Unterhaltsam wie ein Roman - und doch viel mehr als das
DichterkinderEs ist eine sehr spezielle Clique, die sich in den 1920er Jahren zusammenfindet: wild und doch bourgeois, künstlerisch begabt und doch überschattet von den übergroßen Vätern, sexuell freizügig und doch ...
Es ist eine sehr spezielle Clique, die sich in den 1920er Jahren zusammenfindet: wild und doch bourgeois, künstlerisch begabt und doch überschattet von den übergroßen Vätern, sexuell freizügig und doch gefesselt durch gesellschaftliche Zwänge. Sie heißen Erika und Klaus Mann, Pamela Wedekind, Dorothea „Mopsa“ Sternheim, sie sind eng miteinander befreundet (und in unterschiedlichen Konstellationen bisweilen auch mehr als das), sie experimentieren mit der Kunst, der Liebe und mit Drogen, und allesamt sind sie, wie der Titel sagt, „Dichterkinder“. Sie ziehen zeitweise andere in ihren Bann (oder umgekehrt): Gustaf Gründgens, Gottfried Benn, Annemarie Schwarzenbach. Sie erleben ungezügelte Jahre, sind mehr als einmal Gegenstand der Klatschpresse und Verursacher von Skandalen – bis das Jahr 1933 unwiderruflich das Ende einläutet.
Ich habe „Dichterkinder“ ausgesprochen gern gelesen. Zwar war mir vieles, was die Geschwister Mann betrifft, durchaus bekannt, doch durch die im Fokus stehende Freundschaft der beiden zu Mopsa Sternheim und Pamela Wedekind bekamen selbst vertraute Tatsachen für mich eine neue, intimere Qualität. Die Leidenschaft und Begabung, die Zerrissenheit und der Freiheitsdrang, die Suche nach künstlerischer und sexueller Selbstverwirklichung, der unselige, zerstörerische Hang zu Drogen und Schwermut, die alle vier „Dichterkinder“ in sich tragen, ziehen sich als roter Faden durch diese detailreiche und fesselnde Biografie. Einen besonderen Pluspunkt stellt für mich Armin Strohmeyrs ausgeprägtes erzählerisches Talent dar: „Dichterkinder“ liest sich so flüssig wie ein Roman, ohne dabei je ins Voyeuristische oder Sensationsheischende abzugleiten. Strohmeyr erzählt überaus unterhaltsam, bisweilen ein wenig anekdotenhaft, doch gleichzeitig eindringlich und sensibel.
Wer sich bereits ausführlich mit einem oder mehreren der vier Dichterkinder beschäftigt hat (bei den meisten dürften das die Mann-Geschwister sein), wird möglicherweise nicht allzu viele neue Erkenntnisse, aber vielleicht einen neuen Blickwinkel gewinnen. Wer indes einfach gerne Biografien liest und sich vor allem für die 1920er Jahre interessiert, findet in „Dichterkinder“ einen interessanten, informativen und fesselnden Lesestoff.