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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.03.2020

Amüsant, kurzweilig und berührend

Balkan Blues
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Inhalt:
Lania und ihre beiden Brüder sind in Italien aufgewachsen, nachdem ihre Mutter mit ihnen aus Srebrenica geflüchtet ist. Ihre Grossmutter lebt ebenfalls bei ihnen in Italien, bis sie überraschend ...

Inhalt:
Lania und ihre beiden Brüder sind in Italien aufgewachsen, nachdem ihre Mutter mit ihnen aus Srebrenica geflüchtet ist. Ihre Grossmutter lebt ebenfalls bei ihnen in Italien, bis sie überraschend verstirbt und die Familie alles daransetzen muss, um den Leichnam nach Bosnien bringen und dort nach muslimischem Gebrauch bestatten zu lassen. Die Reise nach Bosnien wird für Lania und ihre Geschwister zum Abenteuer und der Prozess des Reisens selber bringt die drei so unterschiedlichen Geschwister einander näher und lässt sie zudem über ihre Familie und damit verbundene Themen sprechen, die sie schon länger vermieden haben. So kommen einige Geheimnisse, Träume, Pläne und Erinnerungen ans Tageslicht und der Name des Ortes, an den die Reise führen soll, wird endlich ausgesprochen. Srebrenica. Ein Ort, an dem so viele Menschen im Bosnienkrieg bei einem grauenvollen Massaker den Tod fanden. Ein Ort, an dem auch die Fäden um Lanias Geschichten zusammenlaufen.

Meine Meinung:
Bosnien und ich - eine grosse Liebe. Das wisst ihr mittlerweile sicher. Meiner Meinung nach ist das Geschichtenerzählen in Bosnien erfunden worden und Elvira Mujčić lässt auch immer wieder erahnen, welche Qualitäten sie diesbezüglich zu bieten hat. Nach und nach erfahren wir mehr über Lanias Grossmutter und die Umstände, welche sie von Srebrenica nach Italien geführt haben, sowie über die Familie selber, die nun umgekehrt nach Bosnien reisen und ihre geliebte Nana dort beerdigen lassen mussen. Angetan haben es mir dabei vor allem die abenteuerlichen und - wie ich aus eigenen Erfahrungen bestätigen kann - realitätsnahen - Schilderungen der Reise nach Bosnien mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, aber auch die amüsanten Beschreibungen des pragmatischen Umgangs mit dem Tod oder des täglichen Aberglaubens, sowie der Liebe zum Essen und geselligen Beisammensein. Ich habe mich mit diesem Buch wohl gefühlt, obwohl es auch äusserst tragische Geschichten aus den dunkelsten Kapiteln in Bosniens Vergangenheit erzählt und obwohl der leichte Erzählton manchmal doch ein wenig gar locker-flockig daherkommt.

Sprache:
Dieses Buch hat alles, was ein Buch, das - zumindest teilweise - in Bosnien spielt, braucht: korrupte Polizisten, Geschichten über Geschichten, ein wenig Religion, ein wenig Aberglaube, Langsamkeit und Humor, Liebe, Verlust und Familiendramen. Und Elvira Mujčić gelingt es, ihre Figuren und deren Leben auf nur wenigen Seiten fassbar zu machen und dabei in ihrer eigenen, leichten und trotzdem eingänglichen Sprache auch nicht ganz einfache Situationen, Gräueltaten und Familiendramen mit einer abenteuerlichen Reise und der Liebe zum Erzählen unter einen Hut zu bringen. Der wesentlich poetischere und vor allem passendere Originaltitel "Dieci prugne ai fascisti" (Zehn Zwetschgen für die Faschisten) ist dabei das beste Beispiel dafür, wie Erzählungen in die Handlung dieses Buches integriert werden und gleichzeitig auch wieder die Rahmenhandlung prägen.

Meine Empfehlung:
Ja, manchmal bleiben ein paar Gedanken zu flüchtig, ein paar Szenen zu oberflächlich, aber dieses Buch schafft es, nicht nur Bosnien, sondern auch das Erzählen von Geschichten, sowie Lania - die stellvertretend für eine ganze Generation in der Diaspora lebender, junger Menschen steht - näherzubringen, weshalb ich euch dieses berührende und unterhaltsame Buch sehr gerne empfehle.

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Veröffentlicht am 21.03.2020

Ein wundervolles Buch

Eine für vier - Vier gewinnt
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Meine Rezension gilt für das Taschenbuch dieses Buches:

Inhalt:
Einmal mehr verbringen die vier besten Freundinnen überhaupt ihren Sommer nicht gemeinsam und sogar das alljährliche Treffen am Anfang der ...

Meine Rezension gilt für das Taschenbuch dieses Buches:

Inhalt:
Einmal mehr verbringen die vier besten Freundinnen überhaupt ihren Sommer nicht gemeinsam und sogar das alljährliche Treffen am Anfang der Ferien kann nicht wie geplant stattfinden. Carmen taucht nicht auf, weil sie in einem Theatersommerkurs feststeckt. Die Jeans werden aber trotzdem auf Reisen geschickt und begleiten Bridget auf eine Ausgrabungsstätte, Lena in die Arme eines schönen Malers, Tibby in ihr kleines Zimmer im Studentenwohnheim und Carmen hinter die Kulissen eines Theaters. Auch wenn es dieses Jahr sehr schwierig ist, Kontakt zu halten - was nicht nur daran liegt, dass Bridget auf der Ausgrabungsstätte zeitenweise keinen Internetzugang hat - so schaffen es die vier jungen Frauen trotzdem, ihren Freundinnen beizustehen, wenn alle Stricke reissen. Und dies geschieht in diesem Band nicht nur einmal, sondern immer wieder. Freundschaften und Beziehungen werden auf die Probe gestellt und jede der Vier muss sich auf ihre Art und Weise mit eigenen Problemen und ihrer Zukunft auseinandersetzen und ihre ganz persönliche Lebensprüfung ablegen.
Als dann aber auch noch Effie mit der Jeans verschwindet, sind nicht nur Freundinnen, sondern gleich ein ganzer Suchtrupp und sehr schnelles Handeln gefragt und es zeigt sich einmal mehr, welche Macht die Jeans auf Reisen hat.

Meine Meinung:
Schon einige Male war ich vom letzten Band einer Reihe enttäuscht. Im letzten Band sind die Protagonisten meistens vom Kind zum Teenager oder vom Teenager zur jungen Frau/zum jungen Mann geworden und plötzliche geht das Konzept der Geschichte nicht mehr so richtig auf. Der Plot wird unglaubwürdig, aufgesetzt, überspitzt und enttäuschte mich schon häufig.
Ganz anders erging es mir mit diesem Buch. Ann Brashares schafft es mit einer enormen Feinfühligkeit, ihre Protagonistinnen langsam aber sicher erwachsen werden und dabei den Zauber der ursprünglichen Geschichte bestehen zu lassen. Die Mädchen werden zu jungen Frauen, leben ein erwachseneres Leben, führen Beziehungen, sind selbstständiger und fällen gewichtigere Entscheide, aber das Grundkonzept, die Jeans, die Freundschaft bleibt bestehen.
Dieser letzte Band erzählt Geschichten, wie sie im Leben häufig anzutreffen sind. Traurige und schöne Geschichte und Geschichten, die nur so richtig gute Freundinnen erleben können. Sie alle müssen sich ihren eigenen Problemen stellen und erfahren, dass das Leben kein Zuckerschlecken ist. Enttäuschungen, Streit und Trennungen gehören da nicht selten dazu und so werden sie alle uns normalen Menschen ähnlich und sind nicht einfach irgendwelche Fantasiegestalten aus Büchern, sondern Menschen, wie du und ich.
Trotz viel Fröhlichkeit zieht sich somit durch diesen ganzen Band eine ganz kleine Melancholie. Der Abschied von der Kindheit liegt noch nicht lange zurück und die Zukunft geschieht erst noch. Die Welt wird grösser und unbesorgter und einige Entscheidungen verändern das Leben von einem Tag auf den anderen. Diese Grundstimmung ist für mich eine riesige Qualität dieses Buches. Mit ihrem unvergesslichen, treffsicheren und intelligenten Schreibstil nimmt uns die Autorin mit auf eine lange und ungewisse Reise mitten ins Leben hinein und darum gehört diese Reihe auch in jedes Mädchenzimmer. Weil sie aus alltäglichen Situationen und Personen Geschichten macht, die trösten, unterhalten und fröhlich stimmen, ermahnen und berühren.

Fazit:
Diese Reihe, insbesondere der letzte Band ist ein Muss für jedes Mädchen und kann von allen Frauen gelesen und gliebt werden, weil sie aktuell und trotzdem zeitlos ist.

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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.03.2020

Hoher Anspruch an die Leserschaft aber grandios geschrieben

Goethe schtirbt
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Inhalt:
Goethe liegt im Sterben und verlangt noch einmal nach Wittgenstein. Dieser weilt aber in weiter Ferne und soll so schnell wie möglich an sein Krankenbett gebracht werden. Dass aber Kräuter, Riemer ...

Inhalt:
Goethe liegt im Sterben und verlangt noch einmal nach Wittgenstein. Dieser weilt aber in weiter Ferne und soll so schnell wie möglich an sein Krankenbett gebracht werden. Dass aber Kräuter, Riemer und der Ich-Erzähler eigentlich verhindern wollten, dass Wittgenstein den sterbenden Goethe besucht, lässt diesen kalt. Warum sie dies verhindern wollen, erfährt der Leser im Verlauf dieser ersten Kurzgeschichte.
Montaigne ist es, welcher den Ich-Erzähler in der nächsten Geschichte nachhaltig beeinflusst. Dieser flüchtet in seiner Einsamkeit und Unverstandenheit in die Literatur und fühlt sich mit dem Philosophen auf geistiger Ebene seltsam verwandt. Diese Zweisamkeit wird aber von der Realität zerstört.
Um rote und grüne Wanderbekleidung und zwei miteinander bekannte Familien geht es in der Erzählung "Wiedersehen". Worin dieses Wiedersehen besteht, was dieses Wiedersehen auslöst und vor allem, wofür dieses Wiedersehen eigentlich steht, erfährt der Leser auch hier erst gegen Ende der Erzählung.
Um Flucht, Philosophie und eine seltsame Freundschaft geht es auch in der kürzesten und letzten der vier Erzählungen.

Meine Meinung:
Ich habe vorher noch nie etwas von Thomas Bernhard gelesen, wollte dies aber schon immer einmal tun. Der Schreibstil stellt einen unglaublich hohen Anspruch an den Leser und setzt viel Wissen und Verständnis voraus. Dies ist auch der Grund, weshalb ich nicht auf Anhieb allen Gedankengängen und Gesprächen folgen konnte und einige Recherchen zum Buch unternehmen musste.
Dass die vier Texte aber in erster Linie als nicht ganz ernst gemeint zu verstehen sind und dass sie sich durch Übertreibungen Richtung Aberwitz bewegen, ist nicht von der Hand zu weisen und sollte bei der Lektüre dieser Geschichten auf jeden Fall im Hinterkopf behalten werden.
Ich werde wohl weitere Literatur des Autors lesen und mich so mehr und mehr mit seinem Stil und seinen Geschichten vertraut machen.

Fazit:
Nur wer Gedankenakrobatik und Irrwitz nicht scheut, sollte sich ohne Hintergrundwissen an diese Erzählungen wagen.

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Veröffentlicht am 26.01.2020

Spannend und unterhaltsam

Balthasars Hände
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Inhalt:
Balthasar ist gross und bewegt sich sehr ungelenk, was ihn manchmal ein wenig eingeschränkt oder gar beschränkt erscheinen lässt. Sein Gesichtszüge sind markant und wer ihm begegnen würde, würde ...

Inhalt:
Balthasar ist gross und bewegt sich sehr ungelenk, was ihn manchmal ein wenig eingeschränkt oder gar beschränkt erscheinen lässt. Sein Gesichtszüge sind markant und wer ihm begegnen würde, würde ihn wohl als nicht gerade sehr attraktiv bezeichnen. Aber Balthasar ist intelligent und in seiner Brust schlägt ein grosses und mitfühlendes Herz. Dies bewahrt ihn davor, mit Hass auf Hänseleien und mit Verbitterung auf Einsamkeit zu reagieren. Vielmehr versucht er, das Beste aus jeder Situation zu machen und allen Menschen eine zweite Chance zu geben. Ausserdem sind seine Hände sehr auffällig. Sie sind - im Gegensatz zum Rest seines Körpers - ausgesprochen feingliedrig und wirken sanft. Ausserdem hat er die Fähigkeit, mit ihnen Schmerzen zu lindern und wird so für seine von Schmerzen geplagte Mutter zur unverzichtbaren Hilfe. Auch bei epileptischen Anfällen und bei schreienden Kindern wirken seine Hände äusserst beruhigend. Eine Verkettung unglücklicher Fügungen bringt ihn schliesslich mittellos und total vereinsamt vor Gericht. Diese ganze Geschichte erfährt der Leser jedoch erst im Verlaufe der Geschichte.
Daniel Lagarde wird aber schon, ohne Baba - wie Balthasar seit frühester Kindheit genannt wird - zu kennen, auf ihn aufmerksam. Er spürt, dass dieser Mann ihm helfen kann. Die beiden Männer sind sich auf Anhieb sympathisch und Baba gelingt es tatsächlich, Daniels chronische Schmerzen zu lindern und ihm so zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Nach und nach erzählt Baba dem reichen aber sehr menschlichen und liebevollen Mann seine ganze tragische Lebensgeschichte und findet neben einem aufmerksamen Zuhörer auch einen verständnisvollen Freund.
Doch die Idylle seines Daseins hält nicht lange vor und weitere Schicksalsschläge erschüttern seine Welt.

Meine Meinung:
Nach "Winterbirnen" ist "Balthasars Hände" mein zweites Buch von Rolf Ersfeld, welches ich fast in einem Atemzug verschlungen habe. Auch bei diesem Buch fiel mir sofort die fast unendliche Anzahl an Handlungssträngen, Charakteren und Ereignissen auf. Vielleicht würden alle diese Begebenheiten und die ganze Handlung in einer Zusammenfassung als erschlagend oder gar überbordend empfunden werden. Der Autor schafft es aber auch im hier vorliegenden Roman, die verschiedenen Fäden des Erzählnetzes geschickt und unauffällig zu verweben und die einzelnen Geschichten in einen spannenden, stimmigen und ergreifenden Kontext zu bringen. Das liegt vor allem daran, dass jeder Satz klar ausgearbeitet und jede Figur mit viel Fleiss und Liebe gestaltet ist. Dies zeugt ganz klar von beherrschtem Handwerk und viel Fantasie und Einfühlvermögen. Wirkte "Winterbirnen" für mich manchmal noch ein wenig aufgesetzt, so ist "Balthasars Hände" ganz klar ein Roman, welchen ich ohne wenn und aber sofort weiter empfehlen würde.
Was mich als Musikerin und Genussmensch natürlich sehr freut, sind die verschiedenen Aspekte der Kunst und des Genusses, welche auch in diesem Buch zur Handlung und den Figuren dazu gehören. Die musikalischen Kenntnisse des Autors, sowie seine offensichtliche Freude an Essen und Wein und seine Erfahrung auf diesen Gebieten, machen dieses Buch zugleich zu einer Empfehlung für ein stimmiges Gericht oder einen Konzertabend.

Fazit:
Wer so viele Elemente der Erzählkunst mit täglichen Genüssen vereint, verdient es, gelesen zu werden. Auch dieser Roman von Rolf Ersfeld macht Lust auf mehr.

Veröffentlicht am 20.01.2020

Packend und kritisch

Die Jury
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Inhalt:
Die Vergewaltigung seiner Tochter verändert Carl Lee Haileys Leben von einem Tag auf den anderen. Zum Glück hat er Lester in der Familie, der sich damit auskennt, Menschen zu töten und anschliessend ...

Inhalt:
Die Vergewaltigung seiner Tochter verändert Carl Lee Haileys Leben von einem Tag auf den anderen. Zum Glück hat er Lester in der Familie, der sich damit auskennt, Menschen zu töten und anschliessend freigesprochen zu werden. Bei Lester holt er sich den notwendigen Rat und eine Waffe besorgt er sich bei einem zwielichtigen Freund. Nach einer der Verhandlungen versteckt er sich im Gerichtsgebäude und gerade als die Gefangenen an ihm vorbei geführt werden, verlässt er sein Versteckt und schiesst diese auf blutige Art und Weise nieder. Dabei verwundet er aber auch einen Desputy schwer und lädt somit eine zusätzliche Schuld auf sich. Er lässt sich festnehmen und engagiert den selben Anwalt, der Lester damals aus dem Gefängnis geholt hat. So will er für sich auch einen Freispruch erzielen. Er hat aber nicht damit gerechnet, dass er den Hass einer ganzen County auf sich geladen und sich so sein Leben unglaublich erschwert hat. Doch Jake Brigance, sein Anwalt setzt sich für ihn ein, hätte er doch seine Tochter genau so gerächt. Und gerade weil es so sehr ein mit Emotionen verbundenes Verbrechen ist, gerät die ganze Situation ausser Kontrolle. Morddrohungen am Telefon und Demonstrationen verschiedenster Organisationen sind da nur ein kleiner Teil der Mittel, mit denen ein Freispruch verhindert oder gewaltvoll erzielt werden will.

Meine Meinung:
Wer hier fleissig mitliest, weiss, dass ich John Grisham sehr gerne lese. Er schafft es wie kein anderer, Hintergründe des Gerichtsalltages mit psychologisch vertrakten Fällen zu verstricken und dabei nie langweilig zu werden. Was mir aber auch in diesem Buch von ihm zu schaffen machte, war die fast unüberblickbare Anzahl von Namen und dazugehörige Geschichten. Das Schwierige dabei ist, dass die Personen teilweise beim vollen Namen, manchmal aber auch nur beim Vor- oder Nachnamen genannt werden. Dies hat mich verwirrt, was aber nicht am Autor des Buches, sondern an meinem katastrophalen Namensgedächtnis liegt.
Die Personen sind sehr fein ausgearbeitet und ich habe mich sofort mit der Familie Hailey und vor allem mit Carl Lee Hailey angefreundet. Auch wenn das amerikanische Justizsystem sich sehr stark vom System hier in der Schweiz oder generell in Europa unterscheidet, so habe ich doch sämtliche Abläufe im Geschworenengericht verstanden. Dies liegt sicher auch daran, dass der Anwalt Jake Brigance seinem Mandanten einige Abläufe erklären muss und diese natürlich sogleich dem Leser versändlich macht. Zudem habe ich vor einiger Zeit bereits den Roman "Das Urteil" von Grisham gelesen. Dort wird der Fokus vor allem auf die Vorgänge in den von der Aussenwelt getrennten Geschworenenräume gerichtet. Ich denke aber, dass ich auch ohne diese vorgängige Lektüre verstanden hätte, wie genau ein Geschworenenprozess aufgebaut ist.
Auch wenn ich persönlich Selbstjustiz nicht unbedingt für angebracht halte, verstehe ich jeden Vater (und jede Mutter, ich würde wohl genau so handeln), welcher die Vergewaltigung seiner Tochter rächt, so wie Hailey dies getan hat. Dass Grisham für die Rolle des mordenden Vaters ausgerechnet einen von der Gesellschaft sowieso benachteiligten Schwarzen wählt (das Buch wurde 1989 geschrieben), verleiht der Handlung eine zusätzliche und leider nach wie vor aktuelle politische Dimension. Dass auch die Kirche in der ganzen Geschichte nicht nur gut weg kommt, spricht wohl für sich.

Fazit:
Einmal mehr ein Buch voller psychologischer Spannung in einem brisanten Kontext von Moral, Religion und Rassismus.
Ganz klar ist auch dieser Roman von John Grisham unbedingt lesenswert und vor allem für Krimi- und Thrillerfans geeignet, welche es eher unblutig mögen.