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Veröffentlicht am 28.03.2020

Ein wahrer Pageturner

Postscript - Was ich dir noch sagen möchte
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Lange habe ich Postscript vor mir hergeschoben. Als großer Fan von P.S. Ich liebe Dich hatte ich Angst, dass es mir nicht gefallen könnte. Die Geschichte von Holly und Gerry war abgeschlossen. Holly hat ...

Lange habe ich Postscript vor mir hergeschoben. Als großer Fan von P.S. Ich liebe Dich hatte ich Angst, dass es mir nicht gefallen könnte. Die Geschichte von Holly und Gerry war abgeschlossen. Holly hat es geschafft, nach dem Tod ihres Ehemannes wieder ins Leben zurück zu finden. Sie hat die Vergangenheit hinter sich gelassen und einen Schritt ins Neue gewagt. Und dann plötzlich erscheint Postscript und die Leser erfahren, wie es Holly sieben Jahre nach Gerrys Tod geht: Wer sie ist, wo sie jetzt in ihrem Leben steht und wen sie an ihrer Seite hat. Oft habe ich mich gefragt, ob es wirklich nötig war, eine Fortsetzung über Holly und Gerry zu schreiben. Gerry ist nicht mehr da, seine Briefe sind gelesen – was kann da also noch kommen? Der Grund, warum ich Postscript so lange im Regal hab stehen lassen, war, dass ich befürchtete, Gerry Kennedy würde in den Hintergrund rücken. Gerry ist tot, sein Leben wurde bereits erzählt und eine Fortsetzung von P.S. Ich liebe Dich würde ohne ihn keinen Sinn ergeben. Nun, ich habe mir völlig zu Unrecht Gedanken darüber gemacht…

Sieben Jahre nach dem Tod ihres Mannes steht Holly wieder mitten im Leben. Sie ist in einer Beziehung, arbeitet im Laden ihrer Schwester, unternimmt viel mit ihrer Familie und ihren Freunden und ist allgemein glücklich mit der Person, die sie geworden ist. Für einen Podcast, den ihre Schwester Ciara führt, wird sie eines Tages gefragt, ob sie bei der Episode „Wie reden wir über den Tod?“ behilflich sein kann. Nur widerwillig sagt Holly zu. Sie möchte ungern die vergangenen Ereignisse Revue passieren lassen, doch da Ciara nicht aufhört, sie zu bitten, lenkt Holly ein. Vor einem kleinen Publikum erzählt sie von Gerry – seiner Krankheit, seinen Briefen – und wie es ihr nach seinem Tod ergangen ist.
Völlig begeistert von der Geschichte gründet eine Zuhörerin des Podcasts den „P.S. Ich liebe Dich“-Club, in dem todkranke Mitglieder Nachrichten an ihre Lieben hinterlassen können und ausgerechnet Holly soll ihnen dabei helfen. Während sie anfangs noch davon überzeugt ist, dass sie nie wieder über Gerry und ihre Trauer reden will, lässt sich Holly in Postscript nach und nach immer mehr darauf ein. Sie baut eine Verbindung zu den Clubmitgliedern auf und schwelgt in Erinnerungen an Gerry. Doch je lebendiger ihr Gerry wieder erscheint, desto mehr entfernt sie sich von ihrem Freund Gabriel und Holly muss sich entscheiden: Vergangenheit oder Gegenwart? Gerry oder Gabriel?

War es wirklich nötig, Postscript zu schreiben? Nein, wahrscheinlich nicht. Die Handlung ist nicht außergewöhnlich spannend und hätte garantiert noch besser ausgearbeitet werden können, aber sie ist emotional. Postscript zeigt, dass, egal was passiert, die Liebe immer bleibt und noch dazu wird Gerry wieder zum Leben erweckt. Natürlich nicht wortwörtlich, aber während ihrer Arbeit mit dem „P.S. Ich liebe Dich“-Club erinnert sich Holly wieder zunehmend an ihren Mann. Als Leser bekommt man Flashbacks zu ihrem ersten Treffen, dem ersten Date, dem ersten Mal. Postscript zeigt ganz neue Einblicke in die Beziehung zwischen Gerry und Holly, die man in P.S. Ich liebe Dich noch nicht erfahren hat: Man erfährt, wie ihre Liebe gewachsen ist und wie sie sich gegenseitig auch mal aushalten mussten. Meine Angst, Gerry könnte auf der Strecke liegen bleiben, war völlig unbegründet. Er ist auf jeder Seite, in jedem Kapitel präsent, doch er dominiert die Handlung auch nicht. Mir hat es gefallen, dass es vor allem darum geht, wer Holly momentan ist und dass sie sich auch selbst nicht verliert. Postscript zeigt, dass man nicht in der Vergangenheit leben sollte, aber auch die Zukunft nicht beeinflussen kann. Man muss jeden Tag so nehmen, wie er kommt. Ganz langsam. Schritt für Schritt.
Postscript war für mich ein Pageturner, und das sage ich nicht, weil ich vielleicht selbst ein bisschen in Gerry verliebt bin (naja, vielleicht doch). Der Roman hat die gleichen Gefühle bei mir geweckt wie zuvor P.S. Ich liebe Dich. Ich konnte lachen, mich ärgern, mitfühlen und die Tränen nicht mehr zurückhalten. Cecelia Ahern hat mir mal wieder gezeigt, wie kostbar das Leben ist und dafür braucht sie nicht unbedingt eine außergewöhnlich spannende Handlung.

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Veröffentlicht am 24.03.2020

Eisfuchs ist mythisch, kraftvoll und übernatürlich

Eisfuchs
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Tanya Tagaqs Debütroman Eisfuchs ist poetisch, mythisch, kraftvoll und so ganz anders als alles, was ich bisher gelesen habe. Nach und nach verschwimmen in dem Buch Realität mit Mythos und Mensch mit Natur ...

Tanya Tagaqs Debütroman Eisfuchs ist poetisch, mythisch, kraftvoll und so ganz anders als alles, was ich bisher gelesen habe. Nach und nach verschwimmen in dem Buch Realität mit Mythos und Mensch mit Natur und man wird als Leser immer tiefer in die Geschichte hineingezogen, bis man zum Schluss unerwartet ausgespuckt wird.

Ein Mädchen wächst im Norden Kanadas am Eismeer auf. Ihren Namen erfährt man nicht. Die Handlung beginnt Mitte der 70er Jahre und erzählt von ihrer Kindheit, die von der Alkoholsucht ihrer Familie geprägt ist. Auch sie selbst beginnt früh, mit Drogen zu experimentieren, immer wieder raucht sie mit ihren Freunden Kippen, die sie auf der Straße finden. Die Sprache in Eisfuchs ist sehr direkt und je älter das Mädchen wird, desto vulgärer wird auch ihre Ausdrucksweise. Sie beschreibt ihr Leben an diesem einsamen Ort – Freundschaften scheinen auf Rivalität zu beruhen, man muss stark sein, um sich behaupten zu können und auch in der Familie erfährt sie nicht viel Liebe. Immer wieder kommt es zu sexuellen Übergriffen, als Leser fühlt man sich zunehmend unwohl und auch für das Mädchen wird es immer belastender, bis sie sich eines Tages völlig in den Mythen der Inuit verliert…

Eisfuchs erzählt von der Natur, von den Sagen der Inuit und wie es ist, dort erwachsen zu werden. Als Leser taucht man ein in die Welt voller Polarlichter, Eisfüchse und dem Wechsel zwischen Polarnacht und Mitternachtssonne. Gedichte und Kapitel wechseln sich ab, unausgesprochene Dinge bekommen in Reimform eine tiefere Bedeutung, Illustrationen verstärken das Leseerlebnis und berichten von lebensgefährlichen und teilweise übernatürlichen Lebensumständen im Norden. Tanya Tagaqs Roman ist mitfühlend, atemraubend und magisch. Eisfuchs provoziert – sowohl thematisch als auch sprachlich – und hinterlässt bei jedem seine Spuren. Es ist vielleicht nicht unbedingt ein Roman, der jedem gefallen würde (ich weiß auch nicht, ob „gefallen“ das richtige Wort ist, um dieses Buch zu beschreiben), aber ich würde ihn trotzdem jedem ans Herz legen.

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Veröffentlicht am 23.03.2020

Ein Roman voller Nervenkitzel

Die Präparatorin
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In Die Präparatorin von Andreas Wagner geht eine ungewöhnliche Ermittlerin auf Spurensuche. Felicitas ist Präparatorin und hat die Werkstatt ihres Vaters übernommen, in der sie immer noch Aufträge seiner ...

In Die Präparatorin von Andreas Wagner geht eine ungewöhnliche Ermittlerin auf Spurensuche. Felicitas ist Präparatorin und hat die Werkstatt ihres Vaters übernommen, in der sie immer noch Aufträge seiner alten Kunden bearbeitet. Zu ihrer Mutter, die mittlerweile dementkrank ist und in einem Pflegeheim lebt, hat sie ein sehr distanziertes Verhältnis, denn diese gibt ihr die Schuld am Tod ihres Vaters. Felicitas war damals erst fünf Jahre alt als ihr Vater zum Mordopfer wurde, doch hat sie selber keinerlei Erinnerungen an diese Nacht.

Zu Beginn des Romans stirbt Felicitas‘ Mutter und während sie ihr Zimmer im Pflegeheim ausräumt, findet Felicitas eine Box mit alten Erinnerungsstücken an die Afrikaexpedition ihres Vaters. Dieser war in den 60er Jahren mit Freunden in Afrika, um Tiere zu jagen und sie direkt vor Ort auszustopfen – eine neue Geschäftsidee, wie es scheint. Doch in dieser Box befinden sich ebenfalls Nachrufe von drei Teilnehmern dieser Expedition, die nur wenige Monate nach ihrer Rückkehr gestorben sind. Hängen die Tode miteinander zusammen? Und hat der Mord ihres Vaters etwas damit zu tun? Felicitas macht es sich zur Aufgabe, die Wahrheit herauszufinden und wird dabei selbst zur Zielscheibe.

Die Präparatorin ist fesselnd, spannend und wird zum Ende hin fast thrillerhaft. Mit Hilfe von Wagners lebhaftem Schreibstil schafft man es, sich in die Gedanken von Felicitas hineinzuversetzen. Die Geschichte beginnt langsam und wird zum Ende hin immer dunkler und lauter – letzteres hat mir am besten gefallen. Man wiegt sich als Leser in Sicherheit und wird dann noch einmal auf die Achterbahnfahrt mitgenommen. Aus einem Kriminalroman, bei dem man nach und nach die Puzzleteile zusammenstecken kann, wird plötzlich ein blutiger, trügerischer Thriller und ich bin zum Schluss mit rasendem Herzen aus der Achterbahn ausgestiegen.
Tierliebhaber sollten Die Präparatorin aber vielleicht nicht lesen. Andreas Wagner beschreibt die Präparationsvorgänge ganz genau und auch bei den gejagten Tieren der Afrikaexpedition wird kein Detail ausgelassen. Der Kriminalroman ist sowohl spannend und interessant als auch erschreckend düster und genau das richtige für jemanden, der Nervenkitzel sucht.

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Veröffentlicht am 14.02.2020

Dumplin' ist Therapie für die Seele

DUMPLIN'
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Nachdem ihre Tante Lucy gestorben ist, fühlt sich Will in ihrer Haut gar nicht mehr so wohl. Von heute auf morgen wurde ihr Anker und Fels in der Brandung einfach aus dem Leben gerissen. Zu ihrer Mutter ...

Nachdem ihre Tante Lucy gestorben ist, fühlt sich Will in ihrer Haut gar nicht mehr so wohl. Von heute auf morgen wurde ihr Anker und Fels in der Brandung einfach aus dem Leben gerissen. Zu ihrer Mutter hatte sie nie einen guten Draht und auch mit ihrer besten Freundin Ellen scheint sie nicht mehr über alles reden zu können. Als dann auch noch der unglaublich attraktive Bo Interesse an ihr zeigt, versteht Willowdean die Welt nicht mehr: Was könnte ein sportlicher, gut aussehender Kerl bloß von ihr wollen? Zunehmend vermisst sie ihre Tante Lucy, die ihr stets das Gefühl von Selbstvertrauen und Zugehörigkeit vermittelt hat, doch als Will entdeckt, dass Lucy am Schönheitswettbewerb von Clover City teilnehmen wollte und dann doch einen Rückzieher machte, steht für sie eins fest: Sie möchte teilnehmen. Für Lucy. Für sich. Für alle anderen dicken Mädchen, die immer dachten, dass sie nicht auf eine Bühne gehören und damit absolut falsch lagen.

In ihrer Liebe zu Lucy, in der Freundschaft zu Ellen und in ihrem Weg, sich genauso zu akzeptieren, wie man ist, wird Will von Dolly Parton tatkräftig unterstützt. Nicht persönlich, dafür aber im Geiste. Die Musik und weisen Worte der Country-Sängerin ziehen sich durch das ganze Buch und sind an einigen Stellen laut und deutlich zu hören. Egal ob „Dumb Blonde“ oder „9 to 5“ – wenn Willowdean singt, wippt mein Fuß im Takt zur Musik.

Dumplin‘ ist Therapie für die Seele. Der witzige, lebhafte Schreibstil von Julie Murphy hat mir sofort gefallen und ich konnte mich sehr leicht in die Geschichte einfinden. Ich fand es allerdings schade, dass der Schönheitswettbewerb etwas in den Hintergrund gerückt wurde und Wills Beziehungen zu Bo, Mitch und Ellen im Vordergrund standen. Eigentlich ist ja vor allem der „Miss Teen Blue Bonnet“-Wettbewerb das Aushängeschild der Geschichte und macht Dumplin‘ zu etwas Besonderem. Teilweise hatte ich aber nur das Gefühl, ein normales Jugendbuch mit Herzschmerz und Streitereien zu lesen. In der Netflix-Verfilmung fand ich dies etwas besser umgesetzt. Ansonsten bin ich ein großer Fan von Willowdean, Millie, Ellen und Bo (auch wenn ich mit Letzterem erst warm werden musste). Dumplin‘ ist eine absolute Wohlfühllektüre und ich werde mir den Nachfolge-Band, Puddin‘, wahrscheinlich sehr bald zulegen.

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Veröffentlicht am 07.02.2020

Spannend, düster und völlig unvorhersehbar

Worüber wir schweigen
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Zwölf Jahre lang hatte Nina keinen Kontakt zu ihrer besten Freundin Melanie, zu ihren Eltern und allen anderen aus der Heimat. Völlig überstürzt ist die damals Neunzehnjährige nach Wien gezogen und kam ...

Zwölf Jahre lang hatte Nina keinen Kontakt zu ihrer besten Freundin Melanie, zu ihren Eltern und allen anderen aus der Heimat. Völlig überstürzt ist die damals Neunzehnjährige nach Wien gezogen und kam nie wieder zurück. Doch jetzt ist sie wieder da und will die Wahrheit ans Licht bringen. Gemeinsam mit Melanie und dem Nachbarsjungen Tobi wühlt sie die Vergangenheit wieder auf, muss aber feststellen, dass es nicht immer gut ist, alles zu wissen. Wem kann man trauen? Und wozu ist ein Mensch wirklich in der Lage?

Die Geschichte um Nina und ihre Freunde wird aus unterschiedlichen Perspektiven und Zeiten erzählt. Immer wieder springt die Handlung zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit hin und her und treibt somit die Spannung voran. Durch die Erzählungen in der Vergangenheit sammelt man als Leser wichtige Informationen, mit denen man nach und nach die Wissenslücken aus der Gegenwart schließen kann. Gemeinsam mit Nina begibt man sich in Worüber wir schweigen auf Spurensuche und kann versuchen mitzurätseln, was genau im Jahr 2007 passiert ist.

Der Thriller von Michaela Kastel hat mir unglaublich gut gefallen. Von Anfang an besteht eine gewisse Grundspannung, die sich im Verlauf des Romans immer weiter aufbaut und nicht verloren geht. Obwohl durch die Perspektivwechsel auch unterschiedliche Geschichten erzählt werden, gibt es jedoch keine langweilige oder unnütze Nebenhandlung – alles dient dem Leser als Information und Hinweis für den letztendlichen Supergau. Worüber wir schweigen ist vor allem auf psychischer Ebene sehr düster. Der Thriller zeigt, wie nah Liebe, Freundschaft, Hass und Verachtung beieinander liegen und wie sie Menschen dazu bringen können, das Unvorstellbare zu tun. Wie gebannt klebte ich an den Seiten und musste am Ende erschrocken feststellen, wie weit man in seiner Verzweiflung tatsächlich gehen kann. Wem Der Kinderflüsterer von Alex North gefallen hat, wird Worüber wir schweigen von Michaela Kastel genauso lieben.

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