Authentisch, emotional, berührend!
All In - Tausend Augenblicke"All in - Tausend Augenblicke" von Emma Scott lag ein paar Wochen auf meinem SuB, bevor mir diese tragische Liebesgeschichte spektakulär das Herz gebrochen hat. Hier zeigen sich das New Adult Genre und ...
"All in - Tausend Augenblicke" von Emma Scott lag ein paar Wochen auf meinem SuB, bevor mir diese tragische Liebesgeschichte spektakulär das Herz gebrochen hat. Hier zeigen sich das New Adult Genre und auch die Autorin von ihrer besten Seite, sodass ich Zwischenzeitlich gute Hoffnung hatte, dass "All In" zu meinem ersten richtigen Jahreshighlight 2020 wird, also mit vollen 5 Sternen, Gefühlsausbrüchen und monatlichem Reread, doch leider blieb mir die Geschichte an manchen Stellen zu oberflächlich und geschönt um vollends zu überzeugen.
"Ich werde dich allein lassen", sagte ich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Die Worte hingen zwischen uns, der Kern all unserer Schmerzen und Tränen und Bedenken. Aber Kacey lächelte - sie lächelte tatsächlich - während ihr Tränen die Wangen hinabliefen.
"Noch nicht. Nicht heute. Wir haben vielleicht keine Monate oder Jahre, aber wir haben Augenblicke. Tausende und Abertausende davon. Lass uns jeden Moment leben, ihn nutzen und bis zum Letzten auskosten."
Das Cover ist sehr schön anzusehen mit dem dunkel-violetten Grund und den Lichtpunkten in verschiedenen warmen Farben, bei denen man erst auf den zweiten Blick sieht, dass sie von einem aufflammenden Streichholz erzeugt werden. Dieses Motiv, das sich nicht aufdringlich in den Vordergrund drängt sondern erst auf den zweiten Blick offenbart, passt wunderbar zur Geschichte. Denn auch die Liebe zwischen Jonah und Kacey flammt hier schnell auf, brennt hell und lodernd, hat aber ein absehbares Ende und erlischt früher als wir uns das gewünscht hätten. Der Titel "All in" bezieht sich sowohl auf Kaceys und Jonahs Ausflug in die Casinos von Vegas als auch auf ihre Beziehung, die sie ohne Rücksicht auf Verluste ganz ihrem Herzen folgend anstatt ihrem Verstand eingehen und ganz versuchen, sich auf den Moment zu konzentrieren. Warum aber der Originaltitel "Full Tilt", ebenfalls ein Ausdruck beim Pokern und ebenfalls passend auf Kacey und Jonah nicht übernommen und stattdessen der Originaltitel des englischen zweiten Teils auf beide Bände übertragen wurden, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Nichtsdestotrotz ist die Gestaltung wundervoll und passt gut zur Geschichte.
Erster Satz: "Weißes Licht blendete mich."
Die Geschichte von Jonah und Kacey beginnt mit einem Prolog, in dem der Leser schon erfährt, was Jonahs Problem ist, sodass mir von Beginn an klar war: das wird keine lockere, lustige Heile-Welt-Geschichte mit strahlendem Happy End. Auch in Kaceys Leben sieht es zu Beginn alles andere als freundlich aus. Sie hat zwar keine schreckliche Diagnose, tanzt aber derart am Abgrund entlang, dass sie trotz ihres kometenhaften Aufstiegs mit ihrer Rockband "Rapid Confession" kurz davor ist, sich ins Abseits zu katapultieren. Ständig betrunken, haltlos vom einen Bett ins nächste taumelnd und mit regelmäßigen Blackouts hat sie komplett die Kontrolle über ihr Leben verloren und bracht dringend eine Pause. Die findet sie zu ihrer Überraschung bei ihrem Chauffeur Jonah, der sie nach einem Absturz zu sich nach Hause nimmt und ihr anbietet, ein paar Tage bei ihm zu bleiben. Auch wenn sie nicht auf der Suche nach einer neuen Liebe ist und auch Jonah alles andere als vorhat, von seiner wichtigen Routine abzuweichen und sich zu verlieben, kommen sich die beiden schnell näher. Er gibt ihr Halt und rettet sie, erdet sie und sie belohnt ihn mit bedingungsloser Liebe und Hilfe in der schlimmsten Phase seines Lebens...
"Roter Lippenstift, schwarzer Eyeliner. Ich sah vielleicht nach Rock´n´Roll aus, aber ich fühlte mich wie zerbrochenes Glas, das überall verstreut war. Ich wusste nicht mehr, wer oder was ich war, aber ich glitzerte hübsch im Rampenlicht."
Etwas überrascht hat mich, dass Jonahs Welt, sein Alltag und sein Umfeld einen viel größeren Raum einnehmen als Kaceys Rockstar-Leben, was ich mir aufgrund des Klapptexts anders vorgestellt hatte. Ich will mich aber auf keinen Fall darüber beschweren, dadurch dass ihre Karriere nur Ausgangspunkt aber nicht Thema des Romans ist, reiht sich die Geschichte nicht in die lange Reihe spaßiger aber bedeutungsloser Rockstar-Romanzen ein sondern sticht aus dem eintönigen Meer der Klischeehaftigkeit angenehm hervor. Etwas schade ist dabei nur, dass es zeitweise kaum eine Rolle zu spielen scheint, dass Kacey Musikerin ist, da das bis auf ein paar Stellen nicht vorkommt (vielleicht ändert sich das ja im zweiten Teil noch). Sehr gut gefallen wiederum hat mir, dass Kaceys und Jonahs Annäherung nicht überstürzt ist und plötzlich große Gefühle aus dem Nichts auftauchen.
"Ich versuchte mir vorzustellen, wie sie auf einer Bühne stand und vor einem kreischenden Publikum E-Gitarre spielte. Sie schien kurz davor, auseinanderzubrechen, und außer dieser Freundin mit dem zweifarbigen Haar schien sie niemanden auf der Welt zu haben, der ihr half, ganz zu bleiben."
Die Autorin erzählt abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Kacey und Jonah und lässt uns so an deren Lage, ihren Gefühlen und ihrer zarten Verbindung teilhaben. Ihr langsames, authentisches Kennenlernen so süß, dass wir den Beiden von Herzen eine gemeinsame Zukunft wünschen und die letzten Seiten einen mit erbarmungsloser Härte treffen. Man weiß als Leser zwar noch vor Kacey, dass diese nicht gut ausgehen wird, dass am Ende eine Person mit gebrochenem Herzen zurückgelassen wird (jedoch aus einem anderen Grund als viele von euch jetzt vielleicht erwarten würde). Und dennoch: man muss sich genau wie Kacey in diese Geschichte stürzen, all die schönen Momente auskosten und von Herzen hoffen, dass das Schöne am Ende das Hässliche aufwiegt.
"Sterben, das hatte ich gelernt, war kein Mannschaftssport. Es war ein einsames Unterfangen. Alle, die ich liebte, standen am trockenen Ufer, während ich allein in einem Boot saß, das sich langsam von der Küste entfernte, aber niemand konnte etwas tun. Sie konnten nur dabei zusehen."
Und das tut es tatsächlich. Emma Scott, von der ich bislang schon "The Light In Us" und "Bring Down The Stars" gelesen habe, hat hier eine weitere Geschichte voller Schmerz, Liebe und Wahrheit geschrieben, die mich zum Weinen, zum Lachen und zum Mitfiebern gebracht, vor allem aber tief berührt hat. Ihr wundervoller Schreibstil erschafft eine bittersüße Grundstimmung, denn wir lesen hier nicht nur vom Beginn und Höhepunkt einer Liebe mit einer bedeutungsvollen Zukunft sondern auch vom Ende. Was passiert, wenn man die große Liebe erst trifft, wenn es schon fast zu spät ist? Ist eine Liebe mit Ablaufdatum trotzdem wert gelebt zu werden? Welches Vermächtnis hinterlassen wir, wenn wir gehen? All diesen Fragen geht sie nach - tragisch, berührend, emotional und unvergesslich! Die Sensibilität, mit der sie dem Leser einen Blick ins Innere ihrer Protagonisten gewährt, die Grausamkeit, mit der sie uns und ihre Geschöpfe konfrontiert und die viele Liebe, mit der sie ihre und unsere Herzen heilt, sind wirklich erstaunlich. Sie erschafft durch die Mischung von zwei zerbrechlichen und doch starken Protagonisten, einer wunderschöner und doch hässlicher Stadt und herzzerreißend traurigen und anrührend süßen Momenten einen ambivalenten Mix voller Kontraste, Wahrheit und Tiefgründigkeit.
"Ich weiß, dass du ein wunderschönes Kunstwerk hinterlassen willst. Aber du konzentrierst dich nur auf das Ziel, nicht auf den Weg." Dena legte ihre Hand auf meine Wange. "Solltest du nicht auf dem, Weg tun, was am wichtigsten ist?"
Ich legte meine Hand auf ihre. "Und was wäre das?"
"Glücklich sein."
Doch warum konnte mich die Geschichte trotz all dem nicht komplett überzeugen? Trotz der tragischen Momente und des berührenden Schreibstils ist diese Geschichte eher auf emotionale Art und Weise anspruchsvoll und bleibt trotz allem noch ein Young Adult Roman, sodass dies kein Roman ist, über den man auch noch in Jahrzehnten Hymnen schreibt, sondern der dem Leser schöne Stunden beschert und danach weggelegt werden kann. Ich weiß nicht wie ich es schildern soll, ohne der Geschichte ihren Zauber abzuerkennen, aber insgesamt blieb mir der Roman (so wie viele des Genres) stellenweise zu oberflächlich, sodass "All In" dem Thema nicht zu 100% gerecht wird. Beispielsweise zu Beginn konzentriert sich die Autorin ganz auf die Liebesgeschichte statt Kaceys Entwicklung genügend Raum zu geben, dann nimmt die rein körperliche Beziehung der Beiden sehr viel Raum ein und verhindert, dass wir sie als funktionierendes Paar wirklich ernst nehmen können und gegen Ende geht alles relativ schnell und so friedlich von statten, als hätte die Autorin sich nicht getraut, dem Leser die volle Last der Trauer und ein langsames Dahinsiechen zuzumuten. Trotz der vielen Dramatik lief zeitweise vieles sehr glatt, sodass ich mir ein bisschen mehr von der hässlichen Seite gewünscht hätte (trotz dass mein Leserherz sich natürlich über weniger Leid gefreut hat). So ist die Geschichte zwar tragisch und konnte mich zum Großteil auch emotional abholen, an einigen Stellen erscheint sie aber auch ein wenig unehrlich, weil dem Leser viele Probleme verschwiegen wurden.
"Er lächelte. "Nur eine freundliche Erinnerung."
"Woran?"
"Daran, dass man überall Schönheit findet. Auch in den Dingen, die einem am meisten Angst machen."
Auch auf die beiden Protagonisten, die ich an sich ganz wunderbar fand, hat sich das Problem ausgeweitet. Zu Beginn braucht man eine ganze Weile um mit Kacey warm zu werden, da ihre selbstzerstörerische, unachtsame Art gemischt mit einer eher derben Ausdrucksweise und keinerlei Selbstachtung eine eher schwierige Kombination ist. Nach der plötzlich sehr schnellen Entwicklung, für die sich die Autorin meiner Meinung nach nicht genügend Zeit genommen hat, macht sie mir nichts dir nichts einen kalten Entzug, ihr Alkoholproblem ist Geschichte, sie kommt problemlos aus ihrem Vertrag beim Label heraus und wird stattdessen von Jonah in gewisser Weise abhängig. Danach entwickelt sie sich zu einem einnehmenden, rücksichtsvollen, selbstbewussten Wesen, das sie vielleicht die ganze Zeit schon war und die Tatsache, dass viele ihrer Dämonen (ihre Unfähigkeit, eigene Lieder zu schreiben, ihre offene Zukunft, ihre Probleme mit ihrer Familie) auf den nächsten Teil verschoben werden, sorgt dafür, dass sie und ihre Bedürfnisse zeitweise hinter der Einheit "Kacey und Jonah" sehr in den Hintergrund treten. Auch Jonah blieb mir ein wenig zu konstant und in seinen Ängsten und Hoffnungen zu blass. Bis auf eine kurze Phase mit leichten Stimmungsschwankungen scheint er sein Schicksal überraschend gelassen zu nehmen. Ich weiß nicht ob er Angst, Wut und Verleugnung oder andere Emotionen schon vor dem Beginn der Geschichte hinter sich gelassen hat, aber dass sich in seinem Inneren außer Liebe kaum etwas tut ist auch nicht ganz realistisch. Sehr einfallsreich und nett gemacht ist jedoch seine große Leidenschaft, die Kunst des Glasblasens, von dem ich bislang wirklich noch nirgends gelesen habe.
"Ich liebe dich", wiederholte sie noch einmal. Die Worte sanken in mein Herz. Und damit meine ich nicht das Organ, das in meiner Brust versagte, sondern den Teil von mir, der für sie lebte. Ich war vollkommen erfüllt von einer Wärme und einem Glück, das ich nicht für möglich gehalten hatte. Nicht zu einer solchen Zeit. Nicht an einem solchen Ort. "
Alles in allem will ich nochmal wiederholen, dass diese Geschichte trotz weniger Kritikpunkte einfach unglaublich und ein heller Lichtblick im Sumpf der immergleichen, bedeutungslosen Geschichten des Genres ist. Trotz dass mir bei dieser etwas anderen Rockstar-Lovestory an einigen Stellen ein bisschen Tiefgang gefehlt hat und zwischendurch leider die Sexszenen mal etwas überhand nehmen, bin ich sehr gespannt auf den nächsten Teil und werde diesen unbedingt lesen. Denn auch wenn "All In" mich fluchen, weinen und ab und zu auch mal die Augen hat verdrehen lassen, ist es dennoch so wunderschön gewesen, dass man es nicht verpassen will.
Fazit:
"All In" ist authentisch, emotional, berührend und mit zwei ganz besonderen Protagonisten, die für immer einen Platz in meinem Herzen haben werden! Trotz dass mir bei dieser etwas anderen Rockstar-Lovestory an einigen Stellen ein bisschen Tiefgang gefehlt hat und zwischendurch leider die Sexszenen mal etwas überhand nehmen, kann ich dieses "New Adult"-Highlight nur empfehlen!