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Veröffentlicht am 19.03.2017

Ende eines Martyriums

Der Mörder und das Mädchen
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Cornelia Göransson will sich nach vielen Jahren von ihrem gewalttätigen, älteren Ehemann Hans scheiden lassen. Alles ist vorbereitet. Sie hat eine neue Wohnung, in die sie mit ihrer sechsjährigen Tochter ...

Cornelia Göransson will sich nach vielen Jahren von ihrem gewalttätigen, älteren Ehemann Hans scheiden lassen. Alles ist vorbereitet. Sie hat eine neue Wohnung, in die sie mit ihrer sechsjährigen Tochter Astrid ziehen wird. Es muss nur noch die geplante Hausbesichtigung stattfinden, dann will sie mit den nötigsten Sachen heimlich, still und leise das gemeinsame Haus verlassen. Cornelia "wagt nicht, jetzt schon etwas einzupacken. Die Erfahrung sagt ihr, dass sie sich nicht zu früh in Sicherheit wiegen darf. Sonst geht es garantiert schief" (Kapitel 2, Pos. 114)." Mit allen möglichen Requisiten wie exklusive Sessel, Teppiche und Lampen versucht sie, den Betrachter von den Mängeln der Villa im attraktiven Stockholmer Vorort Bromma abzulenken. Cornelias Ahnungen bewahrheiten sich. Am Tag nach der Hausbesichtigung liegt ihr Ehemann tot im Gästezimmer im Erdgeschoss. Schnell steht für das Ermittlerteam der Mordkommission die Verdächtige fest: die Ehefrau. Sehr oft sind auch in der Wirklichkeit die Täter in der Familie zu finden, aber wieso sollte Cornelia ihren Mann gerade in dem Augenblick umbringen, wo sie alles für ein neues Leben vorbereitet? Sie hat ein starkes Motiv, denn ihr Ehemann hat kurz vor seinem Tod noch eine hohe Lebensversicherung abgeschlossen und der Verkauf des Hauses würde Millionen einbringen, die ihr allein gehören würden. Außerdem kann niemand, auch nicht ihre beste Freundin Josefin, die zufällig die Schwester der Ermittlerin Emma Sköld ist, bezeugen, dass sie wirklich von ihrem Ehemann misshandelt wurde. Anzeigen oder Krankenhausaufenthalte hat es nie gegeben. Cornelia kommt der Tod ihres Ehemannes Hans sehr gelegen, doch so einfach ist die Geschichte nicht gestrickt.

"Der Mörder und das Mädchen" von Sofie Sarenbrant ist der dritte Band der Reihe um die schwedische Ermittlerin Emma Sköld, der vor kurzem in Deutschland erschienen ist. Die Autorin wird als "die aufregendste neue Krimiautorin in Schweden" (Camilla Läckberg) angepriesen, und das vorliegende Buch war der Krimi des Jahres 2015 in Schweden. Es lässt sich gut lesen, die Handlung ist schlüssig mit guten Wendungen zum Ende hin. Der in 105 kurze Kapitel eingeteilte Thriller spielt in einem Zeitraum von acht Tagen. Angesiedelt ist er in der Maklerbranche und behandelt Themen wie häusliche Gewalt, Stalking, Verlust und Rache. Mir hat leider etwas die Spannung gefehlt, und mich stören die vielen banalen Details aus dem Alltagsleben, die den Lesefluss hemmen. Am Ende kennt der Leser den Täter, doch die Geschichte geht weiter, denn Emma und ihr Team ahnen nicht, wer wirklich hinten den Morden steckt und sie wissen auch nicht, wer Emmas Schwester Josefin wirklich umbringen wollte. Das halboffene Ende zeigt, dass die begonnene Serie fortgesetzt werden soll und die losen Enden in den Folgebänden verknüpft werden sollen. Mir hat der Thriller ganz gut gefallen, obwohl ich das überschwängliche Lob für den neuen Star der an Autoren nicht eben armen schwedischen Krimiszene zum jetzigen Zeitpunkt nicht so ganz nachempfinden kann. Ich glaube nicht, dass ich die ganze Serie lesen werde.

Veröffentlicht am 28.01.2017

Das Geheimnis des blauen Buches

Gefährliche Empfehlungen
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Der berühmte luxemburgische Koch Xavier Kieffer wollte eigentlich nur mit seiner Freundin Valérie Gabin in Paris ein rauschendes Fest im neuen Firmengebäude des Guide Gabin feiern, aber es kommt anders. ...

Der berühmte luxemburgische Koch Xavier Kieffer wollte eigentlich nur mit seiner Freundin Valérie Gabin in Paris ein rauschendes Fest im neuen Firmengebäude des Guide Gabin feiern, aber es kommt anders. Der Koch wird auch in "Gefährliche Empfehlungen", Tom Hillenbrands fünftem kulinarischem Krimi um Xavier Kieffer, wieder zum Ermittler. Zu dem Großereignis ist viel Prominenz eingeladen, alles was in der Restaurantszene Rang und Namen hat, auch der Food-Kolumnist von "Le Monde", der Ex-Präsident und der aktuelle Amtsinhaber Allégret, der mit Valerie Gabin befreundet ist, sind gekommen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind an diesem Abend besonders streng. Dennoch kommt es zu einem Zwischenfall. Ein radikaler Aktivist stürmt auf die Bühne, und während eines kurzen Stromausfalls wird der Guide Gabin aus dem Jahre 1939 gestohlen. Das sehr wertvolle Buch ist eine Leihgabe, was die Angelegenheit besonders brisant macht. Die Romanhandlung beginnt jedoch nicht mit dem Festakt und dem Diebstahl, sondern setzt aus zunächst unbekannten Gründen im Zweiten Weltkrieg ein, wo Captain John Fischer darauf wartet, mit seinem kleinen Radioempfänger über Radio Londres wichtige Informationen zu erhalten, die er später in sein Buch mit dem kobaltblauen Einband eintragen wird. Nur sein Divisionskommandant weiß, dass er nicht für die Army, sondern für jemanden in Washington D.C. arbeitet. Was haben die beiden so verschiedenen Handlungsstränge miteinander zu tun? Als ein Mord geschieht beginnt Kieffer zu recherchieren, auch, weil der Präsident um Hilfe in der Sache gebeten hat. Er findet heraus, dass der Gabin von 1939 die letzte Ausgabe vor dem Krieg war und dass es, aus welchen Gründen auch immer, zwei Fassungen davon gibt.
Tom Hillenbrand gelingt es, neben der Suche nach dem Guide Gabin kulinarische Themen und die örtlichen Gegebenheiten zu einem interessanten, wenn auch überladenen Plot zu vermischen. Es wird getrunken, gegessen, viel geraucht und auch der Humor bleibt nicht auf der Strecke. Hillenbrand bedient sich in dem vorliegenden Roman der Geschichte des Guide Michelin. Sein ehemaliger Sternekoch gerät in lebensgefährliche Situationen, die er mit einer Portion Glück, durch wundersame Zufälle und mit List überlebt. Hilfreich ist das Glossar am Ende des Buches. Ich habe neben „Teufelsfrucht“ "Drohnenland" - für mich das beste Buch des Autors - und "Der Kaffeedieb" gelesen und wurde auch mit „Gefährliche Empfehlungen“ gut unterhalten.

Veröffentlicht am 07.01.2017

Vom Erinnern und Vergessen

DEAR AMY - Er wird mich töten, wenn Du mich nicht findest
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In Helen Callaghans Erstlingsroman “Dear Amy“ geht es um einen Serientäter, der in Cambridge und Umgebung junge Mädchen entführt und gefangen hält. Der Roman beginnt mit einem Prolog, der die Entführung ...

In Helen Callaghans Erstlingsroman “Dear Amy“ geht es um einen Serientäter, der in Cambridge und Umgebung junge Mädchen entführt und gefangen hält. Der Roman beginnt mit einem Prolog, der die Entführung der 15jährigen Katie Browne aus ihrer Sicht beschreibt. Katie wollte nach einem Streit mit der Mutter und ihrem Partner Brian von zu Hause weglaufen, entscheidet sich dann aber zurückzugehen. In diesem Augenblick wird sie von einem Unbekannten überwältigt und entführt. In den folgenden Wochen glauben weder die Polizei noch die Presse und die meisten von Katies Bekannten an ein Verbrechen. Nur Katies Lehrerin Margot Lewis ist in größter Sorge um ihre Schülerin, zumal sie in ihrer Eigenschaft als Kummerkastentante beim Cambridge Examiner plötzlich Briefe von Bethan Avery, einem vor nahezu zwanzig Jahren entführten Mädchen erhält, die sie in Todesangst bittet, sie zu retten. Margot drängt die Polizei, DNA- und Schriftprobenvergleiche vorzunehmen. Tatsächlich ermittelt die Polizei dann in Katies Fall und untersucht eine Reihe von nie aufgeklärten alten Fällen verschwundener Mädchen. Raffiniert hat es die Autorin so eingerichtet, dass der Leser durch den Prolog einen Informationsvorsprung vor allen Beteiligten hat. Er allein weiß, dass Katie in Lebensgefahr ist.
Überwiegend wird die Geschichte aus Margots Perspektive erzählt. Wir sehen, dass Katies Entführung sie in eine persönliche Krise stürzt, dass Panikattacken und Alpträume ihr Leben zunehmend beeinträchtigen. Häppchenweise bekommt der Leser die Information, dass sie eine Vorgeschichte von psychischen Störungen und Klinikaufenthalten hat. Unterstützung findet Margot bei dem Kriminalpsychologen Dr. Martin Forrester. Er begleitet sie bei ihren verzweifelten Bemühungen, Katie rechtzeitig zu finden. In der zweiten Hälfte wird der Roman durch zahlreiche überraschende Wendungen immer packender bis hin zum großen Finale.
Callaghans Psychothriller liest sich gut und überzeugt vor allem durch den weitgehenden Verzicht auf die detaillierte Darstellung von physischer Gewalt. Stattdessen konzentriert sich die Autorin auf die psychischen Folgen von Verbrechen bei den lebenslang traumatisierten Opfern. Gut informiert beschreibt sie psychische Überlebensstrategien wie Verdrängung und Dissoziation. Ein wirklich vielversprechendes Debüt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Wo ist der Bahnhof?

Der Trick
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In Emanuel Bergmanns Romanerstling „Der Trick“ geht es um zwei Geschichten auf zwei Zeitebenen, die allmählich zusammengeführt werden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebt in Prag Rabbi Laibl Goldenhirsch ...

In Emanuel Bergmanns Romanerstling „Der Trick“ geht es um zwei Geschichten auf zwei Zeitebenen, die allmählich zusammengeführt werden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebt in Prag Rabbi Laibl Goldenhirsch mit seiner Frau Rifka und dem Sohn Moses genannt Mosche. Nach Rifkas Tod entfernen sich Vater und Sohn voneinander, und der 15jährige Mosche schließt sich einem Zirkus an, nachdem er sich in die Assistentin des „Halbmondmanns“, eines Mentalisten und Illusionisten verliebt hat. Der „Halbmondmann“ wird sein Lehrer, bis es zum Zerwürfnis kommt. Mosche verleugnet seine jüdische Identität und wird zum Großen Zabbatini mit persischer Herkunft. Gern spricht er die Farsi-Worte Daruh Khaneh Kojast (wo ist der Bahnhof, bitte?), um seine Tarnung glaubwürdig zu machen. Auf Dauer hilft ihm das nicht, denn Naziterror und Judenverfolgung bringen ihn in Lebensgefahr. Sein ehemaliger Mentor verrät ihn aus Rache an die Gestapo, und er wird deportiert. Er überlebt und verbringt seine zweite Lebenshälfte in Los Angeles.
In einem zweiten Handlungsstrang geht es im Jahr 2007 um den 10jährigen Max Cohn und seine Familie. Die Eltern von Max wollen sich scheiden lassen. Um dies zu verhindern, suc ht Max den alten Zauberer Zabbatini, der mit seinem Liebeszauber die Ehe der Eltern retten soll. Der alte Mann weigert sich zunächst - er ist ja schließlich auch ein bisschen aus der Übung. Als er sieht, wie unglücklich Max ist, erklärt er sich bereit, am 11. Geburtstag des Jungen eine Vorstellung zu geben, in der er auch den Liebeszauber praktizieren wird. Bei dieser Gelegenheit kommt es zu einer schicksalhaften Begegnung, in der alle Rätsel gelöst werden.
Bergmann gelingt ein vor allem zum Ende hin sehr emotionaler, berührender Roman, den ich gern gelesen habe, weil er menschliche Schicksale eindrücklich vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund darstellt und der lebensrettende Trick in schweren Zeiten wichtiger ist als alle Zauberkunststücke zur Unterhaltung eines Publikums. Ein schönes Buch.

Veröffentlicht am 16.05.2021

Eine ungewöhnliche Kindheit

Der Junge, der das Universum verschlang
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Die Geschichte um eine Familie in Darra, einem verarmten Arbeiterviertel von Brisbane, setzt etwa 1985 ein. Die Brüder Eli, 12 und August Bell, 13 leben mit ihrer Mutter im Haus des Stiefvaters Lyle unter ...

Die Geschichte um eine Familie in Darra, einem verarmten Arbeiterviertel von Brisbane, setzt etwa 1985 ein. Die Brüder Eli, 12 und August Bell, 13 leben mit ihrer Mutter im Haus des Stiefvaters Lyle unter sehr schwierigen Bedingungen. Lyle Orlik verdient seinen Lebensunterhalt als Heroinhändler, die Mutter ist drogenabhängig und hat den Vater, einen Alkoholiker, Jahre zuvor verlassen, nachdem dieser bei einem Autounfall absichtlich oder im Suff seine kleinen Söhne fast getötet hätte. Der beste Freund der Jungen ist der verurteilte Mörder Arthur „Slim“ Halliday, der durch mehrere Ausbrüche aus dem berüchtigten Boggo Road-Gefängnis berühmt geworden ist. Eines Tages rächt sich der örtliche Drogenboss an Lyle für eigenmächtige geschäftliche Aktivitäten, und die Mutter der Jungen kommt ins Gefängnis. Die Jungen leben deshalb einige Jahre bei ihrem Vater.
In diesem ganz besonderen Coming-Of-Age-Roman gibt es außer den ungewöhnlichen Protagonisten sehr viel Gewalt, auch häusliche Gewalt gegen Frauen, und eine Menge Grausamkeiten in teilweise übertrieben drastischen Szenen. Für den Leser ist es vor allem interessant zu sehen, welche Strategien die Jungen entwickeln, um diesen Sumpf zu überleben und unbeirrt ihre Ziele zu erreichen. Eli schafft den Sprung in eine Karriere als Journalist, indem er als Praktikant bei einer lokalen Zeitung erst anderen in untergeordneter Stellung zuarbeitet, dann den großzügigen Wohltäter der Gemeinde als das enttarnt, was er ist: ein grausames Monster an der Spitze des Drogenkartells. Es gibt aber nicht nur menschliche Abgründe in diesem Roman, sondern auch die erste Liebe Elis zu einer deutlich älteren Journalistin und seine enge Bindung an seinen sehr speziellen Bruder August, der ihn beschützt. Große Teile der Geschichte sind nicht erfunden, sondern entsprechen den Erlebnissen des Autors. Lediglich die etwas gewöhnungsbedürftigen mystischen Elemente um August, seine prophetische Vorausschau und seine kryptischen mit den Fingern in die Luft geschriebenen Botschaften sind nicht einer realistischen Darstellung verpflichtet.
Mir hat das Buch gut gefallen. Wenn man sich eingelesen hat, ist das eine sehr lohnende Geschichte vom anderen Ende der Welt.