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Veröffentlicht am 08.04.2020

Tolle Geschichte mit einer beeindruckenden Protagonistin

Die Spionin
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Nancy Wake lebt mit ihrem Mann in Marseille und ist dort in der Resistance aktiv. Nachdem sie als Journalistin die Gräueltaten der Nazis beobachtet hatte, hat sie nur noch das Ziel den Nazis das Leben ...

Nancy Wake lebt mit ihrem Mann in Marseille und ist dort in der Resistance aktiv. Nachdem sie als Journalistin die Gräueltaten der Nazis beobachtet hatte, hat sie nur noch das Ziel den Nazis das Leben schwer zu machen und sie zu bekämpfen, wo es nur geht. Dabei macht sie sich als die „Weiße Maus“ einen Namen und gerät in den Fokus der deutschen Besatzer. Ihr Mann, der die Resistance finanziell unterstützt, wird verhaftet, Nancy flüchtet spektakulär und setzt in Frankreich als Agentin des britischen Geheimdienstes SOE ihren Kampf gegen die Nazis fort, für die Freiheit und ihre Liebe.

Der Name Nancy Wake oder auch ihr Spitzname „Weiße Maus“ waren mir bis zur Lektüre völlig unbekannt – leider, denn diese Frau ist extrem beeindruckend. Der Roman ist zwar in Teilen fiktiv, also der Aufkleber „nach einer wahren Geschichte“ durchaus wörtlich zu nehmen, da beispielsweise in Teilen dramaturgisch geschickt Dinge vor allem zeitlich geändert wurden (das Nachwort klärt darüber auf). Nancy kennt das Risiko, welches sie eingeht, aber ihre Überzeugung und ihr Charakter sind so stark, dass sie alles im Kampf gegen die Nazis auffährt – und das ist beeindruckend viel. Manches erscheint nahezu unmenschlich, aber besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen, heldenhaften Mut und kompromisslose Lösungen – ob als Mann oder als gerne mal auch geschminkte und bildhübsche Frau. Sie hatte nicht nur mit den Kriegshandlungen ihre Probleme, sondern auch mit den Männern im Allgemeinen, die sie wegen ihres Geschlechts nicht akzeptieren wollte, doch auch den Männern in den eigenen Reihen hat sie es gezeigt. Ihr Gegner, Böhm von der Gestapo, macht Jagd auf die mutige Frau und man hofft, dass für Nancy alles gut ausgehen möge.

Die Ereignisse starten schon brisant in Marseille, 1943 und erklären von Nancys Erlebnissen bis zur Befreiung durch die Alliierten. Der Schreibstil ist rund und fast durchgängig sehr fesselnd. Nicht selten entstehen Bilder vor Augen, die innehalten lassen und fassungslos machen. Die Situation wird detailreich geschildert und weckt immer wieder starke Emotionen. Die Figur Nancy ist facettenreich und beeindruckend beschrieben.
Ein unterhaltsamer, informativer und spannender Roman, über eine beeindruckende Widerstandskämpferin, der bisher zu viel zu wenig Aufmerksamkeit zuteilwurde.

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Veröffentlicht am 15.04.2020

Fesselnde Geschichte unter dem Deckmantel der Forschung

Die Tanzenden
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Das Hôpital de la Salpêtrière ist Ende des 19. Jahrhunderts der Platz für jene Frauen, die als geisteskrank, gestört und von der Norm abweichend, gelten. Darunter sind gefährliche Frauen, aber auch solche, ...

Das Hôpital de la Salpêtrière ist Ende des 19. Jahrhunderts der Platz für jene Frauen, die als geisteskrank, gestört und von der Norm abweichend, gelten. Darunter sind gefährliche Frauen, aber auch solche, die man(n) loswerden wollte. So landete auch die lebensfrohe, wenn auch in der Familie schon immer kritisch beäugte Eugénie dort, weil sie ihrer Großmutter gestand Geister zu sehen. Sowas kann die Familie nicht dulden, daher muss sie weg. Aufseherin Geneviève merkt schnell, dass Eugénie nicht krank ist. Auch die anderen Frauen, die auf nichts mehr hoffen dürfen und sich immer auf die Bälle, bei denen sie der Öffentlichkeit präsentiert werden, freuen, merken das schnell.

Gehört und ein wenig gelesen hatte ich schon im Vorfeld von den Bällen, bei denen die Oberschicht sich an den „Geisteskranken“ ergötzt hat, doch nie hatte ich so ein Buch in den Händen. Wie unter dem Deckmantel der Forschung Frauen unter unmenschlichen Bedingungen gehalten wurden, wie sich Männer unliebsamer Frauen und Töchter entledigten – das ist einfach furchtbar. Trotzdem kann und will man das Buch nicht mehr aus den Händen legen. Man fiebert mit Eugénie mit, hofft und bangt, verteufelt die Großmutter und den Vater, die ihr Vertrauen so mit Füßen getreten haben und muss gleichzeitig die Stärke der jungen Frau bewundern. Dass Männer einfach so Frauen als geisteskrank deklarieren und somit abschieben konnten, ist furchtbar.


Dass die Frauen wie Tiere im Zoo gehalten und präsentiert wurden, ist nahezu unglaublich und aus heutiger Sicht ein absolutes No-Go. Gaffer sind also keine neue Erscheinung. Das menschliche Elend hat schon immer eine gewisse Klientel angesprochen.

Der Blick hinter die Mauern, die Auseinandersetzungen der Frauen untereinander und die „Forschungsmethoden“ werden sehr gut geschildert. Eugénie wehrt sich gegen all das, möchte die althergebrachte Ordnung zwischen Mann und Frau nicht akzeptieren und versucht nicht in dem Krankenhaus, ob der Umstände, tatsächlich noch krank zu werden. Doch nicht nur Eugénies Schicksal, auch das anderer Frauen wird geschildert. Manche haben Gewalt durch Männer erfahren und einige sind dadurch auch sicherlich wirklich erkrankt, aber sie hätten auf jeden Fall etwas anderes verdient, als Behandlungen dieser Art.

Die einzige Frau in der Geschichte, die völlig anders erscheint, ist Aufseherin Geneviève, die dafür sorgt, dass nicht alles im Chaos versinkt. Auch wenn sie das gut erledigt(und bei mir nicht immer mit ihrer Art punkten konnte), hat auch sie ihre Schwierigkeiten mit den Männern, die nicht folgenlos bleiben…
Der Schreibstil ist fesselnd, manchmal habe ich Sequenzen aber auch zweimal gelesen. Es war einfach fast zu ungeheuerlich, was die Autorin geschildert hat, sodass ich sicher gehen musste nichts falsch verstanden zu haben – hatte ich leider nicht…und wenn man dann ein wenig noch recherchiert und feststellt, dass der Roman zwar fiktiv ist, die Behandlungen aber genauso abliefen, wird man zornig, wütend und ist irgendwann der Überzeugung, dass die wahrhaft Gestörten nicht innerhalb der Krankenhausmauern zu finden waren. Zu den meisten Frauen bekommt der Leser schnell eine Verbindung und man hofft, dass das jeweils Beste doch bitte eintreten möge.

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Veröffentlicht am 15.04.2020

Spannender Gerichtsthriller

Miracle Creek
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Ein grässliches Feuer in einer medizinischen Einrichtung in dem kleinen, amerikanischen Ort „Miracle Creek“ zerstört das Leben vieler Menschen. Alle Beteiligten wollten Linderung verschiedener Krankheiten ...

Ein grässliches Feuer in einer medizinischen Einrichtung in dem kleinen, amerikanischen Ort „Miracle Creek“ zerstört das Leben vieler Menschen. Alle Beteiligten wollten Linderung verschiedener Krankheiten durch eine Sauerstofftherapie erreichen, doch eine Explosion richtet verheerenden Schaden an. Es gab zwei Tote, die Verletzungen anderer sind einschneidend und eine Mutter steht im Verdacht das Feuer gelegt zu haben. Mit dem Prozess beginnt die Geschichte…


…die mich nach wenigen Seiten schon sehr mitgenommen hat. Bei dem Unglück sind der achtjährige Autist Henry und eine Mutter, die ihren Sohn in der Druckkammer begleitet hat, ihren schweren Verletzungen erlegen. Aufgrund verschiedener Aspekte, die der Leser nach und nach erfährt, ist Henrys Mutter dringend tatverdächtig und gegen sie wird der Prozess gemacht. Dabei zeigt sich schnell, dass alle in irgendeine Art Geheimnisse haben. Manche sind einfach nur unschön, manche scheinen tiefgreifender zu sein, als man das erst einmal erwarten würde.
Rückblicke auf die Ereignisse in das Jahr zuvor, von heimlichen Treffen, verdrehten Worten und schlechtem Gewissen reicht die Palette. Wie sich das amerikanische Leben für die südkoreanische Einwanderfamilie Yoo auswirkt ist extrem gut dargestellt.

Der Schreibstil ist detailreich und die allmähliche Rekonstruktion des Jahres mit allen Geheimnissen aus den verschiedenen Perspektiven, teils vor aller Öffentlichkeit im Gerichtssaal präsentiert, teils von Dritten im Geheimen aufgedeckt oder aufgrund eines schlechten Gewissens verraten, ergibt nach und nach ein stimmiges Gesamtbild. Der Leser rätselt ständig mit und die Situation spitzt sich immer wieder zu. Unweigerlich beginnt der Leser auch die Schuldfrage zu stellen und wer wie viel Anteil an dem Unglück hat. Es gibt immer wieder Widersprüche und man merkt, dass man den Leuten nicht unbesehen glauben kann. Emotional bedient die Geschichte eine ganze Palette. Die Krankheiten der Kinder, die behandelt werden sollten und der zahlreichen alltäglichen Schwierigkeiten, die sich daraus für Eltern ergeben, aber auch unerfüllte Kinderwünsche und integrative Probleme sind Thema, sodass eine ganze Bandbreite an Schwierigkeiten angesprochen wird. Das erscheint fast zu viel, um in einem Buch behandelt zu werden, aber die Autorin webt eine vielschichtige und überzeugende Geschichte, deren Ausgang mich auch überzeugt hat.

Insgesamt ein spannender Gerichtsthriller bei dem Identität, Rassismus, Krankheit, Eltern, die Opfer für ihre Kinder bringen und die Wahrheit, mit ihren Facetten, zentral sind. Mich erinnerte das Buch ein wenig an Law&Order, nur in tiefgründiger.

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Veröffentlicht am 25.03.2020

Wunderschön illustriert mit toller Nachricht

Heute nicht
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Auch Kinder haben mal einen schlechten Tag – das Essen schmeckt nicht, das Zimmer muss aufgeräumt werden, die Eltern/Geschwister nerven, kurz: alles ist doof, nichts macht Spaß und man ist traurig. Heute ...

Auch Kinder haben mal einen schlechten Tag – das Essen schmeckt nicht, das Zimmer muss aufgeräumt werden, die Eltern/Geschwister nerven, kurz: alles ist doof, nichts macht Spaß und man ist traurig. Heute ist alles doof, aber wie sieht es vielleicht morgen aus? Da kann es schon wieder ganz anders aussehen!

Gerade in diesen Zeiten lege ich das wunderschön illustrierte Buch allen ans Herz. Für Kinder ist die Corona Krise oft nicht ganz greifbar. Warum darf man nicht zu Freunden, den Großeltern, nicht zur KiTa/Schule? Und immer nur zu Hause sitzen wird auf Dauer langweilig… Alles mag grau erscheinen und genau dann brauchen Kinder die Zuversicht, dass alles auch wieder besser werden kann. Nur die Frage ist eben, wann genau das kommen wird. Manchmal dauert es eben etwas länger – aber dieses „morgen“ wird kommen. Genau das können die Eltern ihren Kindern erklären.
Auch wenn wieder alles „normal“ läuft, ist das Buch zu empfehlen, denn Traurigkeit von Kindern wird altersgerecht thematisiert. Die Tiere, ob Bär, Löwe oder Lama, haben Sorgen, mit denen sich Kinder identifizieren können und genau diese Tiere zeigen auch Auswege und Möglichkeiten, um wieder fröhlich zu sein. Die Reime sind sehr gelungen und vermitteln in aller Kürze eine lehrreiche Nachricht – wo Schatten ist, muss auch Licht sein!
Die Illustrationen sind übersichtlich, farbenfroh, laden zum längeren Betrachten ein und auch für Erwachsene einfach schön anzusehen.

Zum Aufmuntern und zeigen, dass Sonnenschein auf Regen folgen kann, bietet sich das wundervoll illustrierte, farbenfrohe Buch an – und das nicht nur aktuell.

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Veröffentlicht am 18.03.2020

Erschütternd und bewegend

Loyalitäten
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Theo ist ein 12-jähriges Scheidungskind. Soweit teilt er das Schicksal vieler Kinder, doch seine Eltern reden überhaupt nicht mehr miteinander, zerrütteter könnte eine „Familie“ nicht sein und jede Woche ...

Theo ist ein 12-jähriges Scheidungskind. Soweit teilt er das Schicksal vieler Kinder, doch seine Eltern reden überhaupt nicht mehr miteinander, zerrütteter könnte eine „Familie“ nicht sein und jede Woche lebt er bei einem anderen. Sein depressiver Vater hat seine Arbeit verloren und Theo muss den Schein der Normalität aufrecht erhalten. Und auch seine Mutter ist verbittert, lässt Theo nach einer Woche bei seinem Vater ihre Launen an ihm aus…Der Druck auf den Jungen steigt und er sucht sich einen Ausweg. Mit seinem Freund Mathis trinkt er in der Schule Alkohol, um zu vergessen und sich leicht zu fühlen. Das bleibt nicht folgenlos und wird von einer Lehrerin bemerkt.

Ein bewegender Roman, der zeigt, wie Kinder die bedingungslose Loyalität gegenüber ihren Eltern leben – komme was will. Sie können dabei selbst unter die Räder kommen und kaum einer merkt etwas. Entweder sind die Erwachsenen zu sehr mit sich selbst beschäftigt, nehmen Symptome/Auffälligkeiten nicht ernst oder sie trauen sich nicht gegen einen möglichen Widerstand anzugehen. Ja, es mag sein, dass die betroffenen Eltern nicht gerne hören, dass mit ihrem Kind etwas nicht stimmt, aber im Sinne des Kindes ist es besser einfach nicht locker zu lassen, denn manche Abwärtsspirale ist vielleicht irgendwann nicht mehr rückgängig zu machen.

Das Verhalten der sogenannten Eltern hat mich wütend und sprachlos zugleich gemacht. Das gemeinsame Kind kann man doch nicht so zum Spielball machen und so blind für dessen Gefühlswelt werden. Beim Vater ist es vielleicht noch irgendwie zu verstehen, denn Depressionen sind so, aber die im Vergleicht gesunde Mutter müsste doch etwas merken und – im Sinne ihres eigenen Sohnes handeln.

Auch die Loyalität zwischen Freunden ist ein zentrales Thema. Wie lange macht man bei Aktionen, die einen selbst nicht überzeugen mit, wie lange deckt man den Freund und wann ist es Zeit die Notbremse zu ziehen? Was ist Loyalität und wo beginnt die „falsche“ Loyalität?
Lehrerin Helene, die eine alles andere als schöne Kindheit hatte, versucht Theo zu helfen und gerät selbst ins Straucheln und auch Mathis Mutter beäugt -aufgrund ihrer Vergangenheit- die Freundschaft ihres Sohnes zu Theo kritisch.

Aus verschiedenen Perspektiven schildert die Autorin die Geschichte, sodass der Leser zahlreiche Blickwinkel einnehmen kann und ein unheimlicher Sog entsteht, der den Leser vorantreibt, sodass ich das dünne Buch binnen eines Tages gelesen hatte. Man fiebert und hofft einfach mit. Manchmal möchte man die Figuren schütteln und anschreien, dass sie endlich mal richtig hinsehen sollen. Das Thema als solches, aber auch die zwischenmenschlichen Beziehungen sind interessant dargestellt.

Auch diesen aufwühlenden Roman aus der Feder der – aus meiner Sicht begnadeten Autorin – kann ich daher nur empfehlen. Man fragt sich auch selbst, wie man reagieren würde, ob man vielleicht schon stumme Hilfeschreie nicht gehört hat…Es ist ein dünnes Buch, aber eines mit einer unglaublichen Wucht.

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