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Veröffentlicht am 24.03.2020

Zurück zur Natur mit Phantasie, Spiel und Kreativität

Irmelina Geisterkind - Das Geheimnis der Dorfeiche (Band 1)
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Das am 27.03.2020 im Boje Verlag erschienene Buch "Irmelina Geisterkind" handelt von den Abenteuern der 8 jährigen Juna, die in ihren Sommerferien Bekanntschaft mit dem Naturgeist Irmelina macht und eine ...

Das am 27.03.2020 im Boje Verlag erschienene Buch "Irmelina Geisterkind" handelt von den Abenteuern der 8 jährigen Juna, die in ihren Sommerferien Bekanntschaft mit dem Naturgeist Irmelina macht und eine Welt kennenlernt, von der sie vorher nicht einmal träumen konnte.
Da die Freundschaft zu dem liebenswerten Naturgeist Irmelina in der Menschenwelt geheim gehalten werden muss, stehen den beiden einige Herausforderungen bevor, um den Lebensraum von Irmelina und ihrer Familie nicht in Gefahr zu bringen. Außerdem steht die Initiationsgeschichte von Irmelina Geisterkind im Mittelpunkt, das mit seinem 10.Geburtstag die eine Dorfeiche in Obhut nimmt und erst lernen muss was es bedeutet einer solchen Aufgabe gewachsen zu sein und Verantwortung für ein hilfloses Lebewesen zu übernehmen.

Die Autorin Lydia Ruwe bewegt sich schon länger in der Welt der Kindermedien und hat neben Arbeiten für den Sender Kika, auch als Kinderbuchlektorin gearbeitet bis sie selbst ein Autorenstipendium bekam und so ihren Erfahrungsschatz erweitern konnte. Ihr Kinderbuch "Irmelina Geisterkind" richtet sich an Kinder ab 8 Jahren, die sich gerne mit der heimischen Natur auseinandersetzen und phantasievolle Bücher lieben.

Die Zeichnerin Julia Bierkandt hat sich per Ausbildung zunächst im Bereich Design und Kindermode bewegt um dann freie Illustratorin verschiedener Kinderbuchverlage zu werden. Ihre Zeichnungen für Irmelina Geisterkind sind liebevoll gestaltet. An das Alter der Zielgruppe angepasst übernehmen die Illustrationen nicht den Mittelpunkt der Geschichte, sind monochrom gehalten und regen die Kinder zum Träumen an. Interessant ist der Einsatz von Hintergrundillustration bei dramatischen Szenen wie dem Abschnitt über ein Gewitter, das zugleich einen Höhepunkt im Buch darstellt.

Irmelina Geisterkind ist erst 10 Jahre alt, als es sein Elternhaus verlassen muss, um sich um die alte Dorfeiche zu kümmern, die ihm als Geisterreich zugedacht wurde. Irmelina ist sehr unreif und verhält sich wie eine 10 jährige in der Menschenwelt- was für die Dorfeiche durchaus ungünstig ist. Diese Tatsache wird ihr im Laufe der Geschichte schmerzlich bewusst und lässt sie im Verlauf eines Sommers einiges über Verantwortung und Empathie lernen. An ihrer Seite steht dabei das Menschenkind Juna, das sich vor dem nervigen Nachbarsjungen Moritz versteckt und sich schnell zur besten Freundin des kleinen Naturgeistes Irmelina mausert. Die Tatsache, dass Juna niemandem von der Welt der Naturgeister erzählen darf, und das Naturgeister nur von Kindern gesehen werden, lässt sie in der Menschenwelt anecken und in Erklärungsnot geraten. Ihre Zeit muss sie nun zwangsweise mit dem Nachbarsjungen Moritz verbringen, der sich im Laufe der Geschichte doch noch zu einem Freund entwickelt. Nichtsdestotrotz schafft sie es, Irmelina weiterhin unbemerkt zu treffen und ihr in mehreren Notsituationen hilfreich zur Seite zu stehen.

Insgesamt fand ich "Irmelina Geisterkind" recht unterhaltsam, auch wenn sich mir immer wieder Fragen gestellt haben, die aufgrund von Unstimmigkeiten in Handlung und Logik aufkamen (vielleicht sehe ich dafür den Inhalt zu erwachsen- schließlich gibt es einen Grund weshalb Erwachsene die Naturgeister nicht sehen können 😉).

Am Anfang hatte ich bei dem Buch "Irmelina Geisterkind" etwas Probleme in die Handlung reinzufinden, die Sprache war anfangs etwas sperrig, was aber nach wenigen Kapiteln besser wurde. Auch das Buch selbst wurde da für meine Begriffe kurzweiliger.
Juna wirkt auf mich manchmal etwas überheblich. Gegenüber dem Nachbarsjungen Moritz und gegenüber dem Nachbarn Herrn Roggi, der ihr eigentlich wirklich interessante Sachen beibringen will, dem sie aber nicht richtig zuhört. Immerhin bekommt er am Ende doch noch Aufmerksamkeit und Anerkennung von ihr.
Irmelina Geisterkind erinnert mich in Situationen, in denen Juna und sie Menschen begegnen ein bißchen an den Pumuckl. Das ist sicherlich in der Tatsache begründet, dass Erwachsene Irmelina nicht sehen können und es bei direkten Begegnungen zu solchen Eindrücken kommt.
Bei Ihrer ersten Begegnung mit Irmelina gefällt mir Junas Reaktion, die nicht wie so oft in Kinderbüchern sofort total offen ist für die unglaubliche Begegnung und ersteinmal alle Hinweise überprüft (alle Sinne erfassen das Unfassbare, also muss es stimmen). Dann hat sie Angst. Aber nicht vor dem Geisterkind, sondern davor selbst verrückt zu sein. Das ist schon sehr erwachsen, aber für 8jährige sicher nicht unmöglich.
Als sehr positiv empfand ich die Natur, die eine übergeordnete Rolle spielt, und die für die Geschichte so wichtig ist, dass sie Kinder wieder auf die Idee bringen könnte Natur als Abenteuer aufzufassen. Auch die Spielideen, die Irmelina und Juna entwickeln und mit einfachen Mitteln umsetzen waren meiner Meinung nach pädagogisch sinnvoll und gut integriert!
Die Charakterentwicklung von Moritz und Irmelina sind Punkte, die das Vorankommen der Handlung sehr gefördert haben und sinnvoll eingesetzt wurden. Einer Fortsetzung steht auch aufgrund der Freundschaft, die Juna nicht nur zu Irmelina sondern auch zu Moritz im Laufe des Sommers aufgebaut hat, nichts im Wege.

Positiv kann ich auch noch den "Praxisabschnitt" bewerten, der eine kleine Baumkunde umfasst. Und das Basteln von Seedbombs. Auch für Stadtkinder sicherlich ein Anreiz, mal im Park den Blick auf die Bäume zu werfen und Bestimmungsversuche anzustreben. Oder den Bienen ein bißchen Futter auf die Wiesen zu werfen und sich dann nach ein paar Wochen über bunte, selbst gepflanzte Blüten zu freuen!

Irmelina Geisterkind ist eine unterhaltsame Geschichte eines Sommers, die die heimische Natur gekonnt in den Mittelpunkt rückt und Kindern die Augen für diese ein bißchen weiter öffnen kann.



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  • Spaß
Veröffentlicht am 17.03.2018

"Killercity" Eine Geschichte um eine Killermaschine mit Gefühlen

Killer City
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"Das Rad drehte sich weiter, und noch weiter und noch weiter, und Schreie und verzweifeltes Strampeln und Umsichschlagen wurde mit jedem Biss eines gnadenlosen Eisenzahnes lauter und verzweifelter" (Zitat ...

"Das Rad drehte sich weiter, und noch weiter und noch weiter, und Schreie und verzweifeltes Strampeln und Umsichschlagen wurde mit jedem Biss eines gnadenlosen Eisenzahnes lauter und verzweifelter" (Zitat Kapitel: „Das Gespenst", S.293). Ein Zahnrad wird zum gnadenlosen Killer, so wie der Protagonist von Wolfgang Hohlbeins neuem Buch „Killercity“: gnadenlos mordet er, wie eine Maschine- brutal und unaufhaltsam.

Gleich zu Beginn steigt man ein in die Geschichte von Thornhill (oder Boy, oder Porter – seinen wahren Namen gilt es zu ergründen). In der Jugend als Soldat in Gettysburg widerfährt ihm Grausames. Etwas, das ihn sein Leben lang nicht loslassen wird und er bekommt etwas mit auf den Weg gegeben, so dass aus einem 12jährigen Jungen ein grausamer Serienkiller wird. Getrieben von Rache und Überlebenswillen landet er nach einer jahrzehntelangen Odyssee schließlich im Chicago des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Am Rande der Weltausstellung möchte er seine Killernatur ausleben, muss sich dort jedoch zwangsläufig seiner Vergangenheit stellen und sich schließlich entscheiden, ob sein Lebenswille oder seine Rachegefühle überwiegen.
Thornhill ist charakterlich schwer zu durchschauen: ein brutaler Serienkiller und Rassist und trotzdem ist er dem Leser nah, da man im Laufe der Erzählung immer mehr über ihn erfährt und wie und warum er zu dem geworden ist, was ihm im Chicago von 1893 zum Verhängnis wird – eine Killermaschine. Seine Ansichten, Erfahrungen, Wünsche und Ängste sind jedoch die eines Jeden und geben dem Protagonisten so etwas Menschliches mit und lassen den Leser gebannt seiner Geschichte folgen.

Ich sehe in Thornhill einen Picaro - dafür spricht die unbestimmte Herkunft - seine erste "Geburt" als "Boy" einem Soldaten bei der Schlacht von Gettysburg. Und der kurz darauffolgenden Neugeburt als "Thornhill" nach einem Hinterhalt auf einem Dornenhügel. Er keiner Arbeit nachgehen und kommt doch durchs Leben und scheint auch Geld zu haben, um zu Reisen und sich in ein Hotel einzumieten. Die Frauen scheinen ihm auch zugetan zu sein. Jedoch sind diese Punkte für die Handlung und deren Verlauf auch irrelevant und bleiben deswegen unerwähnt.

Dem Leser schlagen Thornhill gegenüber zwei Herzen in einer Brust - der Mann ist ein ekelhafter Rassist, ein skrupelloser Killer, bedacht auf seine eigenen Interessen, und doch weckt er durch seine Schwächen beim Leser Gefühle, wie Mitleid und eine Art von Zuneigung, die dafür sorgt, dass man bis zum Ende hofft und bangt, dass ihm das Schicksal wohlgesonnen ist.

Das Buch wird beherrscht von Kampfszenen, da sich Thornhill von einer gefährlichen Situation in die Nächste katapultiert. Das Buch hat dadurch Tempo, aber oft konnte ich nicht mehr durchblicken wie wer wohin gekommen ist, bei den Kampfszenen, so dass ich an diesen Stellen nicht nur überfordert, sondern zum Teil auch gelangweilt war.
Interessant ist Thornhills Anwesenheit bei verschiedenen Schauplätzen amerikanischer Geschichte – neben der Weltausstellung in Chicago 1893, finden wir uns bei der Schlacht von Gettysburg und der am Little Bighorn. Zwischenzeitlich avanciert der Roman zu einem richtigen Western, was als Kulisse genauso spannend ist wie die Großstadt Chicago am Rande der Weltausstellung.
Eins muss ich sagen - ich bereue, bisher keinen Hohlbein gelesen zu haben, denn mir gefällt die Erzählweise - die bildliche Darstellung der Stadt im 19. Jahrhundert und die Vielschichtigkeit, die er einem brutalen Serienkiller gegeben hat. Die Charakterentwicklung ist spannend, zum Teil etwas langatmig, aber wem lange, etwas schwer nachvollziehbare Kampfszenen gefallen ist hier bestens bedient.

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  • Spannung
  • Action
  • Atmosphäre
  • Handlung
Veröffentlicht am 19.06.2022

Tief Ausatmen für die Reise ins Ich

Eine Reise in dein Ich
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Tief Ausatmen, bis es brennt und man die Luft nicht mehr anhalten kann. In dieser Fähigkeit liegt der Schlüssel zur Selbsthypnose. Zugegeben, die Anleitungen zu den Übungen sind etwas komplex und müssen ...

Tief Ausatmen, bis es brennt und man die Luft nicht mehr anhalten kann. In dieser Fähigkeit liegt der Schlüssel zur Selbsthypnose. Zugegeben, die Anleitungen zu den Übungen sind etwas komplex und müssen erst mehrfach in kleinen Schritten durchgespielt werden, um sie zu verinnerlichen. Doch Yasin Dündar hat es sich zur Aufgabe gemacht, sein Wissen über Hypnose zu teilen und in seinem neuesten Buch „Eine Reise in Dein Ich“ eine Art Handbuch zur Selbsttherapie zu verfassen. Der Weg dorthin ist interessant, aufschlussreich und gar nicht mal so leicht umzusetzen, wie beschrieben.

„Eine Reise in Dein ich“ von Yasin Dündar ist am 27.05.2022 bei Lübbe Life erschienen und weckt durch den Buchtitel und den Klappentext direkt große Erwartungen.
Negative Glaubenssätze, die wir seit unserer Kindheit mit uns herumtragen, sollen wir nach der Lektüre verändern können. Krankheiten, die durch diese Kindheitstraumata ausgelöst wurden, wie Schlafstörungen, Panikattacken, Allergien, Fettleibigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten sollen nach der Selbsttherapie wie von alleine verschwinden. Ein großer Satz beendet den Klappentext: „Selbsthypnose um Süchte, Stress oder Blockaden zu lösen“.
Das Thema Hypnose hat mich schon immer fasziniert und interessiert. Da man selten bis nie einem Hypnotiseur begegnet, konnte ich bisher keine direkten Erfahrungen mit dem Thema machen. Bekannt und als durchaus angenehm empfunden sind kleine Meditationen und Körperreisen im Zusammenhang mit Yoga. Ich bin durchaus offen und gespannt an die Lektüre herangegangen, gerade auch weil mich der Klappentext irgendwie gepackt hat.
Herr Dündar erzählt viel aus seinem Leben als Hypnotiseur. Der Leser erfährt etwas von seinem Weg zur Hypnose und seinem Aufstieg zu dem bekanntesten Hypnotiseur Deutschlands. Zum Einstieg gibt es auch eine kleine Übung für Anfänger. Ein bisschen plaudert der Meister in diesem Zusammenhang aus dem Nähkästchen und erklärt psychologische Tricks, die bei der Übung das Ergebnis beeinflussen. Das macht mich zunächst etwas skeptisch, denn anscheinend arbeitet man hier mit Hilfe der Trickkiste. Ich hatte mich doch auf ernsthafte Hypnose eingestellt.
Weiter geht es mit verschiedenen Fallbeispielen. Nicht bei allen Beispielen handelt es sich um Therapien, sondern zum Teil kommt es mir als Leser so vor, als würde es sich um eine Inszenierung des berühmten Mr. Yasin handeln, ein bisschen Werbung am Rande für seine Show und seine YouTube Videos. Dennoch haben einige Beispiele wirklich beeindruckende Hintergrundgeschichten und der schnelle Erfolg, der sich offensichtlich bei diesen „Patienten“ eingestellt hat, klingt vielversprechend. Die Übungen zur Selbstanwendung allerdings, erfordern viel Zeit und Ruhe. Ich gebe zu, als Mutter von 2 Kleinkindern, dazu berufstätig kann ich gar keine endgültige Meinung zu den Übungen abgeben. Ich finde so gut wie nie die nötige Ruhe, die für die Übungen gefordert wird. Ich habe mich mal an die beschriebene Atemtechnik herangewagt. Die ist nämlich laut Herrn Dündar der Schlüssel den man drehen muss, um am Unterbewussten zu schrauben. Die Atemtechnik ist nicht leicht durchzuführen, die 60 Sekunden Luftanhalten nach völliger Entleerung der Lunge, sind für mich völlig unmöglich. Das muss ich erst noch übern, bevor ich mich an die weiteren Schritte heranwage. In diesem Zustand genug Konzentration aufzubringen um mein Unterbewusstsein zu triggern, ist bisher völlig unmöglich. Ich hoffe ich werde in näherer Zukunft die Zeit und Ruhe dazu finden, die Übungen gewissenhaft auszuführen. Denn die Theorie klingt zu schön um wahr zu sein. Was dran ist, kann ich also im Rahmen dieser Rezension leider gar nicht beurteilen. Dennoch klingen viele Schritte, die beschrieben werden plausibel und die Mantras, die man dem Unterbewussten füttern soll ergeben für mich auf dem Weg zur Selbsthypnose als Selbsttherapie durchaus Sinn. Außerdem ist es eine interessante Lektüre, wenn man einen Blick in die Welt von Yasin Dündar bekommen möchte.

Insgesamt hat mich das Buch nur halbwegs überzeugt. Yasin Dündar versteht es sich zu inszenieren und ein Interesse für seine Arbeit zu wecken. Die gewählten Fallbeispiele, sofern sie therapeutische Zwecke hatten, klingen durchaus vielversprechend, wenn man sich durch die Hypnose positive Veränderungen an der eigenen Person wünscht. Ob sich Schlafstörungen, Ängste, Fettleibigkeit oder sogar Allergien durch die beschriebenen Übungen tatsächlich heilen lassen, bleibt für mich auch nach der Lektüre fraglich(wobei mir zu diesem Urteil wie beschrieben die nötige Umsetzung der Übungen fehlt). Ich habe danach vielmehr Lust bekommen eine Therapie bei Mr. Yasin persönlich zu buchen. Aber eigentlich ist das nicht das was der Klappentext versprochen hat…

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Veröffentlicht am 12.10.2019

Vom "köllschen Jung" zum Herrn der Maden - Dr. Mark Beneckes Biografie "Mein Leben nach dem Tod"

Mein Leben nach dem Tod
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„Mein Leben nach dem Tod“ ist eine Biografie, die nicht dem klassischen Schema F einer Biografie folgt – so wie der Autor selbst nicht den Werdegang nach Schema F eines Biologen gegangen ist. Die Leser ...

„Mein Leben nach dem Tod“ ist eine Biografie, die nicht dem klassischen Schema F einer Biografie folgt – so wie der Autor selbst nicht den Werdegang nach Schema F eines Biologen gegangen ist. Die Leser bekommen einen Eindruck von dem Wissenschaftler Dr. Mark Benecke, der von Kindheit an mit offenen Augen durchs Leben gegangen ist, und den Chemie und Biologie mehr interessiert, haben als alles andere.

Benecke beschreibt seinen Weg zum Kriminalbiologen und Nerd und dennoch gelingt es ihm, sein Ausnahmetalent und seinen Detailblickwinkel für Leser und Fans faszinierend und spannend zu halten. Die Biografie erscheint nicht vollständig, jedoch wäre dies bei einem derart facettenreichen Menschen auch ausufernd und ermüdend. Ob er seinen Ausflügen in die Politik, die Musikbranche, die Tatooszene oder Ähnliches genügend Platz in dem Buch gegeben hat, steht aber an keiner Stelle zur Debatte – das nötigste was man dahingehend wissen muss wird kurz erwähnt. Ansonsten steht sein Werdegang als Kriminalbiologe durchgehend im Mittelpunkt. Und das ist was der Titel des Buches erwarten lässt.
Das Buch folgt keinem roten Faden an sich, die Anekdoten aus seiner Kindheit und Jugend, seiner Studienzeit und den Anfängen seines Arbeitslebens sind nicht chronologisch aufgebaut und dennoch fühlt sich der Leser immer ausreichend informiert. Mark Benecke versteht, an den richtigen Stellen ins Detail zu gehen und dann und wann für mehr Hintergrundwissen stärker in die Materie einzusteigen.
Er gibt Einblicke in sein Leben als Kind im Kölner Süden, das schon damals ein Labor in seinem Zimmer schaffte, um seiner Leidenschaft nachzugehen. Weiterhin erfährt man viel über die Universität in Köln und verstaubte und gemiedene Fachrichtungen, die inzwischen zu neuem Leben erwacht sind. Die Hürden und speziellen Begegnungen eines deutschen Wissenschaftlers in New York, die teilweise absurd klingen und dennoch der Realität entsprechen. Und so geht es dem Leser auch mit den Geschichten aus dem Arbeitsleben in Deutschland, Beneckes Begegnungen mit faszinierenden Menschen in noch faszinierenderen Situationen.
Oft driftet er ab in Erzählungen über Fälle an denen er gearbeitet hat, was für Fans der Kriminalbiologie immer wieder spannend und lesenswert ist – auch wenn man manchmal vergisst, wo in Beneckes Leben man den gerade stehen geblieben war und an was er eigentlich gerade anknüpfen wollte. Etwas verstörend ist seine häufige Betonung seines Außenseitertums – er kokettiert quasi mit seinem „Nerd“ Dasein, was an manchen Stellen unnötig, ermüdend und beinahe lästig sein kann.
Der Schreibstil ist einladend – er begibt sich mit seinen Lesern auf Augenhöhe und die „köllsche Frohnatur“, die in dem gebürtigen Bayern wohnt ist erfrischend und erheiternd. An vielen Stellen nimmt sie auch den düsteren Grundlagen seines Schaffens den bedrückenden Beigeschmack. Anders als bei vielen Biografien, die ich vorher gelesen habe, war ich an keiner Stelle gelangweilt und wurde ich nie von langatmigen Erzählungen im Lesefluss gestört. Das Buch packt einen, obwohl es sich nicht um einen Krimi oder Roman handelt, sondern um den Werdegang eines ganz seiner Arbeit verschriebenen Naturwissenschaftlers.
Etwas irritierend ist ein Anhang, nicht vom Autor verfasst, sondern von einem Fan, der sich Beneckes Unterschrift tätowieren ließ und damit eine ganz neue Bewegung schuf. Für mich hätte dieser Anhang nicht in das Buch gehört, zumal er mein zuvor entstandenes Bild des Autors doch etwas verändert hat.

Mark Benecke hat es geschafft, seine Geschichte immer interessant zu gestalten, sowohl sprachlich, als auch inhaltlich. Er versteht es, die Leser mit seiner Geschichte zu fesseln und erstellt insgesamt ein rundes, lesenswertes Bild seines Werdegangs zum Kriminalbiologen. Auch die persönlichen Hintergründe des eigenbrödlerischen „Nerds“ Mark Benecke, die er dem Leser gewährt, sind interessant und kurzweilig. Nicht nur für Fans ist „Mein Leben nach dem Tod“ lesenswert und definitiv an vielen Stellen auch lehrreich.

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Veröffentlicht am 02.04.2021

Erst kam Juli und dann ein sehr eigensinniger Paul

Und dann kam Juli
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Eines Tages steht da plötzlich ein Pferd im Garten von Paul und seinen Eltern. Das Pferd ist groß, hat einen Hang zu ungewollt zerstörerischem Verhalten und wird auf Anhieb von allen geliebt. Von allen? ...

Eines Tages steht da plötzlich ein Pferd im Garten von Paul und seinen Eltern. Das Pferd ist groß, hat einen Hang zu ungewollt zerstörerischem Verhalten und wird auf Anhieb von allen geliebt. Von allen? Nein. Von allen mit Ausnahme von Paul. Denn für Paul stellt Juli ein Problem dar: sie ist kein Hund und benimmt sich auch nicht wie einer…
Das Buch „Und dann kam Juli“ von Petra Eimer, erschienen am 26. Februar im Baumhaus Verlag, erzählt die Geschichte von Juli. Juli ist ein Pferd, das von einem Tag auf den anderen in das Leben des heranwachsenden Pauls tritt, der mit dieser Situation so gar nicht umgehen kann, weil Juli mit Ihrer Beliebtheit und ihrem Verhalten nicht nur seinen Alltag durcheinander bringt, sondern er gleich seine ganzen Normen, Werte und Wünsche überdenken muss.
Petra Eimer ist zugleich Autorin und Illustratorin und erweckt im Anhang den Eindruck mit „Und dann kam Juli“ ihre ganz persönliche Geschichte erzählt zu haben.

Gleich zu Beginn lernen wir den 11jährigen Paul kennen, dessen Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt wird, weil ein unbekanntes Pferd in seinem Garten steht und diesen voll und ganz in Beschlag nimmt. Und nicht nur das. Juli, benannt nach dem Monat ihres Erscheinens, gewinnt in kürzester Zeit die Herzen von Pauls Eltern, des Nachbarmädchens Anna, und zu Pauls Leidwesen aller 11 bis 13 jährigen Mädchens der Umgebung; und schließlich auch das seines besten Freundes Max. Nur Paul findet Juli so gar nicht liebenswert. Er hätte viel lieber einen Hund gehabt. Und nicht nur das: Juli zerstört so ziemlich alles, was Paul lieb und teuer ist, inklusive seiner Abneigung gegen Mädchen. Denn im Laufe der Geschichte muss er feststellen, dass das Nachbarmädchen Anna trotz ihrer Eigenschaft „Mädchen“ durchaus als Freund und Kumpel taugt. Und schlussendlich muss er auch seine Meinung Juli gegenüber revidieren. Aber bis dahin ist es ein langer Weg, der eigentlich hauptsächlich aus Plänen und Strategien besteht, Juli loszuwerden….

Die Illustrationen sind liebevoll gestaltet und nehmen im Buch genug Raum ein. Petra Eimer hat einen Erzählstil, der das Publikum 8-11 jähriger ansprechen soll und aus diesem Grund an vielen Stellen recht einfach und stellenweise lax und „cool“ gehalten ist. Zeitweise klingt es für mich nicht so authentisch, aber ich kann eventuell die Jugendsprache (noch) nicht so genau beurteilen und möchte diesen Punkt nicht in meine Bewertung einfließen lassen. Der jugendliche Sprachstil wird untermauert von comichaften Schreibstilpassagen, die Ausdrücke und Emotionen auf diese Weise visuell untermauern. Das sieht auf den ersten Blick ganz schick aus, hat mich aber im Laufe des Lesens zum Teil überreizt und gestört. Aber auch da möchte ich nicht ausschließen, dass es bei der Zielgruppe gut ankommt. Was jedoch mitunter sehr anstrengend war, war die fast durchweg negative Haltung von Paul, die für mich über so lange Zeit nicht nachvollziehbar war. Es mag sein, dass 11jährige Jungen recht egoistisch sind und nicht gerne ihre Alleinstellung in der Familie verlieren, aber seine negative Grundhaltung, die von Zeit zu Zeit sogar ins boshafte überging und sein Selbstmitleid über mehr als 75% der Handlung haben mich nicht überzeugt und das Lesen doch über eine längere Strecke stark erschwert. Ich habe mir lange eine Wendung herbeigesehnt, aber diese ist leider auch über ein Dreiviertel der Geschichte nicht in Sicht. Dann plötzlich, kurz und unvorhergesehen ändert sich alles und bei Paul ist plötzlich der Groschen gefallen und er möchte sein Leben nicht mehr ohne Juli verbringen. Dieser Wendepunkt entsteht im Stillen, fern jeglicher Charakterentwicklung, so dass es mich gelangweilt hat. Selbstreflexion und Rücksprachen mit den Eltern und Freunden hätten meiner Meinung nach dem Buch mehr Tiefe verliehen, die für 8jährige durchaus auch pädagogisch sinnvoll gewesen wäre. Auch der Plot hätte im Hinblick auf Spannung und Logik davon profitiert.

Abgesehen von den schönen und zahlreichen Illustrationen und kleinen Randgeschichten war ich von „Und dann kam Juli“ recht enttäuscht. Die Charaktere und der Inhalt konnten mich nicht überzeugen, auch wenn die Idee der Geschichte nett ist. Es fehlte leider an Aufbau, Tiefe und Vorankommen der Handlung.


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