte, aber nachdem Parker so sympathisch in die Geschichte eingeführt worden war, war es echt ein Jammer, dass sein Part gegen Ende nicht mehr die gleiche Intensität aufwies. So wirkte der Abschluss ein klitzeklein wenig einseitig und daher nicht ganz so 'rund', wie ich es mir gewünscht hätte. – Das nennt man wohl Jammern auf hohem Niveau, denn abgesehen davon kann ich dieses Werk nur in den höchsten Tönen loben und jedem empfehlen, dessen Herz für New Adult-Romane schlägt!